Leitsatz (amtlich)
Ergeben sich in einem Verfahren auf Aufhebung der Betreuung keine greifbaren Anhaltspunkte für eine Veränderung der der Betreuungsanordnung zugrunde liegenden tatsächlichen Umstände, so erfordert das Aufhebungsverfahren keine erneute Betreuerauswahl nach den Maßstäben des § 1897 BGB.
Normenkette
BGB §§ 1897, 1908b; FamFG § 294 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Mainz (Beschluss vom 22.05.2018; Aktenzeichen 8 T 71/18) |
AG Worms (Beschluss vom 06.03.2018; Aktenzeichen 40 XVII 430/16) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss der 8. Zivilkammer des LG Mainz vom 22.5.2018 wird zurückgewiesen.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei.
Wert: 5.000 EUR
Gründe
I.
Rz. 1
Die 83-jährige Betroffene leidet an einer fortgeschrittenen Demenz, wegen derer sie ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst erledigen kann. Unter dem 20.3.2016 hatte sie ihrem Sohn, dem Beteiligten zu 1), Vorsorgevollmacht erteilt. Als die Betroffene im September 2016 vorläufig nach öffentlichem Recht untergebracht worden war, erklärte der Beteiligte zu 1) in gesonderten Erklärungen gegenüber der Betreuungsbehörde, der Einrichtungsleitung und dem AG, dass er die Vollmacht nicht mehr ausüben wolle, da er sich mit der Regelung der Angelegenheiten der Mutter überfordert sehe. Er wünsche, dass die Angelegenheiten durch eine gesetzliche Betreuung erledigt werden, und drängte auf eine "Rückgabe" der Vollmacht. Gegenüber dem AG regte er die Einrichtung einer Vereinsbetreuung an.
Rz. 2
Durch Beschluss vom 27.9.2016 ordnete das AG zunächst eine vorläufige und durch weiteren Beschluss vom 3.2.2017 eine dauerhafte Betreuung mit dem Aufgabenkreis der Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitssorge, Vermögenssorge einschließlich Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern sowie Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post im Rahmen der übertragenen Angelegenheiten an und bestellte den Beteiligten zu 4) zum Berufsbetreuer.
Rz. 3
Am 27.2.2017 hat der Beteiligte zu 1) unter Hinweis auf eine bestehende "Einspruchsmöglichkeit durch einen Dritten" beantragt, anstelle des Berufsbetreuers selbst zum Betreuer bestellt zu werden. Mit Schriftsatz vom 28.7.2017 hat er einen Betreuerwechsel nach § 1908b Abs. 1 Satz 3 BGB beantragt mit dem Ziel, selbst zum Betreuer bestellt zu werden; mit weiterem Schriftsatz vom 19.2.2018 hat er im Hinblick auf die aus seiner Sicht fortbestehende Vollmacht beantragt, die Betreuung aufzuheben.
Rz. 4
Das AG hat den Antrag auf Aufhebung der Betreuung durch Beschluss vom 6.3.2018 zurückgewiesen. Hiergegen hat der Beteiligte zu 1) Beschwerde eingelegt mit dem Ziel, selbst gemeinsam mit seiner Schwester als Betreuer eingesetzt zu werden, da dies dem aktuellen Willen der Betroffenen entspreche, hilfsweise eine Kontrollbetreuung einzurichten im Hinblick auf die bestehende Vollmacht. Nach einem Hinweis des LG hat der Beteiligte zu 1) klargestellt, dass sich die Beschwerde gegen die Fortdauer der Betreuung richte, und hilfsweise die Einrichtung einer Kontrollbetreuung beantragt. Das LG hat die Beschwerde zurückgewiesen; hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1).
II.
Rz. 5
Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
Rz. 6
1. Das LG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dass die Voraussetzungen der Betreuung nicht weggefallen seien (§ 1908d Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Betroffene leide weiterhin an fortgeschrittener Demenz vom Alzheimer Typ und sei nicht in der Lage, ihren Willen frei zu bilden oder einsichtsgemäß zu handeln. Die Betreuung sei auch trotz vorhandener Vollmacht nicht entbehrlich. Die wirksame Errichtung der Vollmacht könne dahinstehen, da der Beteiligte zu 1) jedenfalls ungeeignet sei, die Angelegenheiten der Betroffenen zu besorgen, nachdem er sich mit der Aufgabe überfordert gesehen, eine Übernahme der Verantwortung für die Angelegenheiten der Betroffenen abgelehnt habe, er die Pflege der Betroffenen schädlich beeinflusse und hinsichtlich der Grundstücksangelegenheiten in einem Interessenkonflikt mit der Betroffenen stehe. Auch sei die ursprüngliche Betreuerauswahl des AG nicht zu beanstanden. Allerdings sei nunmehr auch die Schwester des Beteiligten zu 1) und Tochter der Betroffenen als ehrenamtliche Betreuerin in Betracht zu ziehen, worüber das AG im Rahmen eines Verfahrens auf Betreuerwechsel zu entscheiden habe.
