Entscheidungsstichwort (Thema)
Untersagung der Ausübung einer Nebentätigkeit
Leitsatz (amtlich)
Wird in Notarverwaltungssachen die sofortige Beschwerde gemäß § 111 Abs. 4 BNotO vom Notar bei dem für die Rechtsmitteleinlegung unzuständigen Bundesgerichtshof eingelegt, so trifft diesen keine „vorbeugende Fürsorgepflicht”, die Beschwerdeschrift außerhalb des normalen Geschäftsgangs an das insoweit zuständige Oberlandesgericht weiterzuleiten (Abgrenzung zu BVerfG, Beschl. v. 20. Juni 1995 – 1 BvR 166/93, NJW 1995, 3173).
Normenkette
BNotO § 111 Abs. 4; BRAO § 42 Abs. 4
Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag des Antragstellers, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde zu gewähren, wird zurückgewiesen.
Seine sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des Senats für Notarsachen des Kammergerichts vom 28. April 1999 wird als unzulässig verworfen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 20.000,– DM festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller ist seit 1981 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Seit Februar 1991 ist er Aufsichtsratsmitglied bei der G. W. P. mbH und in dieser Funktion zugleich delegiertes Aufsichtsratsmitglied ihrer Tochtergesellschaft, der im Februar 1993 gegründeten WVP mbH. Im Juli 1991 wurde der Antragsteller für den Bezirk des Kammergerichts zum Notar bestellt. Obwohl er seine Aufsichtsratstätigkeit bereits bei seiner Notarbewerbung angegeben hatte, gab die Antragsgegnerin ihm erst mit Verfügung vom 24. November 1998 auf, seine Ämter als Aufsichtsratsmitglied beider Gesellschaften bis zum 31. März 1999 niederzulegen und dies nachzuweisen. Seinen dagegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung, mit dem er hilfsweise die Genehmigung seiner Aufsichtsratstätigkeit begehrt, hat das Kammergericht durch den angefochtenen Beschluß vom 28. April 1999 – dem Antragsteller zugestellt am 11. Juni 1999 – zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde, die er nur an den Bundesgerichtshof gerichtet hat und die bei diesem per Fax-Schreiben vom 16. Juni 1999 am 17. Juni 1999 eingegangen ist. Auf Aktenanforderung der Geschäftsstelle des Notarsenats des Bundesgerichtshofs vom 18. Juni 1999 sind die Gerichtsakten des Kammergerichts nebst Beiakten am 2. Juli 1999 beim Bundesgerichtshof eingegangen, zu denen der Antragsteller bis dahin keine Beschwerdeschrift eingereicht hatte. Nachdem die Akten dem Senatsvorsitzenden vorgelegt worden waren und dieser den Antragsteller mit Schreiben vom 7. Juli 1999 auf die Wirkungslosigkeit der Beschwerdeinlegung beim Bundesgerichtshof hingewiesen hatte, hat dieser mit gleichlautenden Fax-Schreiben an das Kammergericht und den Bundesgerichtshof – bei beiden Gerichten am 17. Juli 1999 eingegangen – die sofortige Beschwerde nochmals wiederholt und gleichzeitig vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich einer Versäumung der Beschwerdefrist beantragt. Er hält die etwaige Fristversäumung für unverschuldet, da seine Beschwerdeschrift bei normalem Geschäftsgang rechtzeitig innerhalb der Beschwerdefrist an das Kammergericht habe weitergeleitet werden müssen.
Die Antragsgegnerin, die durch Verfügung der Geschäftsstelle des Notarsenats des Bundesgerichtshofs am 23. Juni 1999 eine Abschrift der Beschwerdeschrift erhalten hat, beantragt die Verwerfung des Rechtsmittels.
II. Der Wiedereinsetzungsantrag und die sofortige Beschwerde haben keinen Erfolg.
1. Der gegen die Versäumung der Beschwerdefrist gestellte Wiedereinsetzungsantrag ist zwar zulässig, aber nicht begründet (§§ 111 Abs. 4 Satz 2 BNotO, 42 Abs. 6 Satz 2 BRAO, 22 Abs. 2 FGG analog).
