Leitsatz (amtlich)
Zu den Ansprüchen des Verpächters und Eigentümers einer Eisenbahninfrastruktureinrichtung gegen den Pächter und Inhaber der zum Betrieb dieser Eisenbahninfrastruktur erforderlichen Unternehmensgenehmigung nach Beendigung des Pachtvertrags.
Normenkette
BGB §§ 242, 546 Abs. 1, § 581 Abs. 2; AEG §§ 6, 11
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OLG (Entscheidung vom 16.11.2022; Aktenzeichen 12 U 45/22) |
LG Itzehoe (Entscheidung vom 28.02.2022; Aktenzeichen 2 O 106/21) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin und die Anschlussrevision der Beklagten wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 16. November 2022 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Parteien streiten um die Folgen der Kündigung einer Betriebsführungsvereinbarung über die Nutzung einer Eisenbahninfrastruktur.
Rz. 2
Die Klägerin ist Eigentümerin der Gleisanlagen auf der Strecke Tornesch - Uetersen ab Anschlussgrenze Übergabegruppe DB Netz AG (Streckenkilometer 0,0 bis Streckenkilometer 3,118 im Bahnhof Uetersen Ost). Die Beklagte erbringt Schienenverkehrsdienste und betreibt Eisenbahninfrastrukturen.
Rz. 3
Am 17. November 1997 schloss die Rechtsvorgängerin der Klägerin mit der Beklagten einen notariellen Pachtvertrag über die Nutzung der hier streitgegenständlichen Gleisanlagen, der unter der aufschiebenden Bedingung stand, dass der Beklagten von der zuständigen Eisenbahnaufsichtsbehörde die Genehmigung zum Betrieb eines Eisenbahninfrastrukturunternehmens erteilt wird. Nachdem der Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein (LBV.SH) am 19. März 2007 die Unternehmensgenehmigung erteilte hatte, übernahm die Beklagte den Betrieb der Eisenbahninfrastruktur von der Klägerin. Die Unternehmensgenehmigung wurde mit Bescheid vom 15. Oktober 2007 erneuert und bis zum 31. Dezember 2057 befristet. Nachdem die Beklagte den Pachtvertrag gekündigt hatte, schlossen die Rechtsvorgängerin der Klägerin und die Beklagte am 12. März 2014 eine sog. Betriebsführungsvereinbarung, die durch Nachtrag vom 17. September 2018 abgeändert wurde. Mit Schreiben vom 28. Mai 2020 kündigte die Klägerin die Betriebsführungsvereinbarung, weil sie den Infrastrukturbetrieb ihrer Gleisanlagen künftig wieder selbst übernehmen wollte. Dem widersprach die Beklagte. In der Folgezeit begehrte die Klägerin erfolglos die Übergabe von Unterlagen für den Betrieb der Eisenbahnanlagen, widersprach der weiteren Nutzung der Gleisanlagen durch die Beklagte und verlangte deren Räumung und Herausgabe.
Rz. 4
Mit Schreiben vom 26. Oktober 2020 beantragte die Klägerin beim LBV.SH die Erteilung einer Unternehmensgenehmigung. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 22. Juni 2021 mit der Begründung abgelehnt, dass zum jetzigen Zeitpunkt die Erteilung einer Genehmigung an die Klägerin nicht in Betracht komme, da die Beklagte Inhaberin der Betriebsgenehmigung sei und auch nicht zu Gunsten der Klägerin auf diese verzichte. Hinsichtlich einer konkreten Infrastruktur könne jedoch nur ein Unternehmen Inhaber der Betriebsgenehmigung sein. Ein Antrag der Klägerin auf Erteilung der Genehmigung nach § 6 AEG unter gleichzeitigem Widerruf der Genehmigung der Beklagten setze voraus, dass die Klägerin die Verfügungsgewalt über die Eisenbahninfrastruktur erhalte. Über den von der Klägerin hiergegen eingelegten Widerspruch hatte die Behörde im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht noch nicht entschieden.
Rz. 5
Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Herausgabe der in ihrem Eigentum stehenden Gleisanlagen begehrt und von der Beklagten die Zustimmung zur Übernahme des Betriebes der Eisenbahninfrastruktur im öffentlich-rechtlichen Genehmigungsverfahren verlangt. Ferner hat sie die Herausgabe der Dokumente, welche die Beklagte im Rahmen ihrer Betreiberfunktion der Gleisanlagen führen und vorhalten muss, begehrt. Zudem hat die Klägerin die Beklagte auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung für die Nutzung der Gleisanlagen nach ausgesprochener Kündigung des Pachtvertrages sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Anspruch genommen. Schließlich hat die Klägerin beantragt, festzustellen, dass die Betriebsführungsvereinbarung durch die Kündigung der Klägerin beendet ist.
Rz. 6
Das Landgericht hat dem Feststellungsantrag - insoweit rechtskräftig - stattgegeben und im Übrigen die Klage abgewiesen. Auf die hiergegen eingelegte Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht das Urteil des Landgerichts abgeändert. Es hat die Beklagte zur Herausgabe und Räumung der streitgegenständlichen Gleisanlagen sowie der zu ihrem Betrieb notwendigen Dokumente gegen Vorlage einer „rechtskräftigen“ eisenbahnrechtlichen Unternehmensgenehmigung der Klägerin verurteilt. Zudem hat es dem Zahlungsantrag der Klägerin in Höhe von 2.400 € entsprochen. Im Übrigen hat es die Klage ab- und die Berufung zurückgewiesen. Hiergegen wenden sich die Klägerin mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision und die Beklagte mit der Anschlussrevision.
Entscheidungsgründe
Rz. 7
Die Revision der Klägerin und die zulässige Anschlussrevision der Beklagten sind begründet. Sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
A.
