Leitsatz (amtlich)
Beauftragt der Hauptbevollmächtigte einer Partei gegen ein Honorar einen Terminsvertreter, um den Anfall von abrechenbaren Kosten in einer das Honorar übersteigenden Höhe zu vermeiden, stellt das vereinbarte Honorar die Gegenleistung allein für die Wahrnehmung des Termins im eigenen Gebühreninteresse des Hauptbevollmächtigten dar und kann der Partei nicht als Aufwendung des Hauptbevollmächtigten in Rechnung gestellt werden (Anschluss an BGH, Beschluss vom 9. Mai 2023 - VIII ZB 53/21, juris).
Normenkette
BGB §§ 670, 675; ZPO § 91 Abs. 1 S. 1, § 104; RVG § 5; RVG-VV Nrn. 3202, 3401, 7003-7006; RVG-VV Vorbem 7 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 12. August 2022 in der Fassung des Beschlusses vom 25. August 2022 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 499,80 € festgesetzt.
Gründe
I.
Rz. 1
Der in München wohnhafte Kläger beauftragte in Düsseldorf ansässige Rechtsanwälte (im Folgenden Hauptbevollmächtigte), vor dem Landgericht München I Ansprüche gegen die Beklagte im Zusammenhang mit dem sogenannten "Dieselskandal" geltend zu machen.
Rz. 2
In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht trat für den Kläger ein in München ansässiger Rechtsanwalt auf, dem die Hauptbevollmächtigten eine Terminsvollmacht erteilt hatten. Das Landgericht gab der Klage im Wesentlichen statt und erlegte die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auf. Dagegen legte die Beklagte Berufung ein. In der Verhandlung vor dem Oberlandesgericht München wurde der Kläger erneut durch einen in München ansässigen Rechtsanwalt unter Vorlage einer Terminsvollmacht seiner Hauptbevollmächtigten vertreten. Das Berufungsgericht wies die Berufung der Beklagten kostenpflichtig zurück.
Rz. 3
Der Kläger hat, soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren von Interesse, für die erste und die zweite Instanz neben den Terminsgebühren Kosten für die Terminsvertreter in Höhe von 200 € und 220 € zuzüglich Umsatzsteuer, mithin von 499,80 €, nebst Zinsen angemeldet. Hierzu hat er an die Hauptbevollmächtigten gerichtete Rechnungen der Terminsvertreter über mit diesen vereinbarte Pauschalvergütungen nebst Umsatzsteuer vorgelegt.
Rz. 4
In seinem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 6. Dezember 2021 hat das Landgericht die Kosten für die Terminsvertreter abgesetzt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Klägers ist erfolglos geblieben (OLG München, NJW-RR 2022, 1506). Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Kläger seinen Antrag auf Festsetzung weiterer 499,80 € nebst Zinsen weiter.
II.
Rz. 5
Die Rechtsbeschwerde des Klägers hat keinen Erfolg.
Rz. 6
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch ansonsten zulässig. Insbesondere hat der Kläger das Rechtsmittel wirksam eingelegt und begründet. Zwar war ihm der angefochtene Beschluss entgegen § 329 Abs. 2 Satz 2, § 575 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 ZPO noch nicht zugestellt, sondern nur formlos übersandt und ist der Fehler mangels Zustellungsabsicht des Beschwerdegerichts durch den tatsächlichen Zugang des Beschlusses nicht nach § 189 ZPO geheilt worden. Das Rechtsmittelverfahren kann jedoch auch vor dem gesetzlich festgelegten Beginn für die Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde (§ 575 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO) wirksam eröffnet werden (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Juni 2020 - I ZB 83/19, NJW-RR 2020, 1191 Rn. 8 bis 12; Beschluss vom 23. September 2021 - I ZB 9/21, NJW-RR 2021, 1651 Rn. 8; BAG, NJW 2008, 1610 Rn. 9 f.).
Rz. 7
2. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
Rz. 8
a) Das Beschwerdegericht hat angenommen, die vom Kläger geltend gemachten Kosten für die Einschaltung der Terminsvertreter seien weder unter dem Gesichtspunkt ersparter Reisekosten der Hauptbevollmächtigten noch als von ihnen getätigte Auslagen festsetzungsfähig. Da die Terminsvertreter von den Hauptbevollmächtigten beauftragt worden seien, seien keine gesetzlichen Gebühren zu ihren Gunsten angefallen, die mit Blick auf sonst entstandene Reisekosten der Hauptbevollmächtigten erstattungsfähig sein könnten. Die den Hauptbevollmächtigten aufgrund der Vergütungsvereinbarungen mit den Terminsvertretern erwachsenen Kosten seien auch nicht als gesetzliche Auslagen erstattungsfähig, weil die von den Hauptbevollmächtigten geschuldete Wahrnehmung der Gerichtstermine durch die infolge der Einschaltung der Terminsvertreter verdienten Terminsgebühren abgegolten sei.
Rz. 9
b) Diese Erwägungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.
