Entscheidungsstichwort (Thema)
Begründung einer Sonderbeziehung durch die Miterbenstellung für die Annahme einer Auskunftspflicht
Leitsatz (amtlich)
- Die Miterbenstellung allein begründet keine für die Bejahung einer Auskunftspflicht genügende Sonderbeziehung.
- Auskunft über Umstände, welche die Testierfähigkeit des Erblassers betreffen, kann ein Miterbe nicht etwa schon deshalb von einem anderen Miterben verlangen, weil ihm gegen diesen im Falle der Testierunfähigkeit möglicherweise ein Anspruch aus § 2018 BGB zustehen kann.
Normenkette
BGB §§ 242, 2038, 2018
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 16. (Hilfs-)Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 1. Oktober 1987 aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe vom 21. März 1986 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand
Die Parteien, Bruder und Schwester, sind im notariellen Testament ihrer Mutter vom 16. November 1981 zu gleichen Teilen als die beiden Miterben eingesetzt. Der Kläger verlangt von der Beklagten die Mitwirkung bei seinem Versuch, die Nichtigkeit dieses Testaments wegen Testierunfähigkeit der Erblasserin feststellen zu lassen, damit ein den Kläger allein einsetzendes und die Beklagte mit einem Vermächtnis bedenkendes Testament aus dem Jahre 1959 zum Zuge kommt.
Die an Krebs erkrankte Erblasserin wurde am 30. Oktober 1981 aus dem Krankenhaus als unheilbar in die Pflege der Beklagten in deren Haushalt entlassen. Dort errichtete sie das fragliche Testament, nachdem sie zuvor durch notariellen Vertrag ihre landwirtschaftlichen Flächen der Beklagten übertragen hatte. Als der Kläger vier Tage später die Erblasserin besuchte, unterschrieb diese zwei von ihm geschriebene Erklärungen. Danach sollten das gerade errichtete Testament ungültig und das frühere Testament mit einer Abänderung des Vermächtnisses zugunsten der Beklagten gültig sein, weil sie das frühere Testament "bei schwerer Krankheit und starken Schmerzen ... durch Nötigung u. gegen meinen Willen und um meine Ruhe zu finden ... geändert" habe.
Nach dem Tod der Erblasserin am 7. Dezember 1981 bat der Kläger den behandelnden Arzt um Auskunft, welche Medikamente der Erblasserin während der Behandlung im Haushalt der Beklagten vom ihm verschrieben worden waren. Die Krankenkasse, an die der Arzt den Kläger mangels eigener Aufzeichnungen verwiesen hatte, lehnte die Auskunft im Herbst 1982 ab unter Hinweis auf §§ 67ff. des Sozialgesetzbuches X und darauf, daß sie im Laufe des November 1981 einige Arzneiverordnungen für die Erblasserin bezahlt habe; keine dieser Verordnungen enthalte jedoch Mittel, die der besonderen Überwachung nach dem Betäubungsmittelgesetz unterlägen.
Die vom Kläger gegen die Krankenkasse beim Amtsgericht erhobene, von diesem an das Sozialgericht verwiesene Auskunftsklage blieb ohne Erfolg, ebenso die Rechtsmittel des Klägers beim Landessozialgericht und Bundessozialgericht. Das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil vom 29. Oktober 1985 (BSGE 59, 76) ausgeführt, die Auskunftserteilung könnte dem Ermessen der Krankenkasse überlassen sein, die sich zu Recht auf § 67 SGB X berufen habe. Falls die danach erforderliche Einwilligung überhaupt von den Erben anstelle der betroffenen Erblasserin gegeben werden könne, vermöge jedenfalls nicht ein Miterbe allein wirksam einzuwilligen, dazu noch bei einem möglichen Interessengegensatz.
Eine solche Einwilligung hat die Beklagte verweigert. Deshalb verlangt der Kläger von ihr mit der vorliegenden Klage, in die Auskunftserteilung seitens der Krankenkasse einzuwilligen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr auf die Berufung des Klägers stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu. Das Landgericht hat seine Klage mit Recht abgewiesen.
