Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnungsregelung Geschäftsgebühr auf Verfahrensgebühr
Leitsatz (redaktionell)
Liegt kein Fall der Anrechnungsregelung des § 15a Abs. 2 RVG vor, ist die Verfahrensgebühr für das gerichtliche Verfahren im Rahmen der Kostenfestsetzung stets in voller Höhe anzusetzen.
Normenkette
RVG § 15a
Verfahrensgang
OLG Hamm (Entscheidung vom 06.11.2009; Aktenzeichen I-25 W 486/09) |
LG Münster (Entscheidung vom 06.05.2009; Aktenzeichen 2 O 528/06) |
Tenor
I.
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 6. November 2009 teilweise aufgehoben und wie folgt neu gefasst:
1.
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kosten-festsetzungsbeschluss des Rechtspflegers des Landgerichts Münster vom 6. Mai 2009 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die auf Grund des Urteils des Oberlandesgerichts Hamm vom 25. Juli 2008 - 30 U 32/08 - von den Beklagten gesamtschuldnerisch an die Klägerin zu erstattenden Kosten werden festgesetzt auf 8.307,30 EUR - darin enthalten sind Gerichtskosten in Höhe von 2.839,00 EUR - nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 1. August 2008.
2.
Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
3.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Klägerin zu 2/3 und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 1/3 zu tragen.
II.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen.
III.
Beschwerdewert: 633 EUR.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt im Kostenfestsetzungsverfahren gegen die Beklagten noch den Ansatz der ungeminderten Verfahrensgebühr.
Rechtspfleger und Oberlandesgericht haben die von der Klägerin für ihre erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten geltend gemachte 1,3-Verfahrens-gebühr (Nr. 3100 VV RVG) nicht in voller Höhe berücksichtigt. Denn gemäß Anlage 1, Teil 3, Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG sei hier auf die Verfahrensgebühr die halbe vorgerichtlich entstandene 1,3-Geschäftsgebühr (Nr. 2300 VV RVG) anzurechnen. Daran habe die zwischenzeitlich erfolgte Einführung des § 15 a RVG nichts geändert, denn diese Vorschrift stelle eine Gesetzesänderung dar und finde augrund der zumindest entsprechend heranzuziehenden Überleitungsvorschrift des § 60 Abs. 1 RVG auf Altfälle keine Anwendung.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch sonst zulässig. Das Oberlandesgericht hat sie wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen. Daran ist der Senat gebunden (§ 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO).
III.
Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet, denn das Oberlandesgericht hat die geltend gemachte 1,3-Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) zu Unrecht nicht in voller Höhe berücksichtigt.
1.
Der erkennende Senat hat nach Erlass der angefochtenen Entscheidung in Übereinstimmung mit dem II. Zivilsenat (vgl. BGH Beschluss vom 2. September 2009 - II ZB 35/07 - ZIP 2009, 1927, 1928) wiederholt entschieden, dass die Vorschrift des § 15 a RVG eine bloße Klarstellung der bestehenden Gesetzeslage darstellt. Folglich findet diese - gemäß Art. 10 des am 4. August 2009 verkündeten Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 30. Juli 2009 (BGBl. I S. 2449) am Tag nach der Verkündung in Kraft getretene - Bestimmung auch Anwendung, wenn die Auftragserteilung des Erstattungsberechtigten an seinen Prozess- bzw. Verfahrensbevollmächtigten vor dem 5. August 2009 erfolgt war (vgl. Senatsbeschlüsse vom 9. Dezember 2009 - XII ZB 175/07 - FamRZ 2010, 456 Tz. 15 ff. m.w.N. und vom 3. Februar 2010 - XII ZB 177/09 - zur Veröffentlichung bestimmt m.w.N.).
2.
Der vorliegende Sachverhalt gibt dem Senat keine Veranlassung, hiervon abzuweichen. Mit den vom Oberlandesgericht für seine gegenteilige Rechtsauffassung angeführten Argumenten, namentlich der Frage der Anwendbarkeit des § 60 Abs. 1 RVG und der aufgeworfenen Rückwirkungsproblematik, hat sich der Senat bereits in seinen vorstehend genannten Beschlüssen ausführlich befasst.
Da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, hat der Senat gemäß § 577 Abs. 5 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden. Nachdem keiner der Ausnahmefälle des § 15 a Abs. 2 RVG ersichtlich ist, ist die Verfahrensgebühr antragsgemäß in voller Höhe zu berücksichtigen. Die von den Beklagten der Klägerin zu erstattenden Kosten sind somit auf insgesamt 8.307,30 EUR nebst Zinsen festzusetzen.
Die Kostenentscheidungen folgen aus § 97 Abs. 1 ZPO. Danach sind der Klägerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens vor dem Oberlandesgericht insoweit aufzuerlegen, als sie ihre Beschwerde bezüglich der geltend gemachten Umsatzsteuer zurückgenommen hatte und das Rechtsmittel darüber hinaus hinsichtlich des Ansatzes weiterer Gerichtskosten zurückgewiesen worden ist.
Fundstellen