Leitsatz (amtlich)

1. Täuscht der Verkäufer den Käufer, der auf dem Kaufgrundstück einen Gastbetrieb mit Übernachtungsmöglichkeit führen will, darüber, daß der bisher bestehende Betrieb als Stundenhotel bekannt war, ist er ihm zum Schadensersatz wegen Verschuldens bei Vertragsschluß verpflichtet.

2. Eine zusicherungsfähige Eigenschaft (BGB § 459 Abs 2) muß sich auf die Kaufsache beziehen; sie braucht ihr aber nicht unmittelbar innezuwohnen und von ihr auszugehen (Klarstellung BGH, 1991-04-26, V ZR 165/89, BGHZ 114, 263).

 

Tatbestand

Die Beklagten waren Eigentümer eines in D. gelegenen Grundstücks, auf dem sie die „Raststätte D.” betrieben. Auf ein Zeitungsinserat, in dem die Beklagten eine „Gepflegte Pension – Raststätte … auf Leibrente” anboten, kamen die Parteien in Kontakt. Bei den Vertragsverhandlungen gaben die Beklagten an, das mit der Raststätte betriebene Geschäft beruhe überwiegend auf der Zimmervermietung an Monteure und Handlungsreisende als Stammkunden. Mit notariellem Vertrag vom 5. Juni 1987 verkauften die Beklagten einen Teil des Grundstücks mit dem Raststättengebäude und dem Inventar an die Kläger gegen eine einmalige Zahlung von 50.000 DM und eine monatliche Leibrente von zunächst 2.000 DM, beginnend am 1. September 1987, auf die Dauer von 20 Jahren. Die Gewährleistung für Sach- und Rechtsmängel wurde ausgeschlossen. Die Kläger nahmen verschiedene Umbau- und Renovierungsarbeiten vor und führten den Betrieb ab 19. September 1987 unter anderer Bezeichnung fort.

Die Kläger haben (u.a.) behauptet, die Beklagten hätten ihnen arglistig verschwiegen, daß ein wesentlicher Teil des Geschäfts auf dem Betrieb der Raststätte als Absteige (Stundenhotel) beruht habe. An dem daher rührenden schlechten Ruf habe es gelegen, daß der von den Beklagten angegebene monatliche Mindestumsatz von 8.000 DM nicht habe erreicht werden können.

Die Kläger haben Schadensersatz wegen Nichterfüllung, hilfsweise wegen Verschuldens bei Vertragsschluß, verlangt und ihren Schaden zuletzt wie folgt beziffert:

1.

Barpreisanteil

50.000,– DM

2.

bis März 1989 gezahlte Leibrenten

38.000,– DM

3.

Grunderwerbsteuer

5.906,– DM

4.

Kosten des Grundbuchamts und des Notars

5.806,72 DM

5.

Umzugs- und Einlagerungskosten

7.441,03 DM

6.

Handwerkerkosten für Instandsetzung und bauliche Veränderungen

30.349,40 DM

7.

Baumaterialien

8.939,82 DM

8.

Bett- und Tischwäsche, Eisenwaren, Werkzeug und Hausrat

8.779,77 DM

9.

Kreditkosten für Kauf und Investitionen (Teilbetrag)

5.170,28 DM

Auf Zahlung dieser Beträge, insgesamt 160.393,02 DM, und Erstattung eines dem Kläger bis August 1989 entstandenen Verdienstausfalls von 56.260 DM Zug um Zug gegen Rückübereignung des Grundstücks, auf Zustimmung zur Aufhebung der Leibrentenverpflichtung, auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung der Kaufvertragsurkunde sowie auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz weiteren Verdienstausfallsschadens haben die Kläger die Beklagten in Anspruch genommen.

Die Beklagten haben Klagabweisung, die Beklagte widerklagend Zahlung von 5.600 DM für überlassene Ölvorräte und eine bauliche Veränderung beantragt.

Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Die Beklagte ist mit der Widerklage durchgedrungen.

Mit der Revision verfolgen die Kläger die Schadensersatzansprüche gemäß den Positionen 1–9 weiter, verrechnen sie in dieser Reihenfolge mit der Widerklageforderung, und verlangen Zahlung noch in Höhe von 154.793,02 DM, Abgabe der Zustimmungserklärung, Herausgabe der Urkunde und Abweisung der Widerklage. Die Beklagten beantragen Zurückweisung des Rechtsmittels.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht legt den Kaufvertrag dahin aus, daß er nicht die Raststätte als Unternehmen sondern das Grundstück nebst Baulichkeiten und Inventar zum Gegenstand gehabt habe. Es ist der Auffassung, der behauptete Ruf als Absteige habe zwar einen Mangel des Unternehmens, nicht aber des Grundstücks dargestellt, auf dem dieses betrieben wurde. Zwar habe sich der Ruf des Unternehmens auch nach dem Eigentumswechsel nachteilig auf die Ertragsfähigkeit des Grundstücks auswirken können. Das begründe aber keinen Fehler, denn der Wert oder die Gebrauchstauglichkeit des Grundstücks werde hierdurch nicht unmittelbar beeinträchtigt. Da die Ertragsfähigkeit eine zusicherungsfähige Eigenschaft darstelle, sei auch ein Anspruch wegen Verschuldens bei Vertragsschluß ausgeschlossen. Eine Klärung des Streits über die Vermietungspraxis der Beklagten hätte im übrigen vorausgesetzt, daß die Kläger zuvor Widersprüchlichkeiten ihres Vortrags ausgeräumt hätten, auf die sie zum Teil bei der Ablehnung von Prozeßkostenhilfe (Beschlüsse v. 21. Juni und 22. Oktober 1990) hingewiesen worden seien. Die bis zu den Hinweisen vorgetragenen Tatsachen hätten schließlich auch nicht ausgereicht, eine Aufklärungspflicht der Beklagten zu begründen.

Dies hält der rechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.

II.

1. Die Auslegung des Kaufvertrags durch das Berufungsgericht, wonach dieser das Raststättengrundstück nebst Baulichkeiten und Inventar, nicht aber das Unternehmen zum Gegenstand hatte, nimmt die Revision hin. Auch die vom Senat nach § 559 Abs. 2 Satz 1 ZPO von Amts wegen vorgenommene Überprüfung läßt keinen Auslegungsfehler (§§ 133, 157 BGB) erkennen.

2. Nicht gefolgt werden kann dagegen der Auffassung des Berufungsgerichts, dem Grundstück hafte deshalb kein Fehler an, weil die negative Auswirkung des behaupteten schlechten Rufes der früheren Raststätte auf dessen Ertragsfähigkeit, von der das Berufungsurteil ausgeht, keinen Einfluß auf den Wert oder die Gebrauchstauglichkeit im Sinne des § 459 Abs. 1 BGB habe. Die Rechtsprechung des Senats bejaht die Zusicherungsfähigkeit von Ertragsangaben beim Verkauf bebauter Grundstücke gerade deshalb, weil diese Aufschlüsse über die Ertragsfähigkeit geben, und die Ertragsfähigkeit wiederum nach der Verkehrsanschauung für die Wertschätzung des Grundstücks bestimmend ist (Senatsurt. v. 8. Februar 1980, V ZR 174/78, NJW 1980, 1456 f; v. 19. September 1980, V ZR 51/78, NJW 1981, 45 f; v. 3. November 1989, V ZR 154/88, WM 1990, 322; v. 22. Juni 1990, V ZR 126/89, WM 1990, 1755). Die Bedeutsamkeit eines Umstandes für den Wert oder die Brauchbarkeit der Kaufsache ist aber Voraussetzung sowohl dafür, daß er Gegenstand einer Zusicherung (§ 459 Abs. 2 BGB) sein kann, wie auch dafür, daß er als Beschaffenheitsmerkmal (§ 459 Abs. 1 BGB) in Frage kommt (BGHZ 70, 47, 49; BGHZ 114, 263, 266).

