Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermietung. Bewirtschaftung. Dachfläche. Mobilfunkantenne. Einnahmen. Erträge. Aufwendungen. Wirtschftlichkeitsberechnung. Preisgebundener Wohnraum
Leitsatz (amtlich)
Einnahmen des Vermieters aus der Vermietung von Dachflächen zum Betrieb einer Mobilfunkantenne stellen keine Erträge i.S.d. § 31 Abs. 1 S. 1 II. BV dar. Sie sind in einer Wirtschaftlichkeitsberechnung im preisgebundenen Wohnraum nicht zu berücksichtigen.
Normenkette
II. BVO § 31 Abs. 1 S. 1, § 2 Abs. 1
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 22.09.2004; Aktenzeichen 15 S 11239/04) |
AG München (Urteil vom 10.02.2004; Aktenzeichen 453 C 28610/03) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 15. Zivilkammer des LG München I v. 22.9.2004 aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des AG München v. 10.2.2004 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist Mieter einer preisgebundenen Wohnung in M., deren Vermieter die Beklagten sind. Die Anwesen H. straße, in dem sich die Wohnung des Klägers befindet, und P. straße bilden eine Wirtschaftseinheit.
Mit Schreiben v. 7.12.2001 errechneten die Beklagten für die von dem Kläger bewohnte Wohnung eine monatliche Kostenmiete von 4,22 EUR pro Quadratmeter ab dem 1.1.2002. Dem Schreiben war zur Begründung eine Wirtschaftlichkeitsberechnung für das Rechnungsjahr 2001 beigefügt, aus der sich die von den Beklagten geforderte Miete ergab. Die Beklagten hatten bereits seit mehreren Jahren Teile der Flachdächer der beiden Anwesen einem Mobilfunkbetreiber zur Verfügung gestellt, der hierauf Mobilfunkantennen errichtete und betrieb. Die Beklagten erzielten hieraus Einnahmen, die in der Wirtschaftlichkeitsberechnung als Erträge nicht aufgeführt wurden und sich somit nach der Berechnung der Beklagten auf die Höhe der geforderten Kostenmiete nicht auswirkten.
Mit der Klage hat der Kläger verlangt, die Beklagten zur Vorlage einer Wirtschaftlichkeitsberechnung für das Jahr 2001 unter Berücksichtigung von Einnahmen aus dem Betrieb der errichteten Mobilfunkantennen zu verurteilen. Das AG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das LG das angefochtene Urteil abgeändert und die Beklagten antragsgemäß verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihr Ziel einer Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Der Kläger habe einen Anspruch auf Erstellung einer neuen Wirtschaftlichkeitsberechnung unter Berücksichtigung der Einnahmen aus dem Betrieb der auf den Hausdächern installierten Mobilfunkantennen. Diese Einnahmen seien als Erträge nach § 31 der Zweiten Berechnungsverordnung (II. BV) anzusetzen. Dafür spreche der Wortlaut des § 31 Abs. 1 II. BV. Durch die Vermietung der Dachflächen finde eine grundstücksbezogene Nutzung und damit eine ordentliche Bewirtschaftung i.S.d. Vorschriften statt. Die Einnahmen seien auch nachhaltig erzielt worden, denn die Antennen seien bereits 1997 oder 1998 auf den Dächern errichtet worden. Auf Grund der erforderlichen Investitionen sei ein kurzfristiger Abbau nicht zu erwarten. Gleichgültig sei, ob die Erzielung der Einnahmen durch Mobilfunkantennen als Regelfall oder als Ausnahme anzusehen sei, denn § 31 II. BV stelle nicht darauf ab, ob Vermieter regelmäßig derartige Einnahmen erzielten. Eine Verpflichtung des Vermieters zur Vermietung von Dachflächen an Mobilfunkbetreiber bestehe zwar nicht. Dies schließe aber nicht aus, dass im Falle einer tatsächlichen Vermietung die Einnahmen und ggf. anfallende Kosten auch zu berücksichtigen seien. Unerheblich sei der Umstand, dass die Einnahmen im Zeitpunkt der Bewilligung der Förderung nicht in die Wirtschaftlichkeitsberechnung eingestellt worden seien. Schließlich sei zu bedenken, dass die Mieter jedenfalls den psychologischen Beeinträchtigungen durch die Funkantennen ausgesetzt seien und die Berücksichtigung der Einnahmen im Rahmen der Kostenmiete auch aus diesem Grund sachgerecht erscheine.
II.
Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung in dem entscheidenden Punkt nicht stand.
Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagten auf Erstellung einer neuen Wirtschaftlichkeitsberechnung für das Jahr 2001 unter Berücksichtigung der Einnahmen aus den auf beiden Gebäudedächern errichteten Mobilfunkantennen. Es kann dahinstehen, ob ein Mieter von preisgebundenem Wohnraum bei der Ermittlung der Kostenmiete anhand einer Wirtschaftlichkeitsberechnung einen Anspruch auf Berichtigung der Berechnung hat, wenn diese falsch oder unvollständig ist. Die von den Beklagten beigefügte Wirtschaftlichkeitsberechnung ist ordnungsgemäß. Die aus der Vermietung von Dachflächen zum Betrieb einer Mobilfunkantenne erzielten Einnahmen des Vermieters stellen keine Erträge i.S.d. § 31 II. BV dar und sind somit in einer Wirtschaftlichkeitsberechnung nicht anzurechnen (LG Frankfurt/M. zitiert nach Hitpaß, ZMR 2002, 572 [577]; LG Berlin GE 2005, 1062; AG Schöneberg GE 2005, 245; a.A. AG Marburg, zitiert nach Hitpaß, ZMR 2002, 572 [576]; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, Mietrecht, 8. Aufl., § 535 Rz. 379; Heix in Fischer-Dieskau/Pergande/Schwender, Wohnungsbaurecht, Bd. IV, März 2005, § 31 II. BV, Anm. 3.2.; Maciejewski, MM 2001, 439 [440]).
Nach § 2 Abs. 1 II. BV sind in einer Wirtschaftlichkeitsberechnung, die nach §§ 8 bis 9 WoBindG i.V.m. §§ 3 bis 10 NMV eine Grundlage für die Ermittlung der Kostenmiete bildet, die laufenden Aufwendungen für das Gebäude oder die jeweilige Wirtschaftseinheit zu ermitteln und den Erträgen gegenüber zu stellen. Erträge sind gem. § 31 Abs. 1 S. 1 II. BV die Einnahmen aus Miet- und Pachtverträgen sowie Vergütungen, die bei ordentlicher Bewirtschaftung des Gebäudes oder der Wirtschaftseinheit nachhaltig erzielt werden können. Diese Bestimmung ist nach ihrem Wortlaut unter Berücksichtigung der Systematik der Vorschriften der Zweiten Berechnungsverordnung und dem Sinn und Zweck der Aufstellung einer Wirtschaftlichkeitsberechnung dahingehend auszulegen, dass nur Einnahmen zu berücksichtigen sind, die im Rahmen der ordentlichen Bewirtschaftung des Grundstücks oder der Wirtschaftseinheit erzielt werden und denen anrechenbare laufende Aufwendungen (§ 18 Abs. 1 II. BV) gegenüberstehen. Dies ist bei der Vermietung von Dachflächen zum Betrieb von Mobilfunkantennen nicht der Fall.
1. Nach dem Wortlaut der Vorschrift des § 31 Abs. 1 S. 1 II. BV sind Erträge nur diejenigen Einnahmen aus Miet- und Pachtverträgen, die bei ordentlicher Bewirtschaftung des Gebäudes oder der Wirtschaftseinheit nachhaltig erzielt werden können. Die Vermietung von Dachflächen zum Betrieb von Mobilfunkantennen zählt nicht zur ordentlichen Bewirtschaftung eines Gebäudes. Soweit der Vermieter hieraus Einkünfte erzielt, stellen diese Einnahmen nach dem Wortlaut des § 31 Abs. 1 S. 1 II. BV keine Erträge dar.
2. Ferner ergibt sich aus der Systematik der Vorschriften der Zweiten Berechnungsverordnung, wie die Revision zu Recht vorbringt, dass nicht sämtliche Einnahmen des Vermieters zu Gunsten des Mieters bei der Ermittlung der Höhe der Kostenmiete anzurechnen sind, sondern nur solche, die aus der ordentlichen Bewirtschaftung des Gebäudes herrühren und denen anrechenbare Aufwendungen gegenüberstehen.
a) Dies folgt schon aus der Vorschrift des § 31 Abs. 1 S. 2 II. BV. Danach fließen bestimmte Einnahmen, die der Vermieter auf Grund von Sonderleistungen im Verhältnis zu einzelnen Mietern erzielt und denen keine laufenden Aufwendungen zuzuordnen sind, in die Wirtschaftlichkeitsberechnung nicht ein. Zuschläge nach § 26 NMV (etwa für eine gewerbliche Tätigkeit des Mieters in den Mieträumen oder für eine Untervermietung) werden deshalb nicht in die Berechnung eingestellt, weil sie für besondere Vorteile und Nutzungen des Mieters vorgesehen sind, denen keine allgemein für das Gebäude maßgeblichen laufenden Aufwendungen entsprechen (Heix in Fischer-Dieskau/Pergande/Schwender, Wohnungsbaurecht, Bd. IV, März 2005, § 31 II. BV, § 31, Anm. 6.2.). Über den Wortlaut des § 31 Abs. 1 S. 2 II. BV hinaus werden ferner Vergütungen i.S.d. § 27 NMV nicht angerechnet, soweit sie dem Mieter als Person abverlangt werden (wie laufende Leistungen zur persönlichen Betreuung und Versorgung des Mieters) und ebenfalls nicht mit der ordentlichen Bewirtschaftung des Gebäudes zusammenhängen (Heix in Fischer-Dieskau/Pergande/Schwender, Wohnungsbaurecht, Bd. IV, März 2005, § 31, Anm. 6.3.). Werden jedoch - wie ausgeführt - bestimmte Sonderleistungen des Vermieters allein in dem Verhältnis zu dem betreffenden Mieter abgerechnet und in der Wirtschaftlichkeitsberechnung nicht berücksichtigt, so muss dies erst recht für die Einnahmen aus Verträgen mit Dritten gelten, wenn die Vereinbarung - wie im vorliegenden Fall - nicht auf die ordentliche Bewirtschaftung des Gebäudes gerichtet ist und ihnen, wie unter b) dazulegen ist, keine anrechenbaren Aufwendungen für das Gebäude entsprechen.
