Leitsatz (amtlich)
Entgangener Gewinn, der als gleichbleibender Hundertsatz einer bestimmten Summe (Zinsen) - hier als Gesamtsumme des Kapitalzuwachses berechnet - geltend gemacht wird, ist eine Nebenforderung der ebenfalls eingeklagten Hauptforderung, die den Streitwert nicht erhöht und bei der Bemessung der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer nicht zu berücksichtigen ist (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 8.5.2012 - XI ZR 261/10, NJW 2012, 2446 und 15.1.2013 - XI ZR 370/11, BeckRS 2013, 02155).
Normenkette
EGZPO § 26 Nr. 8; ZPO § 4 Abs. 1, § 544; GKG § 43 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Dresden (Beschluss vom 10.04.2012; Aktenzeichen 5 U 1232/11) |
LG Dresden (Entscheidung vom 15.07.2011; Aktenzeichen 9 O 1426/10) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des 5. Zivilsenats des OLG Dresden vom 10.4.2012 - 5 U 1232/11 - wird als unzulässig verworfen.
Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens beträgt 15.804,88 EUR.
Gründe
I.
Rz. 1
Der Kläger macht Schadensersatzansprüche wegen behaupteter fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Beteiligung an der I. und GmbH & Co. KG gegen die Beklagte geltend. Seine Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat in seinem gem. § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO gefassten Beschluss die Revision nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde. Er ist der Auffassung, der Wert der Beschwer entspreche der Streitwertfestsetzung in dem angefochtenen Beschluss (bis 22.000 EUR).
II.
Rz. 2
Die Beschwerde ist unzulässig, weil die gem. § 26 Nr. 8 EGZPO erforderliche Mindestbeschwer von mehr als 20.000 EUR nicht erreicht wird.
Rz. 3
1. Mit dem Klageantrag zu 1) hat der Kläger die Rückzahlung des angelegten Kapitals zzgl. einer Abwicklungsgebühr von zusammen 16.105,69 EUR begehrt, wovon 2.300,81 EUR in Abzug zu bringen sind, die er als Ausschüttung erhalten hat; es verbleiben danach 13.804,88 EUR.
Rz. 4
Diesem Betrag hat der Kläger "entgangenen Gewinn" von 6.146,20 EUR hinzugerechnet. Dies entspricht dem Zinsertrag, den er in der Zeit von Januar 2001 bis Dezember 2008 erzielt hätte, wenn er die Beteiligungssumme in den Erwerb eines Bundesschatzbriefs Typ B investiert hätte. Er errechnet so für den Klageantrag zu 1) insgesamt einen Betrag von 19.951,08 EUR.
Rz. 5
Dem kann nicht gefolgt werden.
Rz. 6
Die Beschwer des Klägers beträgt hinsichtlich des Klageantrags zu 1) lediglich 13.804,88 EUR. Entgangener Gewinn, der als gleichbleibender Hundertsatz einer bestimmten Summe (Zinsen) - im Streitfall als Gesamtsumme des Kapitalzuwachses mit 6.146,20 EUR berechnet - geltend gemacht wird, ist eine Nebenforderung i.S.d. § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO der ebenfalls eingeklagten Hauptforderung und erhöht den Streitwert nicht. Der Senat schließt sich insofern der neueren Rechtsprechung des XI. Zivilsenats an (vgl. BGH, Beschl. v. 8.5.2012 - XI ZR 261/10, NJW 2012, 2446 Rz. 14; v. 15.1.2013 - XI ZR 370/11, BeckRS 2013, 02155; s. auch Senatsbeschluss vom heutigen Tag - III ZR 257/12).
Rz. 7
Wenn der Kläger statt der gesetzlichen Verzugs- und Rechtshängigkeitszinsen oder zusätzlich zu diesen entgangene Anlagezinsen geltend macht, ändert dies nichts daran, dass es sich auch in diesem Fall um eine von der Hauptforderung abhängige Nebenforderung handelt. Das gilt entsprechend, wenn entgangene Zinsen - wie auch vorliegend - für den Zeitraum vor Eintritt des Verzugs oder der Rechtshängigkeit begehrt werden (BGH, Beschl. v. 8.5.2012, a.a.O., unter Hinweis auf RGZ 158, 350, 351). Die Forderung auf Ersatz der wegen einer hypothetischen Alternativanlage entgangenen Anlagezinsen setzt notwendig voraus, dass die Forderung auf Ersatz des verloren gegangenen Kapitals tatsächlich besteht. Nur wenn und soweit das tatsächlich getätigte Anlagegeschäft der Rückabwicklung unterliegt, ist ein ersatzfähiger Gewinn wegen einer dadurch entgangenen anderweitigen Anlagemöglichkeit denkbar (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.3.2012 - I-6 U 253/10, juris Rz. 6 m.w.N.).
Rz. 8
Die mangelnde Berücksichtigung von als Zinsen geltend gemachten entgangenem Gewinn entspricht im Übrigen dem Gedanken, dass die Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit der Gerichte gem. § 4 Abs. 1 ZPO nicht durch die Schwierigkeit der Wertermittlung derartiger Nebenforderungen aufgehalten werden soll, und dem daraus folgenden Postulat einer praktischen, einfachen und klaren Wertermittlung (RG, a.a.O., m.w.N.; BGH, Beschl. v. 6.10.1960 - VII ZR 42/59, LM ZPO § 4 Nr. 14).
Rz. 9
2. Zu dem danach für den Klageantrag zu 1) maßgeblichen Wert von 13.804,88 EUR sind bei der Berechnung der Beschwer des Klägers 2000 EUR (§ 3 ZPO) für den Klageantrag zu 3) hinzuzurechnen, wie dies auch die Beschwerde geltend macht. Es ergibt sich danach eine Beschwer von insgesamt 15.804,88 EUR.
Rz. 10
Der mit dem Klageantrag zu 4) begehrten Feststellung des Annahmeverzugs kommt bei der Bemessung der Beschwer neben der im Klageantrag zu 1) verfolgten Zug-um-Zug-Verurteilung keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zu. Die Frage des Annahmeverzugs ist lediglich ein rechtlich unselbständiges Element der umstrittenen Leistungsverpflichtung und deshalb mit dieser wirtschaftlich identisch (vgl. BGH, Beschl. v. 6.7.2010 - XI ZB 40/09, NJW-RR 2010, 1295, 1296 Rz. 16).
Rz. 11
Auch der mit dem Klageantrag zu 2) geltend gemachte Betrag von 1.561,28 EUR ist bei der Ermittlung der Beschwer und des Streitwerts nicht zu berücksichtigen. Es handelt sich dabei um vorgerichtlich entstandene Anwaltskosten und damit ebenfalls um eine Nebenforderung (vgl. BGH, Beschl. v. 4.4.2012 - IV ZB 19/11, VersR 2012, 881 Rz. 5 m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 5063005 |
NJW 2013, 3100 |
NJW 2013, 8 |
EBE/BGH 2013 |
WM 2013, 1504 |
JZ 2013, 548 |
MDR 2013, 1185 |
NJ 2013, 5 |
VersR 2014, 855 |
RVGreport 2013, 398 |
RENO 2013, 6 |
RVG prof. 2013, 199 |