Verfahrensgang
LG Lüneburg (Entscheidung vom 16.10.2023; Aktenzeichen 6 S 39/23) |
AG Lüneburg (Entscheidung vom 11.04.2023; Aktenzeichen 42 C 86/22) |
Nachgehend
Tenor
Der Antrag der Beklagten auf Beiordnung eines Notanwalts für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 16. Oktober 2023 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen, weil die Rechtsbeschwerde nicht innerhalb der vom Vorsitzenden bis zum 8. März 2024 verlängerten Frist begründet worden ist (§ 575 Abs. 2, § 97 Abs. 1 ZPO).
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf bis 13.000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
1. Der Antrag der Beklagten auf Beiordnung eines Notanwalts nach § 78b Abs. 1 ZPO ist unbegründet.
Rz. 2
a) Nach dieser Vorschrift kann einer Partei ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Hat die Partei - wie hier - zunächst einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt gefunden und entsprechend mandatiert, so kommt im Falle einer späteren Mandatsniederlegung die Beiordnung eines Notanwalts nur dann in Betracht, wenn sie die Beendigung des Mandats nicht zu vertreten hat (vgl. Senatsbeschlüsse vom 28. April 2020 - VIII ZR 300/18, FamRZ 2020, 1390 Rn. 5; vom 8. Februar 2022 - VIII ZR 192/21, juris Rn. 2; jeweils mwN). Die Partei hat innerhalb der für das beabsichtigte Rechtsmittel geltenden Frist darzulegen, dass die Beendigung nicht auf ihr Verschulden zurückzuführen ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 28. April 2020 - VIII ZR 300/18, aaO; vom 8. Februar 2022 - VIII ZR 192/21, aaO; vom 19. September 2023 - VIII ZR 114/23, juris Rn. 2; jeweils mwN).
Rz. 3
Die Bestellung eines Notanwalts kann nicht deshalb verlangt werden, weil ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof nicht willens war, eine Revisions- oder Beschwerdebegründung nach den Vorstellungen oder gar den Vorgaben der Partei zu fertigen, oder weil er das Rechtsmittel für unzulässig oder unbegründet hält. Denn es liefe dem Zweck der Zulassungsbeschränkung für Rechtsanwälte beim Bundesgerichtshof zuwider, wenn die Partei einen Anspruch darauf hätte, ihre Rechtsansicht gegen die des - auf das Revisions- und Rechtsbeschwerderecht spezialisierten - Rechtsanwalts durchzusetzen. Scheitert die Einreichung einer Rechtsbeschwerdebegründung daran, dass der beauftragte postulationsfähige Rechtsanwalt nicht bereit ist, den rechtlichen Überlegungen der Partei zu folgen und sie zur Grundlage eines Begründungsschriftsatzes zu machen, rechtfertigt dies für sich genommen nicht die Beiordnung eines Notanwalts nach § 78b Abs. 1 ZPO (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. Dezember 2012 - VIII ZR 239/12, NJW 2013, 1011 Rn. 4; vom 23. Januar 2019 - VII ZR 158/18, FamRZ 2019, 550 Rn. 9; vom 26. Oktober 2021 - XI ZR 234/21, juris Rn. 8; vom 21. Dezember 2021 - VI ZB 85/21, juris Rn. 4; vom 8. Februar 2022 - VIII ZR 192/21, aaO Rn. 3; vom 20. Februar 2024 - IV ZR 349/22, juris Rn. 8).
Rz. 4
b) Ein solcher Fall ist vorliegend gegeben, so dass die Voraussetzungen einer Notanwaltsbestellung nicht erfüllt sind.
Rz. 5
Die Rechtsbeschwerde wurde durch eine beim Bundesgerichtshof zugelassene Rechtsanwältin eingelegt, die jedoch das Mandat vor deren Begründung niedergelegt hat. Die Beklagte trägt selbst vor, dass der Mandatskündigung Differenzen über die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Rechtsbeschwerde zugrunde lagen. Die zunächst mandatierte Prozessbevollmächtigte hat der Rechtsbeschwerde eine Erfolgsaussicht nicht beigemessen, wohingegen die Beklagte der Ansicht ist, die Prozessbevollmächtigte habe bezüglich des angegriffenen Beschlusses - mit welchem die Berufung der Beklagten gegen ein nur ihren ebenfalls auf Räumung und Herausgabe in Anspruch genommenen Vater betreffendes Teilanerkenntnisurteil mangels Beschwer als unzulässig verworfen wurde - eine "bereits anerkannte(n) Verfassungswidrigkeit vollständig übersehen".
Rz. 6
Daraus folgt, dass die Mandatsbeendigung auf das Verhalten der Beklagten zurückgeht, da sie auf der Begründung einer aus Sicht ihrer vormaligen Prozessbevollmächtigten erfolglosen Rechtsbeschwerde beharrte.
Rz. 7
2. Die Rechtsbeschwerde der Beklagten ist als unzulässig zu verwerfen, da die Frist zu deren Begründung (§ 575 Abs. 2 ZPO) verstrichen ist. Sie ist zwar form- und fristgerecht eingelegt, jedoch nicht innerhalb der von dem Vorsitzenden bis zum 8. März 2024 verlängerten Frist durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt begründet worden.
Rz. 8
Die Verwerfung der Rechtsbeschwerde kann gleichzeitig mit der Zurückweisung des Antrags auf Beiordnung eines Notanwalts erfolgen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 27. März 2007 - VIII ZB 6/07, juris Rn. 3; vom 8. Februar 2022 - VIII ZR 192/21, aaO Rn. 9 mwN [zur Nichtzulassungsbeschwerde]). Ein etwaiger Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 233 ZPO) im Hinblick auf die versäumte Begründungsfrist verspräche - selbst wenn er, wie erforderlich, von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt gestellt würde - keinen Erfolg. Zwar hat die Beklagte vor Fristablauf einen Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts gestellt, die Voraussetzungen hierfür - wie vorstehend ausgeführt - aber nicht dargelegt (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 8. Februar 2022 - VIII ZR 192/21, aaO mwN).
Dr. Bünger |
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Dr. Liebert |
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Dr. Schmidt |
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Wiegand |
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Messing |
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Fundstellen
Dokument-Index HI16243488 |