Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschwerdeverfahren. Rechtsmittel. Verfahrenspfleger. Aufgabenbereich. Kostenerstattung
Leitsatz (amtlich)
a) Weist das OLG die sofortige Beschwerde, mit der sich der in einem Sorgerechtsverfahren bestellte Verfahrenspfleger gegen den eine Erstattung seiner Aufwendungen ablehnenden Beschluss des Familiengerichts wendet, zurück, so ist hiergegen ein Rechtsmittel zum BGH auch dann nicht eröffnet, wenn das OLG eine weitere Beschwerde zugelassen hat.
b) Zu den Aufgaben des Verfahrenspflegers und zur Erstattung der Kosten für eine von diesem in Anspruch genommene Beratung durch einen Psychologen ("Supervisor").
Normenkette
FGG § 67a Abs. 5 S. 2 i.V.m., § 56g Abs. 1, 5, §§ 27-28, 29 Abs. 2; GVG § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. a, § 133; ZPO § 621 Abs. 1, § 621e Abs. 2; BGB § 1835 i.V.m.; FGG § 67 Abs. 3 a.F.
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Beschluss vom 24.08.2004; Aktenzeichen 3 WF 197/03) |
AG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 29.07.2003; Aktenzeichen 35 F 7407/02) |
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss des 3. Senats für Familiensachen des OLG Frankfurt/M. vom 24.8.2004 wird auf Kosten des Antragstellers verworfen.
Beschwerdewert: 464 EUR
Gründe
I.
[1] In dem Sorgerechts- und Unterbringungsverfahren betreffend das minderjährige Kind P.R. wurde der Beteiligte zu 1) zum Verfahrenspfleger für das Kind bestellt. Für diese Tätigkeit hat er u.a. Ersatz von Aufwendungen i.H.v. 464 EUR verlangt. Dabei handelt es sich um eine Vergütung, die ihm sein "Supervisor", ein Diplom-Psychologe und Psychotherapeut, für jeweils zwei Sitzungen am 17. und 23.10.2002 (von jeweils 45 Minuten zu 100 EUR) in Rechnung gestellt hat. Gegenstand der Sitzungen war ausweislich der erteilten Rechnung "die fallbezogene Beratung/Supervision (Doppelsitzung) Familie R.".
[2] Das AG hat eine Erstattung der Kosten der "Supervision" abgelehnt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Verfahrenspflegers hat das OLG zurückgewiesen. Mit der vom OLG unter Hinweis auf § 56g Abs. 5 FGG zugelassenen weiteren Beschwerde verfolgt der Verfahrenspfleger sein Erstattungsverlangen weiter.
II.
[3] Das Rechtsmittel ist nicht statthaft.
[4] 1. Das Rechtsmittel ist nicht als sofortige weitere Beschwerde nach §§ 27, 29 Abs. 2 FGG statthaft.
[5] Nach § 67a Abs. 5 Satz 2 FGG (= § 67 Abs. 3 Satz 3 FGG a.F.) bestimmt sich das Verfahren für die Festsetzung von Vergütung und Aufwendungsersatz des Verfahrenspflegers nach dem entsprechend anzuwendenden § 56g Abs. 1 und 5 FGG. Nach § 56g FGG entscheidet das Vormundschaftsgericht über die Vergütung und den Aufwendungsersatz des Vormunds; gegen diese Entscheidung findet nach Maßgabe des § 56g Abs. 5 FGG die sofortige Beschwerde und - bei Zulassung - die sofortige weitere Beschwerde (§§ 27, 29 Abs. 2 FGG) statt. Bei einer entsprechenden Anwendung dieser Regelung auf den Verfahrenspfleger hat das Familiengericht, wenn es eine Verfahrenspflegschaft anordnet, über den Vergütungs- und Aufwendungsersatzanspruch des Verfahrenspflegers zu entscheiden. Gegen die Entscheidung des Familiengerichts ist die sofortige Beschwerde gegeben, über die allerdings nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. a GVG nicht das LG, sondern - wie hier auch geschehen - das OLG zu entscheiden hat.
