Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Urteil vom 31.03.2022; Aktenzeichen I-20 U 71/21) |
LG Düsseldorf (Entscheidung vom 21.04.2021; Aktenzeichen 12 O 302/19) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 31. März 2022 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragene Kläger nimmt die beklagte Anbieterin von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten wegen Verstößen gegen Verbraucherschutzgesetze im Zusammenhang mit der Vereinbarung von Mindestvertragslaufzeiten auf Unterlassung in Anspruch.
Rz. 2
Die Beklagte und S. P. schlossen am 26. Oktober 2016 einen Vertrag über Telekommunikationsdienstleistungen mit einer Mindestlaufzeit von 24 Monaten. Vor Ablauf dieser Laufzeit trafen die Vertragsparteien am 13. August 2018 eine Vereinbarung, die einen abweichenden Tarif und den Erwerb eines neuen Smartphones zum Gegenstand hatte. In einer mit "Vertragsverlängerung" überschriebenen Bestätigung dieser Vereinbarung (Anlage K3) gab die Beklagte als Vertragsbeginn den 13. August 2018 und als (neue) Mindestvertragslaufzeit 26 Monate an. Auf Nachfrage ihres Kunden gab die Beklagte durch einen Mitarbeiter ihres Kundenservice mit E-Mail vom 27. September 2019 zur Begründung an, zu der neuen Vertragslaufzeit von 24 Monaten werde die Restlaufzeit aus dem Vorvertrag dazu addiert. Die Mindestvertragslaufzeit nach dem Tarifwechsel betrage somit nunmehr 26 Monate und 14 Tage (Anlage K5).
Rz. 3
Zwischen der Beklagten und I. H. bestand ein Vertrag über Telekommunikationsdienstleistungen mit einer Mindestlaufzeit bis zum 12. Juli 2019. Vor Ende der Laufzeit wandte sich I. H. mit dem Wunsch nach einem Tarifwechsel und dem vergünstigten Kauf eines neuen Smartphones an die Beklagte. Unter dem 4. April 2019 unterzeichnete sie ein von der Beklagten daraufhin erstelltes Formular. In dem vom Kläger hierzu als Anlage K1 vorgelegten Schriftstück heißt es:
"Ihr Vertrag läuft wie vereinbart weiter. Unten sehen Sie Details zu Ihrer Vertragsverlängerung.
[…]
Ihre neue Mindestlaufzeit
Sie haben sich für den Kauf eines neuen vergünstigten Smartphones oder Tablets vor Ende der Mindestvertragslaufzeit und damit für einen neuen Vertrag entschieden. Am 13. Juli 2019 beginnt für Ihren Vertrag eine neue Mindestvertragslaufzeit von 24 Monaten.
[…]
Sie erhalten ab dem 13. Juli 2019 folgenden Tarif: […]"
Rz. 4
Gleichwohl legte die Beklagte ihrer Rechnung vom 18. April 2019 betreffend den Rechnungszeitraum vom 15. März 2019 bis zum 14. April 2019 bereits teilweise den neu vereinbarten Tarif zugrunde. Das "Ende der Mindestlaufzeit" des Vertrags datierte sie in der Rechnung auf den 12. Juli 2021 (Anlage K2).
Rz. 5
Der Kläger hat in erster Instanz zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung von Ordnungsmitteln zu unterlassen,
1. bei einem Vertragswechsel Vereinbarungen zu treffen, wonach der neue Telekommunikationsvertrag eine Mindestvertragslaufzeit von 24 Monaten hat, die erst nach Ablauf der Mindestvertragslaufzeit des vorherigen Telekommunikationsvertrages zu laufen beginnt, wie geschehen in Anlage K1, wenn die Aktivierung des neuen Telekommunikationsvertrages aber bereits vor dem Laufzeitende des vorherigen Telekommunikationsvertrages erfolgen soll, wenn dies geschieht wie bei dem von der Zeugin H. gebuchten neuen Tarif "Vodafone Red L mit Basic Phone" in Anlage K2 dokumentiert und wenn dies dazu führt, dass hierdurch eine vertragliche Bindung des Kunden von 24 Monaten überschritten wird,
2. in Rechnungen und/oder in Bestätigungen von Vertragsänderungen zu Telekommunikationsverträgen ein Datum für ein Ende der Mindestvertragslaufzeit in Monaten anzugeben, durch die eine Vertragsbindung des Verbrauchers entsteht, die 24 Monate überschreitet, wenn dies geschieht wie in Anlage K2 im Fall der Zeugin H. und in Anlage K3 im Fall des Zeugen P. dokumentiert,
3. sich darauf zu berufen, dass bei Vertragsänderungen vor Ablauf der Mindestvertragslaufzeit des vorherigen Telekommunikationsvertrages zu der mit dem neuen Telekommunikationsvertrag beginnenden Vertragslaufzeit von 24 Monaten die Restlaufzeit aus dem vorherigen Telekommunikationsvertrag dazu addiert werde, wenn dies geschieht wie in Anlage K5 dokumentiert.