Rz. 8
Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Die Klägerin könne - entsprechend dem von ihr gestellten Hilfsantrag - gemäß §§ 546 Abs. 1, 581 Abs. 2 BGB unter der Bedingung des Vorliegens einer bestandskräftigen Unternehmensgenehmigung zugunsten der Klägerin die Räumung und Herausgabe der Gleisanlagen verlangen. Die Klägerin habe die Betriebsführungsvereinbarung mit der Beklagten wirksam zum 31. Dezember 2020 gekündigt. Auf ein Recht zum Besitz im Sinne des § 986 Abs. 1 BGB könne die Beklagte sich gegenüber diesem Herausgabeanspruch ebenso wenig berufen wie auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen Verwendungen gemäß § 1000 BGB.
Rz. 9
Grundsätzlich könne die Klägerin von der Beklagten die Räumung der streitgegenständlichen Anlage trotz der Beschränkung ihres Eigentums durch die eisenbahnrechtliche Widmung verlangen. Insbesondere werde der Beklagten weder durch die erteilte Unternehmensgenehmigung noch durch die Widmung der Strecke zu Bahnbetriebszwecken ein Recht zum Besitz eingeräumt. Einer möglichen Unterbrechung, nämlich durch Entziehung der Genehmigung der Betriebserlaubnis zu Gunsten der Beklagten einerseits und durch Verstreichen einer gewissen Zeitspanne bis zur Erteilung einer Genehmigung zu Gunsten der Klägerin andererseits, könne über den Hilfsantrag der Klägerin wirksam begegnet werden. Dies gelte ebenso hinsichtlich der Gefahr einer sog. kalten Stilllegung der Betriebsinfrastruktur.
Rz. 10
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19. Juni 2020 (BGHZ 226, 49 = TranspR 2021, 25) könne auf den vorliegenden Fall nicht übertragen werden und stehe daher dem Räumungsanspruch der Klägerin nicht entgegen. Dort sei ein Grundstück, welches dem Betrieb der öffentlichen Eisenbahninfrastruktur gewidmet gewesen sei, verkauft worden und der Käufer habe beabsichtigt, das Grundstück nicht mehr der Widmung entsprechend weiter zu nutzen. Im vorliegenden Fall plane die Klägerin indes nicht, das Grundstück anders als gewidmet zu nutzen. Sie beabsichtige vielmehr, nach Herausgabe der Gleisanlage die Infrastruktur selbst zu betreiben. Der Beklagten stehe kein Anspruch auf Abschluss eines Pachtvertrages zu, der einem Räumungsanspruch entgegenstehen könne. Im Übrigen stelle sich das Verhalten der Klägerin auch nicht als widersprüchlich oder rechtsmissbräuchlich dar.
Rz. 11
Der Räumungsanspruch der Klägerin sei jedoch verfassungsrechtlich dahingehend einzuschränken, dass eine Räumung der streitgegenständlichen Gleisanlage erst nach Vorliegen einer bestandskräftigen Unternehmensgenehmigung zu ihren Gunsten verlangt werden könne. Eine solche Einschränkung sei im Hinblick auf die Eigentumsbeschränkungen, die das Grundstück der Klägerin aufgrund des Planfeststellungsverfahrens und der Widmung als Eisenbahninfrastruktur erfahren habe, sowie auf die Ziele des Allgemeinen Eisenbahngesetzes geboten. Die aufgrund der Unternehmensgenehmigung bestehende besondere Rechtsstellung der Beklagten würde unterlaufen, falls dem Räumungsanspruch der Klägerin unbedingt entsprochen werde würde. Die Beklagte wäre trotz wirksamer Unternehmensgenehmigung verpflichtet, die streitgegenständliche Gleisanlage zu räumen, obwohl sie nach dem Allgemeinen Eisenbahngesetz zum Betrieb der Anlage verpflichtet sei. Weiterhin würde eine Unterbrechung des Eisenbahnbetriebs auf der Infrastruktur eintreten, sofern die Klägerin zum Zeitpunkt der Räumung noch nicht über eine eigene, wirksame Unternehmensgenehmigung verfügen würde. Die Einschränkung des Räumungsantrages erfolge in analoger Anwendung des § 257 ZPO in Verbindung mit § 726 Abs. 1 ZPO. Im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Einschränkung des Räumungsanspruchs liege eine Regelungslücke vor, die in analoger Anwendung des § 257 ZPO geschlossen werden könne.
Rz. 12
Ein Anspruch auf Mitwirkung der Beklagten am Widerruf der Unternehmensgenehmigung stehe der Klägerin nicht zu. Die Herausgabe von Betriebsunterlagen könne die Klägerin nach §§ 546 Abs. 1, 581 Abs. 2, 241 BGB verlangen. Es bestehe eine dahingehende Nebenpflicht der Beklagten, diejenigen Unterlagen herauszugeben, die ihr im Hinblick auf die zwischenzeitlich gekündigte Betriebsführungsvereinbarung ausgehändigt worden seien. Dieser Anspruch sei aber ebenfalls dahingehend einzuschränken, dass die Klägerin die Herausgabe nur bei Vorliegen einer ihr erteilten wirksamen Unternehmensgenehmigung verlangen könne.
Rz. 13
Soweit die Klägerin eine monatliche Nutzungsentschädigung in Höhe von 500 € für jeden vollständigen Monat, in dem die Beklagte die streitgegenständlichen Gleisanlagen seit dem 1. Januar 2021 nicht an die Klägerin zurückgibt, verlange, stehe ihr ein solcher Anspruch nicht zu. Er ergebe sich weder aus § 584 b BGB noch aus §§ 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1, 818 BGB. Die Klägerin könne jedoch nach § 5 der notariellen Urkunde vom 19. November 1997 in Verbindung mit der Nachtragsvereinbarung für die Jahre 2021 und 2022 jeweils eine jährliche Pacht in Höhe von 1.200 € netto beanspruchen.
B.