a) Der Antragsteller hat die Beschwerdefrist gemäß § 111 Abs. 4 Satz 2 BNotO i.V.m. §§ 42 Abs. 4 Satz 1 BRAO versäumt, da er seine sofortige Beschwerde nicht innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des angefochtenen Beschlusses (also bis zum Ablauf des 25. Juni 1999) bei dem für die Rechtsmitteleinlegung allein zuständigen Oberlandesgericht (hier: Kammergericht), sondern lediglich bei dem für die Entscheidung über das Rechtsmittel zuständigen Bundesgerichtshof eingelegt hat; der Eingang beim Bundesgerichtshof reichte jedoch zur Fristwahrung nicht aus (st. Rspr.: vgl. nur Beschl. v. 14. August 1989 – NotZ 13/88, DNotz 1990, 517). Eine Weiterleitung der Beschwerdeschrift durch den Bundesgerichtshof an das zuständige Kammergericht hat innerhalb der Beschwerdefrist nicht stattgefunden. Die auf Veranlassung der Geschäftsstelle des Notarsenats des Bundesgerichtshofs routinemäßig erfolgte Übersendung einer Abschrift des Beschwerdeschriftsatzes zur Kenntnisnahme an die Antragsgegnerin hat eine derartige Wirkung nicht; denn die Antragsgegnerin ist in dieser Funktion als höhere Dienstvorgesetzte des Notars Verfahrensbeteiligte, nicht jedoch das zur Entgegennahme von Rechtsmittelschriftsätzen zuständige Oberlandesgericht im Sinne der §§ 111 Abs. 4 BNotO, 42 Abs. 4 BRAO. Die erstmalige Einreichung der Beschwerdeschrift bei dem Kammergericht (dortiger Notarsenat) erfolgte durch den Antragsteller anläßlich des Wiedereinsetzungsgesuchs erst am 17. Juli 1999 und damit außerhalb der Rechtsmittelfrist.
b) Der Antragsteller war nicht ohne sein Verschulden verhindert, die Beschwerdefrist einzuhalten. Denn er räumt selbst ein, bei Fertigung der Antragsschrift übersehen zu haben, daß es sich zwar um eine Beschwerde „an den Bundesgerichtshof” handelt, der Verweis auf die BRAO sich aberoffensichtlich nicht nur auf die zweiwöchige Frist, sondern auch darauf bezieht, daß das Oberlandesgericht an die Stelle des dort genannten Anwaltsgerichtshofes tritt. Damit fällt dem Antragsteller als rechtskundigem Rechtsanwalt und Notar eine grobfahrlässige Verursachung der Fristversäumung zur Last. Dieses gravierende Verschulden des Antragstellers wird – anders als dieser meint – nicht dadurch ausgeräumt, daß sein Beschwerdeschriftsatz nicht durch den Bundesgerichtshof innerhalb der Beschwerdefrist an das zuständige Kammergericht weitergeleitet worden ist. Eine generelle Fürsorgepflicht des angegangenen, für die Rechtsmitteleinlegung unzuständigen Gerichts, durch Hinweise oder geeignete Maßnahmen rechtzeitig eine Fristversäumung des Rechtsmittelführers zu verhindern, besteht nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darf sich die Abgrenzung dessen, was im Rahmen einer fairen Verfahrensgestaltung an richterlicher Fürsorge von Verfassungs wegen geboten ist, nicht nur an dem Interesse der Rechtsuchenden an einer möglichst weitgehenden Verfahrenserleichterung orientieren, sondern muß auch berücksichtigen, daß die Justiz im Interesse ihrer Funktionsfähigkeit vor zusätzlicher Belastung geschützt werden muß (BVerfG NJW 1995, 3173); danach muß insbesondere dem rechtskundigen Verfahrensbeteiligten und seinem Prozeßbevollmächtigten die Verantwortung für die Ermittlung des richtigen Adressaten fristgebundener Verfahrenserklärungen nicht allgemein abgenommen und auf unzuständige Gerichte verlagert werden. Für den Bereich der Zivilprozeßordnung führt das Bundesverfassungsgericht an, daß sich ein etwaiges Verschulden der Partei oder ihres Prozeßbevollmächtigten nicht mehr auswirke, wenn der fristgebundene Schriftsatz so rechtzeitig bei dem „mit der Sache befaßt gewesenen Gericht” eingeht, daß die fristgerechte Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann. Ein derartiger Fall liegt nach Auffassung des Senats hier nicht vor. Die Ausgestaltung des sofortigen Beschwerdeverfahrens in