Rz. 6
Hilfsweise hat der Kläger die Anträge zu 1 und 2 nur für die Fälle gestellt, in denen es sich nicht um Individualvereinbarungen handelt.
Rz. 7
Daneben hat der Kläger die Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von 234,11 € nebst Zinsen begehrt.
Rz. 8
Das Landgericht hat unter Abweisung der Klage im Übrigen die Beklagte zur Unterlassung nach Maßgabe der hilfsweise zu 1 und 2 gestellten Anträge sowie zur Zahlung von 234,11 € nebst Zinsen verurteilt. Gegen das Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung des Klägers und unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und der Klage nach Maßgabe der Hauptanträge insgesamt stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren auf vollständige Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 9
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Rz. 10
Das Berufungsgericht, dessen Urteil in GRUR 2022, 1617 veröffentlicht ist, hat ausgeführt, der Antrag sei hinreichend bestimmt. Dies gelte auch für den Begriff "Vertragswechsel". Aus den Ausführungen zur Klageschrift gehe hervor, dass unter diesem Begriff jeder Vertragsabschluss zu verstehen sei, der über die Verlängerung des ansonsten unveränderten Erstvertrags hinausgehe, insbesondere andere Geräte und andere Raten als zuvor enthalte.
Rz. 11
Das beanstandete Verhalten der Beklagten verstoße gegen § 43b Satz 1 TKG in der bis zum 30. November 2021 geltenden Fassung (fortan: aF) und § 56 Abs. 1 Satz 1 TKG in der seit dem 1. Dezember 2021 geltenden Fassung (fortan: nF), bei denen es sich nach § 2 Abs. 2 Nr. 14 UKlaG um Verbraucherschutzgesetze handele. Dabei sei der Streit der Parteien darüber, ob es sich jeweils um einen neuen Vertragsschluss des Kunden mit der Beklagten oder lediglich um eine Vertragsverlängerung des Erstvertrags (mit veränderten Bedingungen) handele, unerheblich. Unter "anfänglicher Mindestvertragslaufzeit" im Sinne dieser Vorschriften sei nicht nur die im Erstvertrag festgesetzte Mindestvertragslaufzeit zu verstehen, sondern jeglicher Vertragsschluss, der durch aktuelle Willenserklärungen zustande komme. Dies ergebe sich aus der systematischen Auslegung vor dem Hintergrund von Sinn und Zweck der Regelungen.
Rz. 12
Die Vertragslaufzeit habe mehr als 24 Monate betragen. Unabhängig davon, dass insoweit der Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblich sei, übersteige auch der Zeitraum, in dem "die Leistungen entsprechend dem upgegradeten Vertrag ausgetauscht werden", 24 Monate.
Rz. 13
Die Beklagte schulde demgemäß Unterlassung der verbraucherschutzwidrigen Praktiken gemäß § 2 UKlaG. Das gelte auch für den Antrag zu 3. Dabei handele es sich nicht um eine bloße Meinungsäußerung der Beklagten zur Rechtslage, sondern um eine unbedingte und vorbehaltslose Behauptung.
II.
Rz. 14
Diese Erwägungen halten rechtlicher Nachprüfung zum Teil nicht stand.
Rz. 15
1. Das Berufungsgericht hat die von ihm zuerkannten Hauptanträge zu Recht als zulässig angesehen.
Rz. 16
Die Unterlassungshauptanträge sind, was der Senat im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfen hat (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juni 2022 - I ZR 140/15, GRUR 2022, 1308 Rn. 25 mwN), unter Berücksichtigung des Klagevortrags hinreichend bestimmt. Die Revision erhebt insoweit auch keine Rügen.
Rz. 17
2. Nach den bislang vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass der Unterlassungshauptantrag zu 1 die beanstandete Verletzungshandlung erfasst. Sie tragen nicht die Annahme, dass die Beklagte und I. H. aus Anlass des Tarifwechsels eine Vereinbarung getroffen haben, die mit Blick auf den neu vereinbarten Tarif eine Mindestvertragslaufzeit von mehr als 24 Monaten vorsieht.
Rz. 18
a) Aus der vom Kläger vorgelegten Anlage K1, bei der es sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts um die aus Anlass des Vertragswechsels unterzeichnete Urkunde handelt, geht hervor, dass sich die wechselseitig geschuldeten Leistungen erst nach Ende der Mindestlaufzeit des bestehenden Telekommunikationsvertrags (12. Juli 2019) nach dem neuen Tarif richten sollten, und zwar für eine Mindestlaufzeit von genau 24 Monaten. Zu Beginn der Leistungsübersicht (Anlage K1, S. 2) heißt es ausdrücklich "Sie erhalten ab dem 13.07.2019 folgenden Tarif: […]". Zu mit Bezug aufeinander abgegebenen Erklärungen der Vertragsparteien, aus denen sich ergeben könnte, dass die wechselseitig geschuldeten Leistungen sich gleichwohl schon vorher nach dem neuen Tarif richten sollten, hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen.