Rz. 14
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht in jeder Hinsicht stand.
I.
Rz. 15
Zu Recht ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass der Klägerin grundsätzlich gemäß §§ 581 Abs. 2, 546 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Gleisanlagen zusteht. Dabei kann f ür das Räumungsbegehren letztlich dahingestellt bleiben, ob es sich bei der Betriebsführungsvereinbarung um einen Pacht- oder einen typengemischten Vertrag mit pachtrechtlichem Schwerpunkt handelt.
Rz. 16
Die zwischen den Parteien im Jahr 2014 abgeschlossene Betriebsführungsvereinbarung in der Fassung der Nachtragsvereinbarung vom 17. September 2018, die die rechtliche Grundlage für die Nutzung der im Eigentum der Klägerin stehenden Eisenbahninfrastruktur durch die Beklagte war, wurde von der Klägerin wirksam zum 31. Dezember 2020 gekündigt. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig und durch Ziffer 1 des Tenors der landgerichtlichen Entscheidung mittlerweile auch rechtskräftig festgestellt.
II.
Rz. 17
Ebenfalls zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass sich die Beklagte gegenüber dem Anspruch der Klägerin aus §§ 581 Abs. 2, 546 Abs. 1 BGB nicht auf ein Recht zum Besitz iSv § 986 Abs. 1 BGB berufen kann. Wie sich bereits aus dem Wortlaut und der systematischen Stellung des § 986 BGB ergibt, steht ein Recht zum Besitz im Sinne dieser Vorschrift nur dem dinglichen Herausgabeanspruch des Eigentümers aus § 985 BGB entgegen, nicht aber dem schuldrechtlichen Rückgabeanspruch des Vermieters aus § 546 Abs. 1 BGB, der als Umkehrung der Gebrauchsüberlassungspflicht weder Eigentum des Vermieters noch Besitz des Mieters voraussetzt. Auch eine entsprechende Anwendung des § 986 Abs. 1 BGB auf den Anspruch aus § 546 BGB findet nicht statt (vgl. Senatsurteil vom 8. Juli 1998 - XII ZR 116/96 - NZM 1998, 779 f.). Für den Räumungs- und Herausgabeanspruch des Verpächters gilt nichts Anderes.
III.
Rz. 18
Schließlich hat das Berufungsgericht rechtlich zutreffend auch das Bestehen eines Zurückbehaltungsrechts der Beklagten wegen getätigter Verwendungen nach § 1000 BGB verneint. Nach § 570 BGB steht dem Mieter kein Zurückbehaltungsrecht gegen den Rückgabeanspruch des Vermieters zu. Diese Vorschrift, die gemäß § 581 Abs. 2 BGB auch auf Pachtverträge anwendbar ist (vgl. auch Schmidt-Futterer/Streyl Mietrecht 16. Aufl. § 570 BGB Rn. 3 mwN), schließt sowohl das Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB als auch dasjenige aus § 320 BGB für sämtliche Ansprüche aus dem Mietverhältnis aus, wobei die Höhe der Gegenansprüche ohne Bedeutung ist (vgl. Guhling/Günter/Stroyer Gewerberaummiete 3. Aufl. § 570 BGB Rn. 7; MünchKommBGB/Häublein 9. Aufl. § 570 Rn. 3).
Rz. 19
Soweit die Anschlussrevision hierzu die Auffassung vertritt, im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27. Juni 2014 (V ZR 51/13 - NJW-RR 2014, 1423 Rn. 42) sei im vorliegenden Fall eine Anwendung der Vorschrift ausgeschlossen, kann dem nicht gefolgt werden. Denn der Bundesgerichtshof hat lediglich die analoge Anwendung der Vorschrift wegen ihres Charakters als Ausnahmevorschrift auf eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit nach § 1090 BGB abgelehnt. Ausführungen dazu, ob eine einschränkende Anwendung des § 570 BGB auf ein Miet- oder Pachtverhältnis auch dann in Betracht kommt, wenn die Gegensprüche des Mieters oder Pächters wirtschaftlich ein solches Ausmaß erreichen, dass die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts nicht mehr als schikanös angesehen werden kann, enthält die Entscheidung jedoch nicht. Ebenso wenig kann der Auffassung der Anschlussrevision gefolgt werden, dass durch die Regelungen über die Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung in § 3 der Betriebsführungsvereinbarung von den Parteien die Regelung des § 570 BGB abbedungen worden ist. Dies ist zwar grundsätzlich durch eine entsprechende Parteivereinbarung möglich (vgl. Guhling/Günter/Stroyer Gewerberaummiete 3. Aufl. § 570 BGB Rn. 5 mwN). Für eine solche Auslegung bietet vorliegend jedoch der Wortlaut der Vertragsklausel keinerlei Anhaltspunkte.
IV.
Rz. 20
Rechtsfehlerhaft ist dagegen die Auffassung des Berufungsgerichts, der Anspruch der Klägerin aus §§ 581 Abs. 2, 546 Abs. 1 BGB sei dahingehend einzuschränken, dass sie die Räumung und Herausgabe der Gleisanlagen nur unter der Bedingung des Vorliegens einer zugunsten der Klägerin erteilten bestandskräftigen Unternehmensgenehmigung nach § 6 Abs. 1 AEG verlangen könne. Hierfür besteht keine tragfähige rechtliche Grundlage.
