Leitsatz (amtlich)
Der Beschluß, mit dem ein Strafverfahren nach § 153 Abs. 3 StPO a.F. eingestellt wird, ist als „Urteil in einer Rechtssache” im Sinne des § 839 Abs. 2 BGB zu werten.
Normenkette
BGB § 839
Verfahrensgang
KG Berlin (Urteil vom 16.01.1973) |
LG Berlin |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 16. Januar 1973 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsrechtszuges.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger verlangt, das beklagte Land solle ihn im Wege des Schadensersatzes auf Grund einer Amtspflichtverletzung von Gebührenforderungen seines Verteidigers freistellen.
Das Amtsgericht Tiergarten erließ am 9. September 1969 gegen den Kläger eine Strafverfügung über 50 DM wegen Übertretung der Gewerbeordnung, weil er die Aufnahme und die Aufgabe des selbständigen Betriebs eines Gewerbes nicht angezeigt und weil an seiner Verkaufsstelle das Namensschild gefehlt habe. In der nach dem Einspruch des Klägers gegen die Strafverfügung durchgeführten Hauptverhandlung verurteilte das Amtsgericht den Kläger auf Grund dieses Sachverhalts wegen dreier in Tatmehrheit begangenen Übertretungen zu drei Geldstrafen von je 40 DM. Auf die Revision des Klägers hob das Kammergericht dieses Urteil auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurück. Es sah die Beweiswürdigung in dem angefochtenen Urteil als rechtsfehlerhaft an und wies ferner darauf hin, bei der neuen Hauptverhandlung sei zu beachten, daß der Kläger rechtlich nicht verpflichtet gewesen sei, die Aufgabe eines nicht angezeigten Betriebes anzuzeigen. Insoweit komme eine Bestrafung nicht in Betracht.
In der neuen Hauptverhandlung vom 10. November 1970 stellte das Amtsgericht das Verfahren ohne erneute Beweisaufnahme nach informatorischer Erörterung der Sach- und Rechtslage mit dem Verteidiger unter Zustimmung des Amtsanwaltes nach § 153 Abs. 3 StPO a.F. ein und beschloß weiter:
„Die Kosten des Verfahrens trägt die Landeskasse Berlin. Der Angeklagte hat die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen selbst zu tragen, da eine Überbürdung der notwendigen Auslagen auf die Landeskasse nicht angemessen erscheint (§ 467 Abs. 4 StPO).”
Das Landgericht hat die vom Kläger dagegen eingelegte sofortige Beschwerde durch Beschluß vom 23. November 1970 als unzulässig verworfen.
Der Kläger hat vorgetragen: Der Einstellungsbeschluß gehe auf eine Amtspflichtverletzung des Amtsrichters zurück. Für seine – des Klägers – Schuld habe nichts gesprochen. In jedem Fall hätte er von dem Vorwurf, die Aufgabe eines Gewerbes nicht angezeigt zu haben, freigesprochen werden müssen. Deshalb sei auch die Entscheidung über die Auslagen unrichtig. Der Amtsrichter habe das ihm zustehende Ermessen grob fehlerhaft falsch ausgeübt.
Auch der Amtsanwalt habe seine Amtspflichten verletzt. Er hätte der Einstellung nicht zustimmen dürfen, schon weil der Amtsrichter den Inhalt der beabsichtigten Kostenentscheidung vorher bekanntgegeben habe.
Das beklagte Land müsse ihn daher mindestens von einem Drittel der Gebührenforderung des Verteidigers aus der Vertretung in den Hauptverhandlungen vor dem Amtsgericht und gänzlich von seinen Gebührenforderungen für die Tätigkeit im Revisionsrechtszug freistellen. Der Kläger hat daher beantragt, das beklagte Land zu verurteilen, ihn von der Gebührenforderung seines Verteidigers in Höhe von 596,08 DM nebst Zinsen freizustellen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit der vom Kammergericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung das beklagte Land beantragt, verfolgt der Kläger den Klagantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
I.