3. Ob der Ruf der früheren Raststätte aus einem anderen Grunde keinen Fehler darstellt, nämlich weil er dem Kaufgrundstück nicht, was besondere Voraussetzung eines Beschaffungsmerkmals ist, unmittelbar innewohnt und von ihm ausgeht (BGHZ 70, 47, 49; Senatsurt. v. 8. Februar 1980, V ZR 174/78, NJW 1980, 1456, 1458; v. 2. April 1982, V ZR 54/81, WM 1982, 696, 697; v. 10. Juli 1987, V ZR 236/85, NJW-RR 1988, 10), kann unentschieden bleiben.

a) Ist der Ruf als Beschaffenheitsmerkmal zu bewerten (so im Ergebnis Soergel/Huber, BGB, 12. Aufl., § 459 Rdn. 26 unter Hinweis auf RGZ 67, 86, wo allerdings ein Unternehmenskauf vorlag), so steht den Klägern bei vorsätzlichem Verschweigen des Fehlers ein Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung nach § 463 Satz 2 i.V.m. § 476 BGB zu. Daneben können sie, allerdings ebenfalls nur bei Vorsatz der Beklagten, Ersatz des Vertrauensschadens wegen Verschuldens bei Vertragsschluß verlangen (st.Rspr. des Senats: BGHZ 60, 319, 321 f; Urt. v. 10. Juli 1987, V ZR 236/85 aaO, v. 23. März 1990, V ZR 16/89, WM 1990, 1210, 1212). Ob die Kläger mit dem Anspruch auf Ersatz des Nichterfüllungsschadens im Ergebnis Erstattung aller geltend gemachten Schadenspositionen erreichen könnten, ist zweifelhaft; die Investitionen in den künftigen Gastbetrieb zählen jedenfalls nicht zu den Aufwendungen, die von der Rentabilitätsvermutung erfaßt werden (BGHZ 114, 193). Der Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens wegen Verschuldens bei Vertragsschluß erfaßt jedenfalls alle Positionen, denn die Kläger können danach verlangen, so gestellt zu werden, wie wenn es zu dem Kauf nicht gekommen wäre; die Höhe des Anspruchs ist durch das Erfüllungsinteresse nicht begrenzt (BGHZ 57, 191, 193; 69, 53, 56).

Das vom Berufungsgericht – als obiter dictum – bejahte Mitverschulden der Kläger am Niedergang des Gastbetriebs steht in keinem Zusammenhang mit den geltend gemachten Schäden. Im übrigen träte ein Mitverschulden der Kläger hinter den vorsätzlichen Pflichtverstoß der Beklagten zurück (BGHZ 98, 148, 158).

