Entscheidungsstichwort (Thema)
Versehentlich gelöschtes eingetragenes Wege- und Überfahrtsrecht DDR. Öffentlicher Glaube des Grundbuchs § 892 BGB ausgeschlossen. Widerspruch zwischen tatsächlichen Feststellungen in erstinstanzlichem und Berufungs-Urteil
Leitsatz (amtlich)
Nach Maßgabe des Art. 233 § 5 Abs. 2 S. 1 EGBGB ist die Anwendung des § 892 BGB auch dann ausgeschlossen, wenn ein Wege- und Überfahrtrecht bereits zu Zeiten der DDR in das Grundbuch eingetragen war, dann aber - vor oder nach dem Beitritt - versehentlich gelöscht oder nicht auf ein anderes Grundbuchblatt mitübertragen wurde.
Macht das Berufungsgericht von der Möglichkeit Gebrauch, an Stelle eines eigenen Tatbestandes auf die tatsächlichen Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil Bezug zu nehmen und diesem nur eine Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen beizufügen, so dürfen sich bei einer Zusammenschau seiner eigenen Darstellungen und der tatsächlichen Feststellungen aus dem Urteil der Vorinstanz keine Widersprüche ergeben. Ist wegen eines solchen Widerspruchs eine revisionsrechtliche Nachprüfung nicht möglich, so ist das Berufungsurteil von Amts wegen aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen.
Normenkette
EGBGB § Art. 233 § 5 Abs. 2 S. 1; ZPO § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Neubrandenburg (Urteil vom 01.04.2003) |
AG Waren (Müritz) |
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil der 1. Zivilkammer des LG Neubrandenburg v. 1.4.2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Rechtsvorgänger der Kläger erwarben mit notariellem Kaufvertrag v. 6.5.1980 von den Eheleuten A. ein im Beitrittsgebiet gelegenes Grundstück (Flurstück 202/1). An dem ihnen gehörenden Nachbargrundstück (Flurstück 202/2) räumten die Verkäufer in der Vertragsurkunde "den Käufern und den Rechtsnachfolgern" ein Wege- und Überfahrtrecht ein. Das Mitbenutzungsrecht wurde noch im selben Jahr zu Lasten des Flurstücks 202/2 in das Grundbuch eingetragen. Nach dessen Teilung in die Flurstücke 202/3 und 202/4 verkauften die Eheleute A. das Flurstück 202/4 mit notariellem Vertrag v. 12.3.1981 an die Eheleute W. . Hierbei wurde vereinbart, dass das eingetragene Wege- und Überfahrtrecht für die Eigentümer des Flurstücks 202/1 von den Erwerbern übernommen wird. Durch ein Versehen des Grundbuchamts wurde bei Anlage eines neuen Grundbuchblatts für das Flurstück 202/4 das Wege- und Überfahrtrecht nicht mitübertragen. Mit notariellem Vertrag v. 5.12.1994 verkauften die Eheleute W. die aus dem Flurstück 202/4 neu vermessenen Flurstücke 202/7 und 202/8 "lastenfrei" an den Beklagten. Aus dem Flurstück 202/7, über das der Weg zum Grundstück der Kläger führt, ist inzwischen das Flurstück 202/11 hervorgegangen.
Die Kläger sind seit dem 25.11.1997 Eigentümer des Flurstücks 202/1. Im vorliegenden Rechtsstreit verlangen sie von dem Beklagten, zu Lasten seines Grundstücks die Eintragung des Wege- und Überfahrtrechts zu bewilligen. Der Beklagte sieht sich hierzu nicht verpflichtet und meint, er habe gutgläubig lastenfrei erworben. AG und LG haben die Klage abgewiesen. Mit der von dem LG zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgen die Kläger ihr Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht meint, das Mitbenutzungsrecht sei infolge des gutgläubig lastenfreien Erwerbs des Beklagten untergegangen. Nach der Eintragung in das Grundbuch habe sich der Schutz nichteintragungspflichtiger Rechte an Grundstücken ausschließlich nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch gerichtet. Art. 233 § 5 EGBGB habe solche Rechte nur bis zu ihrer Eintragung schützen sollen; nach erfolgter Eintragung sei ein ausreichender Schutz durch die Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuches gewährleistet. Hier sei die Vorschrift schon dem Grunde nach nicht anwendbar, weil die noch zu Zeiten der DDR erfolgte Eintragung auch im Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Beitritts noch fortbestanden habe. Mit dem Beitritt habe sich im Übrigen nichts an der Rechtslage geändert; schon zu Zeiten der DDR hätten nämlich nicht eingetragene Rechte als nicht bestehend gegolten. Zur vergleichbaren Regelung des Art. 187 EGBGB habe zudem auch der BGH entschieden, dass nach erfolgter Eintragung der öffentliche Glaube des Grundbuchs gelte.