Das Berufungsgericht hat den Beschluß, mit dem das Amtsgericht Tiergarten das Strafverfahren gegen den Kläger nach § 153 Abs. 3 StPO a.F. eingestellt hat, als „Urteil in einer Rechtssache” im Sinne von § 839 Abs. 2 S. 1 BGB a.F. angesehen. Der Kläger kann daher aus dieser Entscheidung Amtshaftungsansprüche nur herleiten, wenn der Amtsrichter bei der Beschlußfassung eine Pflichtverletzung begangen hatte, die „mit einer im Wege des gerichtlichen Strafverfahrens zu verhängenden öffentlichen Strafe bedroht” ist (seit 1. Januar 1975 nach Art. 121 Nr. 2 dem Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch vom 2. März 1974 (Bundesgesetzblatt I S. 469) „wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht”). Als solche Straftaten kommen nur vorsätzliche Handlungen in Betracht. Das Berufungsgericht hat jedoch ohne Angriffe der Revision festgestellt, daß ein derartiges Verhalten des Amtsrichters nicht ersichtlich ist. Der Beklagte kann daher nach § 839 Abs. 1 BGB nur haften, wenn das Berufungsgericht, wie die Revision meint, dem Einstellungsbeschluß einschließlich der Entscheidung über die notwendigen Auslagen des Klägers zu Unrecht die gleiche Bedeutung wie einem Urteil beigelegt hat. Die Auffassung des Berufungsgerichts ist jedoch aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
1. Ein Einstellungsbeschluß ist allerdings kein Urteil im prozeßrechtlichen Sinn. Das Berufungsgericht hat aber mit Recht angenommen, daß „Urteile in einer Rechtssache” nach dem Sinn von § 839 Abs. 2 BGB auch Entscheidungen sein können, die in Beschlußform ergangen sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (wiedergegeben in BGHZ 51, 326, 327) ist für den Anwendungsbereich der Vorschrift nach den mit ihr vom Gesetzgeber verfolgten Zielen nicht so sehr die äußere Form als vielmehr das Wesen der richterlichen Entscheidung maßgebend. Die Haftungsbeschränkung nach § 839 Abs. 2 BGB gründet sich vor allem darauf, daß es mit dem Wesen der Rechtskraft nicht verträglich ist, wenn jede Entscheidung des Spruchrichters allein schon wegen einer angeblichen Unrichtigkeit, ohne daß diese auf einem strafbaren Tatbestand beruht, zur Grundlage von Ersatzansprüchen gemacht und damit über die von den Prozeßordnungen vorgesehenen Rechtsbehelfe hinaus auf dem Weg über das Recht der unerlaubten Handlung zur Nachprüfung durch einen anderen Richter gestellt werden kann (BGHZ 50, 14, 19 f; Steffen DRiZ 1968, 237, 239). Insbesondere deshalb sollen Urteile, außer bei strafbaren Handlungen des Richters, grundsätzlich nicht zum Gegenstand von Amtshaftungsprozessen gemacht werden können.
Beschlüsse können danach nur „Urteilen in einer Rechtssache” gleichgestellt werden, wenn sie nicht nur, was ein Urteil ohnehin voraussetzt, von einem unabhängigen Richter in einem rechtsstaatlich geordneten Verfahren unter Anwendung materiell rechtlicher Normen zur Beendigung eines Rechtsstreits oder eines Strafverfahrens erlassen worden sind (BGHZ 10, 55, 59, 60; BGHZ 36, 379, 382), sondern wenn darüber hinaus ihr Inhalt in Rechtskraft erwachsen kann, sie also ein „urteil-vertretendes Erkenntnis” sind (BGHZ 46, 106; BGHZ 51, 326, 328; Steffen a.a.O. S. 237, 238).
2. Diese Anforderungen erfüllt ein Beschluß nach § 153 Abs. 3 StPO a.F.. Das hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen.
a) Ein nach dieser Vorschrift erlassener Beschluß setzt ebenso wie ein Urteil voraus, daß die Klage „bereits erhoben”, die Sache also rechtshängig geworden war. Das tritt bei einem Verfahren, das – wie es hier der Fall gewesen ist – durch eine gerichtliche Strafverfügung eingeleitet worden ist, spätestens mit dem Beginn der auf Grund des Einspruchs des Angeklagten anberaumten Hauptverhandlung ein (Kleinknecht StPO 30. Aufl., vor § 407 Anm. 5; vgl. weiter BGHSt 18, 326, 327 und Schäfer bei Loewe/Rosenberg StPO 22. Aufl. § 413 Anm. 12 a).
Die Einstellung ist auch „in jeder Lage” des Verfahrens möglich, setzt also nicht etwa einen bestimmten Verfahrensstand voraus. Sie kann daher auch dann noch erfolgen, wenn nach dem Stand des Verfahrens sonst ein Urteil ergehen müßte (vgl. dazu BGHZ 10, 55, 60; BGHZ 13, 142, 145; 36, 379, 383, 386).