1.
Mit seiner Bejahung des geltend gemachten Mitwirkungsanspruchs dehnt das Berufungsgericht die von der Rechtsprechung gebilligte Auskunftspflicht zu weit aus.
a)
Das Berufungsgericht führt aus, zwar gebe es weder einen umfassenden erbrechtlichen Auskunftsanspruch unter Miterben noch eine allgemeine Auskunftspflicht dessen, der Kenntnis von für einen anderen bedeutsamen Tatsachen habe. Jedoch sei die Beklagte dem Kläger gegenüber nach Treu und Glauben auskunftspflichtig geworden. Die dafür erforderliche Sonderbeziehung zwischen den Parteien ergebe sich aus dem Erbschaftsanspruch gemäß § 2018 BGB, den der Kläger bei Unwirksamkeit des späteren Testamentes habe. Der Auskunftsanspruch entfalle nicht deshalb, weil sich gegenwärtig ein Anspruch nach § 2018 BGB nicht feststellen lasse, oder wegen der überhaupt hinsichtlich der Beweisbarkeit des Erbschaftsanspruchs bestehenden Zweifel. Im Einzelfall möge zwar der Auskunftsanspruch einen bereits dem Grunde nach feststehenden Leistungsanspruch voraussetzen. Weil hier aber erst die Auskunft selbst das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien "offenbaren" könne, genüge es, daß die unstreitigen und vorgebrachten Umstände einen solchen Leistungsanspruch als möglich erscheinen ließen.
b)
Mit Recht hebt das Berufungsurteil insbesondere hervor, ein umfassender erbrechtlicher Auskunftsanspruch des einen Miterben gegen den anderen Miterben als Ausfluß eines gesetzlichen Schuldverhältnisses lasse sich aus den erbrechtlichen Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches nicht herleiten. Das gilt zumal dann, wenn der eine Miterbe wie hier versucht, mit Hilfe eines solchen Auskunftsanspruches gerade das Testament für nichtig erklären zu lassen, auf dem die Miterbenstellung des anderen Miterben beruht.
Der Senat folgt aber nicht der Begründung des Berufungsgerichts dafür, daß hier dennoch eine für die Bejahung der Auskunftspflicht genügende Sonderbeziehung zwischen den Parteien besteht.
aa)
Voraussetzung für eine Auskunftspflicht als unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben mitgeschuldete Nebenverpflichtung ist im Regelfall - also nicht nur im Einzelfall, wie das Berufungsurteil meint - ein dem Grunde nach bereits feststehender Leistungsanspruch (BGHZ 74, 379, 381 und 80, 311, 319; BGH Urteile vom 18.1.1978 - VIII ZR 262/76 - NJW 1978, 1002 = WM 1978, 373 = LM KO § 100 Nr. 1 und vom 8.4.1981 - VIII ZR 98/80 - NJW 1981, 1733); dessen Wahrscheinlichkeit reicht nicht (MünchKomm/Keller, 2. Aufl. § 260 Rdn. 11 und 12). Wer Auskunft fordert, muß vielmehr durch das Verhalten desjenigen, von dem er Auskunft will, oder in sonstiger Weise bereits in seinem bestehenden Recht so betroffen sein, daß nachteilige Folgen für ihn ohne die Auskunftserteilung eintreten können (vgl. auch Senatsurteil vom 28.4.1982 - IVa ZR 8/81 - VersR 1982, 756 = NJW 1983, 998 unter 1. c) zur Abgrenzung der Anwendungsbereiche der §§ 286 und 287 Abs. 1 ZPO).
Auch im Erbrecht wird ein Auskunftsverlangen nur dem eingeräumt, dessen Position als Pflichtteilsberechtigter oder (Vertrags-)Erbe unzweifelhaft ist, und nur wenn und soweit vom Bestehen des Anspruches ausgegangen werden kann, zu dessen Durchsetzung die Auskunft dienen soll (BGHZ 97, 188 unter I 2). Demgegenüber läßt das Berufungsgericht bereits genügen, daß ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte aus § 2018 BGB - nur und erst dann - möglich erscheint, wenn das beide Parteien zu Erben berufende Testament aufgrund weiterer, je nach dem Ergebnis der begehrten Auskunft vielleicht möglicher Ermittlungen als unwirksam sich herausstellen sollte. Auf diese Weise wird ein Auskunftsanspruch zugebilligt für einen Hauptanspruch, dessen Voraussetzungen noch nicht einmal substantiiert genug vorgetragen worden sind.