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
II.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann nach den bisher getroffenen Feststellungen ein Anspruch der Kläger auf Grundbuchberichtigung (§ 894 BGB) nicht ausgeschlossenen werden. Die Rechtsvorgänger der Kläger haben nach Art. 233 § 5 Abs. 1 EGBGB durch Überleitung des Wege- und Überfahrtrechts zunächst ein dingliches Recht an dem inzwischen dem Beklagten gehörenden Grundstück erworben und diese Position nicht auf Grund eines gutgläubig lastenfreien Erwerbs des Beklagten verloren. Das nicht eingetragene dingliche Recht der Kläger kann aber nach § 8 Abs. 1 GBBerG erloschen sein.
1. Die Rechtsvorgänger der Kläger erwarben bereits auf Grund der Vereinbarung, die sie am 6.5.1980 im Rahmen des notariellen Grundstückskaufvertrages mit den früheren Eigentümern des - damals noch ungeteilten - Nachbargrundstücks abschlossen, ein dauerhaftes Mitbenutzungsrecht in der besonderen Form eines Wege- und Überfahrtrechts nach §§ 321, 322 ZGB. Die nach § 322 Abs. 1 ZGB für ein Wege- oder Überfahrtrecht mögliche und hier auch vereinbarte Eintragung in das Grundbuch war keine Voraussetzung für das Entstehen des Rechts, sondern hatte lediglich deklaratorische Bedeutung (vgl., Ministerium der Justiz, Kommentar zum ZGB, 2. Aufl., 1985, § 322 Anm. 1.1).
2. Dieses Recht wurde durch die Veräußerung der betroffenen Teilfläche des belasteten Grundstücks an die Eheleute W. nicht berührt. Auch hierbei erlangte die Eintragung des Wege- und Überfahrtrechts in das Grundbuch keine Bedeutung, sie war insbesondere nicht für den Übergang der Verpflichtungen aus dem Mitbenutzungsrecht auf die Erwerber der Teilfläche erforderlich. Erheblich war die Eintragung gem. § 322 Abs. 2 ZGB nur für den Übergang des Mitbenutzungsrechts auf den Rechtsnachfolger des Berechtigten, während für die Verpflichtungen aus dem Mitbenutzungsrecht § 297 Abs. 2 S. 2 ZGB den Übergang auf den Erwerber des betroffenen Grundstücks bestimmte, falls keine abweichende Vereinbarung getroffen war (OG NJ 1989, 80 [81]; BezG Potsdam v. 7.7.1992 - 1 S 511/91, VersR 1993, 617). Nachdem es hier an einer abweichenden Vereinbarung fehlt, bestand kein Hindernis für den Übergang der Verpflichtungen aus dem Wege- und Überfahrtrecht an der veräußerten Teilfläche (Flurstück 202/4) auf die Eheleute W. als neue Eigentümer.
3. Da die Begründung des Wege- und Überfahrtrechts nach § 321 Abs. 1 S. 3 ZGB der Zustimmung des Grundstückseigentümers bedurfte, ist es durch Art. 233 § 5 Abs. 1 EGBGB mit dem bisherigen Inhalt und Rang in ein arteigenes dingliches Recht an den betroffenen Grundstücken übergeleitet worden. Für die Anwendung dieser Überleitungsvorschrift erlangte die Eintragung des Rechts in das Grundbuch wiederum keine Bedeutung (vgl. Böhringer in Eickmann, Sachenrechtsbereinigung, April 2003, Art. 233 § 5 EGBGB Rz. 13).