Rz. 21
Nach § 546 Abs. 1 BGB ist die Mietsache nach Beendigung des Mitverhältnisses zurückzugeben. Der Räumungs- und Herausgabeanspruch des Vermieters wird daher grundsätzlich gemäß § 271 BGB nach Ablauf des letzten Tags der Mietzeit fällig (vgl. Schmidt-Futterer/Streyl Mietrecht 16. Aufl. § 546 BGB Rn. 74), sofern die Mietvertragsparteien keine abweichende Vereinbarung getroffen haben. Eine Verschiebung des Rückgabezeitpunkts durch eine gerichtliche Entscheidung sieht § 546 BGB nicht vor. Lediglich für den Bereich der Wohnraummiete bietet § 721 Abs. 1 ZPO die Möglichkeit der Gewährung einer Räumungsfrist, wenn der Mieter zur Räumung verurteilt wird. Auf die Räumungsverpflichtung des Pächters eines gewerblich genutzten Grundstücks ist diese Vorschrift nach ihrem eindeutigen Wortlaut weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar.
Rz. 22
1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist eine Einschränkung des Räumungs- und Herausgabeanspruchs der Klägerin verfassungsrechtlich nicht geboten.
Rz. 23
Das Berufungsgericht legt schon nicht dar, weshalb die von ihm für notwendig gehaltene Einschränkung verfassungsrechtlich geboten sein soll. Allein aus dem von ihm in Bezug genommenen Art. 87 e Abs. 4 GG ergibt sich dies jedenfalls nicht. Nach Satz 1 dieser Vorschrift gewährleistet der Bund, dass dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, bei Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie bei deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz, soweit diese nicht den Schienenpersonennahverkehr betreffen, Rechnung getragen wird. Dieser verfassungsmäßigen Aufgabe des Bundes zur Gewährleistung von Eisenbahninfrastrukturen ist der Gesetzgeber unter anderem mit den Regelungen zur Stilllegung einer Eisenbahninfrastruktur (§ 11 AEG) und zur Entwidmung von Grundstücken, auf denen sich eine solche Anlage befindet (§ 23 AEG), nachgekommen. Inwieweit die verfassungsrechtlich begründete Gewährleistungspflicht des Bundes für seine Eisenbahnen darüber hinaus Auswirkungen auf die privatrechtliche Rechtsbeziehung zwischen der Klägerin und der Beklagten haben könnte, wird vom Berufungsgericht nicht ausgeführt und ist auch sonst nicht ersichtlich, zumal die streitgegenständlichen Gleisanlagen nicht im Eigentum des Bundes stehen.
Rz. 24
2. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Einschränkung des Räumungs- und Herausgabeanspruchs der Klägerin lässt sich auch nicht mit den Zielen des Allgemeinen Eisenbahngesetzes rechtfertigen.
Rz. 25
Das Berufungsgericht geht bei seinen Erwägungen von der Annahme aus, die Regelungen des Allgemeinen Eisenbahngesetzes verfolgten das Ziel, dass auf einer Eisenbahninfrastruktur dauerhaft und unterbrechungsfrei Eisenbahnbetrieb im öffentlichen Interesse stattfinden könne und deshalb eine auch nur vorübergehende Betriebsbeschränkung auszuschließen sei. Eine solche sei jedoch zu befürchten, wenn die Beklagte die Gleisanlagen sofort an die Klägerin herausgeben müsse, diese aber erst zu einem späteren Zeitpunkt die zum Betrieb der Gleisanlage erforderliche Unternehmensgenehmigung nach § 6 Abs. 1 AEG erhalte.
Rz. 26
Dem kann nicht gefolgt werden. Zutreffend ist zwar, dass das Allgemeine Eisenbahngesetz nach seinem § 1 Abs. 1 Satz 1 der Gewährleistung eines sicheren Betriebs der Eisenbahn und eines attraktiven Verkehrsangebotes auf der Schiene sowie der Wahrung der Interessen der Verbraucher im Eisenbahnmarkt dient. Aus diesem Gesetzeszweck lässt sich jedoch entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht ableiten, dass auch nur vorübergehende Betriebsbeeinträchtigungen einer Eisenbahninfrastruktureinrichtung ausnahmslos vermieden werden müssen. Soweit § 1 Abs. 1 Satz 1 AEG von der „Gewährleistung eines sicheren Betriebs der Eisenbahn“ spricht, bezieht sich diese Formulierung auf den gefahrenabwehrrechtlichen Aspekt der Eisenbahnsicherheit (vgl. BT-Drucks. 15/4419 S. 16). Auch aus der vom Berufungsgericht herangezogenen Vorschrift des § 11 AEG ergibt sich nicht, dass nach dem Allgemeinen Eisenbahngesetz vorübergehende Betriebsunterbrechungen stets vermieden werden müssten. Das in § 11 AEG normierte Stilllegungsverfahren betrifft nur den Fall, dass ein Betreiber den Betrieb einer Eisenbahninfrastruktur auf Dauer aufgeben und sich daher von seiner gesetzlichen Betriebspflicht (§ 11 Abs. 1 Satz 1 AEG) entbinden lassen will. Für diesen Fall sieht das Gesetz in § 11 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 bis 5 AEG einen Genehmigungsvorbehalt vor. Zweck der in § 11 AEG getroffenen Regelung ist es, Infrastruktureinrichtungen, an denen ein Interesse der Allgemeinheit besteht, möglichst zu erhalten. Damit kommt der Bund seiner in Art. 87 e Abs. 4 Satz 1 GG verankerten Gewährleistungsverantwortung nach (vgl. BVerwG NVwZ 2008, 1017 Rn. 24). Um einen Fall der Stilllegung einer Eisenbahninfrastruktureinrichtung geht es vorliegend jedoch nicht. Sowohl die Beklagte als auch die Klägerin haben nach den getroffenen Feststellungen ihre Absicht bekundet, den Schienenverkehr auf der streitgegenständlichen Gleisanlage fortführen zu wollen. Nur kurzfristige Betriebsunterbrechungen werden vom Anwendungsbereich des § 11 AEG nicht erfasst (vgl. BVerwG NVwZ 2021, 1232 Rn. 15).