Rz. 19
b) Im Berufungsurteil heißt es zwar, der Zeitraum, in dem "die Leistungen entsprechend dem upgegradeten Vertrag miteinander ausgetauscht werden", übersteige 24 Monate (Berufungsurteil, S. 10). Mit Blick auf den gegenteiligen Wortlaut der Anlage K1 folgt daraus jedoch nicht, dass diesem Leistungsaustausch die Vereinbarung einer entsprechenden Mindestvertragslaufzeit zugrunde liegt. Konkrete Feststellungen zu Erklärungen der Vertragsparteien, die vom Inhalt der Anlage K1 abweichen, hat das Berufungsgericht nicht getroffen.
Rz. 20
c) Etwas anderes folgt nicht daraus, dass das Berufungsgericht im Zusammenhang mit seinen Ausführungen zu den Unterlassungshilfsanträgen festgestellt hat, die Beklagte biete in den Fällen, in denen der Kunde bei noch laufendem Erstvertrag ein "Upgrade" begehre, lediglich einen Vertrag an, bei dem die Leistungen bereits sofort entsprechend dem "Upgrade" ausgetauscht würden, die noch bis zum regulären Ende des Erstvertrags "fehlenden" Monate bei der Berechnung der Vertragslaufzeit des leistungs- und tarifmäßig aufgewerteten Vertrags von 24 Monaten jedoch nicht berücksichtigt würden. Diese Feststellungen zur allgemeinen Angebotspraxis der Beklagten lassen ebenfalls keinen Rückschluss darauf zu, dass die Beklagte und I. H. hinsichtlich der Mindestvertragslaufzeit eine andere Vereinbarung getroffen haben als die, die in der vom Kläger ausdrücklich in Bezug genommenen Anlage K1 zum Ausdruck kommt. Dies gilt umso mehr, als aus der Anlage K1 auch hervorgeht, dass I. H. - vorbehaltlich des Nachweises ihrer Firmenangehörigkeit - ein Mitarbeiterrabatt eingeräumt wurde, und die für ihre Kunden beschriebene Praxis bei Firmenangehörigen der Beklagten möglicherweise ohnehin keine Anwendung findet.
Rz. 21
d) Der Antrag ist jedoch nicht abweisungsreif. Der Kläger hat mit ihm im Berufungsrechtszug obsiegt und hatte in den Vorinstanzen - abgesehen von dem durch die Prozessentwicklung überholten Hinweis des Landgerichts in dessen Beschluss vom 18. Oktober 2020 - keinen Anhaltspunkt für die Unschlüssigkeit seines Vortrags in diesem Punkt. Zur Wahrung des rechtlichen Gehörs ist dem Kläger daher Gelegenheit zu geben, sein Vorbringen zu ergänzen, zumal sich die Anlage K1 allem Anschein nach aus zwei unterschiedlichen, jeweils unvollständig vorgelegten Dokumenten zusammensetzt (auf zwei Seiten befindet sich unten die Seitenzahlangabe "2/11" und "3/11" und auf einer die Bezeichnung "Seite 5 von 6").
Rz. 22
3. Auch die Entscheidung des Berufungsgerichts über den Unterlassungshauptantrag zu 2 kann keinen Bestand haben.
Rz. 23
Mit der Begründung des Berufungsgerichts, das nicht zwischen den Unterlassungshauptanträgen zu 1 und 2 unterschieden hat, kann der mit dem Unterlassungshauptantrag zu 2 geltend gemachte Anspruch nicht bejaht werden. Ein Anspruch aus § 2 Abs. 1 Satz 1 UKlaG setzt eine Zuwiderhandlung gegen eine Verbraucherschutzvorschrift voraus. Durch das beanstandete Verhalten muss der Tatbestand der Verbraucherschutzvorschrift rechtswidrig verwirklicht werden (Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 2 UKlaG Rn. 36; vgl. auch BGH, Urteile vom 8. November 2007 - I ZR 60/05, GRUR 2008, 530 Rn. 11 und I ZR 192/06, WRP 2008, 780, 781, jeweils zum damaligen § 4 Nr. 11 UWG, nunmehr § 3a UWG). Dies kann hinsichtlich der mit dem Unterlassungsantrag zu 2 geltend gemachten Verletzungshandlungen mit Blick auf die Regelung in § 43b Satz 1 TKG aF und § 56 Abs. 1 Satz 1 TKG nF, wonach die anfängliche Laufzeit eines Vertrags zwischen einem Verbraucher und einem Anbieter öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste (mit einer hier nicht einschlägigen Ausnahme) 24 Monate nicht überschreiten darf, jedenfalls noch nicht angenommen werden.