4. Das dingliche Recht lastet auch auf der vom Wege- und Überfahrtrecht betroffenen Teilfläche (Flurstück 202/7, jetzt 202/11), die der Beklagte 1994 von den Eheleuten W. erwarb.
a) Insoweit ist es unerheblich, ob das neue Grundbuchblatt, auf dem das - versehentlich nicht übertragene - Wege- und Überfahrtrecht nicht vermerkt war, vor oder erst nach dem Wirksamwerden des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik Deutschland angelegt wurde. Mithin ist es im Ergebnis unschädlich, dass das Berufungsurteil Zweifel hinsichtlich des Zeitpunkts zulässt, zu dem das Versehen bei Anlegen des neuen Grundbuchblatts unterlief.
aa) Macht das Berufungsgericht - wie hier - von der Möglichkeit Gebrauch, seinem Urteil keinen eigenen umfassenden Tatbestand beizufügen, sondern gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil Bezug zu nehmen und diesen nur eine Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen beizufügen, so ist diese Kombination aus erst- und zweitinstanzlichem Parteivortrag Grundlage der Nachprüfung gem. § 559 ZPO (Musielak/Ball, ZPO, 3. Aufl., § 559 Rz. 13). Deshalb muss das Berufungsgericht bei einer Bezugnahme auf das angefochtene Urteil darauf achten, dass sich bei einer Zusammenschau seiner eigenen Darstellungen und der - in das Berufungsurteil inkorporierten - tatsächlichen Feststellungen aus dem Urteil der Vorinstanz keine Widersprüche ergeben (Musielak/Ball, ZPO, 3. Aufl., § 540 Rz. 3). Schildert das Berufungsurteil gleichwohl den Sach- und Streitstand widersprüchlich, so ist das Revisionsgericht an diese Darstellung nicht gebunden (BGH, Urt. v. 9.7.1993 - V ZR 262/91, MDR 1993, 1079 = NJW 1993, 2530 [253]; Urt. v. 19.11.1998 - IX ZR 116/97, MDR 1999, 378 = NJW 1999, 641 [642]). Dies führt, wenn dem Revisionsgericht - wie im Regelfall - eine rechtliche Überprüfung des Berufungsurteils nicht möglich ist, von Amts wegen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache (Wenzel in MünchKomm/ZPO, Aktualisierungsband, § 559 Rz. 4; Musielak/Ball, ZPO, 3. Aufl., § 559 Rz. 18; vgl. auch BGH, Urt. v. 17.5.2000 - VIII ZR 216/99, MDR 2000, 1026 = NJW 2000, 3007 zu § 561 ZPO a. F.).
bb) Im vorliegenden Fall ist nach dem Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils davon auszugehen, dass das neue Grundbuchblatt, auf dem die Eintragung des Wege- und Überfahrtrechts fehlt, noch vor dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland angelegt wurde. Hingegen nimmt das Berufungsgericht im Rahmen der Begründung seines Urteils ohne weitere Ausführungen an, dass dies erst nach dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Beitritts geschehen ist. Insoweit könnte das Berufungsgericht gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO eine abändernde eigene Darstellung an die Stelle der tatsächlichen Feststellung der Vorinstanz gesetzt haben. Mangels eines klärenden Hinweises durch das Berufungsgericht ist es aber auch möglich, dass das Berufungsurteil keine solchermaßen geänderte Feststellung enthält, sondern das Gericht auf der Basis des unveränderten Tatbestands des erstinstanzlichen Urteils seiner Begründung lediglich einen tatbestandswidrigen Sachverhalt zugrundelegt. In diesem Fall wären in dem Berufungsurteil widersprüchliche Feststellungen getroffen, so dass es schon aus diesem Grund keinen Bestand haben könnte (vgl. BGH, Urt. v. 17.4.1996 - VIII ZR 95/95, MDR 1996, 1063 = NJW 1996, 2235 [2236]; Urt. v. 15.4.1997 - XI ZR 105/96, MDR 1997, 766 = NJW 1997, 1917).
