Leitsatz (amtlich)
Eine Schwangerschaft begründet das Entlassungsverbot gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 MuSchVB NW i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 LRiG NW nur, wenn sie im Zeitpunkt der Entlassungsverfügung besteht. Eine zwischen der Entlassungsverfügung und dem Widerspruchsbescheid eingetretene, dem Dienstvorgesetzten mitgeteilte Schwangerschaft ist von der Widerspruchsbehörde bei der Ausübung des in § 22 Abs. 3 DRiG eingeräumten Ermessens zu berücksichtigen.
Normenkette
DRiG § 22 Abs. 3; LRiG NW § 4 Abs. 1; MuSchVB NW § 11 Abs. 1
Verfahrensgang
Dienstgericht für Richter beim Landgericht Düsseldorf (Urteil vom 03.02.2006; Aktenzeichen DG 3/05) |
Dienstgerichtshof für Richter beim Oberlandesgericht Hamm (Beschluss vom 01.12.2006; Aktenzeichen 1 DGH 2/06) |
Tenor
Auf die Revision der Antragstellerin wird der Beschluss des DGH für Richter bei dem OLG Hamm vom 1.12.2006 aufgehoben.
Die Berufung des Antragsgegners gegen das Urteil des DG für Richter bei dem LG Düsseldorf vom 3.2.2006 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt der Antragsgegner.
Von Rechts wegen
Tatbestand
[1] Die am geborene Antragstellerin wurde am 19.10.1998 unter Berufung in das Richterverhältnis auf Probe zur Richterin ernannt. Sie war bis Mitte Mai 1999 beim LG E., anschließend bis zum 31.12.1999 beim AG E., vom 1.1. bis zum 31.12.2000 im Laufbahnwechsel als Staatsanwältin bei der Staatsanwaltschaft M., vom 1.1. bis zum 22.7.2001 beim AG M., vom 23.7. bis zum 31.12.2001 beim AG L. und vom 1.1.2002 bis zum Beginn des Mutterschutzes Mitte März 2002 erneut beim AG M. tätig. Nach der Geburt einer Tochter und dem Ende des Mutterschutzes im Juli 2002 befand sie sich bis Ende März 2003 im Erziehungsurlaub ohne Bezüge. Danach war sie unter Ermäßigung des Dienstes aufgrund der ElternzeitVO mit halber Stelle beim AG D. tätig. Die Elternzeit endete am 6.5.2005.
[2] Der Präsident des OLG Hamm entließ die Antragstellerin durch Verfügung vom 10.5.2005 gem. § 22 Abs. 3 DRiG aus dem Richterverhältnis auf Probe. Zur Begründung führte er aus, nach der gem. § 55 Abs. 1 Satz 2 LRiG NW durchgeführten Untersuchung habe sich die Antragstellerin eines Verhaltens schuldig gemacht, das bei Richtern auf Lebenszeit eine im gerichtlichen Verfahren zu verhängende Disziplinarmaßnahme zur Folge hätte. Sie habe beim AG L. in zwei Strafsachen den Vorsitz in Hauptverhandlungen geführt, die am 6. und 11.12.2001 mit der Verurteilung der Angeklagten zu Geldstrafen endeten. Die Urteile seien nicht spätestens fünf Wochen nach Verkündung zu den Akten gelangt. Die Akten seien in Verlust geraten und nicht mehr auffindbar. Der Verlust der Akten beruhe nach den nicht zu widerlegenden Angaben der Antragstellerin darauf, dass sie sie in der Wohnung ihres ehemaligen, drogenabhängigen Freundes vergessen habe. Bevor sie dies gegenüber ihrem Dienstvorgesetzten, dem Präsidenten des LG Münster, bei ihrer Anhörung im Vorermittlungsverfahren am 14.5.2003 offenbart habe, habe sie mehrmals wahrheitswidrige Angaben über den Verbleib der Akten gemacht. Gegenüber der Geschäftsstellenverwalterin des AG L. habe sie telefonisch erklärt, die Akten seien bereits auf dem Weg nach L. Später habe sie angegeben, die Akten seien aus unerklärlichen Gründen wieder an das AG M. zurückgelangt. Sie wolle sie mit den abgesetzten Urteilen erneut übersenden. Auf wiederholte Rückfrage der Geschäftsstellenverwalterin habe sie angekündigt, die Akten persönlich zu überbringen. Später habe sie angegeben, die Akten mit der Post versandt zu haben. Gegenüber dem Präsidenten des LG Münster habe sie zunächst schriftlich angegeben, die Akten einkuvertiert und in den Postausgang des AG M. gelegt zu haben. Zugleich habe sie Urteilsabschriften übersandt. In einem weiteren Schreiben an den Präsidenten des LG Münster habe sie ihre Angaben dahingehend präzisiert, sie habe beide Akten in einem großen Umschlag in der Poststelle des AG M. in das Abtragefach für Umschlagpost gelegt. Die am 6. und 11.12.2001 verkündeten Urteile seien auf die Rechtsmittel der Angeklagten aufgehoben worden. Die Strafverfahren seien sodann gem. § 153a Abs. 2 StPO bzw. § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden.
