Leitsatz (amtlich)
Sollen nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Kraftfahrzeugvermieters dessen Ersatzansprüche gegen den Mieter wegen Beschädigung des Fahrzeugs gestundet sein, sofern es zur Feststellung einer Haftung des Mieters erforderlich ist, eine polizeiliche Ermittlungsakte einzusehen und soll die Stundung gewährt werden, bis der Vermieter Gelegenheit hatte, die Akte einzusehen, so hängt die Wirksamkeit einer solchen Regelung auch davon ab, daß Kenntnisnahme des Mieters vom Beginn des Laufs der Verjährungsfrist (= Ende der Stundung) gewährleistet ist (Ergänzung zum Senatsurteil vom 26. Oktober 1983 – VIII ZR 132/82 = WM 1983, 1362).
Normenkette
BGB §§ 558, 225; AGBG § 9
Verfahrensgang
OLG Karlsruhe (Urteil vom 07.11.1984) |
LG Mannheim |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 7. November 1984 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin nimmt den Beklagten aus abgetretenem Recht der S. GmbH (im folgenden: SUG) auf Schadensersatz in Anspruch.
Der Beklagte schloß am 20. November 1981 mit der SUG einen Formularmietvertrag über einen Pkw Opel Kadett. Das Formular, das zugleich als Rechnung dient, enthält unter der Ordnungsnummer 30 die Möglichkeit, einen „Haftungsausschluß” in einem Feld mit „ja” oder „nein” anzukreuzen und den Preis pro Tag einzusetzen. Unter „Haftungsausschluß” ist das „Ja”-Kästchen angekreuzt. Außerdem ist der Preis für den Haftungsausschluß mit 9,50 DM pro Tag eingetragen.
Auf der linken Seite vor Datum und Unterschrift enthält der Vordruck folgenden Text:
„Es gelten die umseitigen Bedingungen: Beachte: Ziff. 5: Fahrer; Ziff. 10: Haftung; Ziff. 14: gerichtsstand
In den genannten Bedingungen (im folgenden: AVB) der SUG ist u.a. bestimmt:
„10. Haftung des Mieters:
Der Mieter haftet bei von ihm verschuldeten Unfallschäden nur für reine Reparaturkosten und beschränkt auf den in der jeweils gültigen Preisliste angegebenen Höchstbetrag.
Diese Haftung kann durch Zahlung eines zusätzlichen Entgeltes ausgeschlossen werden (Haftungsausschluß).
- Der Mieter haftet jedoch, auch wenn er einen Haftungsausschluß vereinbart hat, für Unfallschäden unbeschränkt, sofern er den Schaden durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat ….
12. Verjährung:
Ist es zur Feststellung einer Haftung des Mieters erforderlich, eine polizeiliche Ermittlungsakte einzusehen, werden Schadensersatzansprüche von SUG gestundet, bis SUG Gelegenheit hatte, die Akte einzusehen. Der Lauf der Verjährungsfrist beginnt spätestens sechs Monate nach der Rücknahme des Fahrzeugs.”
Mit dem gemieteten Fahrzeug verursachte der Beklagte am 22. November 1981 in Mannheim-Käfertal einen Verkehrsunfall, dessen Hergang im einzelnen streitig ist. Der Unfall wurde polizeilich aufgenommen. Einsicht in die polizeilichen Ermittlungsakten hat der von der Klägerin beauftragte Rechtsanwalt am 28. Mai 1982 zunächst nur teilweise und sodann am 8. Juni 1982 vollständig erhalten. Im Auftrag der Klägerin wurde über den Umfang des Schadens bereits am 24. November 1981 ein Sachverständigengutachten angefertigt.
Die Klägerin hat mit dem am 27. August 1982 beim Amtsgericht eingegangenen Antrag auf Erlaß eines Mahnbescheids den Beklagten auf Ersatz von 3.971,05 DM mit der Begründung in Anspruch genommen, er, der Beklagte, habe den Schaden grob fahrlässig herbeigeführt. Der Beklagte meint, den Unfall leicht fahrlässig verursacht zu haben und hat die Einrede der Verjährung erhoben.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit der – zugelassenen – Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihren Anspruch auf Zahlung weiter.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht meint, die SUG habe dem Beklagten am 20. November 1981 in individueller Vereinbarung gegen Zahlung eines Entgelts von 9,50 DM pro Tag die Befreiung von jeglicher Haftung für Schäden zugesagt und könne sich deshalb auf Nr. 10 b ihrer AVB nicht berufen. Wie jede vertragliche Haftungsbeschränkung finde diese Zusage ihre Grenze in der Regelung des § 276 Abs. 2 BGB, wonach die Haftung für Vorsatz nicht im voraus erlassen werden könne. Eine weitere Einschränkung des Begriffs „Haftungsausschluß” sei dem individuell vereinbarten Mietvertrag nicht zu entnehmen. Sie folge insbesondere nicht daraus, daß die links unten auf der Vorderseite aufgedruckte Bezugnahme auf die umseitigen AVB mit dem Zusatz versehen sei: „Beachte: … Ziff. 10: Haftung; …”. Dieser Vermerk stehe räumlich in keinerlei. Zusammenhang mit der Haftungsausschlußklausel. Der Mieter, der, wie der Beklagte, einen Haftungsausschluß vereinbare, werde zu Recht davon ausgehen, daß die Vorschriften in den AVB, soweit sie die Haftung regeln, ihn gerade nicht betreffen. Der individuell vereinbarte umfassende Haftungsausschluß werde durch Nr. 10 b AVB zwar nicht vollständig aufgehoben, jedoch für den gesamten Bereich der grob fahrlässigen Unfallverursachung außer Kraft gesetzt und damit in wesentlichen Teilen ausgehöhlt. Das – an sich im Hinblick auf § 61 VVG berechtigte Anliegen einer Beschränkung des Haftungsausschlusses habe danach in den AVB jedenfalls nicht ohne eine drucktechnisch dem Haftungsausschluß eindeutig zugeordnete Bezugnahme auf Nr. 10 b AVB wirksam geregelt werden können.