Der Wert der auf diesem Weg erstrebten Auskunft ist nicht nur wegen des möglichen Ermessens der Krankenkasse fraglich. Es steht weder fest noch ist hinreichend sicher, ob und wann die Erblasserin die etwa verordneten Medikamente überhaupt eingenommen hat, weiter, welche Wirkungen eine etwaige Einnahme in welchem Zeitpunkt bei gerade dieser Erblasserin hatte.
bb)
Der Rahmen eines Auskunftsrechts gemäß § 242 BGB wird auch in gegenständlicher Hinsicht überschritten. In allen Fällen der im fünften Buch des Bürgerlichen Gesetzbuches gegebenen Auskunftsberechtigungen geht es darum, Aufklärung über solche Umstände zu erlangen, die von Bedeutung sind für den Bestand des Nachlasses und für den Verbleib von früher zum Erblasservermögen gehörenden Gegenständen, deren Zuwendung bei der Berechnung zu berücksichtigen ist (§§ 2027, 2028, 2121, 2127, 2314, 2057 BGB). Nur auf eben solche Umstände beziehen sich auch die von der Rechtsprechung über diese gesetzlichen Bestimmungen hinausgehend anerkannten Auskunftsverpflichtungen im Erbrecht (BGHZ 89, 24 und 97, 188; umfassend dazu Egner, Der Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten nach § 2314 BGB, Diss. Freiburg 1987 Kapitel 1). Die Beklagte dagegen soll dazu gezwungen werden, bei der Suche nach Material zur Überprüfung des Geisteszustandes der Erblasserin mit dem Ziel mitzuwirken, das sie zur Miterbin berufende Testament für unwirksam zu erklären. Gegenstand des Auskunftsverlangens ist nicht mehr die Erbschaft, sondern die Frage nach der Testierfähigkeit des Erblassers. Dessen Selbstbestimmungsrecht ist dabei zu achten. Deshalb unterliegen derartige personenbezogene Umstände, die z.B. den Gesundheitszustand des Erblassers betreffen, nicht ohne weiteres der Disposition der Erben oder der Angehörigen (BGH Urteil vom 31.5.1983 - VI ZR 259/81 - NJW 1983, 2627 = VersR 1983, 834, dazu Bosch, FamRZ 1983, 1100 und Giesen, JZ 1984, 284; Senat BGHZ 91, 392 unter IV).
cc)
Ginge man den vom Berufungsgericht beschrittenen Weg weiter, dann könnte ebenso bei Anhaltspunkten für einen Verdacht, daß ein Testament anfechtbar ist oder aber einen Unwürdigen im Sinne der §§ 2339 oder 2345 BGB begünstigt, der im Testament Bedachte zur Auskunft darüber gezwungen werden, unter welchen Umständen und aus welchen Gründen der Erblasser testiert hat. Das kann ihm nicht nur bei einer Stellung als naher Angehöriger nicht zugemutet werden. Ein Zeuge hat in einem solchen Fall nicht nur das Aussageverweigerungsrecht als Angehöriger und aus § 384 Nr. 1, sondern auch das aus § 384 Nr. 2 ZPO, weil bereits die Möglichkeit der Verfolgung wegen einer Straftat ausreicht oder die Möglichkeit, daß die Beantwortung der Frage zur Unehre gereicht.
2.
Da eine andere Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch nicht gegeben ist, wie schon die Vorinstanzen mit Recht ausgeführt haben, war das die Klage abweisende Urteil des Landgerichts wieder herzustellen.
Unterschriften
Dr. Hoegen
Dr. Lang
Dehner
Dr. Schmidt-Kessel
Dr. Zopfs
Fundstellen