Leitsatz (amtlich)
Ein Rechtsanwalt wirkt an einer "auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechung ohne Beteiligung des Gerichts" nur mit - und verdient damit eine Terminsgebühr nach § 2 Abs. 2 RVG -, wenn bei Beginn des Gesprächs eine Einigung der Parteien noch nicht erzielt worden war.
Normenkette
RVG § 2 Abs. 2; RVG Vorbemerkung 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Köln (Beschluss vom 19.08.2016; Aktenzeichen 1 T 294/16) |
AG Brühl (Beschluss vom 26.04.2016; Aktenzeichen 21 C 31/16) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des LG Köln vom 19.8.2016 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 608,40 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Rz. 1
Die Klägerin hat die Beklagten mit am 9.3.2016 zugestellter Klage auf Räumung und Herausgabe einer Mietwohnung sowie auf Zahlung rückständiger Miete in Anspruch genommen.
Rz. 2
Am 16.3.2016 kam es zu einem Telefonat zwischen dem Beklagten zu 2) und einem Mitarbeiter der von der Klägerin beauftragten Hausverwaltung, in welchem dem Beklagten mitgeteilt wurde, dass für den Fall des vollständigen Ausgleichs der rückständigen Mietzahlungen an dem Räumungsbegehren nicht mehr festgehalten werde. Der Mitarbeiter der Hausverwaltung bat den Beklagten, dies auch dem anwaltlichen Vertreter der Klägerin telefonisch mitzuteilen. Nachdem die Beklagte zu 1) noch am selben Tag im Büro des anwaltlichen Vertreters der Klägerin angerufen und um Rückruf gebeten hatte, rief der Anwalt die Beklagte später zurück. In diesem Gespräch teilte die Beklagte dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin den Inhalt des Gesprächs mit dem Mitarbeiter der Hausverwaltung mit.
Rz. 3
Nach vollständiger Zahlung der Mietrückstände hat die Klägerin den Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 23.3.2016 in der Hauptsache für erledigt erklärt; dem sind die Beklagten nicht entgegengetreten. Mit Beschluss vom 26.4.2016 hat das AG den Beklagten die Kosten des Rechtsstreits gem. § 91a ZPO auferlegt.
Rz. 4
Am 29.4.2016 hat die Klägerin einen Kostenfestsetzungsantrag gestellt, in dem u.a. die 1,2-fache Terminsgebühr gem. Nr. 3104 RVG-VV i.H.v. 608,40 EUR beansprucht wird. Das AG hat die genannte Terminsgebühr abgesetzt und die Kosten im Übrigen antragsgemäß durch Beschluss vom 10.8.2016 festgesetzt. Die hinsichtlich der nicht berücksichtigten Terminsgebühr eingelegte sofortige Beschwerde ist vom LG zurückgewiesen worden. Mit der vom LG zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
II.
Rz. 5
Die nach § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das LG hat zu Recht angenommen, dass im Streitfall eine 1,2-fache Terminsgebühr nach § 2 Abs. 2 RVG, Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 in Verbindung mit Nr. 3104 RVG-VV nicht angefallen ist.
Rz. 6
1. Das LG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, zwar entstehe die Terminsgebühr nach Nr. 3104 RVG-VV auch für die Mitwirkung an Besprechungen, die auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet seien, insb. auch in Fällen in denen der Bevollmächtigte einer Partei im Rahmen des Telefonats die auf eine Erledigung des Verfahrens gerichteten Äußerungen der Gegenseite zwecks Prüfung und Weiterleitung an seine Partei zur Kenntnis nehme. Im Streitfall hätten sich die Parteien indes bereits in dem vorangegangenen Gespräch mit der Hausverwaltung geeinigt; das Gespräch mit dem Prozessbevollmächtigten habe lediglich dazu gedient, diesen von der Einigung in Kenntnis zu setzen. Dies reiche für das Entstehen der Terminsgebühr nicht aus.
Rz. 7
2. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen ist.
Rz. 8
a) Nach § 2 Abs. 2 RVG, Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 RVG-VV verdient der Rechtsanwalt die Terminsgebühr auch durch die Mitwirkung an einer auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechung ohne Beteiligung des Gerichts. Nach der Intention des Gesetzgebers sollte mit dieser Regelung der Anwendungsbereich der Terminsgebühr erweitert werden; die Gebühr soll insb. bereits dann verdient sein, wenn der Rechtsanwalt an auf die Erledigung des Rechtsstreits des Verfahrens gerichteten Besprechungen mitwirkt, insb. wenn diese auf den Abschluss des Verfahrens durch eine gütliche Einigung zielen (BT-Drucks. 15/1971, 209). Dementsprechend hat der BGH an das Merkmal der - auch telefonisch durchführbaren - Besprechung keine besonderen Anforderungen gestellt und die Terminsgebühr als entstanden angesehen, wenn der Gegner die auf eine Erledigung des Verfahrens gerichteten Äußerungen zwecks Prüfung und Weiterleitung an seine Partei zur Kenntnis nimmt (BGH, Beschl. v. 20.11.2006 - II ZB 9/06, NJW-RR 2007, 286 Rz. 7 m.w.N.) oder sich auch nur an Gesprächen mit dem Ziel einer Einigung interessiert zeigt (BGH, Beschl. v. 27.2.2007 - XI ZB 38/05, NJW 2007, 2858 Rz. 10).
Rz. 9
b) Ausgehend von vorstehenden rechtlichen Erwägungen fällt - wie das LG zutreffend erkannt hat - das Telefonat der Beklagten zu 1) mit dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 16.3.2016 selbst bei Zugrundelegung eines gebotenen weiten Verständnisses nicht mehr unter den Begriff der Besprechung i.S.d. § 2 Abs. 2 RVG, Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 RVG-VV. Für diese rechtliche Wertung ist von entscheidender Bedeutung, dass eine Mitwirkung an einer auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechung jedenfalls voraussetzt, dass bei Beginn des Gesprächs, das den genannten Gebührentatbestand auslösen soll, eine Einigung noch nicht erzielt worden ist. Denn nur in diesem Fall kann die Besprechung auf die (zukünftige) Erledigung des Verfahrens gerichtet sein. Dies verkennt die Rechtsbeschwerde, wenn sie ausführt, dem Umstand, dass sich die Beklagtenseite mit dem Mitarbeiter der Hausverwaltung der Klägerin zuvor bereits über die Modalitäten einer Einigung verständigt hatte, komme für die Erfüllung des Gebührentatbestandes keine Bedeutung zu, weil hierfür allein entscheidend sei, dass sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin an einer außergerichtlichen Erledigung interessiert gezeigt habe. Vielmehr erschöpfte sich das Gespräch der Beklagten zu 1) mit dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der bloßen Übermittlung der bereits zuvor erzielten Einigung und damit einer dieser nachfolgenden (reinen) Sachinformation.
Fundstellen
Haufe-Index 10872646 |
BB 2017, 1410 |