Rz. 24
a) Zutreffend ist das Berufungsgericht zwar davon ausgegangen, dass es sich bei § 43b Satz 1 TKG aF und § 56 Abs. 1 Satz 1 TKG nF um Vorschriften handelt, die dem Schutz der Verbraucher dienen (vgl. BGH, Urteil vom 18. November 2021 - I ZR 106/20, GRUR 2022, 175 Rn. 23 ff mwN zu § 43b Satz 1 TKG und § 3a UWG). Dies wird auch dadurch belegt, dass mit der Einführung von § 56 Abs. 1 Satz 1 TKG nF durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2018/1972 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (Neufassung) und zur Modernisierung des Telekommunikationsrechts vom 23. Juni 2021 (BGBl. I 2021 S. 1858) zum 1. Dezember 2021 zugleich die Vorschriften des Telekommunikationsgesetzes, die das Verhältnis zwischen den Anbietern von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten und Verbrauchern regeln, gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 14 UKlaG in die nicht abschließende Liste der Verbraucherschutzvorschriften im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 UKlaG aufgenommen worden sind.
Rz. 25
Die Beschränkung der anfänglichen Mindestvertragslaufzeit nach diesen Vorschriften betrifft jedoch den zulässigen Vertragsinhalt. Dieser wird auf der Grundlage des Klägervortrags sowie der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen durch die I. H. erteilte Rechnung vom 18. April 2019 (Anlage K2) sowie die S. P. übersandte Vertragsbestätigung (Anlage K3) nicht festgelegt, weil beides dem jeweiligen Vertragsschluss nachfolgt und nicht Gegenstand der Vereinbarung ist.
Rz. 26
b) Die Entscheidung erweist sich an dieser Stelle auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Für die Annahme eines Anspruchs aus § 2 Abs. 1 Satz 1 UKlaG iVm § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1, Abs. 2 Fall 2 Nr. 7 UWG wegen einer irreführenden geschäftlichen Handlung reichen die Feststellungen der Vorinstanzen nicht aus.
Rz. 27
aa) Bei § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1, Abs. 2 Fall 2 Nr. 7 UWG handelt es sich um Verbraucherschutzgesetze im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 UKlaG (BGH, Urteil vom 25. April 2019 - I ZR 93/17, GRUR 2019, 754 Rn. 37 mwN). Gemäß § 3 Abs. 1 UWG sind unlautere geschäftliche Handlungen unzulässig. Nach § 5 Abs. 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist gemäß § 5 Abs. 2 UWG irreführend, wenn sie unwahre Angaben (Fall 1) oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über - nachfolgend aufgezählte - Umstände enthält (Fall 2).
Rz. 28
bb) Da der Kläger seine Unterlassungsansprüche auf Wiederholungsgefahr stützt, sind die Anträge nur begründet, wenn das beanstandete Verhalten der Beklagten sowohl zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Revisionsinstanz eine Zuwiderhandlung gegen ein Verbraucherschutzgesetz darstellt als auch zum Zeitpunkt seiner Vornahme im Jahr 2019 eine Zuwiderhandlung gegen ein Verbraucherschutzgesetz darstellte (vgl. BGH, Urteile vom 25. April 2019 aaO Rn. 10 und vom 18. November 2021 aaO Rn. 21, jeweils mwN). Das im Streitfall maßgebliche Recht ist mit Wirkung ab dem 28. Mai 2022 durch das Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht vom 10. August 2021 (BGBl. I S. 3504, 3505) geändert worden. In § 5 UWG ist der bisherige Absatz 1 in zwei Absätze aufgeteilt und dem neuen Absatz 3 in Umsetzung einer EU-Richtlinie eine Regelung zur sogenannten Doppelqualität von Waren hinzugefügt worden (vgl. BT-Drucks. 19/27873, S. 33). Eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage hat sich damit aber nicht ergeben.
Rz. 29
cc) Die Rechnungserteilung sowie die Vertragsbestätigung sind geschäftliche Handlungen im Sinne von § 5 Abs. 1 und 2 UWG, weil sie bei objektiver Betrachtung auf die Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung des jeweils adressierten Verbrauchers gerichtet sind (vgl. BGH, Urteile vom 25. April 2019 aaO Rn. 19 ff und vom 23. April 2020 - I ZR 85/19, GRUR 2020, 886 Rn. 31 ff). Bei den in den jeweiligen Schriftstücken enthaltenen Angaben zur Mindestvertragslaufzeit handelt es sich aufgrund ihres Informationsgehalts zudem um Angaben im Sinne von § 5 Abs. 2 UWG (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 2020 aaO Rn. 36 mwN).
