Leitsatz (amtlich)
Haben die Parteien eine von dem verkündeten Berufungsurteil inhaltlich abweichende Entscheidung zugestellt erhalten, ist die Revision gegen dieses Scheinurteil auch dann zulässig, wenn das wirklich ergangene Urteil rechtskräftig geworden ist, die von dem Scheinurteil begünstigte Partei dessen Ausfertigung jedoch nicht zurückgegeben hat.
Normenkette
ZPO § 545 Abs. 1, § 310
Verfahrensgang
OLG Dresden (Aktenzeichen 4 U 1965/97) |
LG Leipzig (Aktenzeichen 11 O 625/97) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das den Parteien am 10./11. Dezember 1997 zugestellte Scheinurteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden aufgehoben.
Der Kläger hat die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen; Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger hat den beklagten Gesamtvollstreckungsverwalter auf Bewilligung der Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek wegen einer Forderung von insgesamt 105.993,85 DM in Anspruch genommen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Durch ein am 4. Dezember 1997 verkündetes, am 5. März 1998 berichtigtes und dem Kläger am 7. Januar 1998 zugestelltes Urteil hat das Berufungsgericht die erstinstanzliche Entscheidung geändert und die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat der Kläger kein Rechtsmittel eingelegt.
Schon am 10./11. Dezember 1997 wurde den Parteien ein Schriftstück zugestellt, das ebenfalls als am 4. Dezember 1997 in derselben Sache verkündetes Urteil bezeichnet ist, die Berufung des Beklagten jedoch zurückweist und eine auf dieses Ergebnis bezogene Begründung enthält. Gegen dieses „Urteil” richtet sich die Revision des Beklagten.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel ist begründet und führt zur ersatzlosen Aufhebung des angefochtenen Rechtsakts.
1. Ein Urteil mit dem Inhalt der Urkunde, die den Parteien am 10./11. Dezember 1997 zugestellt wurde, ist nicht verkündet worden. Diese enthält somit lediglich einen Urteilsentwurf, der trotz Zustellung an die Parteien keine Rechtswirkungen äußert (vgl. BGHZ 10, 346, 347 ff; BGH, Urt. v. 18. September 1963 - V ZR 192/61, NJW 1964, 248; Beschl. v. 16. Oktober 1984 - VI ZR 25/83, VersR 1984, 1192, 1193). Ein Urteil mit dem Inhalt, daß die Berufung des Beklagten zurückgewiesen wird, ist folglich nicht zur Entstehung gelangt.
2. Trotzdem ist die Revision gegen diesen Rechtsakt zulässig. Die erteilte Ausfertigung stellt dem äußeren Anschein nach ein Urteil dar und ist damit durch ihre bloße Existenz geeignet, schutzwürdige Interessen der nach dem Inhalt beschwerten Partei zu beeinträchtigen (vgl. BGHZ 10, 346, 349; BGH, Urt. v. 18. September 1963, aaO; Beschl. v. 16. Oktober 1984, aaO). Dies ist im Streitfall nicht deshalb anders zu beurteilen, weil das tatsächlich verkündete, dem Beklagten günstige Urteil inzwischen rechtskräftig geworden ist. Solange die Partei, zu deren Gunsten das Scheinurteil lautet, die ihr übermittelte Ausfertigung nicht zurückgegeben hat, läßt sich nicht mit hinreichender Sicherheit ausschließen, daß dem Gegner dadurch Nachteile entstehen können. Dieser behält daher ein berechtigtes Interesse daran, den Vorgang mittels einer förmlichen Entscheidung zu beseitigen.
3. Das Scheinurteil ist ersatzlos aufzuheben. Die Entscheidung ergeht im Streitfall als Versäumnisurteil, weil der Käger in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war; sie beruht jedoch auf einer umfassenden Prüfung der Sach- und Rechtslage (vgl. BGHZ 37, 79, 82).
4. Die Entscheidung über die Gerichtskosten folgt aus § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Paulusch, Kreft, Stodolkowitz, Kirchhof, Fischer
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 04.02.1999 durch Bürk Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 539379 |
BB 1999, 764 |
HFR 2000, 57 |
NJW 1999, 1192 |
EBE/BGH 1999, 224 |
Nachschlagewerk BGH |
ZAP 1999, 910 |
ZIP 1999, 499 |
MDR 1999, 560 |
SGb 1999, 358 |
VersR 2000, 648 |