[6] Daraus folgt indes nicht, dass nunmehr gegen die Beschwerdeentscheidung des OLG eine sofortige weitere Beschwerde zum BGH eröffnet ist. Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 56g Abs. 5 Satz 2 FGG, der gegen die Beschwerdeentscheidung nur die "weitere Beschwerde (§ 27 FGG)" zulässt, über die jedoch nach § 28 Abs. 1 FGG ausschließlich das OLG entscheidet. Eine Zuständigkeit des BGH ist insoweit im Übrigen auch gerichtsverfassungsrechtlich nicht eröffnet (Keidel/Engelhardt Freiwillige Gerichtsbarkeit 15. Aufl. § 56g Rdn. 41). Gemäß § 133 GVG ist der BGH in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für die Entscheidung von Rechtsbeschwerden zuständig. Die in § 27 FGG geregelte weitere Beschwerde ist zwar in der Sache eine Rechtsbeschwerde; sie wird jedoch vom Begriff der "Rechtsbeschwerde", den § 133 GVG auf die in §§ 572 ff., 621e Abs. 2 ZPO geregelten Rechtsmittel bezieht, nicht erfasst. Diese Eingrenzung des § 133 GVG ergibt sich aus dem System der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, dessen Instanzenzug beim OLG endet und das eine Befassung des BGH nur unter den Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 FGG zulässt. Sie folgt aber auch aus dem Umstand, dass der frühere Zuständigkeitskatalog des § 133 GVG in der vor dem Inkrafttreten des Zivilprozessreformgesetzes geltenden Fassung eine Zuständigkeit des BGH für weitere Beschwerden nach § 27 FGG nicht eröffnete. Mit der Anpassung dieser Vorschrift an das vom Zivilprozessreformgesetz neu strukturierte Rechtsmittelrecht war eine Ausweitung der Zuständigkeit des BGH auf Beschwerdeverfahren nach dem FGG nicht beabsichtigt.
[7] 2. Das Rechtsmittel ist auch nicht als Rechtsbeschwerde nach § 621e Abs. 2 ZPO statthaft.
[8] Nach dieser Vorschrift ist in den dort aufgeführten Familiensachen bei Zulassung die Rechtsbeschwerde eröffnet. Eine solche Familiensache liegt hier jedoch nicht vor. Zwar wird mit dem Rechtsmittel eine Entscheidung angegriffen, mit der - wie ausgeführt - das (nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. a GVG zuständige) OLG über eine Beschwerde gegen eine Entscheidung des Familiengerichts entschieden hat. Hier geht es jedoch ausschließlich um den Aufwendungsersatzanspruch des vom Familiengericht in einem Sorgerechtsverfahren bestellten Verfahrenspflegers, nicht aber um die elterliche Sorge selbst. Die Zuständigkeit des Familien- und des OLG für einen solchen Rechtsstreit beruht deshalb auch nicht auf § 621 Abs. 1 ZPO, sondern ausschließlich auf § 67a Abs. 5 Satz 2 FGG (= § 67 Abs. 3 Satz 3 FGG a.F.) i.V.m. § 56g Abs. 1 und 5 FGG. Daraus folgt, dass in einem solchen Rechtsstreit eine Rechtsbeschwerde nach § 621e Abs. 2 ZPO nicht eröffnet ist.
[9] 3. An die Zulassung des Rechtsmittels durch das OLG ist der Senat nicht gebunden. Durch die Zulassung wird dem Beschwerdeführer die Rechtsbeschwerde oder weitere Beschwerde zugänglich gemacht, wenn sie nach dem Gesetz grundsätzlich statthaft ist. Sie wird aber nicht in Fällen eröffnet, in denen - wie hier - eine Anfechtbarkeit ausgeschlossen ist (vgl. etwa Senatsbeschlüsse BGHZ 159, 14, 15 = FamRZ 2004, 1191, 1192 m.w.N. und vom 11.5.2005 - XII ZB 189/03 - FamRZ 2005, 1481).
[10] 4. Schließlich kommt - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - auch eine Umdeutung des Rechtsmittels in eine Vorlage nach § 28 Abs. 2 FGG nicht in Betracht.
[11] Nach § 28 Abs. 2 FGG besteht eine Vorlagepflicht nur dann, wenn ein OLG bei der Entscheidung über eine weitere Beschwerde von der auf weitere Beschwerde ergangenen Entscheidung eines anderen OLG oder von einer Entscheidung des BGH abweichen will. Diese Voraussetzungen liegen hier schon deshalb nicht vor, weil die angegriffene Entscheidung auf eine sofortige Beschwerde, nicht aber auf eine sofortige weitere Beschwerde hin ergangen ist. Die Frage, ob eine Vorlagepflicht in entsprechender Anwendung des § 28 Abs. 2 FGG auch in Fällen besteht, in denen - wie hier - das OLG nicht als Gericht der weiteren Beschwerde, sondern als Beschwerdegericht tätig geworden ist, erscheint zweifelhaft. Dafür mag sich ein auch in solchen Fällen bestehendes Bedürfnis nach Vereinheitlichung der Rechtsprechung anführen lassen. Dagegen spricht jedoch die Konstruktion des § 28 Abs. 2 FGG, nach welcher der BGH in Vorlagefällen an die Stelle des vorlegenden Gerichts tritt und damit - bei zulässiger Vorlage eines Beschwerdegerichts - als Tatrichter entscheiden müsste. Die Frage kann hier dahinstehen. Denn ein von einem Verfahrensbeteiligten eingelegtes Rechtsmittel lässt sich schon seiner Natur nach nicht in eine nur dem Gericht selbst mögliche Vorlage umdeuten. Im Übrigen fehlte es hier auch an den Darlegungen des Gerichts zur Zulässigkeit einer solchen Vorlage. Der bloße - die Zulassung des Rechtsmittels begründende - Hinweis des OLG, das OLG Karlsruhe habe in einem Beschluss vom 22.12.2000 (OLGR 2001, 435) "ausnahmsweise ... die Kosten einer Supervision anerkannt", ersetzt diese Darlegungen nicht.