b) Der mithin zweifelhafte Zeitpunkt der Anlegung des neuen Grundbuchblatts bedarf jedoch keiner Aufklärung, weil die versehentliche Übertragung des Wege- und Überfahrtrechts weder vor noch nach dem Beitritt zu einem Erlöschen dieses Rechts führte. Wurde das neue Grundbuchblatt schon zu Zeiten der DDR angelegt, so folgt aus der fehlenden Eintragung des Rechts nach § 7 Abs. 2, § 9 GDO lediglich eine widerlegbare Vermutung des Erlöschens (vgl. Rohde, Bodenrecht, 1989, S. 64) und mithin nicht das tatsächliche Erlöschen des Rechts. Unterblieb die Übertragung des Rechts auf das neue Grundbuchblatt erst zu einem Zeitpunkt nach dem Beitritt, so kann das den Bestand des Rechts ebenfalls nicht berühren. Über das Erlöschen ist allein nach materiellem Recht zu befinden. Die Regelung des § 46 Abs. 2 GBO, nach der ein nicht mitübertragenes Recht als gelöscht gilt, hat lediglich die Unrichtigkeit des Grundbuchs zur Folge (BGH v. 8.4.1988 - V ZR 34/87, BGHZ 104, 139 [143] = MDR 1988, 766).
c) Das demnach trotz der versehentlich unterbliebenen Übertragung fortbestehende dingliche Recht haben die Rechtsvorgänger der Kläger nicht gem. § 892 BGB infolge eines gutgläubig lastenfreien Erwerbs des Beklagten verloren. Zwar war dem Beklagten nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die Unrichtigkeit des Grundbuchs nicht bekannt, die sich aus der fehlenden Eintragung des Wege- und Überfahrtrechts zu Lasten des betroffenen Grundstücks ergibt. Unter den - hier gegebenen - Voraussetzungen des Art. 233 § 5 Abs. 2 S. 1 EGBGB behalten aber auch Mitbenutzungsrechte, die im Grundbuch nicht eingetragen sind, ihre Wirksamkeit selbst gegenüber einem gutgläubigen Erwerber des belasteten Grundstücks; die Anwendung des § 892 BGB ist insoweit ausgeschlossen. Es kommt daher nicht auf die - von der Revisionserwiderung mit dem Hinweis auf den Meinungsstand zu § 15 Abs. 3 HGB angesprochene - Frage an, inwieweit nicht eintragungspflichtige Rechte überhaupt durch gutgläubig lastenfreien Erwerb erlöschen können (vgl. dazu Staudinger/Gursky, BGB, 2002, § 892 Rz. 26).
aa) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts gilt Art. 233 § 5 Abs. 2 S. 1 EGBGB auch dann, wenn ein Mitbenutzungsrecht bereits zu Zeiten der DDR in das Grundbuch eingetragen war, dann aber - vor oder nach dem Beitritt - versehentlich gelöscht oder nicht auf ein anderes Grundbuchblatt mitübertragen wurde. Ob § 892 BGB auch dann ausgeschlossen ist, wenn die Löschung ein Mitbenutzungsrecht betrifft, das erst nach dem Beitritt in das Grundbuch eingetragen wurde (Art. 233 § 5 Abs. 3 EGBGB), bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung.
(1) Dem Gesetzeswortlaut lässt sich kein Hinweis dafür entnehmen, dass der Ausschluss des gutgläubig lastenfreien Erwerbs für zunächst eingetragene, zum Zeitpunkt des Erwerbs aber zu Unrecht gelöschte oder als gelöscht anzusehende Wege- und Überfahrtrechte nicht gelten soll. Entscheidend ist allein, dass ein Art. 233 § 5 Abs. 1 EGBGB unterfallendes Mitbenutzungsrecht gegenüber einem Erwerber des belasteten Grundstücks oder eines Rechts an diesem Grundstück nach der zuvor in der DDR maßgeblichen Regelung auch dann bestehen bleiben kann, wenn das Mitbenutzungsrecht nicht in das Grundbuch eingetragen war. Nicht eingetragen ist aber auch ein Recht, das nach einer vorherigen Eintragung im Grundbuch gelöscht wurde.
