Leitsatz (amtlich)
Abänderungsklagen gegen Titel über durch Ehe oder Verwandtschaft begründete gesetzliche Unterhaltsansprüche sind in aller Regel Feriensachen. Das gilt auch dann, wenn das Ausgangsverfahren, in dem der Titel geschaffen wurde, Folgesache war.
Normenkette
GVG § 200 Abs. 2 Nr. 5 a; ZPO § 623 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
AG Ratingen |
OLG Düsseldorf |
Tenor
Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des 4. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Düsseldorf von 20. November 1995 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 30.547 DM.
Gründe
I.
Der Kläger und die Beklagte zu 1 sind geschiedene Eheleute, deren Tochter die Beklagte zu 2 ist. Durch das Scheidungsverbundurteil von 13. Juni 1989 wurden u.a. der Beklagten zu 1 nachehelicher Unterhalt in Höhe von monatlich 1.745,64 DM zugesprochen, der Beklagten zu 2 Kindesunterhalt in Höhe von monatlich 800 DM. Mit der in Januar 1994 erhobenen Abänderungsklage erstrebte der Kläger den Wegfall dieser Unterhaltsrenten für die Zeit ab 1. Januar 1994, weil er nur noch ein geringes Renteneinkommen beziehe. In Laufe des Rechtsstreits machten der Kläger im Wege der Klageerweiterung, die Beklagte zu 1 in Wege der Widerklage Auskunf tsansprüche gemäß § 1580 BGB geltend, über die vorab durch – inzwischen rechtskräftiges – Teilurteil entschieden wurde. Die Abänderungsklage selbst wurde durch Schlußurteil abgewiesen.
Gegen das ihm an 12. Juni 1995 zugestellte Schlußurteil ließ der Kläger durch einen an 28. Juni 1995 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung einlegen. Sein zweitinstanzlicher Prozeßbevollmächtigter beantragte an 25. September 1995. die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 30. Oktober 1995 zu verlängern. Diesen Antrag entsprach der Vorsitzende des Berufungssenats. Die Berufungsbegründung ging an 13. Oktober 1995 ein. Auf schriftlichen Hinweis von 18. Oktober 1995, daß eine Feriensache vorliege und die Berufungsbegründungsfrist infolgedessen nicht wirksam verlängert worden sei, nahm der Kläger mit Schriftsatz von 25. Oktober 1995 zu diesen Fragen Stellung und beantragte vorsorglich, ihm Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren. Das Oberlandesgericht wies das Wiedereinsetzungsgesuch zurück und verwarf die Berufung als unzulässig. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers.
II.
Das nach § 519b Abs. 2 ZPO zulässige Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Das Oberlandesgericht geht zu Recht davon aus daß das vorliegende Berufungsverfahren gemäß § 200 Abs. 2 Nr. 5 a GVG Feriensache kraft Gesetzes ist und infolgedessen die einmonatige Frist zur Begründung der Berufung durch die Gerichtsferien nicht gehemmt wurde. sondern an 28. Juli 1995 ablief (§ 223 Abs. 2 ZPO). Der Senat hat bereits mehrfach ausgesprochen, daß Abänderungs- und Vollstreckungsgegenklagen, die sich gegen Titel über durch Ehe oder Verwandtschaft begründete gesetzliche Unterhaltsansprüche richten, den § 200 Abs. 2 Nr. 5 a GVG unterfallen und damit in aller Regel Feriensachen sind (vgl. insbes. Beschlüsse von 17. Februar 1993 – XII ZB 10/93 – NJW-RR 1993. 643, von 24. Januar 1990 – XII ZB 143189 – NJW 1991, 2709. von 6. Dezember 1989 – IVb ZB 133/89 – FWtZ 1990. 