Rz. 10
aa) Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Gemäß § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Danach kann die obsiegende Partei diejenigen gesetzlichen Gebühren und Auslagen des von ihr bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen, die zu ihren Lasten tatsächlich angefallen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2007 - IX ZB 223/06, NJW 2008, 1087 Rn. 7).
Rz. 11
bb) Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Kläger an die Terminsvertreter keine Vergütungen zu entrichten hat, die mit Blick auf von den Hauptbevollmächtigten ersparte Reisekosten zu erstatten sein könnten.
Rz. 12
(1) Hat die Partei selbst oder in ihrem Namen ihr Prozessbevollmächtigter einen Rechtsanwalt mit der Terminsvertretung beauftragt, so fallen zulasten der Partei nach Maßgabe des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes Gebühren - so eine hälftige Verfahrensgebühr (Nr. 3401 VV RVG) und eine Terminsgebühr (Nr. 3402 VV RVG) - sowie gegebenenfalls Auslagen des Terminsvertreters an. Solche Kosten stellen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs notwendige Kosten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO dar, wenn durch die Tätigkeit des Terminsvertreters erstattungsfähige Reisekosten des Hauptbevollmächtigten in vergleichbarer Höhe erspart werden, die ansonsten bei der Wahrnehmung des Termins durch den Hauptbevollmächtigten entstanden wären (vgl. BGH, Beschluss vom 30. August 2022 - VIII ZB 87/20, NJW-RR 2023, 205 Rn. 12 und 19; Beschluss vom 9. Mai 2023 - VIII ZB 53/21, juris Rn. 12 f.; jeweils mwN).
Rz. 13
Hat der Prozessbevollmächtigte der Partei dagegen im eigenen Namen einen Rechtsanwalt mit der Terminsvertretung beauftragt, so ist der Terminsvertreter regelmäßig Erfüllungsgehilfe des Hauptbevollmächtigten und erhält deshalb nach § 5 RVG der Hauptbevollmächtigte die gesetzliche Terminsgebühr (Nr. 3104, 3202 VV RVG). In diesem Fall wird zwischen der Partei und dem Terminsvertreter kein Vertragsverhältnis begründet, das eine Vergütungspflicht der Partei begründen könnte, sondern richtet sich der Anspruch des Terminsvertreters auf das vereinbarte Honorar gegen den Hauptbevollmächtigten als seinen Auftraggeber (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 2000 - I ZR 122/98, NJW 2001, 753, 754; Beschluss vom 9. Mai 2023 - VIII ZB 53/21, juris Rn. 13; vgl. auch BGH, Beschluss vom 13. Juli 2011 - IV ZB 8/11, VersR 2012, 737 Rn. 8 f.).
Rz. 14
(2) So liegt der Fall hier. Die Rechtsbeschwerde zieht nicht in Zweifel, dass die Hauptbevollmächtigten die Terminsvertreter im eigenen Namen mit der Wahrnehmung der Verhandlungstermine gegen Zahlung der in Rechnung gestellten Pauschalhonorare beauftragt haben. Dann aber hat der Kläger an die Terminsvertreter keine Vergütungen zu entrichten, die bis zur Höhe gesetzlicher Gebühren, begrenzt durch die fiktiven Reisekosten der Hauptbevollmächtigten, erstattungsfähig sein könnten.
Rz. 15
cc) Das Beschwerdegericht hat zu Recht angenommen, dass die von den Hauptbevollmächtigten geschuldeten Pauschalhonorare auch keine erstattungsfähigen gesetzlichen Auslagen der Hauptbevollmächtigten im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO darstellen.
Rz. 16
(1) Nach Vorbemerkung 7 Abs. 1 Satz 2 VV RVG kann der Rechtsanwalt, soweit nichts anderes bestimmt ist, Ersatz der entstandenen Aufwendungen (§ 675 i.V.m. § 670 BGB) verlangen. Durch den Verweis auf die zivilrechtlichen Bestimmungen zum Aufwendungsersatz wird klargestellt, dass die in Teil 7 VV RVG konkret aufgeführten Auslagentatbestände nicht abschließend sind (BeckOK RVG/K. Sommerfeldt/M. Sommerfeldt, 59. Edition [Stand: 1. März 2023], VV Vorbemerkung 7 Rn. 3; Toussaint/Schmitt, Kostenrecht, 53. Aufl., Vorbemerkung 7 VV RVG Rn. 2).
Rz. 17
Ob ein Prozessbevollmächtigter, der einen Rechtsanwalt im eigenen Namen mit der Wahrnehmung eines Verhandlungstermins beauftragt hat, das diesem versprochene Honorar als Aufwendung im Sinne der vorgenannten Bestimmungen erstattet verlangen kann, ist in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur umstritten (zum Meinungsstand vgl. BGH, Beschluss vom 9. Mai 2023 - VIII ZB 53/21, juris Rn. 26 bis 28 sowie N. Schneider, AGS 2022, 529, 532 f.; Hansens, ZfSch 2022, 639, 642 f.). Der Bundesgerichtshof hat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden, dass solche Kosten keine erstattungsfähigen Aufwendungen im Sinne von Vorbemerkung 7 Abs. 1 Satz 2 VV RVG in Verbindung mit §§ 670, 675 Abs. 1 BGB sind.
