Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufungsschrift. Inhalt. Partei. Aktenzeichen. Schriftsatz. Berufungsfrist. Anwalt. postulationsfähig. Vertretungsanzeige
Normenkette
ZPO § 519 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 19.11.2004; Aktenzeichen 16 S 13/04) |
AG Berlin-Charlottenburg |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss der Zivilkammer 16 des LG Berlin v. 19.11.2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Streitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird festgesetzt auf 1.000 EUR.
Gründe
I. Der Kläger hat gegen das ihm am 25.9.2004 zugestellte Urteil des AG mit einem von ihm unterschriebenen Schriftsatz v. 1.10.2004, der am selben Tag beim LG einging, Berufung eingelegt. In dem Schriftsatz teilte er mit, dass die Berufungsbegründungsschrift demnächst durch eine Rechtsanwältin eingereicht werde, die bei dem LG zugelassen sei und seine Vertretung übernehme. Die Vorsitzende der Berufungskammer wies den Kläger mit Schreiben v. 5.10.2004 darauf hin, dass bereits die Berufung durch einen bei einem Amts- oder LG zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt werden müsse und die vom Kläger persönlich eingelegte Berufung als unzulässig verworfen werden müsste. Mit Schriftsatz v. 18.10.2004, beim Berufungsgericht eingegangen am 19.10.2004, teilte Rechtsanwältin P. mit, dass sie den Berufungskläger vertrete und dass die Berufungsbegründung und die Anträge einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten blieben.
Mit Beschluss v. 19.11.2004 hat das LG die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen. Mit seiner Rechtsbeschwerde beantragt der Kläger, den Beschluss des LG aufzuheben und den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
II. Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen, weil die vom Kläger eingelegte Berufung nicht von einem postulationsfähigen Anwalt eigenhändig unterschrieben sei und daher den Anforderungen des § 519 Abs. 2 ZPO nicht entspreche. Eine nachträgliche Genehmigung durch die Prozessbevollmächtigte des Klägers sei ihrem Schriftsatz v. 18.10.2004 nicht zu entnehmen. Die Prozessbevollmächtigte sei ersichtlich davon ausgegangen, dass die Berufungseinlegung ihres Mandanten wirksam sei. Sie habe sich weder auf die Berufungsschrift ihres Mandanten bezogen, noch sich hierzu überhaupt geäußert. Auch eine "Neueinlegung" der Berufung sei dem Schriftsatz, der lediglich die Vertretungsanzeige und die Ankündigung der Berufungsbegründung enthalte, nicht zu entnehmen. Diese Ankündigung könne nicht selbst als Berufungseinlegung ausgelegt werden, da zum einen Berufungseinlegung und Berufungsbegründung zwei voneinander abzugrenzende Prozesshandlungen seien, im Übrigen dem Schriftsatz die unbedingte Berufungseinlegung gar nicht zu entnehmen sei, da es sich nur um die Ankündigung weiteren Vortrages handele.
III. 1. Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde des Klägers ist gem. §§ 522 Abs. 1 S. 4, 575 Abs. 1 ZPO statthaft. Sie ist gem. § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig, weil die Entscheidung des Berufungsgerichts den Kläger in seinem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (vgl. BGH, Beschl. v. 23.10.2003 - V ZB 28/03, BGHReport 2004, 266 = MDR 2004, 408 = NJW 2004, 367 [368]; Beschl. v. 16.11.2004 - VIII ZB 32/04, BGHReport 2005, 321 = MDR 2005, 469 = FamRZ 2005, 267) verletzt.
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist die Berufung durch Einreichung des Schriftsatzes der Prozessbevollmächtigten des Klägers v. 18.10.2004 wirksam eingelegt worden.
a) Das Revisionsgericht hat selbstständig zu würdigen, ob die von Amts wegen zu prüfenden Voraussetzungen der Zulässigkeit der Berufung vorliegen; hierbei ist der gesamte Inhalt der Verhandlungen zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urt. v. 20.6.1991 - VII ZR 11/91, NJW 1992, 512, m.w.N.).
b) Gemäß § 519 Abs. 2 ZPO muss die Berufungsschrift die Bezeichnung des Urteils enthalten, gegen das die Berufung gerichtet wird (Nr. 1), sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde (Nr. 2). Die nach § 519 Abs. 2 Nr. 1 ZPO notwendigen Angaben müssen nicht in der Rechtsmittelschrift selbst vollständig enthalten sein. Es genügt, wenn sie aus anderen vom Rechtsmittelführer innerhalb der Berufungsfrist eingereichten Unterlagen entnommen werden können (vgl. BGHZ 21, 168 [173]; BGH v. 17.1.1991 - VII ZB 13/90, BGHZ 113, 228 [230] = MDR 1991, 523).
Im vorliegenden Fall enthält der innerhalb der Berufungsfrist eingereichte Schriftsatz v. 18.10.2004 die Namen der Parteien, die Angabe des bereits für die Berufungsinstanz vergebenen Aktenzeichens sowie die Mitteilung, dass Rechtsanwältin P. den Berufungskläger vertrete. Da in der vom Kläger persönlich unterzeichneten, am selben Tage beim Berufungsgericht eingegangen Berufungsschrift v. 1.10.2004 die Parteien und das anzufechtende Urteil vollständig bezeichnet sind, ist durch die Angaben in dem Schriftsatz v. 18.10.2004 den Anforderungen des § 519 Abs. 2 Nr. 1 ZPO genügt (zur Bezeichnung des anzufechtenden Urteils durch Angabe eines bereits gebildeten Aktenzeichens vgl. auch BGHZ 36, 258 [259]).
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist auch das Erfordernis des § 519 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erfüllt. Die Berufungsschrift muss weder Anträge enthalten noch muss die Wendung gebraucht werden, dass Berufung eingelegt werde. Ausreichend ist vielmehr, dass die Erklärung eindeutig den Willen erkennen lässt, das erstinstanzliche Urteil einer Nachprüfung durch die höhere Instanz zu unterstellen (vgl. BGH, Beschl. v. 19.11.1997 - XII ZB 157/97, NJW-RR 1998, 507, m.w.N.).
Der Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Klägers v. 18.10.2004 enthält keine Berufungsbegründung. Eine solche ist einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten worden. Der darin liegenden Erklärung, mit der innerhalb der noch offenen Frist die Einreichung einer Berufungsbegründung angekündigt wurde, ist eindeutig der Wille zu entnehmen, das Rechtsmittel gegen die durch Angabe des Aktenzeichens bezeichnete erstinstanzliche Entscheidung durchzuführen. Der Schriftsatz v. 18.10.2004 genügt daher den Anforderungen des § 519 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Da die Prozessbevollmächtigte des Klägers ihre Vertretungsanzeige v. 18.10.2004 eigenhändig unterzeichnet hat, stammt die Erklärung, mit der Berufung eingelegt worden ist, auch von einem postulationsfähigen Anwalt, der dafür die volle Verantwortung übernommen hat.
3. Der angefochtene Beschluss kann somit keinen Bestand haben und ist aufzuheben. Die Sache ist zur Verhandlung und Entscheidung über die Berufung des Klägers an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 S. 1 ZPO).
Fundstellen
Haufe-Index 1397929 |
BB 2005, 1988 |
BGHR 2005, 1414 |
JurBüro 2006, 54 |
Nachschlagewerk BGH |
AnwBl 2005, 150 |
MDR 2006, 110 |
MDR 2006, 552 |