Rz. 30
dd) Die Angaben zur Mindestvertragslaufzeit in der Rechnung und in der Vertragsbestätigung stellen keine unwahren Angaben im Sinne von § 5 Abs. 2 Fall 1 UWG dar. Wahr oder unwahr können nur Tatsachenbehauptungen sein, über die Beweis erhoben werden kann (BGH aaO Rn. 38 mwN). Die angegriffenen Angaben fallen nicht darunter. In der Rechnung ist nur ein Datum als das Ende der Mindestvertragslaufzeit angegeben; in der Vertragsbestätigung als Mindestvertragslaufzeit nur eine Dauer von 26 Monaten. Dabei handelt es sich um Äußerungen zur Rechtslage, die einer Überprüfung durch eine Beweiserhebung nicht zugänglich sind. Weil sich die Schriftstücke auf die Angabe eines Datums und eines konkreten Zeitraums beschränken, sind in diesen Äußerungen - bezogen auf die Mindestvertragslaufzeit - auch keine darüber hinausgehenden Tatsachenbehauptungen enthalten (vgl. dazu BGH aaO). Insbesondere wird darin kein Sachverhalt mitgeteilt, auf dessen Grundlage die Beklagte die jeweilige Mindestvertragslaufzeit bestimmt hat. Soweit der Kläger geltend macht, die Beklagte erwecke den Eindruck, dass die angegebene Mindestlaufzeit für die Verträge zulässig sei, handelt es sich wiederum um keine Tatsachenbehauptung. Davon zu trennen ist die Frage, ob die beteiligten Verkehrskreise die Angaben nicht als Rechtsäußerung, sondern als (tatsächliche) Feststellung verstehen. Auf die nachfolgenden Ausführungen wird Bezug genommen.
Rz. 31
ee) Bei den Angaben zur Mindestvertragslaufzeit kann es sich um sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über Verbraucherrechte gemäß § 5 Abs. 2 Fall 2 Nr. 7 UWG als einem der in § 5 Abs. 2 Fall 2 UWG aufgeführten Bezugspunkte einer Irreführung handeln, weil sich nach der vereinbarten Mindestvertragslaufzeit richtet, zu welchem Zeitpunkt der Verbraucher den Vertrag frühestens ordentlich kündigen kann (vgl. BGH, Urteil vom 25. April 2019 aaO Rn. 23 f). Für eine solche Annahme reichen die bislang getroffenen Feststellungen jedoch nicht aus.
Rz. 32
(1) Zu den zur Täuschung geeigneten Angaben im Sinne von § 5 Abs. 2 UWG können nicht nur Tatsachenbehauptungen, sondern unter bestimmten Vor-aussetzungen auch Meinungsäußerungen gehören (vgl. BGH, Urteile vom 25. April 2019 aaO Rn. 25 ff und vom 23. April 2020 aaO Rn. 36, 38). Aussagen über die Rechtslage werden aber nur in bestimmten Fällen erfasst. Entscheidend ist, wie der Verbraucher die Äußerung des Unternehmers unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Art und Weise der Äußerung auffasst. Ist für die betroffenen Verkehrskreise erkennbar, dass es sich um eine im Rahmen der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung geäußerte Rechtsansicht handelt, fehlt dieser Äußerung die zur Erfüllung des Tatbestands der Irreführung erforderliche Eignung zur Täuschung. Dagegen erfasst § 5 Abs. 2 UWG Äußerungen, in denen der Unternehmer gegenüber Verbrauchern eine eindeutige Rechtslage behauptet, die tatsächlich nicht besteht, sofern der angesprochene Kunde die Aussage nicht als Äußerung einer Rechtsansicht, sondern als Feststellung versteht. Ebenso ist eine objektiv falsche rechtliche Auskunft eines Unternehmers, die er auf eine ausdrückliche Nachfrage des Verbrauchers erteilt, zur Irreführung und Beeinflussung des Verbrauchers geeignet, weil sie ihn daran hindert, eine Entscheidung in voller Kenntnis der Sachlage zu treffen (vgl. EuGH, GRUR 2015, 600 Rn. 40). Auch in dieser Situation versteht der angesprochene Kunde die Aussage nicht als Äußerung einer Rechtsansicht, sondern als Feststellung (BGH, Urteil vom 25. April 2019 aaO Rn. 30 ff mwN).
Rz. 33
(2) Daran gemessen können auch Angaben zur Mindestvertragslaufzeit in Rechnungen oder Vertragsbestätigungen zur Täuschung geeignete Angaben im Sinne von § 5 Abs. 2 UWG darstellen, sofern Verbraucher sie als Feststellung verstehen. Das Berufungsgericht hat indes keine tatrichterliche Feststellung dazu getroffen, wie die entsprechenden Angaben in der Rechnung an I. H. und die Vertragsbestätigung gegenüber S. P. aus der Sicht eines durchschnittlichen Verbrauchers verstanden werden.