Rz. 18
Der Hauptbevollmächtigte, der die - einen (Haupt-)Gegenstand des Mandats bildende - Wahrnehmung des Verhandlungstermins gegen Zahlung einer Vergütung auf einen Terminsvertreter überträgt, erbringt keine fremdnützige Leistung, wie sie für einen Aufwendungsersatz nach § 670 BGB erforderlich ist, sondern handelt zu eigenen geschäftlichen Zwecken (BGH, Beschluss vom 9. Mai 2023 - VIII ZB 53/21, juris Rn. 32). Zudem betrifft das dem Terminsvertreter geschuldete Honorar für die Wahrnehmung des Verhandlungstermins eine Tätigkeit, für die der Hauptbevollmächtigte nach § 5 RVG selbst die Terminsgebühr verdient und die deshalb bereits durch die gesetzliche Vergütung abgegolten ist (BGH, Beschluss vom 9. Mai 2023, aaO, Rn. 33 f.). Die Terminsgebühr deckt grundsätzlich auch den finanziellen Aufwand ab, der einem Prozessbevollmächtigten im Zusammenhang mit der Terminswahrnehmung entsteht (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 15. Oktober 2019 - 25 W 242/19, juris Rn. 28; OLG Köln, NJW-RR 2022, 283 Rn. 7; Toussaint/Toussaint, Kostenrecht, 53. Aufl., § 5 RVG Rn. 22).
Rz. 19
(2) Die Rechtsbeschwerde macht erfolglos geltend, die Prozessbevollmächtigten des Klägers hätten mit der im eigenen Namen erfolgten Beauftragung der Terminsvertreter den Zweck verfolgt, den Anfall von abrechenbaren Kosten in einer die vereinbarten Pauschalhonorare übersteigenden Höhe - sei es in Form von gesetzlichen Reiseauslagen bei eigener Wahrnehmung der Verhandlungstermine (Nr. 7003 bis 7006 VV RVG), sei es in Form von hälftigen Verfahrensgebühren der Terminsvertreter bei deren Beauftragung namens des Klägers (Nr. 3401 VV RVG) - zu vermeiden. Sie hätten deshalb fremdnützig im Kosteninteresse des Klägers gehandelt (vgl. dazu N. Schneider, AGS 2022, 529, 532).
Rz. 20
Auch in Ansehung einer solchen Motivation stellten nach dem Inhalt der Vergütungsvereinbarungen die Pauschalhonorare die Gegenleistung allein für die Wahrnehmung der Verhandlungstermine im eigenen Gebühreninteresse der Hauptbevollmächtigten dar. Diese anwaltliche Tätigkeit kann der Partei nicht doppelt - mit den durch die Terminsvertretungen verdienten Terminsgebühren der Hauptbevollmächtigten (Nr. 3104, 3202 VV RVG in Verbindung mit § 5 RVG) und zusätzlich mit den von ihnen an die Terminsvertreter gezahlten Pauschalhonoraren als Aufwendungen im Sinne von Vorbemerkung 7 Abs. 1 Satz 2 VV RVG in Verbindung mit §§ 675, 670 BGB - in Rechnung gestellt werden (Toussaint/Toussaint, Kostenrecht, 53. Aufl., § 5 RVG Rn. 22; vgl. auch MünchKommBGB/ F. Schäfer, 9. Aufl., § 677 Rn. 46; Staudinger/Bergmann, BGB, Neubearb. 2020, Vorbemerkung zu §§ 677 Rn. 132).
Rz. 21
Sofern die Prozessbevollmächtigten eigene Anreisen zu den Verhandlungsterminen, verbunden mit dem Anfall von gesetzlich vorgesehenen Reiseauslagen, vermeiden wollten, stand es ihnen frei, in Absprache mit dem Kläger die Terminsvertreter in dessen Namen zu beauftragen. In diesem Fall hätten zwar nicht die Hauptbevollmächtigten, sondern die Terminsvertreter die Terminsgebühren verdient und wären zu deren Gunsten überdies hälftige Verfahrensgebühren angefallen, die die vereinbarten Pauschalhonorare gegebenenfalls überstiegen hätten. Dies gibt jedoch keinen Grund, die im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz vorgesehenen Regelungen zu unterlaufen, indem die Prozessbevollmächtigten des Klägers die Terminsvertreter selbst beauftragen, durch deren Tätigkeit eigene Terminsgebühren verdienen und anstelle der gesetzlichen Reiseauslagen die den Terminsvertretern versprochenen Honorare als "unbenannte" Aufwendungen abrechnen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 15. Oktober 2019 - 25 W 242/19, juris Rn. 29; OLG Köln, NJW-RR 2022, 283 Rn. 8).
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