Allerdings kann das Verfahren nach § 153 Abs. 3 StPO a.F. nur mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft eingestellt werden. Die Einstellung bleibt aber trotzdem eine ausschließlich richterliche Entscheidung. Die Gerichte und die Staatsanwaltschaft sind nach § 150 GVG zwei voneinander unabhängige Rechtspflegeorgane. Mit dem Erfordernis der Zustimmung der Staatsanwaltschaft wird ihrem Anklagemonopol Rechnung getragen. Strafsachen werden in der Regel aufgrund einer von der Staatsanwaltschaft erhobenen öffentlichen Klage rechtshängig. Das Gericht soll deshalb von der Durchführung des Strafverfahrens nicht ohne Mitwirkung der Staatsanwaltschaft absehen können (Kleinknecht a.a.O., Einl. Anm. 1 G). Diese Grundsätze gelten auch für Verfahren, die durch eine gerichtliche Strafverfügung eingeleitet worden sind, wenn die Sache aufgrund des Einspruchs des Beschuldigten rechtshängig geworden ist (vgl. dazu Schäfer a.a.O. § 413 Anm. 12 m.w.Nachw.). Die Zustimmung der Staatsanwaltschaft liegt hiernach in ihrem Aufgabenbereich, berührt aber nicht die alleinige Verantwortlichkeit des Gerichts für die Einstellung des Verfahrens und damit nicht die Natur des Einstellungsbeschlusses als einer richterlichen Handlung.
b) Einstellungsbeschlüsse nach § 153 Abs. 3 StPO a.F. sind formell und materiell rechtskraftfähig.
Wegen ihrer Unanfechtbarkeit sind solche Beschlüsse von vornherein formell rechtskräftig. Sie verbrauchen aber auch die Strafklage, weil sie eine richterliche Sachentscheidung insbesondere über die Schuld des Betroffenen enthalten (Kleinknecht a.a.O. § 153 Anm. 5).
Allerdings ist die materiell-rechtliche Wirkung eines solchen Einstellungsbeschlusses beschränkt. Sie tritt nicht ein, wenn sich später herausstellt, daß ein Verbrechen vorgelegen hat (Kohlhaas bei Loewe/Rosenberg, StPO 22. Aufl. § 153 Anm. 15 b m.w.N.). Sie endet ferner analog §§ 211, 174 Abs. 2, 383 Abs. 1 StPO und §§ 47
Abs. 1 Nr. 2, 45 Abs. 2 Nr. 2, 47 Abs. 3 JGG, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, die geeignet sind, die Grundlage des Beschlusses zu beseitigen. Soll das Verfahren wieder aufgenommen werden, so muß das Gericht seinen Einstellungsbeschluß jedoch zunächst widerrufen (Kleinknecht a.a.O., Einl 4 G a) oder, falls ein anderes Gericht das Verfahren eingestellt hatte, bei der Eröffnung des Verfahrens feststellen, daß die materielle Rechtskraft des Beschlusses aufgrund neuer Tatsachen oder Beweismittel entfallen ist (Kleinknecht a.a.O., Einl. 8 D). Die Einstellung schafft damit ein dem Wesen der materiellen Rechtskraft vergleichbares Verfahrenshindernis.
Der Senat hat daher auch die den Beschlüssen nach § 153 Abs. 3 StPO a.F. ähnlichen Beschlüsse nach § 383 Abs. 1 StPO bereits als „Urteile in einer Rechtssache” im Sinn von § 839 Abs. 2 BGB angesehen (BGHZ 51, 326, 329).
c) In einem Punkt unterscheidet sich allerdings der Einstellungsbeschluß nach § 153 Abs. 3 StPO a.F. grundsätzlich von einem Urteil. Denn er braucht regelmäßig nicht begründet zu werden. § 34 StPO schreibt eine Begründungspflicht nur für Entscheidungen vor, die durch ein Rechtsmittel anfechtbar sind. Einstellungsbeschlüsse nach § 153 Abs. 3 StPO a.F. erklärt das Gesetz aber ausdrücklich für nicht anfechtbar.