[3] Kurz vor Beendigung ihrer Abordnung an die Staatsanwaltschaft M. am 31.12.2000 habe sie sieben Verfahrensakten zur weiteren Bearbeitung an sich genommen und erst nach mehrfacher Aufforderung des Abteilungsleiters und des Dezernatsnachfolgers im Laufe des Jahres 2001, eine Akte erst am 19.12.2001 zurückgegeben. In zwei dieser Verfahren habe sie ihre Amtsgeschäfte während ihrer Abordnung an die Staatsanwaltschaft M. nicht unverzögert geführt.
[4] Nach diesen Feststellungen habe die Antragstellerin mehrfach schuldhaft ihre Dienstpflichten verletzt: Hinsichtlich der in Verlust geratenen Strafakten habe sie ihre Pflicht gem. § 275 Abs. 1 StPO verletzt, die Urteile unverzüglich, spätestens fünf Wochen nach der Verkündung, zu den Akten zu bringen. Der Verlust der Akten beruhe zumindest auf mangelnder Sorgfalt. Die Antragstellerin habe sich nicht ausreichend um den Rückerhalt der Akten bemüht und unter Verletzung ihrer Beratungs- und Unterstützungspflicht gegenüber ihrem Dienstvorgesetzten den Verlust der Akten nicht unverzüglich angezeigt. Sie habe gegenüber ihrem Dienstvorgesetzten, dem Personaldezernenten und der Geschäftsstellenverwalterin des AG detailreiche unwahre Angaben über den Verbleib der Akten gemacht und die dienstlichen Nachforschungen bewusst in eine falsche Richtung gelenkt. Ferner habe sie pflichtwidrig gehandelt, indem sie sieben Verfahrensakten nach dem Ende ihrer Abordnung an die Staatsanwaltschaft M. über lange Zeit nicht zurückgegeben habe. Die Pflichtverletzungen stellten ein einheitliches Dienstvergehen i.S.d. § 4 LRiG NW, §§ 57, 58, 83 LBG NW dar. Das Schwergewicht der Verfehlungen liege in den wahrheitswidrigen Angaben über den Verbleib der in Verlust geratenen Akten und dem damit einhergehenden Versuch, eigene Versäumnisse zu vertuschen. Die Schwere dieses Dienstvergehens hätte auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Antragstellerin letztlich ihre wahrheitswidrigen Angaben korrigiert und Einsicht in ihr Fehlverhalten gezeigt habe, zumindest eine Geldbuße zur Folge gehabt, die bei einem Richter auf Lebenszeit nur im Disziplinarklageverfahren durch das Gericht (§ 48 Abs. 4 LRiG NW) verhängt werden könnte.
[5] Im Rahmen des gem. § 22 Abs. 3 DRiG auszuübenden Ermessens seien keine besonderen Gründe zu erkennen, von einer Entlassung abzusehen. Dass die Antragstellerin ihren Beruf im Übrigen, auch nach Wiederaufnahme der Tätigkeit in Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit, unbeanstandet ausgeübt habe und ihre Leistungen vor Bekanntwerden des Dienstvergehens als "überdurchschnittlich" beurteilt worden seien, rechtfertige keine andere Beurteilung. Die durch die wahrheitswidrigen Angaben verursachte Beeinträchtigung des Vertrauensverhältnisses zum Dienstherrn stehe einer Übertragung eines Richteramtes auf Lebenszeit entgegen. Zum Zeitpunkt des Dienstvergehens sei die Statusdienstzeit gem. § 12 Abs. 2 DRiG noch nicht abgelaufen gewesen. Eine frühere Beendigung des Entlassungsverfahrens sei wegen der Entlassungssperre aufgrund der Elternzeit nicht möglich gewesen. Die persönliche Situation der Antragstellerin und ihre möglicherweise unsichere berufliche Zukunftsperspektive rechtfertigten ein Absehen von der Entlassung nicht.