b) Nicht anders ist zu entscheiden, wenn ein Fehler zu verneinen ist, weil der Ruf kein Beschaffenheitsmerkmal darstellt. Auch wenn es hieran fehlt, zählt der Ruf des früheren Betriebs zu den tatsächlichen, sozialen und rechtlichen Beziehungen des Kaufgrundstücks zu seiner Umwelt, die über dessen physische Eigenschaften hinaus Gegenstand einer Zusicherung nach § 459 Abs. 2 BGB sein können (Senatsurt. v. 15. Oktober 1976, V ZR 245/74, WM 1977, 118; BGHZ 79, 183, 185; Senatsurt. v. 6. März 1987, V ZR 200/85, WM 1987, 1041, 1043). Positive Angaben zum Ruf des früheren Betriebs, etwa daß er normal und nicht als Absteige geführt wurde, hätten daher Inhalt einer Zusicherung sein können. Nicht erforderlich wäre es dazu gewesen, daß die Angaben ihren Grund in dem Sinne in der Kaufsache hatten, daß sie ihr unmittelbar innewohnten oder von ihr ausgingen. Abweichendes brauchte und sollte auch in der Senatsentscheidung vom 26. April 1991 zur Zusicherungsfähigkeit objektgebundener Steuermerkmale (BGHZ 114, 263, 266) nicht zum Ausdruck kommen. Der Senat hatte dort nicht die Sachmängeltatbestände des § 459 BGB gegeneinander abzugrenzen. Es ging vielmehr darum, steuerlich relevante Merkmale in der Person des Erwerbers, die Grundlage für einen Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens bei Vertragsschluß sein konnten, von solchen Umständen zu scheiden, die die Beziehung der Kaufsache zu ihrer Umwelt angehen und deshalb dem Sachmängelbereich, im damaligen Streitfall speziell dem § 459 Abs. 2 BGB, zuzurechnen sind. In diesem Zusammenhang hat der Senat, wie auch schon bei früherer Gelegenheit, wenn die Abgrenzung des Sachmängelrechts zu anderen Behelfen in Rede stand (vgl. BGHZ 67, 134, 136; Urt. v. 27. April 1979, V ZR 204/77, WM 1979, 949, 950), auf die Kaufsache selbst als notwendigen Bezugsgegenstand der Umstände hingewiesen, die für eine Haftung des Verkäufers nach §§ 459 ff BGB relevant sind. Eine Gleichsetzung der Anforderungen an eine zusicherungsfähige Eigenschaft mit denjenigen an ein Beschaffenheitsmerkmal im Sinne des § 459 Abs. 1 BGB war damit nicht verbunden. Die Entscheidung des VIII. Senats vom 28. März 1990 (BGHZ 111, 75, 78; vgl. auch Urt. v. 16. Januar 1991, VIII ZR 335/89, ZIP 1991, 321, 323), die bei der Umschreibung der zusicherungsfähigen Eigenschaft u.a. auf die Rechtsprechung des Senats zum Fehlerbegriff (BGHZ 70, 47, 49) Bezug genommen hat, beruht nicht auf diesem Gesichtspunkt. Die dort zu beurteilende Zusicherung bezog sich nach der Auffassung des VIII. Senats auf Umstände außerhalb des Kaufgegenstandes, die lediglich aufgrund allgemeiner Kriterien rechtliche Folgen für diesen auslösten.

Da eine Zusicherung der Beklagten unstreitig nicht abgegeben wurde, ist ein Gewährleistungsanspruch im Streitfalle zu verneinen. Dasselbe gilt für einen Anspruch wegen fahrlässigen Verschuldens bei Vertragsschluß, der auch dann vom Sachmängelrecht verdrängt wird, wenn im konkreten Fall keine Zusicherung vorliegt (BGHZ 60, 319, 322 f; 114, 263, 266). Den Klägern steht jedoch, wie in dem Falle, daß ein Fehler zu bejahen ist (oben a), bei vorsätzlichem Pflichtverstoß ein Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens zu. Dies hat das Berufungsgericht, das, wenn auch aus anderen Gründen, von der Zusicherungsfähigkeit des Rufes des Gastbetriebes ausgegangen ist, übersehen.

4. Auch die Hilfsbegründung, mit der das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch abgelehnt hat, hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

a) Die Kläger haben vorgetragen, die Beklagten hätten ab 1972 in erheblichem Umfang stundenweise Zimmer an unverheiratete Paare zur Ausführung des Geschlechtsverkehrs vermietet. Die Raststätte sei in interessierten Kreisen als preiswerte Absteige bekannt gewesen. Zu einer Anzahl ihnen aus der Vergangenheit bekannt gewordener Einzelvorkommnisse, zu Anfragen nach stundenweiser Vermietung an sie selbst und zum Ruf der Raststätten haben sie Beweis angetreten.