(2) Sinn und Zweck des Art. 233 § 5 Abs. 2 S. 1 EGBGB rechtfertigen keine teleologische Reduktion mit dem Ziel, die Fälle von dem Anwendungsbereich der Vorschrift auszuschließen, bei denen ein auf Grund des § 322 Abs. 1 ZGB in der DDR eingetragenes Mitbenutzungsrecht versehentlich gelöscht worden ist.
Der in Art. 233 § 5 Abs. 1 EGBGB geregelte Fortbestand der Mitbenutzungsrechte als nicht eintragungspflichtige arteigene Rechte an dem belasteten Grundstück machte es erforderlich, die Folgen zu regeln, die der im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelte öffentliche Glaube des Grundbuchs für die neu geschaffenen dinglichen Rechte haben sollte (Joost in MünchKomm/BGB, 3. Aufl., Art. 233 § 5 Rz. 17). Mit Art. 233 § 5 Abs. 2 S. 1 EGBGB wurde eine Regelung eingeführt, nach der sich - bis zu dem für die volle Wiederherstellung des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs bestimmten Termin (vgl. BGH, Urt. v. 28.3.2003 - V ZR 271/02, MDR 2003, 803 = BGHReport 2003, 930 = ZOV 2003, 237) - die Wirksamkeit der Mitbenutzungsrechte gegen den öffentlichen Glauben des Grundbuchs durchsetzte, falls die Mitbenutzungsrechte nach dem zuvor geltenden Recht der DDR auch gegenüber einem Erwerber namentlich des belasteten Grundstücks bestehen blieben. Im Vergleich zu dem früheren Rechtszustand sollte der Schutz der Mitbenutzungsrechte also - zunächst - weder verstärkt noch abgeschwächt werden (Joost in MünchKomm/BGB, 3. Aufl., Art. 233 § 5 Rz. 17; Staudinger/Rauscher, BGB, 1996, Art. 233 § 5 EGBGB Rz. 25). Jedenfalls für ein Mitbenutzungsrecht, das noch zu Zeiten der DDR in das Grundbuch eingetragen wurde, und dem Berechtigten eine entsprechende, durch Art. 233 § 5 EGBGB übergeleitete Rechtsposition vermittelte, kann daher die nachträgliche Löschung dieses Rechts keine anderen Folgen als nach dem Recht der DDR haben.
Die Funktion des Art. 233 § 5 Abs. 2 EGBGB als einer Überleitungsvorschrift führt zumindest bei der vorliegenden Fallgestaltung nicht zu einer anderen Einschätzung. Der Senat hat zwar für eine "altrechtliche" Grunddienstbarkeit, die gemäß Art. 184 EGBGB nach dem In-Kraft-Treten des Bürgerlichen Gesetzbuches fortbesteht und bei fehlender Eintragung durch Art. 187 Abs. 1 S. 1 EGBGB ebenfalls vor gutgläubigem Erwerb geschützt wird, entschieden, dass nach Eintragung und späterer unberechtigter Löschung dieses Rechts ein gutgläubiger lastenfreier Erwerb des belasteten Grundstücks nach § 892 BGB möglich ist (BGH v. 8.4.1988 - V ZR 34/87, BGHZ 104, 139 [144 f.] = MDR 1988, 766). Im Unterschied dazu wurde hier das Recht nicht erst unter der Geltung des Bürgerlichen Gesetzbuches in das Grundbuch eingetragen. Es wurde vielmehr ein bereits eingetragenes Recht übergeleitet, für dessen Löschung aber das nach der Überleitungsvorschrift zunächst fortgeltende frühere Recht eine Regelung bereithält. Zudem fehlt es - anders als nach Art. 189 Abs. 3 EGBGB für eingetragene "altrechtliche" Grunddienstbarkeiten (vgl. dazu BGH v. 8.4.1988 - V ZR 34/87, BGHZ 104, 139 [142 f.] = MDR 1988, 766) - an einer Bestimmung, der entnommen werden kann, dass vom Zeitpunkt der Eintragung an die Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb Anwendung finden sollen. Dafür kann insbesondere aus Art. 233 § 3 Abs. 2 EGBGB kein Hinweis hergeleitet werden. Ihrem Wortlaut nach verweist diese Vorschrift nur für noch eingetragene Rechte auf das Bürgerliche Gesetzbuch. Ferner ist ihre Funktion, zu verhindern, dass ein Recht nur zum Zweck seiner Löschung in das Grundbuch eingetragen werden muss (Quack in MünchKomm/BGB, 3. Aufl., Art. 233 § 3 EGBGB Rz. 11; Staudinger/Rauscher, BGB, 1996, Art. 233 § 3 Rz. 69), für ein bereits zu Unrecht gelöschtes Recht ohne Bedeutung. Schließlich ergibt sich aus der in Art. 233 § 5 Abs. 2 EGBGB getroffenen Regelung, dass mit ihrer Anwendung auf zu Zeiten der DDR eingetragene und später gelöschte Mitbenutzungsrechte keine Gefahr dauerhafter Rechtsunsicherkeit verbunden ist. Sie enthält nämlich im Gegensatz zu Art. 187 Abs. 1 EGBGB (vgl. dazu BGH v. 8.4.1988 - V ZR 34/87, BGHZ 104, 139 [143] = MDR 1988, 766) mit dem Zeitpunkt der vollen Wiederherstellung des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs am 1.1.2001 einen Termin, von dem an die geregelten Ausnahmen von dem öffentlichen Glauben des Grundbuchs nicht mehr gelten (BGH, Urt. v. 28.3.2003 - V ZR 271/02, MDR 2003, 803 = BGHReport 2003, 930 = ZOV 2003, 237). Damit ist die bereits erwähnte Streitfrage für die durch Überleitung der Mitbenutzungsrechte entstandenen dinglichen Rechte dahin entschieden, dass sie von diesem Zeitpunkt an - obwohl sie weiterhin nicht eintragungspflichtig sind - durch gutgläubig lastenfreien Erwerb erlöschen können (Joost in MünchKomm/BGB, 3. Aufl., Art. 233 § 5 EGBGB Rz. 21; Böhringer, RPfleger 1997, 244 [245]).
bb) Die Voraussetzungen für einen Ausschluss des § 892 BGB durch Art. 233 § 5 Abs. 2 S. 1 EGBGB sind im vorliegenden Fall erfüllt.
(1) So wurde nicht nur der Antrag des Beklagten auf Umschreibung des Eigentums an den genannten Grundstücken vor Wiederherstellung des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs am 1.1.2001 gestellt. Vielmehr folgt auch aus § 297 Abs. 2 S. 2 ZGB, dass das Wege- und Überfahrtrecht nach dem insoweit weiterhin maßgeblichen Recht der DDR auch ohne Eintragung in das Grundbuch gegenüber dem Beklagten als Erwerber des belasteten Grundstücks wirksam blieb. Wie bereits ausgeführt, war nach § 297 Abs. 2 S. 2 ZGB die Grundbucheintragung für den Übergang der Verpflichtungen auch aus einem Wege- und Überfahrtrecht nicht entscheidend. Die Wirksamkeit dieses Rechts gegenüber einem Erwerber konnte daher auch durch die versehentliche Löschung eines Eintrags grundsätzlich nicht in Frage gestellt werden.