[6] Die Antragstellerin erhob am 12.5.2005 Widerspruch gegen die Entlassungsverfügung. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, da sie spätestens Ende Juli 2004 zur Richterin auf Lebenszeit hätte ernannt werden müssen, habe sie im Mai 2005 nicht mehr aufgrund eines für Richter auf Probe geltenden gesetzlichen Tatbestandes entlassen werden können. In der Sache selbst sei zu ihren Gunsten zu berücksichtigen, dass sie die Verfahrensakten am Ende ihrer Abordnung an die Staatsanwaltschaft M. an sich genommen habe, um sie noch zu bearbeiten. Dies sei ihr aber nicht möglich gewesen, weil sie zunächst erkrankt sei und sodann beim AG M. ein ungeordnetes Dezernat mit großen Rückständen vorgefunden habe. Als im Dezember 2001 zwei Akten in Verlust geraten seien, sei sie schwanger und in einer unklaren und sehr belastenden persönlichen Situation gewesen. Im Rahmen der Ermessensausübung sei der erhebliche Zeitablauf seit diesen Vorkommnissen zu berücksichtigen. Der Antragsgegner habe keine Bedenken gehabt, sie während des Erziehungsurlaubs bzw. der Elternzeit weiterhin als Richterin einzusetzen. In der Entlassungsverfügung werde zu Unrecht die Auffassung vertreten, von einer Entlassung sei nur bei Vorliegen besonderer Gründe abzusehen. Da ein mit einer Geldbuße zu ahndendes Dienstvergehen die tatbestandliche Voraussetzung für die Entlassung eines Richters auf Probe sei, bedürfe die Entlassung besonderer Gründe, die nicht vorlägen. Dies gelte auch im Vergleich zu Beamten auf Probe, bei denen die Verhängung einer Geldbuße kein förmliches Disziplinarverfahren erfordere.
[7] Der Präsident des OLG wies den Widerspruch gegen die Entlassungsverfügung am 11.7.2005 zurück. Am selben Tag ging ihm ein Schreiben der Antragstellerin zu, in dem sie ihre erneute Schwangerschaft und als voraussichtlichen Geburtstermin den 8.3.2006 anzeigte.
[8] Auf einen entsprechenden Antrag der Antragstellerin hat das DG durch Urteil vom 3.2.2006 die Entlassungsverfügung vom 10.5.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.7.2005 aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen auf das Entlassungsverbot des § 11 Abs. 1 Satz 1 MuSchVB NW verwiesen und ausgeführt, maßgeblich sei nicht der Zeitpunkt der Entlassungsverfügung, in dem die Antragstellerin noch nicht schwanger gewesen sei, sondern der der letzten Verwaltungsentscheidung, d.h. des Widerspruchsbescheides.