Das Berufungsgericht sieht diesen, zum Teil dem früheren, insgesamt dem Hinweis vom 22. Oktober 1990 vorangegangenen Vortrag mit der Begründung als unerheblich an, daß eine gelegentliche Überlassung der Zimmer zu dem angegebenen Zwecke einen schlechten Ruf nicht habe begründen können. Damit würdigt es das Vorbringen nur unvollständig. Nach der Behauptung der Kläger war die Vermietung als Absteige eine wesentliche Einnahmequelle des Betriebs. Daß die unter Beweis gestellten Einzelfälle nur einen Bruchteil der Gesamtheit der Zimmervermietungen ausmachen, kann nicht so gedeutet werden, als ob die Kläger ihren Vortrag eingeschränkt hätten. Sie haben vielmehr die von ihnen ermittelten Einzelfälle als Beweis für die Gesamtstruktur des Betriebs angeführt.

Trifft die Behauptung der Kläger zu, so waren der Hinweis im Inserat, es werde eine „Gepflegte Pension” angeboten, und die Behauptung, das Geschäft beruhe überwiegend auf der Zimmervermietung an Gewerbetreibende als Stammkunden, irreführend. Die abweichenden tatsächlichen Verhältnisse waren den Beklagten in diesem Falle bekannt, ebenso der Umstand, daß die Kläger hiervon nichts wußten. Das Vorliegen der zum vorsätzlichen Verschulden bei Vertragsschluß ebenfalls erforderlichen Vorstellung, daß die Kläger den wirklichen Verhältnissen, jedenfalls möglicherweise, Bedeutung für den Kaufabschluß beigemessen hätten (Senatsurt. v. 30. März 1990, V ZR 13/89, WM 1990, 1344), ist schlüssig behauptet. Dasselbe gilt für die Inkaufnahme dieser Möglichkeit durch die Beklagten.

b) Gegenüber der weiteren Begründung greift die Verfahrensrüge (§§ 138 Abs. 1, 286 ZPO) der Kläger durch.

Unter Bezugnahme auf seine früheren Hinweise stellt das Berufungsgericht einen Widerspruch zwischen der in der Klageschrift angegebenen „Vielzahl” von Anfragen nach stundenweiser Vermietung an die Kläger, den in der Berufungsbegründung angegebenen „vereinzelten” Fällen und den an anderer Stelle genannten „5-10 Nachfragen” fest. Widersprüchlich sei auch, daß die Kläger nach ihrem Vortrag bis Dezember ohne Argwohn gewesen seien, gleichwohl aber Ende November/Anfang Dezember 1987 einen Zeugen nach früheren Absteigewünschen befragt hätten. Zusätzlich sieht das Berufungsurteil einen Widerspruch darin, daß die Kläger ihre Aufklärungsschwierigkeiten damit begründeten, die Beklagten hätten sich zur Wahrung ihres Rufs in der Dorfgemeinschaft erfolgreich um Diskretion bemüht, andererseits aber vortrügen, die Betriebsführung als Absteige sei in interessierten Kreisen, insbesondere bei Taxifahrern, Beschäftigten ansässiger Unternehmen und der Bundeswehrstandortverwaltung, bekannt gewesen. Dies wiederum sei nicht in Einklang damit zu bringen, daß eine politische Partei regelmäßig und der Gemeinderat gelegentlich bei den Beklagten getagt hätten. Wegen der gegen das Gebot wahrheitsgemäßen Vortrags (§ 138 Abs. 1 ZPO) verstoßenden Widersprüchlichkeit müsse das Vorbringen unberücksichtigt bleiben.