III.
[12] Im Übrigen wäre das Rechtsmittel aber auch nicht begründet.
[13] 1. Das OLG hat einen Vergütungsanspruch des Verfahrenpflegers verneint, weil der Zeitaufwand für eine kollegiale Fachberatung sowie für die Supervision ebensowenig vergütungsfähig sei wie der Zeitaufwand für die allgemeine Fortbildung. Die Kosten der Supervision seien nicht erstattungsfähig, da diese Tätigkeit nicht der Erfüllung der gestellten Aufgabe als Verfahrenspfleger diene, sondern dem allgemeinen Eigeninteresse des Verfahrenspflegers. Vergütet werde jedoch nur die Leistung, die der Verfahrenspfleger zur Wahrnehmung der subjektiven Interessen des Kindes erbringe.
[14] 2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nur im Ergebnis stand.
[15] Der Beschwerdeführer macht keinen Vergütungsanspruch, sondern einen Anspruch auf Erstattung von Aufwendungen geltend (§ 67 Abs. 3 FGG a.F. i.V.m. § 1835 Abs. 1 Satz 1, § 670 BGB; zur Anwendbarkeit des bis zum 2. BtÄndG geltenden Rechts vgl. Art. 229 § 14 EGBGB). Ein solcher Anspruch ist indes nicht begründet.
[16] Nach den genannten Vorschriften kann der Verfahrenspfleger nur Ersatz solcher Aufwendungen verlangen, deren Vornahme zur Führung der konkreten Verfahrenspflegschaft erforderlich ist. Deshalb sind nur solche Ausgaben erstattungsfähig, die individualisierbar, d.h. auf die Verfahrenspflegschaft bezogen sind. Aus diesem Grund können allgemeine Kosten, wie sie etwa für Aus- oder Weiterbildungsveranstaltungen anfallen mögen, auch dann nicht der Staatskasse als Aufwendungen für die konkrete Verfahrenspflegschaft in Rechnung gestellt werden, wenn sie letztlich auch dem Pflegling zugute kommen (vgl. etwa MünchKomm/Wagenitz BGB 4. Aufl. § 1835 Rdn. 13).
[17] Ob die pauschale Aussage des OLG, die "Supervision" habe nur dem allgemeinen Eigeninteresse des Verfahrenspflegers gedient, angesichts dessen gegenteiliger Behauptungen und der von ihm vorgelegten Rechnung des "Supervisors" trägt, kann dahinstehen. Ein Ersatz von Kosten, die dadurch entstanden sind, dass der Verfahrenspfleger einen Berater hinzugezogen hat, ist allenfalls dann möglich, wenn - was der Verfahrenspfleger darzulegen hat - die Inanspruchnahme eines solchen Beraters für die Durchführung der konkreten Verfahrenspflegschaft notwendig war. Dies ist hier weder vom Verfahrenspfleger dargetan noch sonst ersichtlich. Der Verfahrenspfleger ist - worauf bereits das AG hingewiesen hat - hier zumindest auch im Hinblick auf seine Qualifikation als Diplom-Sozialpädagoge zum Verfahrenspfleger für das Kind P.R. bestellt worden. Dass die sachgerechte Wahrnehmung der Verfahrenspflegschaft - angesichts des begrenzten Aufgabenkreises eines Verfahrenspflegers - die Inanspruchnahme weitergehenden Sachverstandes erfordert, ist nicht erkennbar. Es mag sein, dass eine "Exploration" des Kindes und seiner Angehörigen, wie sie vom Verfahrenspfleger der Staatskasse wiederholt und unter Ansatz eines nicht unerheblichen Zeitaufwands als vergütungspflichtige Tätigkeit in Rechnung gestellt worden ist, ein von der üblichen Ausbildung eines Sozialpädagogen nicht umfasstes medizinisches oder psychologisches Fachwissen verlangt. Eine solche fachliche "Exploration" ist jedoch im Bedarfsfall einem vom Gericht zu beauftragenden Sachverständigen vorbehalten und gehört jedenfalls nicht zu den Aufgaben eines - nur mit der Wahrnehmung der Verfahrensinteressen des Kindes beauftragten - Pflegers für das Verfahren (vgl. auch OLG Brandenburg FamRZ 2003, 256 f.; OLG Frankfurt FamRZ 2004, 1751).
Fundstellen
BGHR 2008, 81 |
EBE/BGH 2007 |
FamRZ 2007, 1548 |
NJW-RR 2007, 1373 |
MDR 2008, 30 |
FamRB 2007, 360 |
FamRB 2007, 363 |
ZKJ 2007, 453 |