[9] Dieses Urteil hat der DGH auf die Berufung des Antragsgegners durch Beschluss vom 1.12.2006 aufgehoben und den Antrag der Antragstellerin zurückgewiesen. Zur Begründung hat der DGH ausgeführt, die Entlassung der Antragstellerin gem. § 22 Abs. 3 DRiG sei nicht zu beanstanden. § 22 Abs. 3 DRiG sei anwendbar, obwohl ein Richter auf Probe nach § 12 Abs. 2 Satz 1 DRiG spätestens fünf Jahre nach seiner Ernennung zum Richter auf Lebenszeit zu ernennen sei und diese Statusdienstzeit bei der Antragstellerin bereits am 11.7.2004 abgelaufen sei. § 22 Abs. 3 DRiG knüpfe allein an die Rechtsstellung als Richter auf Probe an. Der Regelung des § 12 Abs. 2 Satz 1 DRiG sei bei der Ausübung des Ermessens gem. § 22 Abs. 3 DRiG Rechnung zu tragen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 22 Abs. 3 DRiG seien gegeben. Die Antragstellerin habe nach den im Untersuchungsverfahren gem. § 55 Abs. 1 Satz 2 DRiG getroffenen Feststellungen, deren Richtigkeit sie nicht in Zweifel ziehe, ihre Dienstpflichten gem. § 4 Abs. 1 LRiG NW, §§ 83, 57, 58 LBG NW mehrfach schuldhaft verletzt. Sie habe pflichtwidrig gehandelt, indem sie zum Ende ihrer Abordnung an die Staatsanwaltschaft M. sieben Akten, für deren Bearbeitung sie nicht mehr zuständig gewesen sei, mitgenommen und erst nach sechseinhalb bzw. elfeinhalb Monaten zurückgegeben habe. Zudem habe sie zwei dieser Verfahren während ihrer Abordnung an die Staatsanwaltschaft nicht unverzüglich bearbeitet. Hinsichtlich der beiden in Verlust geratenen Akten habe sie ihre Pflicht gem. § 275 Abs. 1 StPO, die Urteile fristgerecht zu den Akten zu bringen, verletzt. Außerdem habe sie ihre Beratungs- und Unterstützungspflicht verletzt, indem sie den Verlust der Akten nicht angezeigt habe. Sie habe auch keine ausreichenden Anstrengungen zur Rückerlangung der Akten unternommen, sondern durch vorsätzliche Falschauskünfte den Verlust der Akten zunächst verheimlicht. Diese als einheitliches Dienstvergehen zu wertenden Pflichtverletzungen hätten bei einem Richter auf Lebenszeit mindestens eine Geldbuße und damit eine im gerichtlichen Disziplinarverfahren zu verhängende Disziplinarmaßnahme zur Folge gehabt. Das Schwergewicht der Verfehlung liege in den wahrheitswidrigen Angaben über den Verbleib der in Verlust geratenen Akten und in den Versäumnissen bei der Mitwirkung an der Schadensbehebung bzw. -begrenzung. Schon die besonders schwerwiegende Verletzung der Dienstpflicht nach dem Verlust der beiden Strafakten hätte, auch unter Berücksichtigung der im Übrigen von der Antragstellerin gezeigten überdurchschnittlichen Leistungen und ihrer besonderen persönlichen Situation, bei einem Richter auf Lebenszeit mindestens eine Geldbuße und damit eine im förmlichen Disziplinarverfahren zu verhängende Maßnahme zur Folge gehabt. Der Antragsgegner habe sein Ermessen gem. § 22 Abs. 3 DRiG nicht fehlerhaft ausgeübt. Das Entlassungsermessen sei durch den Ablauf der Statusdienstzeit des § 12 Abs. 2 Satz 1 DRiG am 11.7.2004 nicht eingeengt gewesen, weil das Dienstvergehen bereits zuvor begangen worden sei und der Antragsgegner die Aufklärung des Sachverhalts und die Entscheidung über die Entlassung nicht ungebührlich verzögert habe. Der Ermessensspielraum sei auch nicht deshalb verkürzt, weil der Antragsgegner am 6.2.2003 der Antragstellerin ab dem 1.4.2003 im Rahmen der Elternzeit eine Teilzeitbeschäftigung auf der Basis einer halben Stelle bewilligt habe. Das besondere Gewicht ihres Fehlverhaltens sei erst nach dieser Bewilligung durch ihr Eingeständnis am 14.5.2003 bekannt geworden. Außerdem habe die Weiterbeschäftigung der Antragstellerin bis zur Entlassungsentscheidung nur ein vergleichsweise geringes Risiko mit sich gebracht, während bei einer Übernahme in das Richterverhältnis auf Lebenszeit im Hinblick auf die durch diesen Status gewährleistete Unabhängigkeit die Gefahr bestanden hätte, dass die Antragstellerin der damit verbundenen Verantwortung nicht gerecht werden würde. Zudem sei die Antragstellerin auf die Möglichkeit einer Entlassung rechtzeitig hingewiesen worden. Soweit der Antragsgegner in der Entlassungsverfügung ausgeführt habe, die Antragstellerin sei zu entlassen, wenn nicht besondere Ausnahmegründe vorlägen, habe er im Widerspruchsbescheid klargestellt, sich seines uneingeschränkten Ermessens bewusst gewesen zu sein. Die Entlassung verstoße nicht gegen § 11 Abs. 1 Satz 1 MuSchVB NW i.V.m. § 4 Abs. 1 LRiG NW, § 86 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 LBG NW. Maßgeblich sei nicht der Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides, sondern der der Entlassungsverfügung, in dem die Antragstellerin noch nicht schwanger gewesen sei. Der maßgebliche Zeitpunkt richte sich in erster Linie nach dem einschlägigen materiellen Recht. § 11 Abs. 1 MuSchVB NW knüpfe den Beginn des Schutzes vor Entlassung an die Kenntnis des Dienstherrn von der Schwangerschaft im Zeitpunkt des Ausspruchs der Schwangerschaft. Eine ohne diese Kenntnis ausgesprochene Entlassung sei zurückzunehmen, wenn dem Dienstvorgesetzten die Schwangerschaft binnen zwei Wochen nach Zustellung der Entlassungsverfügung mitgeteilt werde. Der Gesetzeswortlaut enthalte keinen Anhaltspunkt dafür, dass im Falle eines Widerspruches auch ein späterer Zeitpunkt des Eintretens der Schwangerschaft ausreiche. Auch bei einer Entlassung gem. § 22 Abs. 1 und 2 DRiG könnten Leistungen nach der Entlassungsverfügung bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides die Rechtmäßigkeit der Entlassung als eines rechtsgestaltenden Aktes grundsätzlich nicht mehr beeinträchtigen.