390 und von 26. März 1980 – IVb ZR 585/80 – NJW 1980 1695). Diese Auffassung wird auch von Schrifttum geteilt (vgl. Zöller/Vollkomer ZPO 19. Aufl. § 323 Rdn. 35; Baumbach/Lauterbach/AIbers ZPO 54. Aufl. § 200 GVG Rdn. 8; Thomas/Putzo ZPO 19. Aufl. § 200 GVG Rdn. 7; Wendl/Staudigi Unterhaltsrecht in der fanilienrichterlichen Praxis 3. Aufl. § 8 Rdn. 118). Vorliegend betrifft die Abänderungsklage des Klägers die Entscheidungen des Verbundurteils von 13. Juni 1989 über den Anspruch der Beklagten zu 1 auf nachehelichen Unterhalt sowie den der Beklagten zu 2 auf Kindesunterhalt. Damit stellt diese Klage eine selbständige Streitigkeit über eine durch Ehe bzw. Verwandtschaft begründete gesetzliche Unterhaltspflicht im Sinne des § 200 Abs. 2 Nr. 5 a GVG dar. Das Verfahren erster Instanz mag zeitweise keine Feriensache gewesen sein, solange über den zusätzlich erhobenen Auskunftsanspruch des Klägers gemäß § 1580 BGB noch nicht entschieden war (vgl. dazu Senatsbeschluß von 8. Juli 1987 – IVb ZB 35/87 – NJW-RR 1987, 1287; s.a. OLG München NJW-RR 1994, 1416). Das Berufungsverfahren gegen das Schlußurteil betraf jedenfalls ausschließlich die Abänderung der titulierten gesetzlichen Unterhaltsansprüche der beiden Beklagten, so daß die Frage, ob wegen der Konkurrenz mit einen nicht den § 200 Abs. 2 GVG unterfallenen Anspruch die Streitigkeit insgesamt keine Feriensache darstellt (vgl. BGHZ 37, 371). sich nicht stellte.
§ 200 Abs. 2 Nr. 5 a GVG enthält allerdings eine Ausnahm. Streitigkeiten über eine durch Ehe oder Verwandtschaft begründete gesetzliche Unterhaltspflicht sind dann keine Feriensachen, wenn sie Folgesachen darstellen. Um den Charakter einer Folgesache zu bejahen, müssen nach der ausdrücklich in Bezug genommenen Vorschrift des § 623 Abs. 1 Satz 1 ZPO zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Zum einen muß die Sache während des Scheidungsverfahrens anhängig gemacht worden, zum andern muß dabei eine Entscheidung „für den Fall der Scheidung” zu treffen sein. Es liegt auf der Hand, daß diese Voraussetzungen auf eine Abänderungsklage in aller Regel nicht zutreffen; das gilt für den vorliegenden Fall schon deswegen, weil eine Abänderung für die Zeit ab 1. Januar 1994 begehrt wird und nicht für den längst verstrichenen Zeitpunkt der Scheidung. Denkbar ist die wohl selten anzutreffende Konstellation, daß in Rahmen des Scheidungsverbundverfahrens der für ein Kind sorgende Ehegatte u.a. beantragt, bereits titulierten Kindesunterhalt ab den Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung zu modifizieren. Das entsprechende Abänderungsbegehren hätte dann den Charakter einer Folgesache (vgl. Zöller/Philippi aaO § 623 Rdn. 13). In vorliegenden Fall vertritt die sofortige Beschwerde die Auffassung, es müsse genügen, daß der Unterhaltstitel, gegen den sich die Abänderungsklage richtet, in Rahmen einer Folgesache zustande gekommen, daß dieser Titel also in den früheren Scheidungsverbundverfahren unter den Voraussetzungen des § 623 Abs. 1 Satz 1 ZPO geschaffen worden ist. Daß dies nicht richtig sein kann, ergibt schon der Wortlaut des § 200 Abs. 2 Nr. 5 a GVG. Danach muß die Unterhaltsstreitigkeit selbst eine Folgesache darstellen, soll der Charakter als Feriensache entfallen („soweit sie nicht Folgesachen sind”). Die von Gesetzgeber grundsätzlich bejahte Eilbedürftigkeit von Unterhaltssachen wird für Folgesachen deswegen verneint, weil bei diesen eine Entscheidung von vornherein erst für einen künftigen Zeitpunkt begehrt wird, nämlich den noch ungewissen Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung. Bereits in seinen Beschluß vom 17. Februar 1993 (aaO) hat der Senat dengemäß u.a. ausgeführt, daß eine Abänderungsklage wegen eines generellen Bezugs zu einen früheren Scheidungsverbundverfahren nicht als Folgesache angesehen werden kann.