Die fehlende Begründungspflicht ist aber nicht geeignet, einen wesentlichen Unterschied zwischen Einstellungsbeschlüssen und förmlichen Urteilen darzutun, wie auch das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat. Dazu kann nicht nur auf § 313 Abs. 3 ZPO verwiesen werden. Nach dieser Vorschrift brauchen Versäumnis- und Anerkenntnisurteile nicht begründet zu werden. Noch wesentlicher ist, daß das Gesetz bei Einstellungen nach § 153 Abs. 3 StPO a.F. auf andere Weise als durch eine Begründungspflicht sicherstellt, daß der sonst mit ihr verfolgte Zweck erreicht wird. Das Gericht muß den Angeschuldigten nämlich vor der Einstellung zur Sach- und Rechtslage anhören, was hier unstreitig geschehen ist. Auf diese Weise erfährt der Angeschuldigte schon vor dem Erlaß des Beschlusses von der beabsichtigten Einstellung und – was er sonst erst einer Begründung entnehmen könnte – von den dafür sprechenden materiell-rechtlichen Gründen: Geringe Schuld und kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung. Da der Einstellungsbeschluß nicht angefochten werden kann, entfällt der weitere Sinn einer Begründung, dem Betroffenen den Entschluß zu erleichtern, ob er ein Rechtsmittel einlegen soll oder nicht.
Der Senat hat daher schon mehrfach gerichtliche Beschlüsse, für die eine Begründung gesetzlich nicht vorgeschrieben ist, „Urteilen in einer Rechtssache” gleichgestellt, weil gesichert war, daß der mit der Begründung verfolgte Zweck auf andere Weise erreicht wurde (BGHZ 13, 142: Beschluß nach § 91 a ZPO; BGHZ 46, 106: Entmündigungsbeschluß nach § 645 ZPO; BGH LM BGB § 839 (G) Nr. 10: Ablehnung der Annahme einer Verfassungsbeschwerde nach § 93 Abs. 5 Bundesverfassungsgerichtsgesetz).
3. Das Berufungsgericht hat die vom Amtsgericht anläßlich der Einstellung des Verfahrens nach §§ 464 Abs. 2, 467 Abs. 4 StPO getroffene Entscheidung über die notwendigen Auslagen des Klägers als eine zum Einstellungsbeschluß gehörende Nebenentscheidung angesehen und gemeint, sie sei deshalb ein Bestandteil eines „Urteils in einer Rechtssache”. Dem ist beizutreten. Das „Privileg” aus § 839 Abs. 2 BGB erstreckt sich nicht nur auf den die Hauptsache betreffenden Teil des Urteilsspruches, sondern auch auf den die Kosten und Auslagen betreffenden Teil der Entscheidung.
Dagegen kommt es in diesem Zusammenhang nicht auf die im Strafprozeßrecht umstrittene Frage an, ob die Entscheidung über die Auslagen trotz der Unanfechtbarkeit der Hauptentseheidung nach § 464 Abs. 3 StPO mit der sofortigen Beschwerde angefochten, also isoliert angegriffen werden kann (vgl. den Streitstand bei Schäfer a.a.O. § 464 Anm. V 3).
Ob eine Entscheidung – noch – anfechtbar ist, kann allerdings nach § 839 Abs. 3 BGB bedeutsam werden. Wenn der Verletzte es nämlich versäumt hat, den Schaden durch ein Rechtsmittel abzuwenden, entfallen Amtshaftungsansprüche von vornherein. Unter diesem Gesichtspunkt ist daher die Anfechtbarkeit einer Entscheidung wesentlich. Auf die insoweit nach § 464 Abs. 3 StPO möglichen Zweifel braucht hier aber nicht eingegangen zu werden, weil feststeht, daß der Kläger erfolglos das allein in Betracht kommende Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegen die Entscheidung über die Auslagen eingelegt hat.
Hiernach kommt es auf die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Rechtmäßigkeit der Einstellung des Verfahrens und die dagegen von der Revision erhobenen Angriffe nicht an.
Von der Revision weiter zur Nachprüfung gestellte Ansprüche aus Aufopferung oder wegen eines enteignungsgleichen Eingriffs entfallen, weil die aus dem Wesen der Sache folgende Sonderstellung richterlicher Tätigkeit im Verhältnis zu sonstigen hoheitlichen Tätigkeiten die Nachprüfung einer richterlichen Entscheidung aus den zu § 839 BGB genannten Gründen grundsätzlich unter allen rechtlichen Gesichtspunkten, außer bei Rechtsbeugung, ausschließt. Es kann daher keinen Unterschied machen, ob ein Ersatzanspruch aus schuldhafter Amtspflichtverletzung hergeleitet oder ob er unter dem Gesichtspunkt der Entschädigung für eine Aufopferung oder einen enteignungsgleichen Eingriff geltend gemacht wird (BGHZ 50, 14, 21).