[10] Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Wegen ihres Vorbringens wird auf die Revisionsbegründungsschrift vom 9.2.2007 Bezug genommen.
[11] Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des DGH vom 1.12.2006 aufzuheben und die Berufung des Antragsgegners gegen das Urteil des DG vom 3.2.2006 zurückzuweisen.
[12] Der Antragsgegner beantragt, die Revision zurückzuweisen.
[13] Wegen seines Vorbringens wird auf die Revisionserwiderung vom 27.2.2007 verwiesen.
[14] Beide Parteien haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
I.
[15] Die zulässige (§§ 79 Abs. 2, 80 Abs. 2 DRiG) Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf der unrichtigen Anwendung einer Rechtsvorschrift (§ 80 Abs. 3 DRiG). Die Auffassung des DGH, die Entlassung der Antragstellerin gem. § 22 Abs. 3 DRiG sei rechtlich nicht zu beanstanden, ist rechtsfehlerhaft.
[16] 1. Rechtlich nicht zu beanstanden ist allerdings die Auffassung des DGH, es verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, dass ein Richter auf Probe, anders als ein Beamter auf Probe, gem. § 22 Abs. 3 DRiG bereits wegen eines Verhaltens, das bei einem Richter auf Lebenszeit mindestens mit einer Geldbuße zu ahnden wäre, entlassen werden kann. Dies entspricht der Rechtsprechung des DG des Bundes (BGH, Urt. v. 14.2.1967 - RiZ(R) 3/66, DRiZ 1967, 132, 133; v. 30.3.1987 - RiZ(R) 6/86, BGH v. 30.3.1987 - RiZ (R) 6/86, BGHZ 100, 287, 288 f. = MDR 1988, 51 = NJW 1987, 2516). Dasselbe gilt für die Auffassung des DGH, § 22 Abs. 3 DRiG sei auch in Fällen anwendbar, in denen die sog. Statusdienstzeit gem. § 12 Abs. 2 Satz 1 DRiG im Zeitpunkt der Entlassungsverfügung bereits abgelaufen ist (BGH, Urt. v. 30.3.1987 - RiZ(R) 6/86, BGH v. 30.3.1987 - RiZ (R) 6/86, BGHZ 100, 287, 289 f. = MDR 1988, 51 = NJW 1987, 2516).
