Verfahrensgang

LG Köln (Entscheidung vom 26.07.2021; Aktenzeichen 34 T 100/21)

AG Kerpen (Entscheidung vom 18.06.2021; Aktenzeichen 68 XIV (B) 5/21)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Vertrauensperson des Betroffenen gegen den Beschluss der 34. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 26. Juli 2021 wird auf ihre Kosten mit der Maßgabe als unzulässig verworfen, dass der Tenor des Beschlusses im ersten Absatz dahin berichtigt wird, dass es statt "Die Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 12.12.2019 (Az. 507f XIV (B) 347/19) wird zurückgewiesen" heißt "Die Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Kerpen vom 18.06.2021 (Az. 68 XIV (B) 5/21) wird zurückgewiesen".

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

 

Gründe

Rz. 1

I. Der Betroffene, ein marokkanischer Staatsangehöriger, reiste im Jahr 2015 in das Bundesgebiet ein. Ein Asylverfahren wurde durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wegen Nichtbetreibens im Jahr 2017 eingestellt. Nach mehrfacher Aus- und Wiedereinreise wurde der Betroffene im Juni 2021 in polizeilichen Gewahrsam genommen. Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht Kerpen mit Beschluss vom 18. Juni 2021 Haft zur Sicherung der Abschiebung des Betroffenen bis zum 30. Juli 2021 angeordnet. Gegen diesen Beschluss hat der anwaltlich vertretene Betroffene am 30. Juni 2021 Beschwerde eingelegt. Am 8. Juli 2021 hat der Rechtsbeschwerdeführer unter Vorlage einer entsprechenden schriftlichen Erklärung und Vollmacht des Betroffenen vom selben Tag angezeigt, dass er dessen Person des Vertrauens (Vertrauensperson) sei. Zugleich hat er für den Betroffenen beantragt, nach § 426 Abs. 2 FamFG die Haft aufzuheben und festzustellen, dass diese ab Eingang dieses Schreibens rechtswidrig war, sowie im Falle einer Haftentlassung das Verfahren als Feststellungsverfahren nach § 62 FamFG fortzusetzen. Das Amtsgericht hat der Beschwerde des Betroffenen mit Beschluss vom 16. Juli 2021 nicht abgeholfen; über den Haftaufhebungsantrag der Vertrauensperson hat das Amtsgericht nicht entschieden. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde mit dem angefochtenen Beschluss vom 26. Juli 2021 zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Vertrauensperson mit der nach Ablauf der angeordneten Haftdauer auf Feststellung gerichteten Rechtsbeschwerde.

Rz. 2

II. Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Dem Rechtsbeschwerdeführer steht die erforderliche Rechtsbeschwerdebefugnis nicht zu.

Rz. 3

1. Nach § 70 Abs. 1 FamFG ist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde ein Beteiligter befugt, wobei gemäß § 7 Abs. 3 FamFG auch derjenige Beteiligter ist, den das Gericht von Amts wegen oder auf Antrag hinzugezogen hat, soweit dies im FamFG oder einem anderen Gesetz vorgesehen ist (sog. "Kann-Beteiligter"). In Freiheitsentziehungsverfahren ist ein solcher Kann-Beteiligter gemäß § 418 Abs. 3 Nr. 2 FamFG eine vom Betroffenen benannte Vertrauensperson. Darüber hinaus kann die Rechtsbeschwerdebefugnis grundsätzlich nur dann bejaht werden, wenn der Rechtsbeschwerdeführer in seinen Rechten beeinträchtigt (§ 59 Abs. 1 FamFG) oder ausnahmsweise - wie etwa in § 303 Abs. 2 FamFG oder § 429 Abs. 2 FamFG - eine Beschwerdeführung im fremden Interesse zugelassen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. Mai 2023 - XIII ZB 9/20 und XIII ZB 27/20, jeweils juris Rn. 4, mwN).

Rz. 4

2. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens war die Beschwerde des Betroffenen. Das Amtsgericht hat im Nichtabhilfebeschluss vom 16. Juli 2021 - vor dem Hintergrund, dass Haftanordnungs- und Haftaufhebungsverfahren jeweils selbständige Verfahren bilden (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2022 - XIII ZB 131/19, NVwZ-RR 2023, 298 Rn. 8), zu Recht - allein "dem Rechtsmittel von Rechtsanwalt M. vom 30. Juni 2021", also der Beschwerde des Betroffenen, nicht abgeholfen und keine Entscheidung über den Haftaufhebungsantrag des Rechtsbeschwerdeführers getroffen. Dieser Antrag ist somit nicht an das Beschwerdegericht gelangt und schon deshalb nicht Gegenstand der Beschwerdeentscheidung.