Rz. 34
Der Senat kann zwar im Prinzip auf der Grundlage eines feststehenden Sachverhalts die für die Ermittlung des Verkehrsverständnisses erforderlichen Feststellungen selbst treffen (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 2020 aaO Rn. 48 mwN). Zur Beurteilung, ob Verbraucher die Angaben zu den Mindestvertragslaufzeiten als Äußerung einer Rechtsansicht oder als Feststellung verstehen, können im Streitfall jedoch auch außerhalb der beiden Schriftstücke liegende Umstände von Bedeutung sein. Dies gilt insbesondere für Art und Inhalt der zwischen den jeweiligen Vertragsparteien getroffenen Abreden. Hierzu fehlen ebenfalls tatrichterliche Feststellungen des Berufungsgerichts (vgl. BGH aaO).
Rz. 35
c) Sind die Angaben zur Mindestvertragslaufzeit in der Rechnung und der Vertragsbestätigung aus Verbrauchersicht nicht als Feststellung zu verstehen, ist der Unterlassungshauptantrag zu 2 unbegründet. Dies ist etwa zu erwägen, wenn aus den Vereinbarungen, die die Beklagte mit ihren Kunden H. und P. über die Geltung der neuen Leistungen und Tarife getroffen hat, eindeutig der Beginn der neuen Bedingungen erst nach dem Ende der 24-monatigen Laufzeit des ursprünglich geschlossenen Vertrags hervorgeht, und somit ein auch für den durchschnittlichen Verbraucher offenkundiger Widerspruch zwischen den Verträgen und der Rechnung beziehungsweise der Vertragsbestätigung besteht.
Rz. 36
d) Handelt es sich hingegen nach Maßgabe der oben wiedergegebenen Grundsätze um Feststellungen, ist die Begründetheit des Antrags davon abhängig, ob die Rechtslage in der Rechnung beziehungsweise der Vertragsbestätigung zutreffend wiedergegeben ist. Sofern - was das Berufungsgericht ausdrücklich offengelassen hat und nach den bislang getroffenen tatrichterlichen Feststellungen jedenfalls nicht ausgeschlossen ist - die Vertragsparteien sich jeweils auf eine Änderung des Vertragsinhalts des bestehenden Telekommunikationsvertrags mit einer neuen Mindestlaufzeit von mehr als 24 Monaten geeinigt haben sollten, kann diese Frage nicht ohne vorherige Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union entschieden werden. Eine derartige Vorlage kommt derzeit jedoch nicht in Betracht.
Rz. 37
aa) Die Angaben sind objektiv falsch, wenn die Vertragsparteien keine entsprechende Vereinbarung über die Mindestvertragslaufzeit getroffen haben. In diesem Fall fehlt es schon an einer vertraglichen Grundlage für eine Addition der Restlaufzeit des zuvor bestehenden Telekommunikationsvertrags zu einer neu vereinbarten Mindestvertragslaufzeit (vgl. BGH, Urteile vom 28. April 2009 - XI ZR 86/08, WM 2009, 1180 Rn. 33 und vom 25. November 2015 - VIII ZR 360/14, NJW 2016, 936 Rn. 20 zu § 315 Abs. 1 BGB).
Rz. 38
bb) Objektiv falsch sind die Angaben zudem, sofern die Vertragsparteien eine Vereinbarung über die angegebene Mindestvertragslaufzeit getroffen haben, die gegen § 43b Satz 1 TKG aF verstößt. Ein solcher Verstoß hätte nämlich zumindest die Unwirksamkeit dieser Vereinbarung zur Folge. Der Vertrag wäre als auf unbestimmte Laufzeit geschlossen und damit als jederzeit kündbar anzusehen (vgl. Sodtalbers in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 4. Aufl., § 43b TKG Rn. 3; Heilmann/Herrmann in: Paschke/Berlit/Meyer/Kröner, Hamburger Kommentar Gesamtes Medienrecht, 4. Aufl., § 43b TKG Rn. 36; Rott, GRUR Int. 2018, 1010, 1014; Schadow in: Scheurle/Mayen, Telekommunikationsgesetz, 3. Aufl., § 43b Rn. 6, der als mögliche Rechtsfolge auch die Nichtigkeit des Vertrags ansieht).
Rz. 39
Das Berufungsgericht hat ausdrücklich offengelassen, ob die Vertragsparteien - unter Aufhebung des bestehenden Vertrags - einen neuen Telekommunikationsvertrag mit einer Mindestlaufzeit von mehr als 24 Monaten geschlossen oder sich auf eine Änderung des Vertragsinhalts des bestehenden Telekommunikationsvertrags mit einer neuen Mindestlaufzeit von mehr als 24 Monaten geeinigt haben. Für die Frage eines Verstoßes gegen § 43b Satz 1 TKG aF kommt es in beiden Fällen darauf an, wie bei gebotener Auslegung das Tatbestandsmerkmal "anfängliche Mindestlaufzeit eines Vertrags" zu verstehen ist. Jedenfalls in dem zuletzt genannten Fall kann der Senat darüber nicht ohne vorherige Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union befinden. Eine derartige Vorlage kommt derzeit jedoch nicht in Betracht.