Aus den Regelungen über den Schutz des gutgläubigen Erwerbs, die in der DDR nur ausnahmsweise eingriffen (BGH, Urt. v. 22.10.1999 - V ZR 358/97, MDR 2000, 142 = WM 2000, 320 [322]), folgt nichts Anderes. Bei einer gelöschten Eintragung war zwar nach § 7 Abs. 2 GDO für das Eigentum und auf Grund des § 9 GDO auch für sonstige Rechte an Grundstücken davon auszugehen, dass das Recht nicht mehr besteht. Es wurde bereits ausgeführt, dass aus § 7 Abs. 2 GDO - falls der Anwendung dieser Vorschrift auf ein Wege- und Überfahrtrecht nicht die nur deklaratorische Wirkung der Eintragung entgegensteht - lediglich eine widerlegbare Vermutung für das Erlöschen des Rechts folgt. Für eine solche Vermutung fehlt hier aber bereits die Grundlage, weil trotz der fehlenden Eintragung zum Zeitpunkt des Eigentumserwerbs des Beklagten zwischen den Parteien außer Streit ist, dass das Wege- und Überfahrtrecht zumindest bis dahin noch fortbestand. Der Beklagte wendet lediglich ein, er habe damals von dem Wege- und Überfahrtrecht keine Kenntnis gehabt.
(2) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung steht der Anwendung des Art. 233 § 5 Abs. 2 S. 1 EGBGB nicht entgegen, dass im Kaufvertrag v. 5.12.1994 zwischen den Eheleuten W. als Verkäufern und dem Beklagten als Käufer ein lastenfreier Verkauf vereinbart wurde. Zwar fehlt es an der Voraussetzung eines Fortbestandes des Mitbenutzungsrechts gegenüber dem Erwerber des belasteten Grundstücks, wenn eine abweichende Vereinbarung getroffen wurde, die nach § 297 Abs. 2 S. 2 ZGB einen Übergang der Verpflichtungen auf den Erwerber hindert (Joost in MünchKomm/BGB, 3. Aufl., Art. 233 § 5 Rz. 25; Staudinger/Rauscher, BGB, 1996, Art. 233 § 5 EGBGB Rz. 20). Hierfür reicht aber eine Vereinbarung zwischen Veräußerer und Erwerber, wie sie hier mit Blick auf die Lastenfreiheit geschlossen worden ist, nicht aus. Der Ausschluss des Übergangs der Verpflichtungen auf den Erwerber muss vielmehr mit dem Berechtigten des Mitbenutzungsrechts vereinbart sein (Ministerium der Justiz, Kommentar zum ZGB, 2. Aufl., 1985, § 297 Anm. 2.2; Rohde, Bodenrecht, 1989, S. 243; Palandt/Bassenge, BGB, 62. Aufl., Art. 233 § 5 EGBGB Rz. 5; a. A. BezG, Potsdam, VersR 1993, 617; Joost in MünchKomm/BGB, 3. Aufl., Art. 233 § 5 Rz. 25; Staudinger/Rauscher, BGB, 1996, Art. 233 § 5 EGBGB Rz. 20; Oehler/England, NJ 1974, 721 [724]). Andernfalls hätten es Dritte in der Hand, dem Berechtigten aus Anlass der Veräußerung des Grundstücks das Mitbenutzungsrecht - abweichend von der gesetzlichen Regelung - faktisch zu entziehen und ihn auf Schadensersatzansprüche gegen den Veräußerer (vgl. § 90 Abs. 3 ZGB) zu verweisen. Dies steht in Widerspruch zu der an anderer Stelle getroffenen Regelung, nach der die Aufhebung eines Vertrages einer - ggf. gerichtlich ersetzbaren - Vereinbarung der Vertragspartner vorbehalten war (§§ 77, 78 ZGB).
5. Das angefochtene Urteil kann danach keinen Bestand haben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da weitere Feststellungen erforderlich sind, kann der Senat nicht gem. § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden.
a) Der geltend gemachte Anspruch auf Grundbuchberichtigung kann an einem Untergang des Mitbenutzungsrechts der Kläger mit dem Ablauf des 31.12.2000 scheitern. Denn nach § 8 Abs. 1 GBBerG (i. V. m. § 13 SachenR-DV, Art. 233 § 5 Abs. 2 EGBGB) erlischt ein nicht im Grundbuch eingetragenes Mitbenutzungsrecht oder ein sonstiges beschränktes dingliches Recht mit dem Ablauf des genannten Tages, wenn nicht der Eigentümer vorher in notariell beurkundeter oder beglaubigter Form das Bestehen des Rechts anerkannt und seine Eintragung bewilligt oder der Inhaber des Rechts von dem Eigentümer die Abgabe dieser Erklärungen in einer zur Unterbrechung der Verjährung nach § 209 BGB a. F. geeigneten Weise verlangt hat. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind hier erfüllt; denn das Wege- und Überfahrtrecht der Kläger war zum Stichtag nicht in das Grundbuch eingetragen. Für die danach notwendige Wahrung der Frist kommt nur die vorliegende Klage auf Grundbuchberichtigung in Betracht.