[17] 2. Auch die Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 22 Abs. 3 DRiG ist nicht zu beanstanden. Insoweit unterliegt im richterdienstgerichtlichen Verfahren in vollem Umfang der Nachprüfung, ob dem Richter auf Probe das ihm von seinem Dienstherrn vorgeworfene Verhalten tatsächlich zur Last fällt und ob es bei einem Richter auf Lebenszeit eine im förmlichen Disziplinarverfahren zu verhängende Disziplinarmaßnahme, d.h. mindestens eine disziplinarrechtliche Geldbuße, zur Folge hätte (BGH, Urt. v. 30.3.1987 - RiZ(R) 6/86, BGH v. 30.3.1987 - RiZ (R) 6/86, BGHZ 100, 287, 290 = MDR 1988, 51 = NJW 1987, 2516). Beides hat der DGH ohne Rechtsfehler bejaht. Er hat auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen, die die Revision in tatsächlicher Hinsicht nicht in Zweifel zieht, rechtsfehlerfrei alle wesentlichen Gesichtspunkte berücksichtigt und insb. die Pflichtverletzungen und Täuschungshandlungen der Antragstellerin nach dem Verlust der beiden Strafakten als so schwerwiegend angesehen, dass bei einem Richter auf Lebenszeit zumindest eine disziplinarrechtliche Geldbuße zu verhängen gewesen wäre. Vor diesem Hintergrund musste der DGH entgegen der Auffassung der Revision weder eine mündliche Verhandlung durchführen, um sich ein persönliches Bild von der Antragstellerin zu machen, noch anhand ihrer dienstlichen Beurteilungen prüfen, ob sie während ihrer bisherigen richterlichen Tätigkeit die hierfür erforderlichen charakterlichen Eigenschaften unter Beweis gestellt hat. Die dienstlichen Beurteilungen sind in Unkenntnis des Dienstvergehens erstellt worden und enthalten deshalb keine vollständige Würdigung der Persönlichkeit der Antragstellerin. Dass der DGH davon abgesehen hat, in einer mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck von der Antragstellerin zu gewinnen, ist angesichts der Schwere des Dienstvergehens rechtlich nicht zu beanstanden.
[18] 3. Rechtsfehlerfrei ist ferner die Auffassung des DGH, die Entlassung der Antragstellerin verstoße nicht gegen das Entlassungsverbot gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 MuSchVB NW i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 LRiG NW, § 86 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 LBG NW. In dem maßgeblichen Zeitpunkt der Entlassungsverfügung vom 10.5.2005 war die Antragstellerin nach den rechtsfehlerfreien und von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des DGH nicht schwanger.
[19] Die Frage, auf welche Sach- und Rechtslage abzustellen ist, beurteilt sich nach dem jeweils einschlägigen materiellen Recht (BVerwG v. 28.7.1989 - 7 C 39/87, BVerwGE 82, 260, 261; 97, 214, 220; NVwZ 1991, 360, 361; DVBl. 1998, 201, 202; Kopp/Schenke, VwGO 14. Aufl., § 113 Rz. 41). Bei der Anwendung des § 11 Abs. 1 Satz 1 MuSchVB NW ist nach Wortlaut und Regelungszweck auf den Zeitpunkt der Entlassungsverfügung und nicht auf den des Widerspruchsbescheides abzustellen. Der Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 1 MuSchVB NW verbietet eine Entlassung während der Schwangerschaft und setzt damit eine Schwangerschaft in dem Zeitpunkt, in dem die Entlassung - durch die Entlassungsverfügung - ausgesprochen wird, voraus. Hinzu kommt, dass eine Entlassungsverfügung, die der Dienstvorgesetzte ohne Kenntnis der Schwangerschaft erlassen hat, zurückzunehmen ist, wenn dem Dienstvorgesetzten die Schwangerschaft binnen zwei Wochen nach Zustellung der Entlassungsverfügung mitgeteilt wird. Diese Regelung hätte keinen sinnvollen Anwendungsbereich, wenn ohnehin jede bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides eintretende Schwangerschaft ein Entlassungsverbot zur Folge hätte. Der Regelungszweck des § 11 Abs. 1 MuSchVB NW rechtfertigt keine andere Auslegung. Der Zweck des Entlassungsverbotes besteht darin, der (werdenden) Mutter wegen ihres besonderen Zustandes während der Schwangerschaft und in der ersten Zeit nach der Entbindung den Arbeitsplatz zu erhalten, sie vor wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu bewahren und gegen die mit einer Entlassung verbundene psychische Belastung zu schützen (Zmarzlik/Zipperer/Viethen/Vieß, Mutterschutzgesetz - Mutterschaftsleistungen 9. Aufl. MuSchG § 9 Rz. 1; Dieterich/Müller-Glöge/Preis/Schaub, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht 7. Aufl. MuSchG § 9 Rz. 1). Diese Schutzintention erstreckt sich nur auf (werdende) Mütter und nicht auf Frauen, die im Zeitpunkt der Entlassung noch nicht schwanger sind.