Rz. 27
Im Übrigen weist die Revision zu Recht darauf hin, dass es keine allgemeine Norm gibt, die Betriebsunterbrechungen aus Anlass eines Betreiberwechsels verbietet und die Regelungen in § 11 Abs. 1 Satz 2 bis 5, Abs. 1a bis 3 AEG keinen Schluss auf einen ungeschriebenen allgemeinen Rechtssatz zulassen, wonach auch nur vorübergehende Betriebsunterbrechungen aus Anlass eines Betreiberwechsels zu unterbinden seien.
Rz. 28
3. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts lässt sich die vorgenommene Einschränkung des Räumungs- und Herausgabeanspruchs der Klägerin auch nicht mit einer entsprechenden Anwendung des § 257 ZPO begründen. Die analoge Anwendung einer Gesetzesvorschrift erfordert zum einen eine planwidrige Regelungslücke. Zum anderen muss die Vergleichbarkeit der zur Beurteilung stehenden Sachverhalte gegeben sein, also der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem Tatbestand, den der Gesetzgeber geregelt hat, vergleichbar sein, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie beim Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zum gleichen Abwägungsergebnis gekommen (Senatsbeschluss vom 22. Juni 2022 - XII ZB 442/20 - FamRZ 2022, 1562 Rn. 19 mwN). Daran fehlt es hier.
Rz. 29
§ 257 ZPO räumt dem Kläger unter den dort genannten Voraussetzungen die Möglichkeit ein, schon vor Fälligkeit einer Forderung auf Leistung zu klagen und eine Verurteilung zur künftigen Leistung zu beantragen (vgl. MünchKommZPO/Becker-Eberhard 6. Aufl. § 257 Rn. 1). Die Vorschrift normiert damit eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass eine Leistungsklage grundsätzlich nur dann Erfolg hat, wenn der zur Entscheidung gestellte Anspruch fällig ist (BeckOK ZPO/Bacher [Stand: 1. Juli 2024] § 257 Rn. 1). Zulässig ist eine Klage auf künftige Zahlung oder Räumung nach § 257 ZPO jedoch nur, wenn die Fälligkeit des Zahlungs- oder Räumungsanspruchs nach dem Kalender bestimmt ist. Damit beschränkt § 257 ZPO das Recht einer Klage auf künftige Zahlung oder Räumung auf eng begrenzte Fälle, in denen eine vorzeitige Zwangsvollstreckung ausgeschlossen ist (vgl. § 751 Abs. 1 ZPO), weil das Vollstreckungsorgan den Kalendertag für den Beginn der Zwangsvollstreckung zweifelsfrei ermitteln kann (vgl. Musielak/Voit/Foerste ZPO 21. Aufl. § 257 Rn. 1). Aufschiebend bedingte Ansprüche fallen hingegen nicht in den Anwendungsbereich der Vorschrift (MünchKommZPO/Becker-Eberhard 6. Aufl. § 257 Rn. 6; Musielak/Voit/Foerste ZPO 21. Aufl. § 257 Rn. 2; BeckOK ZPO/Bacher [Stand: 1. Juli 2024] § 257 Rn. 13). Der Gesetzgeber hatte auch keinen Anlass, bedingte Ansprüche in den Anwendungsbereich des § 257 ZPO einzubeziehen. Denn Klagen, die auf künftige Leistung eines bedingten Anspruchs gerichtet sind, werden bereits vom Anwendungsbereich des § 259 ZPO erfasst (vgl. Musielak/Voit/Foerste ZPO 21. Aufl. § 259 Rn. 2). Anders als § 257 ZPO setzt die Zulässigkeit einer Klage auf künftige Leistung nach § 259 ZPO allerdings zusätzlich voraus, dass die Besorgnis besteht, der Schuldner werde sich der rechtzeitigen Leistung entziehen.
V.
Rz. 30
Mit rechtsfehlerhaften Erwägungen hat das Berufungsgericht zudem die Frage verneint, ob die Klägerin mit ihrem Begehren auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Gleisanlagen nach der ordentlichen Kündigung der Betriebsführungsvereinbarung gegen den allgemein anerkannten Grundsatz verstößt, dass sich derjenige treuwidrig verhält, der einen Leistungsanspruch durchsetzt, obwohl er verpflichtet ist, das Erlangte sofort wieder herauszugeben (vgl. BGHZ 183, 366 = NJW 2010, 1192 Rn. 23 mwN). Nach diesem Grundsatz würde es eine unzulässige Rechtsausübung darstellen, wenn die Klägerin zu einem erneuten Abschluss eines Pachtvertrags mit der Beklagten verpflichtet wäre und gleichwohl von dieser die Herausgabe der Gleisanlage verlangen würde. Denn damit würde die Klägerin etwas fordern, was sie wegen der aus diesem Vertragsschluss folgenden Verpflichtung zur Gebrauchsgewährung sofort wieder zurückgeben müsste (vgl. BGH Beschluss vom 9. April 2019 - II ZR 139/18 - juris Rn. 5 mwN).
Rz. 31
1. Allerdings ergibt sich eine solche Verpflichtung der Klägerin zur Gebrauchsgewährung nicht aus dem in der Revisionsinstanz von der Beklagten vorgelegten Endurteil des Landgerichts Kiel vom 24. Mai 2024. Darin wurde die Klägerin zwar verpflichtet, der Beklagten ein Angebot auf Abschluss eines Pachtvertrags für die streitgegenständliche Eisenbahninfrastruktur zu machen, wobei der Vertrag der Beklagten den Besitz und Gebrauch der Eisenbahninfrastruktur und der mit der Eisenbahninfrastruktur belegten Grundstücke gegen eine jährliche Pachtzahlung in Höhe von 1.200 € netto solange gewähren muss, bis die für die bezeichnete Eisenbahninfrastruktur geltende Unternehmensgenehmigung nach § 6 AEG bestandskräftig nicht mehr für die Beklagte in Geltung sein sollte, und der Vertrag hinsichtlich der Gewährung des Besitzes und Gebrauches unkündbar sein muss. Dieses Urteil ist jedoch noch nicht rechtskräftig (vgl. § 894 Satz 1 ZPO).