Notarverwaltungssachen ist schon nicht mit der „normalen” Rechtsmittelsituation des Zivilprozesses vergleichbar, die der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde lag. Eine „nachwirkende Fürsorgepflicht” des vorinstanzlichen Richters, auf die dessen etwaige Verantwortung zur Weiterleitung fristgebundener Schriftsätze des Rechtsmittelführers gestützt werden könnte, besteht in der vorliegenden Fallkonstellation, in der das Rechtsmittel beim „iudex a quo” einzulegen ist, jedoch tatsächlich bei dem für die Entscheidung zuständigen Rechtsmittelgericht eingelegt wird, nicht. Demzufolge ist auch eine etwaige „vorbeugende Fürsorgepflicht” des lediglich für die Durchführung des Rechtsmittelverfahrens zuständigen Bundesgerichtshof nicht zu statuieren, außerhalb normaler Geschäftsabläufe bei ihm eingehende Beschwerdeschriften an die für die Rechtsmitteleinlegung zuständigen Oberlandesgerichte weiterzuleiten. Innerhalb des normalen Geschäftsgangs war hier vor Ablauf der Rechtsmittelfrist eine Weiterleitung der Beschwerdeschrift an das Kammergericht nicht geboten. Die Geschäftsstelle hat auf die per Fax-Schreiben am Nachmittag des 17. Juni 1999 – ohne Beifügung der angefochtenen Entscheidung – eingegangene Rechtsmittelschrift unverzüglich am folgenden Tag in der üblichen Weise die vorinstanzlichen Verfahrensakten bei dem Kammergericht angefordert, die dann ebenfalls im normalen Geschäftsgang jenes Gerichts versandt und erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist Anfang Juli beim Bundesgerichtshof eingegangen sind. Anschließend wurden die Akten mitsamt der nunmehr auch im Original zwischenzeitlich eingegangenen Rechtsmittelschrift dem Senatsvorsitzenden vorgelegt, der nach Durchsicht der vorinstanzlichen Akten feststellen mußte, daß der Antragsteller nicht zugleich auch seine Beschwerdeschrift bei dem zuständigen Kammergericht eingereicht hatte – so wie dies in einer Vielzahl vergleichbarer Fälle zu geschehen pflegt und wie dies aus objektiver Sicht bei Beobachtung durchschnittlicher Sorgfalt des betroffenen rechtskundigen Rechtsanwalts und Notars zu erwarten ist, sofern er nach Lektüre des eindeutigen Gesetzeswortlauts etwaige Zuständigkeitszweifel hegt. Die Anordnung einer Weiterleitung der Rechtsmittelschrift an das Kammergericht durch den Senatsvorsitzenden war zu diesem Zeitpunkt, zu dem die Rechtsmittelfrist bereits verstrichen war, aus Fürsorgegesichtspunkten nicht mehr veranlaßt. Demzufolge reichte es aus, den Antragsteller auf die eingetretene Fristversäumnis hinzuweisen. Zu einer weitergehenden selbständigen Prüfung der Statthaftigkeit des Rechtsmittels schon bei Eingang der Beschwerdeschrift war die Geschäftsstelle nicht zuständig; es besteht in derartigen Fällen auch keine Veranlassung dazu, abweichend von dem sonst üblichen Geschäftsgang die zunächst nur per Fax und später im Original eingegangene Rechtsmittelschrift ohne Akten und – im vorliegenden Fall – sogar ohne ein Exemplar der angefochtenen Entscheidung zum Zwecke einer Art vorläufigen Prüfung der Zulässigkeit des Rechtsmittels dem Vorsitzenden vorzulegen, nur um einer etwaigen Verfristung vorzubeugen. Dies gilt um so mehr, als – wie bereits dargelegt – in einer Vielzahl vergleichbarer Fälle das Rechtsmittel sowohl bei dem zuständigen Oberlandesgericht als auch – sei es offenbar aus Gründen äußerster Vorsicht, sei es zur Verfahrensbeschleunigung – bei dem an sich insoweit unzuständigen Bundesgerichtshof eingelegt wird.
2. Aufgrund der Erfolglosigkeit des Wiedereinsetzungsbegehrens ist die sofortige Beschwerde wegen Verspätung unzulässig (§§ 111 Abs. 4 Satz 2 BNotO, 42 Abs. 4 Satz 1 BRAO).
Unterschriften
Schmitz, Seiffert, Kurzwelly, Schierholt, Grantz
Fundstellen
Haufe-Index 556538 |
BB 2000, 588 |
NJW 2000, 737 |
BGHR |
Nachschlagewerk BGH |
ZAP 2000, 280 |
MDR 2000, 359 |
ZNotP 2000, 119 |