b) Aus den Vorschriften über die Erstellung der Wirtschaftlichkeitsberechnung in § 2 Abs. 1, § 3 Nr. 4 II. BV ergibt sich, dass Erträge nicht unbegrenzt zu berücksichtigen sind, sondern nur, soweit ihnen laufende Aufwendungen entsprechen (Hitpaß, ZMR 2002, 572 [577]; Heix in Fischer-Dieskau/Pergande/Schwender, Wohnungsbaurecht, Bd. IV, März 2005, § 31, Anm. 6.3. zu Vergütungen). Nach § 2 Abs. 1 II. BV sind die laufenden Aufwendungen zu ermitteln und den Erträgen gegenüber zu stellen. Hat der Vermieter Aufwendungen für die Einrichtung einer Mobilfunkantenne oder für die Bereitstellung einer entsprechenden Dachfläche an den Mobilfunkbetreiber, wären dies keine laufenden Aufwendungen i.S.d. § 18 Abs. 1 S. 1 II. BV. Denn derartige Aufwendungen sind weder Kapitalkosten nach § 19 II. BV noch Bewirtschaftungskosten nach § 24 II. BV. Letztere Kosten beziehen sich nicht auf den gesamten Aufwand des Vermieters, den dieser zur Unterhaltung des Gebäudes erbringt. Anrechenbar sind nur solche Kosten, die zur Bewirtschaftung des Gebäudes nach den Grundsätzen einer ordentlichen Bewirtschaftung erforderlich sind. Dies betrifft nach § 24 Abs. 1 S. 2 i.V.m. §§ 26 bis 28 II. BV nur Kosten, deren zu Grunde liegender Aufwand dem Mieter unmittelbar oder mittelbar zugute kommt und dem Zweck der sozialen Wohnraumförderung i.S.d. § 1 Abs. 1 WoFG dient. Die Verwertung von Teilen des Grundstückes oder Gebäudes zum Betrieb von Mobilfunkantennen steht mit der sozialen Wohnraumförderung in keinem Zusammenhang. Sie betrifft auch keine Rechte oder Pflichten des Vermieters aus den abgeschlossenen Mietverträgen mit Mietern von preisgebundenem Wohnraum. Entstehen dem Vermieter Kosten für die Vermietung von Dachflächen an Dritte, sind dies daher keine anrechenbaren laufenden Aufwendungen i.S.d. § 18 Abs. 1 S. 1 II. BV. Deshalb sind auch die entsprechenden Erträge des Vermieters aus einer Tätigkeit wie der Vermietung von Dachflächen an Mobilfunkbetreiber, die über die erforderliche Bewirtschaftung des Grundstücks hinausgeht, nicht in der Wirtschaftlichkeitsberechnung aufzuführen.
3. Das gefundene Ergebnis entspricht auch dem Sinn und Zweck der Erstellung einer Wirtschaftlichkeitsberechnung. Diese Berechnung soll dazu dienen, bei der Bestimmung des Mietpreises, insb. der Kostenmiete, die Interessen von Mieter und Vermieter sachgemäß abzugrenzen und nach festen Regeln zu gewährleisten, dass einerseits der Vermieter das ihm wirtschaftlich Gebührende erhält, ohne dass andererseits der Mieter mehr als das danach für den Vermieter Notwendige zahlen muss. Die Bestimmungen über die Aufstellung einer Wirtschaftlichkeitsberechnung sollen auch dem Schutz des Mieters dienen (BGH, Urt. v. 24.2.1971 - VIII ZR 152/69, WM 1971, 452, unter II 1 c). Diesem Gedanken entspricht es, wenn nicht sämtliche vom Vermieter im Zusammenhang mit der Unterhaltung des Hauses entstehenden Kosten und erzielten Erträge in die Wirtschaftlichkeitsberechnung eingestellt werden, sondern nur solche Aufwendungen und Erträge, die im Rahmen der ordentlichen Bewirtschaftung von Gebäuden des sozialen Wohnungsbaus entstehen und für den Mieter durch die Begrenzung in den Vorschriften der §§ 18 f. II. BV vorhersehbar und kalkulierbar sind. Dies ist hier, wie ausgeführt, nicht der Fall.
III.
Das angegriffene Urteil kann somit keinen Bestand haben. Der Rechtsstreit ist zur Endentscheidung reif, da es keiner weiteren tatsächlichen Feststellungen bedarf. Daher ist das Berufungsurteil aufzuheben, und die Berufung des Klägers gegen das erstinstanzliche Urteil ist zurückzuweisen (§§ 562 Abs. 1, 563 Abs. 3 ZPO).
Fundstellen