Rz. 32
2. Aufgrund der bislang getroffenen Feststellungen ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass der Beklagten ein Anspruch auf Abschluss eines neuen Pachtvertrags zusteht. Soweit das Berufungsgericht einen solchen Anspruch in der angegriffenen Entscheidung verneint hat, beruht dies auf einer nicht ausreichend tragfähigen Begründung.
Rz. 33
a) Das Grundstück, auf dem sich die streitgegenständliche Eisenbahnstrecke befindet, ist nach den getroffenen Feststellungen für Bahnbetriebszwecke gewidmet worden. Die Widmung lastet als Inhaltsbeschränkungen auf dem für den Bahnbetrieb notwendigen Grundeigentum (vgl. BGHZ 226, 49 = TranspR 2021, 25 Rn.16) und verpflichtet grundsätzlich den Eigentümer zur Duldung des Betriebs einer Eisenbahninfrastruktur auf dem Grundstück, bis die Freistellung von Bahnbetriebszwecken im Verfahren nach § 23 Abs. 1 AEG festgestellt wird oder eine förmliche Entwidmung der Grundstücke erfolgt (vgl. BGHZ 226, 49 = TranspR 2021, 25 Rn. 23). Bis zu diesem Zeitpunkt muss es der Eigentümer auch hinnehmen, dass das Grundstück erneut einer der Zweckbindung entsprechenden Nutzung zugeführt wird, indem die darauf befindliche Eisenbahninfrastruktur wieder betrieben wird (vgl. BGHZ 226, 49 = TranspR 2021, 25 Rn. 15). Die das Eigentumsrecht beschränkende Widmung und die damit einhergehende Zweckbindung rechtfertigt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts in entsprechender Anwendung von § 11 AEG das Verlangen des Inhabers der Unternehmensgenehmigung für eine Strecke, dass der Berechtigte ihm ein Angebot auf Abschluss eines Kauf- oder Pachtvertrags unterbreitet (vgl. BGHZ 226, 49 = TranspR 2021, 25 Rn. 15; BVerwG NVwZ 2021, 1232 Rn. 13). Denn mit der für eine bestimmte Eisenbahninfrastruktur erteilten Unternehmensgenehmigung geht die eisenbahnrechtliche Verantwortung für deren Betrieb auf den Inhaber der Genehmigung über. Sie ist - erforderlichenfalls - auch Grundlage des neben der Genehmigung (vgl. § 6 Abs. 6 AEG) notwendigen zivilrechtlichen Zugriffs auf die Eisenbahninfrastruktur (vgl. BVerwG NVwZ 2021, 1232 Rn. 13).
Rz. 34
b) Diese Rechtsprechung ist für den vorliegenden Fall jedoch nicht einschlägig. Denn diesen Entscheidungen lagen jeweils Sachverhalte zugrunde, in denen die Grundstückseigentümer beabsichtigten, den Betrieb vorhandener Eisenbahninfrastruktureinrichtungen einzustellen und die Grundstücke einer anderen Verwendung zuzuführen, weshalb eine „kalte Stilllegung“ der Eisenbahninfrastruktur drohte. Vorliegend hat das Berufungsgericht hingegen - von Revision und Anschlussrevision unangegriffen - festgestellt, dass die Klägerin die streitgegenständliche Gleisanlage nach der Herausgabe selbst betreiben möchte. Es hat jedoch bislang noch keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, ob der Klägerin die hierfür notwendige Unternehmensgenehmigung nach § 6 AEG tatsächlich erteilt werden kann und damit auch nach der Herausgabe eine Fortführung des Betriebs der streitgegenständlichen Gleisanlage gewährleistet ist.
Rz. 35
aa) Dabei ist im vorliegenden Rechtsstreit davon auszugehen, dass die Beklagte auch nach der Kündigung der Betriebsführungsvereinbarung noch Inhaberin einer wirksamen Unternehmensgenehmigung iSv § 6 AEG ist. Soweit die Revision in anderem Zusammenhang die Auffassung vertritt, durch die Kündigung der Betriebsführungsvereinbarung sei eine Erledigung der als Verwaltungsakt gemäß § 35 Satz 1 VwVfG zu qualifizierenden Unternehmensgenehmigung eingetreten, ist diese Prüfung dem Senat verschlossen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt Verwaltungsakten, sofern sie nicht nichtig sind, grundsätzlich eine sog. Tatbestandswirkung zu, aufgrund derer auch nicht am Verwaltungsverfahren beteiligte Behörden, Gerichte und öffentlich-rechtliche Rechtsträger die im Verwaltungsakt getroffene Regelung ohne inhaltliche Prüfung der Richtigkeit der darin getroffenen Regelung ihren eigenen Entscheidungen zugrunde zu legen haben (BGHZ 232, 252 = NVwZ 2022, 898 Rn. 16 mwN; BGHZ 226, 329 = ZIP 2020, 1807 Rn. 35 mwN). So liegen die Dinge hier. Die der Beklagten erteilte Unternehmensgenehmigung ist bislang von der zuständigen Verwaltungsbehörde weder aufgehoben (§ 6 Abs. 5 Satz 1 AEG) noch widerrufen (§ 6 g Abs. 1 Satz 2 AEG) worden. Anhaltspunkte dafür, dass die Genehmigung nichtig ist, sind nicht ersichtlich und werden von der Revision auch nicht vorgetragen. Ebenso verbietet die Tatbestandswirkung des erlassenen Verwaltungsakts die Prüfung des Senats, ob die Unternehmensgenehmigung aufgrund der Kündigung der Betriebsführungsvereinbarung gegenstandslos geworden ist.
