Entscheidungsstichwort (Thema)
Glaubhaftmachung einer Beschwer des zur Auskunft und eidesstattlichen Versicherung verpflichteten
Normenkette
ZPO § 511a
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 8. Juli 1992 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten, ihrem Bruder, Auskunft über den Nachlaß der zwischen dem 30. November und dem 2. Dezember 1990 verstorbenen Mutter der Parteien (Erblasserin) sowie die eidesstattliche Versicherung seiner Angaben.
Die Parteien sind kraft gesetzlicher Erbfolge je zur Hälfte Miterben nach der Mutter. Der Beklagte hat den Nachlaß in Besitz und verwaltet insbesondere ein Haus mit 20 Mietwohnungen. Die Klägerin schätzt den Wert der monatlichen Mieteinnahmen auf 8.000,00 DM und den Wert des Nachlasses auf rund 1,5 Mio. DM. Der Beklagte macht geltend, das Mietwohnhaus gehöre zum Nachlaß des Großvaters der Parteien; die Erblasserin sei insoweit nur Vorerbin gewesen. Deren Nachlaß sei allenfalls 6.000,00 DM bis 7.000,00 DM wert.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist als unzulässig verworfen worden. Mit der Revision erstrebt der Beklagte die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts hat der Beklagte nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, daß der Wert seiner Beschwer 1.200,00 DM übersteige (§ 511a ZPO). Maßgeblich sei der Aufwand an Arbeit und Zeit, den er für die Auskunft und die eidesstattliche Versicherung erbringen müsse. Dies hänge vom Umfang des Nachlasses ab. Soweit er hier unstreitig sei, genügten zwei Stunden für die Erteilung der Auskunft. Die Frage der Zugehörigkeit des Mietwohngrundstücks zum Nachlaß der Erblasserin sei vom Landgericht nicht geklärt worden. Selbst wenn der Beklagte auch über die Verwaltung dieses Grundstücks Auskunft zu erteilen habe, kämen dafür bei ordnungsgemäßer Buchführung nicht mehr als sechs Stunden in Betracht. Im übrigen wirke sich der Streit der Parteien über das Mietwohnhaus, der im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden sei, nicht streitwerterhöhend aus.
Das Berufungsgericht setzt für jede Arbeitsstunde 50,00 DM an, da Aufgaben eines Buchhalters zu erledigen seien. Für acht Stunden belaufe sich der Aufwand des Beklagten mithin auf 400,00 DM. Hinzuzurechnen seien 50,00 DM für die Anfertigung von Fotokopien. Weiterhin sei der Aufwand des Beklagten für die eidesstattliche Versicherung auf 300,00 DM zu schätzen. Insgesamt betrage die Beschwer des Beklagten also 750,00 DM.
2.
Damit legt das Berufungsgericht im Ausgangspunkt mit Recht die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung zur Beschwer des zur Auskunft und eidesstattlichen Versicherung Verpflichteten zugrunde (vgl. z.B. Beschluß vom 1. April 1992 - VIII ZB 2/92 - BGHR ZPO § 3 Rechtsmittelinteresse 18). Daran ist auch im Hinblick auf die grundsätzlichen, insbesondere verfassungsrechtlichen Rügen der Revision festzuhalten (hierzu vgl. Urteil vom 11. Dezember 1991 - IV ZR 49/91 - BGHR ZPO § 3 Rechtsmittelinteresse 16; Urteil vom 27. November 1991 - VIII ZR 37/91 - BGHR ZPO § 3 Rechtsmittelinteresse 13; Beschluß vom 30. Januar 1991 - XII ZB 156/90 - BGHR ZPO § 3 Rechtsmittelinteresse 8).
§§ 2, 3, 511a ZPO räumen dem Berufungsgericht bei der Bewertung des Interesses, die Auskunft nicht erteilen zu müssen, freies Ermessen ein; es kann nur darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht die Ermessensgrenzen überschritten oder von seinem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat; das ist insbesondere der Fall, wenn maßgebliche Tatsachen verfahrensfehlerhaft nicht berücksichtigt oder etwa erhebliche Tatsachen unter Verstoß gegen die Aufklärungspflicht nicht festgestellt worden sind (BGH, Beschluß vom 28. November 1990 - VIII ZB 27/90 - WM 1991, 657 unter 1.). So liegt es hier.