III.
Die Revision folgert vergeblich aus Art. 6 Abs. 2 der Konvention zum Schütze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 – MRK – (BGBl. II 1952 S. 686), wonach bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Schuld vermutet wird, daß der wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte unschuldig ist, dem Kläger seien mangels Bestrafung seine Auslagen zu ersetzen. Art. 6 Abs. 2 MRK will verhüten, daß jemand als schuldig behandelt wird, solange seine Schuld in einem gerichtlich geregelten Verfahren nicht festgestellt ist (BVerfGE 22, 254, 265; vgl. auch BVerfGE 19, 342, 347).
Maßnahmen, die den vollen Nachweis der Schuld erfordern, dürfen daher nicht getroffen werden, wenn dieser Beweis nicht erbracht ist (Kleinknecht a.a.O. Art. 6 MRK Anm. 9). Die Einstellung eines Verfahrens nach § 153 Abs. 3 StPO stellt aber keine solche Maßnahme dar. Sie enthält keine Bestrafung. Es wird vielmehr gerade von der weiteren Durchführung eines Strafverfahrens abgesehen, obwohl eine Bestrafung in Betracht kommt (Kleinknecht a.a.O. § 153 Anm. 2 A), die Unschuld also nicht erwiesen ist. Es kann deshalb auch nicht als Bestrafung angesehen oder ihr gleichgesetzt werden, wenn ein Gericht bei der Einstellung davon absieht (§ 467 Abs. 4 StPO) dem Angeschuldigten etwa erwachsene notwendige Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen.
IV.
Das Berufungsgericht hat in der Zustimmung des Amtsanwalts zur Einstellung des Verfahrens eine Amtspflichtverletzung nicht erblickt, weil das Verfahren zu Recht eingestellt worden sei und allein der Richter die Entscheidung über die Erstattung oder Nichterstattung der notwendigen Auslagen des Angeklagten zu entscheiden habe. Dem Berufungsgericht ist im Ergebnis beizutreten, ohne daß dazu auf Einzelheiten seiner Begründung eingegangen werden muß.
Die Klage ist nicht schlüssig, soweit sie auf eine Amtspflichtverletzung des Amtsanwalts gestützt wird. Denn dieser Vorwurf des Klägers hat zum Gegenstand, der Amtsanwalt habe es schuldhaft zu einer unrichtigen Entscheidung über die Erstattung der Auslagen kommen lassen. Die Klage kann daher auch unter diesem Gesichtspunkt nur Erfolg haben, wenn das Gericht das Verfahren zu Unrecht nach § 153 Abs. 3 StPO a.F. eingestellt hat. Aus den zu I genannten Gründen steht der Überprüfung der Richtigkeit dieser Entscheidung aber, da eine vorsätzliche Pflichtwidrigkeit ausscheidet, § 839 Abs. 2 BGB entgegen. Der Kläger versucht daher mit dieser Begründung seiner Klage im Ergebnis nur eine sonst unzulässige Nachprüfung des Einstellungsbeschlusses auf dem Umweg über die Behauptung zu erreichen, dessen Fehlerhaftigkeit gehe (auch) auf eine Pflichtverletzung des Amtsanwalts zurück. Damit kann der Kläger nicht durchdringen. Denn er behauptet auch in diesem Zusammenhang nicht, daß der Antsrichter das Verfahren vorsätzlich zu Unrecht eingestellt habe. Eine deshalb nach § 839 Abs. 2 BGB ausgeschlossene Haftung kann aber nicht damit begründet werden, daß außer dem Richter noch ein weiterer Verfahrensbeteiligter ebenfalls fahrlässig zu dem Erlaß der unrichtigen Entscheidung beigetragen haben soll.
Hiernach kann es offen bleiben, ob der Amtsanwalt gegenüber dem Kläger überhaupt verpflichtet und im Verhältnis zum Gericht berechtigt gewesen ist, auf eine dem Kläger günstige Entscheidung über die Erstattung der Auslagen hinzuwirken.
Unterschriften
Kreft, Gäthgens, Dr. Tidow, Die Richter Peetz und Lohmann sind beurlaubt und verhindert, ihre Unterschrift beizufügen. Kreft
Fundstellen
Haufe-Index 1502442 |
BGHZ |
BGHZ, 347 |
Nachschlagewerk BGH |