Rz. 36
bb) Ist demnach die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit als Inhaberin einer wirksamen Unternehmensgenehmigung anzusehen, könnte ihr jedenfalls dann in entsprechender Anwendung des § 11 AEG ein Anspruch auf Neuabschluss eines Pachtvertrags über die streitgegenständliche Gleisanlage gegenüber der Klägerin zustehen, wenn dieser keine Unternehmensgenehmigung erteilt werden kann und damit eine „kalte Stilllegung“ der streitgegenständlichen Gleisanlagen droht. Vortrags- und beweisbelastet für diese Einwendung ist nach allgemeinen Beweislastgrundsätzen die Beklagte, wobei die Klägerin ggf. eine sekundäre Darlegungslast trifft.
Rz. 37
Dass die Klägerin - unabhängig von der Ausschlussregelung in § 6 Abs. 5 Satz 1 AEG - die Voraussetzungen für die Erteilung einer Unternehmensgenehmigung nicht erfüllen könnte, hat das Berufungsgericht bislang nicht festgestellt. Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 AEG ist der Klägerin die Unternehmensgenehmigung zu erteilen, wenn sie die Anforderungen der §§ 6 a bis 6 e AEG erfüllt. Ein behördliches Versagungsermessen besteht insoweit nicht. Da die Klägerin als 100-prozentige Tochtergesellschaft der Kreisverkehrsgesellschaft in P. mbH, die ihrerseits vollständig im Eigentum des Kreises P. steht, eine juristische Person ist, die sich überwiegend in der Hand einer kommunalen Gebietskörperschaft befindet, gilt zwar gemäß § 6 e Satz 1 Nr. 4 AEG der für die Erteilung der Unternehmensgenehmigung erforderliche Nachweis der Zuverlässigkeit (§ 6 b AEG) und der finanziellen Leistungsfähigkeit (§ 6 c AEG) als erbracht. Dazu, dass es der Klägerin als Eisenbahnunternehmen an der fachlichen Eignung iSv § 6 d AEG fehlen könnte, hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen. Hierzu wird den Parteien ggf. Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben sein.
Rz. 38
c) Sollte das Berufungsgericht danach zu dem Ergebnis gelangen, dass die Klägerin - unabhängig von der Regelung in § 6 Abs. 5 Satz 1 AEG - die Voraussetzungen für die Erteilung einer Unternehmensgenehmigung nicht erfüllt und damit eine „kalte Stilllegung“ der Gleisanlagen droht, weil die Beklagte als Inhaberin der Unternehmensgenehmigung wegen der fehlenden zivilrechtlichen Berechtigung zur Nutzung der Gleisanlagen (vgl. § 6 Abs. 6 AEG) ihrer Betriebspflicht aus § 11 Abs. 1 Satz 1 AEG nicht mehr nachkommen könnte, wird sich das Berufungsgericht erneut die Frage vorlegen müssen, ob der Beklagten in entsprechender Anwendung des § 11 AEG ein Anspruch auf Abschluss eines neuen Pachtvertrags zusteht.
Rz. 39
d) Anderenfalls trifft die Beklagte entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts im Hinblick auf die Besonderheiten des streitgegenständlichen Pachtgegenstands als Eisenbahninfrastruktureinrichtung die nachvertragliche Verpflichtung, an einer Übertragung der Unternehmensgenehmigung auf die Klägerin mitzuwirken (§§ 242, 241 Abs. 2 BGB). Denn nur wenn die Beklagte an dem Widerruf (§ 6 g AEG) der ihr erteilten Unternehmensgenehmigung mitwirkt, damit die Klägerin eine solche erhält, ist dieser eine zweckentsprechende Nutzung des Pachtgegenstands möglich.
Rz. 40
aa) Da das Eigentum der Klägerin an dem streitgegenständlichen Grundstück aufgrund der Planfeststellung und Widmung mit der hieraus im öffentlichen Interesse folgenden Zweckbindung des Betriebs einer Eisenbahninfrastruktur belastet ist, kann die Klägerin über ihr Grundeigentum nicht frei verfügen. Sie muss bis zur Freistellung ihres Grundstücks von Bahnbetriebszwecken nach § 23 AEG dulden, dass darauf eine Eisenbahninfrastruktur betrieben wird. Erst durch die Freistellungsentscheidung nach § 23 Abs. 2 AEG wird die Wirkung der Widmung beseitigt (vgl. BVerwG N&R 2014, 245 Rn. 13). Bis zu diesem Zeitpunkt ist die Klägerin - worauf die Revision zu Recht hinweist - nach den Bestimmungen des Allgemeinen Eisenbahngesetzes gehalten, den Betrieb der in ihrem Eigentum stehenden Eisenbahninfrastruktur zu gewährleisten. Diese Verpflichtung kann die Klägerin, da sie die Eisenbahninfrastruktur selbst betreiben möchte, nach § 6 Abs. 1 AEG jedoch nur erfüllen, wenn ihr eine entsprechende Unternehmensgenehmigung erteilt wird. Solange die der Beklagten erteilte Unternehmensgenehmigung fortbesteht, kann der Klägerin aber wegen der Regelung in § 6 Abs. 5 Satz 1 AEG, wonach es für jede Eisenbahninfrastruktur nur eine Unternehmensgenehmigung geben darf, die Unternehmensgenehmigung nicht erteilt werden, selbst wenn sie die Anforderungen der §§ 6 a bis 6 e AEG erfüllt. Die Beklagte ihrerseits verfügt zwar über eine Unternehmensgenehmigung zum Betrieb der Gleisanlagen, ist aber aufgrund der wirksamen Beendigung der Betriebsführungsvereinbarung zivilrechtlich nicht mehr zur Nutzung der Gleisanlagen berechtigt. Die ihr erteilte Unternehmensgenehmigung vermittelt nach § 6 Abs. 6 AEG nicht schon als solche ein Recht auf Zugang zu der Eisenbahninfrastruktur (BGHZ 226, 49 = TranspR 2021, 25 Rn. 15). Erfüllt die Klägerin die Anforderungen der §§ 6 a bis 6 e AEG, steht der Beklagten auch kein Anspruch auf erneuten Abschluss eines Pachtvertrags über die streitgegenständliche Gleisanlage zu, so dass die Beklagte ihrer Betriebspflicht nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AEG dauerhaft nicht mehr nachkommen kann. Aufgrund dieser besonderen Umstände, die sich im vorliegenden Fall durch die für die Grundstücksnutzung maßgeblichen eisenbahnrechtlichen Vorschriften ergeben, ist die Annahme einer nachvertraglichen Verpflichtung der Beklagten als ehemalige Pächterin der Gleisanlage, an der Erteilung einer Unternehmensgenehmigung zugunsten der Klägerin mitzuwirken, gerechtfertigt.