Rz. 7
2. Die angefochtene Entscheidung hält einer rechtlichen Nachprüfung stand.
Rz. 8
a) Gemäß § 294 Abs. 1 FamFG gelten für die Aufhebung der Betreuung die §§ 279, 288 Abs. 2 Satz 1 FamFG entsprechend. Nicht erfasst werden von der Verweisung § 278 Abs. 1 FamFG und § 280 FamFG, die die persönliche Anhörung des Betroffenen und die Einholung eines Sachverständigengutachtens vorschreiben. Es verbleibt insoweit bei den allgemeinen Verfahrensregeln. Die Durchführung eines Verfahrens auf Aufhebung einer Betreuung wird daher maßgebend von den Grundsätzen der Amtsermittlung (§ 26 FamFG) bestimmt. Nur nach den Maßstäben dieser Vorschrift bestimmt sich, ob im Einzelfall eine erneute persönliche Anhörung des Betroffenen durchzuführen oder ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen ist (BGH, Beschl. v. 2.2.2011 - XII ZB 467/10, FamRZ 2011, 556 Rz. 9 f.).
Rz. 9
Für die Durchführung weiterer tatsächlicher Ermittlungen bedarf es greifbarer Anhaltspunkte für eine Veränderung der der Betreuerbestellung zugrunde liegenden tatsächlichen Umstände (BGH, Beschl. v. 2.2.2011 - XII ZB 467/10, FamRZ 2011, 556 Rz. 11; vgl. auch zum Einwilligungsvorbehalt BGH v. 11.7.2018 - XII ZB 615/17, MDR 2018, 1187 Rz. 10). Hat der Antragsteller in einem vor Ablauf der Überprüfungsfrist angestrengten Aufhebungsverfahren - wie hier - keine Gründe dargetan, die eine Aufhebung der Betreuung rechtfertigen könnten, ist das Gericht ohne konkreten Anlass nicht verpflichtet, durch Einholung eines neuen Sachverständigengutachtens in eine Amtsermittlung über die Fortdauer der Betreuungsbedürftigkeit einzutreten.
Rz. 10
b) Solche Gründe sind hier weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Wie das LG zutreffend erkannt hat, ergeben sich Gründe für weitere tatsächliche Ermittlungen auch nicht aus der Behauptung des Beteiligten zu 1), er habe die Ausübung seiner Vollmacht seinerzeit nur wegen einer vorübergehenden Erkrankung abgelehnt, durch die er inzwischen nicht mehr gehindert sei, die Angelegenheiten der Betroffenen kraft seiner Vorsorgevollmacht zu besorgen. Tatsächlich hatte der Beteiligte zu 1) nämlich angegeben, der Vollmacht nur zugestimmt zu haben, weil man ihm gesagt habe, dass seine Mutter ansonsten in ein Pflegeheim aufgenommen werden müsse. Er sei mit der Regelung der Angelegenheiten seiner Mutter überfordert und habe Sorge, etwas falsch zu machen; er wolle nicht noch einmal, wie in seiner Jugend wegen Drogen, in das Gefängnis. Diese Motive erweisen sich als vom Gesundheitszustand des Beteiligten zu 1) unabhängig und lassen es als erforderlich erscheinen, den Hilfebedarf der Betroffenen durch die eingerichtete Betreuung abzudecken.
Rz. 11
c) In einem Fall fehlender greifbarer Anhaltspunkte für eine Veränderung der der Betreuungsanordnung zugrunde liegenden tatsächlichen Umstände bedarf es auf den Aufhebungsantrag hin auch nicht einer Überprüfung der Betreuerauswahl.
Rz. 12
Zwar hat der Senat entschieden, dass es sich bei einer Entscheidung über die Einrichtung einer Betreuung ebenso wie bei einer Entscheidung über die Erweiterung einer bereits bestehenden Betreuung jeweils um eine Einheitsentscheidung handelt, bei der sich die Auswahl der Person des Betreuers nach der Vorschrift des § 1897 BGB richtet (vgl. BGH v. 14.3.2018 - XII ZB 547/17, FamRZ 2018, 850 Rz. 11).
Rz. 13
Ergibt sich jedoch mangels greifbarer Anhaltspunkte für eine Veränderung der der Betreuungsanordnung zugrunde liegenden tatsächlichen Umstände keine Notwendigkeit, die Anordnung der Betreuung als solche in Frage zu stellen, eröffnet das Aufhebungsverfahren auch keine erneute Betreuerauswahl nach den Maßstäben des § 1897 BGB. Denn für einen Betreuerwechsel während laufender Betreuung hat der Gesetzgeber besondere Voraussetzungen in § 1908b BGB normiert, die andernfalls unterlaufen würden.
Rz. 14
Das LG hat deshalb zutreffend darauf verwiesen, dass über den beantragten Betreuerwechsel das AG nach den Maßstäben des § 1908b BGB zu entscheiden hat.
Rz. 15
3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
Fundstellen