b) Dass die Klage noch vor Ablauf der Frist am 18.12.2000 bei dem Gericht eingereicht wurde, genügt nicht für das notwendige Verlangen in einer "zur Unterbrechung der Verjährung nach § 209 BGB a. F. geeigneten Weise." Nach § 209 Abs. 1 BGB a. F. wurde die Verjährung durch die Klageerhebung unterbrochen, mithin erst durch die Zustellung der Klageschrift (§ 253 Abs. 1 ZPO). Im vorliegenden Fall spricht alles dafür, dass die Klageschrift erst nach dem 31.12.2000 und damit verspätet zugestellt worden ist. Dies wäre mit Blick auf die erforderliche Eignung zur Verjährungsunterbrechung jedoch dann unschädlich, wenn die Zustellung "demnächst" erfolgte und damit nach § 270 Abs. 3 ZPO a. F. (jetzt § 167 ZPO) auf den Zeitpunkt der Klageeinreichung zurückwirken konnte. Für die Prüfung dieser Voraussetzung ist kein ausschließlich zeitlicher Maßstab anzulegen (BGH, Urt. v. 29.6.1993 - X ZR 6/93, MDR 1993, 1009 = NJW 1993, 2811 [2812]). Ziel der Regelung soll es nämlich sein, die Partei bei der von Amts wegen bewirkten Zustellung vor Nachteilen durch Zustellungsverzögerungen innerhalb des gerichtlichen, von der Partei nicht zu beeinflussenden Geschäftsbetriebs zu schützen. Hingegen sind der Partei solche Verzögerungen zuzurechnen, die sie oder ihr Prozessbevollmächtigter (§ 85 Abs. 2 ZPO) bei sachgerechter Prozessführung hätten vermeiden können (BGH, Urt. v. 29.6.1993 - X ZR 6/93, MDR 1993, 1009 = NJW 1993, 2811 [2812]). Hiernach ist eine Zustellung jedenfalls dann noch demnächst erfolgt, wenn die durch den Kläger zu vertretende Verzögerung den Zeitraum von 14 Tagen nicht überschreitet (BGH, Urt. v. 20.4.2000 - VII ZR 116/99, MDR 2000, 897 = NJW 2000, 2282 m. w. N.). Die Dauer der Verzögerung ist von dem Zeitpunkt des Fristablaufs und nicht bereits von dem Zeitpunkt der Einreichung der Klageschrift aus zu berechnen (BGH, Urt. v. 27.9.1995 - VIII ZR 257/94, MDR 1996, 93 = NJW 1995, 3380 [3381]), entscheidend ist die Zeitspanne, um die sich die ohnehin erforderliche Zustellung der Klage als Folge der Nachlässigkeit des Klägers verzögert (BGH, Urt. v. 20.4.2000 - VII ZR 116/99, MDR 2000, 897 = NJW 2000, 2282 m.w.N). Zu alle dem hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen getroffen. Durch die Zurückverweisung der Sache (§ 563 Abs. 1 ZPO) erhält das Berufungsgericht Gelegenheit, die hiernach erforderlichen Feststellungen nachzuholen.
Fundstellen
Haufe-Index 1081076 |
BGHR 2004, 285 |
FamRZ 2004, 363 |
JurBüro 2004, 399 |
VIZ 2004, 334 |
WM 2004, 894 |
MDR 2004, 391 |
NJ 2004, 221 |
Rpfleger 2004, 152 |
NotBZ 2004, 68 |
ProzRB 2004, 162 |