Dies ist nicht haltbar. Wegen Verstoßes gegen die Wahrheitspflicht ist ein Tatsachenvortrag nur dann unbeachtlich, wenn er bewußt der Wahrheit zuwider oder ohne sachliche Grundlage, aufs Geradewohl, aufgestellt ist und sich deshalb als mißbräuchlich erweist (BGH, Urt. v. 14. März 1968, II ZR 50/65, NJW 1968, 1233 f; v. 12. Juli 1984, VII ZR 123/83, NJW 1984, 2888; v. 23. Oktober 1986, I ZR 97/84, BGHR ZPO § 138 Abs. 1, Rechtsmißbrauch 1). Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist Zurückhaltung geboten; in der Regel wird sie nur das Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte rechtfertigen (BGH, Urt. v. 12. Juli 1984, VII ZR 123/83, MDR 1985, 315; v. 23. April 1991, X ZR 77/89, BGHR, ZPO § 286 Abs. 1, Beweisantrag/Ablehnung 5).

Die vom Berufungsgericht als widersprüchlich gewerteten Punkte berühren die Behauptung, ein wesentlicher Teil des Geschäfts habe im Betrieb als Stundenhotel bestanden, allenfalls mittelbar. Sie können geeignet sein, in einer Beweiswürdigung zum Nachteil der Kläger verwendet zu werden, geben aber keine Grundlage für das Urteil ab, der umfangreiche, gleichbleibende und auf zahlreiche Beweismittel gestützte Vortrag zur Hauptsache sei aus der Luft gegriffen. Im übrigen ist der Wertung des Berufungsgerichts nicht zu folgen. Die behauptete „Vielzahl” von Anfragen an die Kläger war nicht auf einen Zeitabschnitt beschränkt; bei den späteren Angaben ging es dagegen um die Spanne von Oktober bis Dezember 1987. Die Kläger hatten Anlaß, im Berufungsrechtszug auf diesen Zeitraum besonders einzugehen, denn das Landgericht hatte seine klagabweisende Entscheidung u.a. darauf gestützt, daß sie bis Dezember 1987 Verhandlungen wegen des Ankaufs weiterer Teilflächen mit den Beklagten geführt hatten. Wegen der Zahl der Nachfragen überhaupt hatten die Kläger ihren Vortrag weiter spezifiziert. Was den beginnenden Argwohn der Kläger und die Anfrage bei dem Zeugen angeht, tritt eine zeitliche Unstimmigkeit nicht hervor. Im übrigen verkürzt das Berufungsgericht das Vorbringen der Kläger, denn diese hatten für beide Ereignisse die Zeitspanne November – Dezember 1987 angegeben. Allerdings haben die Kläger, worauf sich das Berufungsurteil auch stützt, weiter erklärt, sie hätten im Januar 1988 durch einen Anwalt eine jeden Zweifel ausschließende Auskunft über den Charakter der Raststätte erhalten. Ein Widerspruch zum übrigen Vortrag läßt sich hieraus jedoch nicht herleiten. Aus dem Vorbringen der Kläger ergibt sich vielmehr, daß sich deren Verdacht nach und nach verstärkt hatte und schließlich im Januar 1988 zur Gewißheit geworden war. Daß die Absteigemöglichkeit nicht jedermann im Umkreis, wohl aber Interessierten bekannt gewesen sein soll, ist innerlich ohne Widerspruch. Der Vortrag über die Tagungen des Gemeinderats und des Ortsverbands einer Partei stammt nicht von den Klägern. Diese haben zudem erwidert, daß der Beklagte in jener Partei mitgewirkt und deshalb bei der Wahl des Veranstaltungsortes berücksichtigt worden sei.

III.

Das Berufungsurteil ist somit aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Senat hat hierbei von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.

Im weiteren Verfahren wird sich das Berufungsgericht auch mit dem Vortrag der Kläger zu befassen haben, die Beklagten hätten seit etwa 10 Jahren Räume an Prostituierte vermietet, die dort mit ihren Kunden abgestiegen seien. Ein Appartement sei zu diesem Zwecke eigens mit einem besonderen Zugang versehen worden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 650399

BB 1992, 1811

NJW 1992, 2564

ZIP 1992, 1317

JuS 1993, 74

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?