Rz. 5

Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde unterliegt es auch keinen Zweifeln, dass das Beschwerdegericht in dem angefochtenen Beschluss die Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Kerpen vom 18. Juni 2021 zurückgewiesen hat, auch wenn im Tenor ein Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 12. Dezember 2019 und ein anderes Aktenzeichen angeführt wird. Hierbei handelt es sich offensichtlich um eine versehentliche Falschbezeichnung, wie sich sowohl aus der Nennung des zutreffenden Amtsgerichts und Aktenzeichens im Rubrum als auch insbesondere aus der Begründung des angefochtenen Beschlusses ergibt, die unzweifelhaft auf den Betroffenen und die gegen diesen verhängte Sicherungshaft durch Beschluss des Amtsgerichts Kerpen vom 18. Juni 2021 bezogen ist. Da in diesem Beschluss der Haftaufhebungsantrag des Rechtsbeschwerdeführers nicht behandelt wird, steht ebenso eindeutig fest, dass dieser nicht Gegenstand der angefochtenen Beschwerdeentscheidung ist.

Rz. 6

3. Im Hinblick auf die Zurückweisung der Beschwerde des Betroffenen fehlt es an der erforderlichen Rechtsbeschwerdebefugnis des Rechtsbeschwerdeführers.

Rz. 7

a) Der Rechtsbeschwerdeführer selbst war hinsichtlich der Haftanordnung weder materiell noch formell beschwert. Seine Beschwerdebefugnis folgt insoweit auch nicht (unmittelbar) aus § 429 Abs. 2 Nr. 2 FamFG, denn er war an dem Verfahren vor dem Amtsgericht nicht als Vertrauensperson beteiligt. Der Betroffene hat ihn erst nach Erlass des Beschlusses des Amtsgerichts vom 18. Juni 2021 als Vertrauensperson benannt. Zu diesem Zeitpunkt war eine Beteiligung im ersten Rechtszug nicht mehr möglich (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. Mai 2023 - XIII ZB 9/20 und XIII ZB 27/20, jeweils juris Rn. 9, mwN).

Rz. 8

b) Die Rechtsbeschwerdebefugnis der Vertrauensperson im Hinblick auf die Zurückweisung der Beschwerde des Betroffenen ergibt sich auch nicht aus einer entsprechenden Anwendung des § 429 Abs. 2 Nr. 2 FamFG. Wie der Senat entschieden hat, kommt eine Analogie dahin, dass die erstmalige Beteiligung im zweiten Rechtszug in gleicher Weise die Rechtsbeschwerdebefugnis begründet wie die Beteiligung im ersten Rechtszug die Beschwerdebefugnis, nicht in Betracht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. Mai 2023 - XIII ZB 9/20 und XIII ZB 27/20, jeweils juris Rn. 10).

Rz. 9

III. Aufgrund der oben (Rn. 5) genannten offenkundigen Unrichtigkeit ist der Tenor des angefochtenen Beschlusses gemäß § 42 Abs. 1 FamFG zu berichtigen. Die Berichtigung kann auch das Rechtsmittelgericht vornehmen (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 1996 - VIII ZR 221/95, BGHZ 133, 184 [juris Rn. 27]; Beschluss vom 14. Dezember 2016 - XII ZB 345/16, BGHZ 213, 168 Rn. 12; vgl. auch Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 7. September 2007, BT-Drucks. 16/6308, S. 197). Eines Hinweises durch den Senat bedurfte es nicht, da die Rechtsbeschwerde selbst davon ausgeht, dass durch den angefochtenen Beschluss die Beschwerde des Betroffenen gegen den Haftanordnungsbeschluss des Amtsgerichts Kerpen vom 18. Juni 2021 zurückgewiesen worden ist und sich gerade gegen diesen Entscheidungsinhalt wendet.

Rz. 10

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.

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Fundstellen

Dokument-Index HI16031199

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