Rz. 40
(1) Gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b in Verbindung mit Art. 288 Abs. 1 AEUV entscheidet der Gerichtshof der Europäischen Union im Wege der Vorabentscheidung über die Auslegung von Richtlinien im Sinne von Art. 288 Abs. 3 AEUV. Wird eine derartige Auslegungsfrage in einem schwebenden Verfahren bei einem einzelstaatlichen Gericht gestellt, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, so ist dieses Gericht zur Anrufung des Gerichtshofs verpflichtet (Art. 267 Abs. 3 AEUV). Eine Vorlagepflicht besteht nur dann nicht, wenn das Gericht feststellt, dass die gestellte Frage nicht entscheidungserheblich ist, die Vorschrift des Unionsrechts bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder die richtige Auslegung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (zB Senat, Beschluss vom 18. Januar 2018 - III ZR 174/17, WM 2018, 389 Rn. 23; BGH, Beschluss vom 26. November 2007 - NotZ 23/07, BGHZ 174, 273 Rn. 34 jeweils unter Hinweis auf EuGH-Rechtsprechung). Vom Vorliegen der letztgenannten Voraussetzung darf das innerstaatliche Gericht nur ausgehen, wenn es überzeugt ist, dass für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und den Gerichtshof die gleiche Gewissheit bestünde (zB Senat und BGH aaO mwN).
Rz. 41
(2) § 43b Satz 1 TKG aF dient der Umsetzung von Art. 30 Abs. 5 Satz 1 der Richtlinie 2002/22/EG über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elek-tronischen Kommunikationsnetzen und -diensten (Universaldienstrichtlinie; ABl. L 108 vom 24. April 2002, S. 51) in der durch die Richtlinie 2009/136/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 geänderten Fassung (ABl. L 337 vom 18. Dezember 2009, S. 11, siehe jetzt Art. 105 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie (EU) 2018/1972 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (Neufassung), ABl. L 321 vom 17. Dezember 2018, S. 36). Danach stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass Verträge zwischen Verbrauchern und Unternehmen, die elektronische Kommunikationsdienste erbringen, keine anfängliche Mindestvertragslaufzeit beinhalten, die 24 Monate überschreitet. § 43b Satz 1 TKG aF ist damit im Lichte dieser Richtlinienvorschrift unionsrechtskonform auszulegen.
Rz. 42
(3) Die Voraussetzungen für eine Ausnahme von der Vorlagepflicht sind derzeit nicht gegeben. Insbesondere ist die richtige Auslegung von Art. 30 Abs. 5 Satz 1 RL 2002/22/EG nicht derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt.
Rz. 43
Nach Auffassung des Berufungsgerichts erfasst § 43b Satz 1 TKG aF nicht nur Neuabschlüsse von Telekommunikationsverträgen, sondern auch die Verlängerung bestehender Verträge mit geänderten Bedingungen. Zu Art. 30 Abs. 5 Satz 1 RL 2002/22/EG hat das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang ausgeführt, soweit dort von "anfänglicher Mindestlaufzeit" die Rede sei, sei dies vor dem Hintergrund zu sehen, dass Verlängerungsklauseln typischerweise durch bereits unionsrechtlich regulierte Allgemeine Geschäftsbedingungen vereinbart würden, während für durch "aktuelle Willenserklärungen" zustande gekommene Laufzeitklauseln Regulierungsbedarf bestanden habe. Die Klausel werde in Erwägungsgrund 47 mit der Schaffung eines wettbewerbsorientierten Umfeldes gerechtfertigt, dem die Festlegung zumutbarer Mindestlaufzeiten in Verbraucherverträgen nicht entgegenstehe. Diese Begründung für die Einschränkung der Vertragsfreiheit gelte aber unabhängig davon, ob es sich um einen Erst- oder um einen Folgevertrag handele.
Rz. 44
Das Oberlandesgericht Köln geht hingegen davon aus, dass § 43b Satz 1 TKG aF nur die Erstlaufzeit eines Telekommunikationsvertrags erfasst und demzufolge keine Vorgaben für die Vereinbarung einer (weiteren) Mindestlaufzeit bei einer bloßen Inhaltsänderung eines bereits bestehenden Vertrags macht (vgl. OLG Köln, Urteil vom 28. Mai 2021 - I-6 U 160/20, juris Rn. 96 ff, zu § 309 Nr. 9 Buchst. a BGB, und Rn. 112 mit Bezugnahme auf LG Bonn, Urteil vom 1. Dezember 2020 - 11 O 31/20, juris Rn. 84 f). Dabei geht das Oberlandesgericht in der zitierten Entscheidung zwar nicht ausdrücklich auf Art. 30 Abs. 5 Satz 1 RL 2002/22/EG ein. Den Entscheidungsgründen ist jedoch zu entnehmen, dass es maßgeblich darauf abstellt, dass § 43b Satz 1 TKG aF sich nach seinem Wortlaut auf die "anfängliche" Mindestvertragslaufzeit bezieht. In der deutschen Fassung von Art. 30 Abs. 5 Satz 1 RL 2002/22/EG wird derselbe Begriff verwendet.