2. Die Annahme des Oberlandesgerichts, die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist auf den 30. Oktober 1995 gemäß § 519 Abs. 2 Satz 3 ZPO sei nicht wirksam gewesen, trifft entgegen der Auffassung der sofortigen Beschwerde zu. Wenn bei Eingang des zugrundeliegenden Verlängerungsantrags der Partei die Frist bereits abgelaufen ist, wie es vorliegend der Fall war, ist eine Verlängerung nicht mehr möglich. weil eine Verfügung des Vorsitzenden an der schon eingetretenen Rechtskraft der angefochtenen Entscheidung infolge des Fristablaufs nichts mehr zu ändern vermag (BGHZ 116, 377). Soweit sich der Kläger auf die abweichende Entscheidung des erkennenden Senats in BGHZ 102, 37 beruft, wurde die zugrundeliegende Auffassung auf Anfrage durch Beschluß gemäß § 132 Abs. 3 Satz 3 GVG aufgegeben, wodurch sich eine Vorlage an den Großen Senat für Zivilsachen erübrigt hat. An den Grundsätzen der Entscheidung BGHZ 116, 377 wird auch gegenüber den Einwendungen der sofortigen Beschwerde festgehalten.
3. Den vorsorglich gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist hat das Oberlandesgericht aus zutreffenden Gründen, die die sofortige Beschwerde vergebens angreift, zurückgewiesen. Was zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs vorgetragen worden ist, räumt ein Verschulden des zweitinstanzlichen Prozeßbevollnächtigten des Klägers an der Fristversäumnis, das der Partei gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist. nicht aus (§ 233 ZPO). Die Berufung wurde zu einen Zeitpunkt eingelegt, zu den die einmonatige Frist des § 519 Abs. 2 ZPO in die Gerichtsferien hineinreichte. Es gehörte daher zu den Pflichten von Rechtsanwalt P., den zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Klägers, die für die Berechnung dieser Frist erhebliche Frage, ob eine Feriensache vorliegt, anhand der höchstrichterlichen Rechtsprechung und der Literatur zu prüfen und im Zweifelsfall den sichersten Weg zu wählen, der den Umständen nach in der Behandlung des Verfahrens als Feriensache bestand. Ob und wieweit eine solche Prüfung stattgefunden hat, ist konkret nicht vorgetragen. Ein Rechtsirrtum des Rechtsanwalts über die Eigenschaft als Feriensache kann im Hinblick auf die bereits vorhandene Senatsrechtsprechung sowie die Stellungnahmen in Schrifttum (vgl. oben 1) nicht als unverschuldet angesehen werden. Daß der Vorsitzende des Berufungssenats am 26. September 1995 eine Fristverlängerung gemäß § 519 Abs. 2 Satz 3 ZPO verfügt hat, hatte keinen Einfluß mehr auf die damals bereits eingetretene Fristversäumnis und vermag Rechtsanwalt P. auch deswegen nicht zu entlasten, weil die primäre Verantwortung für die Fristeinhaltung er selbst trug und ihm deshalb oblag, schon bei der Berechnung der Berufungsbegründungsfrist die Rechtslage eingehend zu prüfen. Soweit die sofortige Beschwerde geltend macht, daß diesen die Gerichtsakten erst nach Fristablauf zur Einsicht überlassen worden seien, kommt es darauf nicht entscheidend an. Die Frage, ob eine Feriensache vorliegt, ließ sich zuverlässig schon anhand des Tatbestands des zugestellten erstinstanzlichen Urteils beantworten. Außerdem wird im angefochtenen Beschluß zutreffend darauf hingewiesen, daß dann. wenn die Kenntnis der vollständigen Gerichtsakten erforderlich gewesen wäre. das Wiedereinsetzungsgesuch gemäß § 234 Abs. 1 ZPO innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab der Rückgabe der Akten am 8. September 1995 hätte gestellt werden müssen. Denn spätestens zu diesen Zeitpunkt wäre ein in der Aktenunkenntnis zu sehendes Hindernis für die Fristeinhaltung behoben gewesen (§ 234 Abs. 2 ZPO). Das Wiedereinsetzungsgesuch, das erst am 26. Oktober 1995 eingegangen ist, wäre insoweit verspätet gestellt.
Unterschriften
Blumenröhr, Zysk, Hahne, Sprick, Weber-Monecke
Fundstellen
Haufe-Index 609847 |
Nachschlagewerk BGH |