[20] Die Auslegung des § 11 Abs. 1 MuSchVB NW erfordert entgegen der Auffassung der Revision keine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Vorabentscheidung über die Auslegung des Kündigungsverbots gem. Art. 10 Nr. 1 der Richtlinie 92/85 EWG des Rates vom 19.10.1992 (ABl. Nr. L 348/1). Diese Vorschrift erfasst nach ihrem eindeutigen Wortlaut nur eine "Kündigung ... während der Zeit vom Beginn der Schwangerschaft bis zum Ende des Mutterschutzurlaubs" und setzt mithin das Bestehen der Schwangerschaft im Zeitpunkt der Entlassungsverfügung voraus. Das Kündigungsverbot soll nach dem 15. Erwägungsgrund der Richtlinie der Gefahr begegnen, dass eine Arbeitnehmerin aus Gründen entlassen wird, die mit ihrem Zustand in Verbindung stehen. Ein solcher Entlassungsgrund ist nur denkbar, wenn die Arbeitnehmerin bereits im Zeitpunkt der Entlassungsverfügung schwanger ist. Die richtige Auslegung der Richtlinie ist mithin derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt (vgl. EuGH v. 6.10.1982 - Rs. C-283/81, NJW 1983, 1257, 1258; BVerfG v. 9.11.1987 - 2 BvR 808/82, NJW 1988, 1456; BGH, Beschl. v. 21.12.2006 - IX ZB 150/05, MDR 2007, 288 = BGHReport 2007, 310 = WM 2007, 373, 374 f.).
[21] 4. Rechtsfehlerhaft ist hingegen die Auffassung des DGH, der Antragsgegner habe das in § 22 Abs. 3 DRiG eröffnete Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Die Ermessensentscheidung gem. § 22 Abs. 3 DRiG ist gerichtlich nur eingeschränkt, nämlich nur daraufhin überprüfbar, ob die Behörde die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 114 Satz 1 VwGO, §§ 83, 66 Abs. 1 Satz 1 DRiG; BGH, Urt. v. 30.3.1987 - RiZ(R) 6/86, BGH v. 30.3.1987 - RiZ (R) 6/86, BGHZ 100, 287, 293 = MDR 1988, 51 = NJW 1987, 2516, 2518). Ein solcher Ermessensfehlgebrauch liegt vor, weil, wie die Revision zu Recht rügt, der Antragsgegner bei Erlass des Widerspruchsbescheides vom 11.7.2005 die ihm in diesem Zeitpunkt bereits angezeigte Schwangerschaft der Antragstellerin nicht in seine Ermessenserwägungen einbezogen hat.
[22] a) Der Antragsgegner hatte im Widerspruchsbescheid gem. § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der Entlassungsverfügung nachzuprüfen. Bei der Nachprüfung der Zweckmäßigkeit war das in § 22 Abs. 3 DRiG eingeräumte Ermessen erneut und selbständig auszuüben (vgl. Geis, in: Sodan/Ziekow, VwGO 2. Aufl., § 68 Rz. 201). Maßgeblich war dabei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides (vgl. BVerwG v. 30.4.1996 - 6 B 77/95, NVwZ-RR 1997, 132, 133; Kopp/Schenke, VwGO 14. Aufl., § 68 Rz. 15; Geis, in: Sodan/Ziekow, VwGO 2. Aufl., § 68 Rz. 196; jeweils m.w.N.). Zu der danach zu berücksichtigenden Sachlage gehört auch die Schwangerschaft der Antragstellerin. Die Anzeige der Schwangerschaft durch die Antragstellerin ist am 11.7.2005, d.h. am Tag des Widerspruchsbescheides, beim Präsidenten des OLG eingegangen und zur Personalakte der Antragstellerin genommen worden. Der in einem Sonderheft verfügte Widerspruchsbescheid ist am 12.7.2005 gefertigt und am 14.7.2005 abgesandt worden. Der Präsident des OLG hat die Schwangerschaft in dem Widerspruchsbescheid nicht berücksichtigt, weil er bis zu diesem Zeitpunkt, wie er in seinem Schriftsatz vom 2.2.2006 ausgeführt hat, noch keine Kenntnis von ihr erlangt hatte.
