Verfahrensgang
LG Hagen (Urteil vom 13.05.2003) |
Tenor
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hagen vom 13. Mai 2003, auch soweit es den Mitangeklagten Y. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagten und den früheren Mitangeklagten Y. jeweils des räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer in Tateinheit mit versuchtem schweren Raub und mit gefährlicher Körperverletzung für schuldig befunden und die Angeklagten jeweils zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten, den Mitangeklagten Y., der keine Revision eingelegt hat, zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt; außerdem hat es gegen diesen eine Maßregel nach §§ 69, 69 a StGB angeordnet. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen, mit denen sie die Verletzung materiellen Rechts rügen; der Angeklagte D. beanstandet darüber hinaus das Verfahren.
Die Rechtsmittel haben mit den Sachrügen Erfolg; sie führen – gemäß § 357 StPO auch hinsichtlich des Mitangeklagten Y. – zur Aufhebung des Urteils, weil die Verurteilung wegen tateinheitlich begangenen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer (§ 316 a StGB) nach den Maßstäben der geänderten Rechtsprechung des Senats keinen Bestand hat. Damit unterliegen auch die Verurteilungen wegen der tateinheitlich begangenen Taten der Aufhebung, obwohl diese für sich gesehen rechtlich nicht zu beanstanden sind (vgl. BGHR StPO § 353 Aufhebung 1).
Nach den Feststellungen des Landgerichts überfielen die Angeklagten den Taxifahrer in der Absicht, ihn zu berauben, während dieser entsprechend ihrer Weisung in Unterbrechung der Fahrt an einem einsamen Ort kurz anhielt. Dazu, ob zu diesem Zeitpunkt der Motor des Kraftfahrzeugs noch lief, verhält sich das Urteil nicht.
Wie der Senat in seinem Urteil vom 20. November 2003 – 4 StR 150/03 (= StV 2004, 137 f., zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt) im einzelnen dargelegt hat, erachtet er eine enger als bisher am Schutzzweck und den einzelnen Tatbestandsmerkmalen des § 316 a StGB orientierte Auslegung für geboten. Danach setzt der Tatbestand des § 316 a StGB nach seinem Wortlaut eine zeitliche Verknüpfung zwischen tauglichem Tatopfer und tatbestandsmäßiger Angriffshandlung dergestalt voraus, daß im Tatzeitpunkt, d. h. bei Verüben des Angriffs, das Tatopfer (noch) „Führer” oder „Mitfahrer” eines Kraftfahrzeugs ist. Daran könnte es hier fehlen: Denn „Führer” eines Kraftfahrzeugs im Sinne des § 316 a StGB ist nur, wer das Fahrzeug in Bewegung zu setzen beginnt, es in Bewegung hält oder allgemein mit dem Betrieb des Fahrzeugs und/oder der Bewältigung von Verkehrsvorgängen beschäftigt ist. Das ist regelmäßig nicht mehr der Fall, wenn das Fahrzeug aus anderen als verkehrsbedingten Gründen anhält und der Fahrer den Motor ausstellt.
Ob der hier geschädigte Taxifahrer bei Verüben des Angriffs in dem genannten Sinne Führer seines (nicht verkehrsbedingt haltenden) Fahrzeugs war, er – bei noch laufendem Fahrzeugmotor – in einer Weise mit der Beherrschung seines Kraftfahrzeugs und/oder mit der Bewältigung von Verkehrsvorgängen beschäftigt war, daß er gerade deshalb leichter Opfer eines räuberischen Angriffs war, und ob die Angeklagten die möglicherweise hierin liegenden „besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs” für ihre Taten ausgenutzt haben (vgl. hierzu auch die Senatsbeschlüsse vom 27. November 2003 – 4 StR 311/03 und 4 StR 338/03), läßt sich dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen. Entsprechende Feststellungen müssen daher nachgeholt werden.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat noch auf folgendes hin:
Falls die nunmehr entscheidende Jugendkammer das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 316 a StGB nach der geänderten Rechtsprechung des Senats nicht mehr bejahen könnte, ist sie nicht gehindert, bei der Bemessung der Strafen wegen versuchten schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung strafschärfend zu werten, daß sich die Tat gegen einen Taxifahrer während der Ausübung seines auch im Interesse der Allgemeinheit liegenden Berufs richtete und die Angeklagten ihr Opfer planmäßig an einen Ort lockten, wo für es Hilfe nicht zu erwarten war.
Unterschriften
VRi'inBGH Dr. Tepperwien ist urlaubsbedingt ortsabwesend und deshalb verhindert zu unterschreiben. Maatz, Maatz, Kuckein, Solin-Stojanović, Sost-Scheible
Fundstellen
Haufe-Index 2558238 |
VRS 2004, 37 |
JWO-VerkehrsR 2004, 211 |