Rz. 45
Es steht nicht mit der erforderlichen Sicherheit fest, dass eine der beiden Auffassungen offenkundig richtig ist und der Senat davon überzeugt sein kann, dass auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und den Gerichtshof der Europäischen Union die gleiche Gewissheit bestünde. Von einem acte clair kann jedenfalls nicht ausgegangen werden (vgl. Senat aaO Rn. 30).
Rz. 46
e)Eine der Aufhebung und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung vorgehende Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union durch den Bundesgerichtshof kommt indessen im vorliegenden Verfahrensstadium nicht in Betracht. Ohne konkrete Feststellungen zu den vertraglichen Beziehungen zwischen der Beklagten und I. H. beziehungsweise S. P. ist eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nicht sinnvoll (vgl. BGH, Urteile vom 20. Oktober 1999 - I ZR 86/97, GRUR 2000, 727, 729 mwN; vom 9. Februar 2009 - I ZR 43/11, GRUR 2012, 1017 Rn. 54; vom 22. Februar 2010 - II ZR 287/07, juris Rn. 38 und vom 9. Juli 2015 aaO Rn. 49). Denn vom Inhalt der beiden Vertragsverhältnisse hängt es ab, ob es für das Ergebnis des Rechtsstreits auf die Vereinbarkeit der zwischen der Beklagten und ihren beiden Kunden getroffenen Abreden mit den unionsrechtlich vorgeprägten Regelungen des § 43b Satz 1 TKG aF/§ 56 Abs. 1 Satz 1 TKG nF ankommt. Nur wenn sich die Rechnung beziehungsweise die Vertragsbestätigung im Lichte der neuen Vereinbarungen als Feststellungen im wettbewerbsrechtlichen Sinn darstellen (siehe oben Buchst. c und Einleitung von d) und die neuen vertraglichen Mindestlaufzeiten 24 Monate überschreiten (siehe oben Buchst. d, aa und bb), kann sich die Frage stellen, wie die vorgenannten Vorschriften unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Vorgaben auszulegen sind.
Rz. 47
f) Die vorstehenden Ausführungen gelten gleichermaßen für einen Anspruch des Klägers aus § 8 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 1 UWG iVm § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1, Abs. 2 Fall 2 Nr. 7 UWG (vgl. BGH, Urteil vom 25. April 2019, aaO Rn. 9 ff).
Rz. 48
4. Die Entscheidung über den Unterlassungsantrag zu 3 kann danach ebenfalls keinen Bestand haben. Nach Maßgabe der oben wiedergegebenen Grund-sätze, insbesondere zu den Voraussetzungen, unter denen Aussagen über die Rechtslage eine zur Täuschung geeignete Angabe im Sinne von § 5 Abs. 2 Fall 2 UWG darstellen, steht dem Kläger der gegen die Beklagte geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 2 Abs. 1 Satz 1 UKlaG iVm § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1, Abs. 2 Fall 2 Nr. 7 UWG wegen einer irreführenden geschäftlichen Handlung zu, wenn die beanstandeten Aussagen zur Dauer der Mindestvertragslaufzeit in der E-Mail der Beklagten vom 27. September 2019 an S. P. (Anlage K5) objektiv falsch sind. Nach den tatbestandlichen Feststellungen im Berufungsurteil lag dieser E-Mail eine Nachfrage des Kunden zugrunde. Die Revision nimmt die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts hin, dass es sich bei den Aussagen um unbedingte und vorbehaltlose Behauptungen zur Rechtslage handele. Diese Beurteilung der Vorinstanz ist rechtlich auch nicht zu beanstanden.
Rz. 49
Auf der Grundlage der bislang von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen kann die Richtigkeit der Aussagen in der E-Mail der Beklagten zur Dauer der Mindestvertragslaufzeit jedoch nicht abschließend beurteilt werden, ohne zuvor gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen. Eine solche Vorlage ist aber auch mit Blick auf den Unterlassungsantrag zu 3 nicht veranlasst. Auf die vorstehenden Ausführungen zum Unterlassungsantrag zu 2 wird mit der Maßgabe Bezug genommen, dass zum vorliegenden Punkt die Frage, ob eine Feststellung im wettbewerbsrechtlichen Sinne vorliegt, aus den vorstehenden Gründen nicht mehr offen ist.
III.
Rz. 50
Das angefochtene Urteil ist demnach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 ZPO).
Herrmann |
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Reiter |
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Kessen |
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Herr |
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Liepin |
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Fundstellen
Haufe-Index 15615901 |
NJW-RR 2023, 1016 |
GRUR-Prax 2023, 311 |
MMR 2023, 358 |