[23] b) In der Nichtberücksichtigung der Schwangerschaft liegt eine Außerachtlassung eines wesentlichen Gesichtspunktes, die die Ermessensausübung rechtsfehlerhaft macht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO 14. Aufl., § 114 Rz. 12 m.w.N.). Wesentliche Gesichtspunkte, die bei einer Ermessensausübung berücksichtigt werden müssen, sind außer dem unmittelbaren, durch öffentliche Interessen bestimmten Zweck, dem eine Regelung dient, auch die Rechtsschutzzwecke sonst einschlägiger Rechtssätze, insb. die Wertentscheidungen des Verfassungsrechts (Kopp/Schenke, VwGO 14. Aufl., § 114 Rz. 9 m.w.N.). Dazu gehört auch der durch Art. 6 Abs. 4 GG gewährleistete Schutz der (werdenden) Mutter (vgl. hierzu BVerfG v. 10.3.1992 - 1 BvR 454/91, 1 BvR 470/91, 1 BvR 602/91, 1 BvR 616/91, 1 BvR 905/91, 1 BvR 939/91-1 BvR 955/91, 1 BvR 957/91-1 BvR 963/91, 1 BvR 1128/91, 1 BvR 1315/91-1 BvR 1318/91, 1 BvR 1453/91, BVerfGE 85, 360, 372 = MDR 1992, 589), den alle staatlichen Stellen bei der Gesetzesanwendung und -auslegung zu beachten haben (Schmitt-Kammler, in: Sachs, Grundgesetz 3. Aufl. Art. 6 Rz. 81). Dem steht nicht entgegen, dass das Entlassungsverbot gem. § 11 Abs. 1 MuSchVB NW, wie dargelegt, im vorliegenden Fall nicht eingreift. Diese Vorschrift dient, wie ausgeführt, ausschließlich dem Schutz der (werdenden) Mutter und kann deshalb nicht zu ihrem Nachteil dahin ausgelegt werden, dass sie die unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten gebotene Berücksichtigung der Schwangerschaft ausschließt.
[24] Die Außerachtlassung der Schwangerschaft kann nicht damit gerechtfertigt werden, die Entscheidung gem. § 22 Abs. 3 DRiG sei eine sog. intendierte Entscheidung (vgl. hierzu Kopp/Schenke, VwGO 14. Aufl., § 114 Rz. 21b m.w.N.), für die, ähnlich wie bei "Soll"-Vorschriften, für den Regelfall eine bestimmte Entscheidung vorgegeben sei. § 22 Abs. 3 DRiG ist eine "Kann"-Vorschrift, die keine bestimmte Entscheidung für den Regelfall vorgibt. Die Entlassung gem. § 22 Abs. 3 DRiG ist keine disziplinarrechtliche, sondern eine richterdienstrechtliche Entscheidung (vgl. für das Beamtenrecht: BVerwG v. 22.6.1982 - 2 C 44/80, BVerwGE 66, 19, 20), bei der weder im Zeitpunkt der Entlassungsverfügung noch im Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides von einem verkürzten Ermessensspielraum ausgegangen werden kann (BGH, Urt. v. 30.3.1987 - RiZ(R) 6/86, BGH v. 30.3.1987 - RiZ (R) 6/86, BGHZ 100, 287, 297 f. = MDR 1988, 51 = NJW 1987, 2516, 2519). Die Entlassung der Antragstellerin beruht auf der fehlerhaften Ermessenserwägung des Präsidenten des OLG. Es ist nicht auszuschließen, dass der Präsident des OLG zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre, wenn er die Schwangerschaft der Antragstellerin, auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 6 Abs. 4 GG, berücksichtigt hätte.
[25] c) Ob eine Heilung des Ermessensfehlers gem. § 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG NW, § 114 Satz 2 VwGO möglich gewesen wäre, bedarf keiner Entscheidung. Eine solche Heilung ist jedenfalls nicht erfolgt. Der Präsident des OLG hat noch mit Schriftsatz vom 27.3.2006 die Auffassung vertreten, die Schwangerschaft der Antragstellerin sei für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Entlassungsverfügung unbeachtlich.
II.
[26] Die angefochtene Entscheidung war demnach aufzuheben und, da die Sache zur Endentscheidung reif ist, die Berufung des Antragsgegners gegen das Urteil des DG zurückzuweisen (§ 80 Abs. 1 Satz 1 DRiG, § 144 Abs. 3 Nr. 1 VwGO).
[27] Die Kostenentscheidung beruht auf § 80 Abs. 1 Satz 1 DRiG, § 154 Abs. 1 und 2 VwGO).
[28] Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren entsprechend §§ 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 GKG auf 32.779,63 EUR festgesetzt.
Fundstellen