Rz. 41
bb) Dies entspricht auch dem Regelungskonzept des § 6 AEG für den Fall eines Betreiberwechsels. Zwar darf es nach § 6 Abs. 5 Satz 1 AEG für jede Eisenbahninfrastruktur nur eine Unternehmensgenehmigung geben. Diese Vorschrift verfolgt jedoch allein den Zweck, das gleichzeitige Vorliegen von zwei Genehmigungen für unterschiedliche Betreiber bei der Übernahme von Eisenbahninfrastruktur zu verhindern, um damit Rechtsunsicherheit über den für den Betrieb der Infrastruktur Verantwortlichen zu vermeiden (vgl. BR-Drucks. 22/16 S. 368 f.). Sie trifft indes keine Regelung darüber, wer der Inhaber dieser Unternehmensgenehmigung ist, und schließt damit auch einen Wechsel des Betreibers der Eisenbahninfrastruktur, für die eine Unternehmensgenehmigung erteilt ist, nicht aus.
Rz. 42
Durch die Neufassung des § 6 Abs. 5 AEG durch das Gesetz zur Änderung von Vorschriften im Eisenbahnbereich vom 9. Juni 2021 (BGBl. I S. 1730) mit Wirkung zum 1. Juli 2021 wollte der Gesetzgeber gerade die Übertragung eines Eisenbahninfrastrukturbetriebes zwischen zwei Unternehmen auf Basis der Privatautonomie fördern. Dazu wurde in § 6 Abs. 5 Satz 2 AEG die bis zu diesem Zeitpunkt nicht vorhandene Möglichkeit der Aufhebung der zugunsten des abgebenden Eisenbahninfrastrukturunternehmens erteilten Unternehmensgenehmigung durch die Genehmigungsbehörde geschaffen, wenn sich zwei Eisenbahninfrastrukturunternehmen über die Abgabe einer Eisenbahninfrastruktur einigen (vgl. BR-Drucks. 71/21 S. 19 f.; BT-Drucks. 19/27671 S. 22 f.). Um zeitliche Lücken zwischen dem Erlöschen der alten Unternehmensgenehmigung und Erteilung der neuen Genehmigung zu vermeiden, sieht § 6 Abs. 5 Satz 2 AEG die Möglichkeit vor, die Unternehmensgenehmigung unter der aufschiebenden Bedingung zu erteilen, dass die alte Unternehmensgenehmigung erloschen sein muss.
Rz. 43
cc) Schließlich ist in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass die Parteien die mittlerweile beendete Betriebsführungsvereinbarung nicht entsprechend der Geltungsdauer der Unternehmensgenehmigung befristet, sondern darin ein Recht zur ordentlichen Kündigung vereinbart haben. Die Beklagte konnte daher nicht darauf vertrauen, dass ihr das aus dieser Vereinbarung abgeleitete Recht zur zivilrechtlichen Nutzung der im Eigentum der Klägerin stehenden Gleisanlagen während des gesamten Zeitraums der ihr erteilten Unternehmensgenehmigung zum Betrieb der Gleisanlagen gewährt wird.
VI.
Rz. 44
Ebenso verhält es sich für die von der Klägerin begehrte Herausgabe von Unterlagen. Dieser Anspruch folgt aus einer vertraglichen Nebenpflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) der Beklagten und besteht daher nur dann, wenn die Klägerin die Räumung und Herausgabe der Gleisanlagen verlangen kann.
Rz. 45
Dies gilt auch für die weiteren Ansprüche der Klägerin, die ebenfalls davon abhängen, welches Schicksal der Herausgabeanspruch hat.
VII.
Rz. 46
Die angefochtene Entscheidung hat daher keinen Bestand. Da weitere Feststellungen erforderlich sind, kann der Senat nicht in der Sache selbst entscheiden.
Rz. 47
Für das weitere Verfahren weist der Senat ergänzend auf Folgendes hin: Das Berufungsgericht wird bei der Prüfung, ob der Klägerin ein bereicherungsrechtlicher Anspruch auf Herausgabe der von der Beklagten gegenüber Dritten erhobenen Trassenentgelte in Höhe von monatlich 500 € zusteht, zu berücksichtigen haben, dass der Beklagten nach der Kündigung der Betriebsführungsvereinbarung kein Recht mehr zustand, das Grundstück der Klägerin uneingeschränkt zum Betrieb der Eisenbahninfrastruktur zu nutzen und in diesem Rahmen Dritten zur Nutzung zu überlassen. Daran dürfte auch die ihr erteilte Unternehmensgenehmigung zum Betrieb der streitgegenständlichen Eisenbahninfrastruktur nichts ändern.
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RiBGH Prof. Dr. Klinkhammer ist wegen Urlaubs an der Unterschrift gehindert. |
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Fundstellen
NJW-RR 2024, 1432 |
NZM 2024, 979 |
JZ 2024, 558 |
JZ 2024, 560 |
TranspR 2024, 376 |
N&R 2024, 322 |