a)
Die Revision rügt mit Recht, außer Betracht geblieben sei, daß der Beklagte, um der Verpflichtung aus dem Urteilsausspruch zu 1.3 des landgerichtlichen Urteils zu genügen und über alle Nachlaßverbindlichkeiten unter Darlegung ihres Betrages Auskunft zu erteilen, die Einkommenssteuerschuld der Erblasserin aus den Jahren 1989 und 1990 sowie deren Vermögenssteuerschuld für das Jahr 1989 klären müsse. Dies habe er mit einem Mahnschreiben des Finanzamts vom 15. Januar 1992 glaubhaft gemacht und vorgetragen, dazu seien nicht nur die Belege der Hausverwaltung zu sichten, sondern es müsse auch ein Steuerberater eingeschaltet werden. Daß das Finanzamt dem Beklagten Frist bis zum 10. Februar 1992 gesetzt hat und die Steuererklärungen möglicherweise inzwischen vorliegen, ist unerheblich. Die Zulässigkeit der Berufung des Beklagten ist nach den Verhältnissen im Zeitpunkt ihrer Einlegung am 27. November 1991 zu beurteilen (vgl. BGH, Beschluß vom 8. Juli 1987 - IVb ZB 73/87 - BGHR ZPO § 511a Wertberechnung 2; Urteil vom 18. Dezember 1991 - XII ZR 79/91 - NJW-RR 1992, 450). Die Erwägung des Berufungsgerichts, eines Steuerberaters bedürfe es nicht, weil die vom Beklagten zu erteilende Auskunft nicht der Erzielung möglichst hoher Steuervorteile, sondern der Aufklärung der Klägerin über den Bestand des Nachlasses diene, liegt neben der Sache; Steuerschulden der Erblasserin gehören zu den Nachlaßverbindlichkeiten, über deren Höhe die Klägerin Auskunft verlangt (vgl. in diesem Zusammenhang auch BGH, Beschluß vom 5. Dezember 1990 - XII ZB 130/90 - EzFamR ZPO § 3 Nr. 15).
b)
Das Urteil des Landgerichts verpflichtet den Beklagten zur Auskunft u.a. über sämtliche für den Nachlaß getätigten Geschäfte, ohne zu klären, ob das Mietwohnhaus zum Nachlaß der Erblasserin gehört. Grundsätzlich können Inhalt und Umfang des Urteilsausspruchs im Wege der Auslegung im Verfahren gemäß § 888 ZPO verdeutlicht werden (BayrObLGZ 1988, 413, 417; OLG Stuttgart, OLGZ 1990, 354; Zöller/Stöber, ZPO 17. Aufl. § 888 Rdn. 11; Soergel/Dieckmann, BGB 12. Aufl. § 2027 Rdn. 2; MK/Frank, BGB 2. Aufl. § 2027 Rdn. 8). Wenn die Klägerin zu diesem Behelf greifen würde, was angesichts ihres in der Klageschrift geäußerten Interesses hauptsächlich an dem Mietwohnhaus nicht fernliegt, entsteht dem Beklagten zusätzlicher Aufwand an Arbeit und Zeit für die Abwehr eines solchen Verlangens; darüber hinaus kann ihm nicht verwehrt werden, sich der Hilfe eines Rechtsanwalts zu bedienen. Auch dieser Aufwand ist zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschluß vom 22. Februar 1989 - IVb ZB 186/88 - BGHR ZPO § 3 Rechtsmittelinteresse 7; Beschluß vom 22. Februar 1989 - IVb ZB 5/89 - BGHR ZPO § 3 Rechtsmittelinteresse 20; Urteil vom 18. Dezember 1991 - XII ZR 79/91 - NJW-RR 1992, 450).
c)
Die Rügen der Revision gegen die Höhe der weiteren, vom Berufungsgericht in Rechnung gestellten Kosten des Beklagten sind nicht begründet. Aus dessen Vorbringen ergeben sich bisher keine hinreichenden Anhaltspunkte, die - wenn sie glaubhaft gemacht würden - die Schätzung eines höheren Betrages rechtfertigen könnten. Gleichwohl steht nicht außer Zweifel, daß die Beschwer des Beklagten, wenn das Berufungsgericht die zu 2. a) und b) erwähnten Gesichtspunkte zusätzlich berücksichtigt, die Berufungssumme von 1.200,00 DM nicht übersteigen wird. Deshalb kann das Berufungsurteil nicht bestehen bleiben.
Unterschriften
Bundschuh
Dr. Schmidt-Kessel
Römer
Dr. Schlichting
Terno
Fundstellen