II. Die SUG verwendet Formularverträge der hier vorliegenden Art im gesamten Bundesgebiet. Die Auslegung, die das Berufungsgericht vorgenommen hat, unterliegt deshalb der uneingeschränkten Nachprüfung in der Revisionsinstanz. Sie hält einer Nachprüfung nicht stand. Die Vorinstanz hat gegen die auch für Formularverträge geltende Grundregel verstoßen, daß Verträge so auszulegen sind, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern, § 157 BGB.
1. Bei der Kraftfahrzeugvermietung handelt es sich um ein Massengeschäft des täglichen Lebens, dessen inhaltliche Ausgestaltung seit langem in Formulare gefaßt und durch Allgemeine Geschäftsbedingungen geregelt ist. Die Rationalisierung ist inzwischen so weit fortgeschritten, daß der Formular-Mietvertrag, wie hier, zugleich als Empfangsbestätigung für das gemietete Fahrzeug und als Rechnung dient. Das alles fördert die Vereinfachung des Geschäftsverkehrs, ändert jedoch nichts daran, daß der auf einem Blatt gedruckte und maschinenschriflich oder handschriftlich ergänzte Formularvertrag als eine Einheit zu sehen ist. Der mit Balken umrandete formularmäßig gegliederte Vertragsteil auf der Vorderseite der Urkunde weist ein einheitliches zwar kleiner als Schreibmaschinenschrift gehaltenes aber einwandfrei lesbares Druckbild auf. Durch Fettdruck bei gleicher Buchstabengröße hervorgehoben sind die Worte:
„Es gelten umseitige Bedingungen: Beachte: Ziff. 5: Fahrer; Ziff. 10: Haftung; Ziff. 14: Gerichtsstand”
Sie stehen unmittelbar über der Orts-, Datums- und Unterschriftsspalte und fallen bei der Unterschriftsleistung ins Auge. Es kann danach keinem Zweifel unterliegen, daß die AVB der SUG Vertragsinhalt geworden sind.
2. Werden beim Abschluß eines Formularvertrages, dessen Inhalt maßgeblich durch Allgemeine Geschäftsbedingungen bestimmt wird, individuelle Vereinbarungen getroffen, so gehen diese den Formularbestimmungen und den Allgemeinen Geschäftsbedingungen vor. Richtig ist auch, daß der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen Unklarheiten in dem von ihm aufgestellten System von Vertragsbestimmungen gegen sich gelten lassen muß. Weder der eine noch der andere liegt hier jedoch vor.
a) Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Vertragsparteien hätten im vorliegenden Falle einen Haftungsausschluß individuell vereinbart, entbehrt der Grundlage. Sie kann weder auf die Vertragsurkunde noch auf die den Vertragsschluß begleitenden Umstände gestützt werden. Die dem Mieter eingeräumte Möglichkeit, sich gegen Zahlung eines, zusätzlichen Entgelts, von 9,50 DM pro Tag Haftungsfreistellung zu erkaufen, ist ebenso formularmäßig vorgesehen, wie die Möglichkeit, einen Haftungsausschluß nicht zu vereinbaren. In derselben Art und Weise kann der Mietinteressent z.B. wählen, ob – ebenfalls gegen zusätzliches Entgelt – Insassenunfallschutz vereinbart werden soll oder nicht. Daraus, daß der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen in ein und demselben Formularvertrag für einzelne Regelungsbereiche zwei Alternativen anbietet und den Vertragspartner darunter wählen läßt, kann nicht gefolgert werden, die vom Vertragspartner, hier dem Mieter, gewählte Alternative sei individuell ausgehandelt. Das ist, wenn beide Alternativen von vornherein im Formular inhaltlich festgelegt sind, so selbstverständlich, daß es keiner weiteren Begründung bedarf. Es gilt bei der hier vorliegenden Fallgestaltung nichts anderes, als wenn die SUG für beide Alternativen je einen kompletten Formularvertrag bereitgehalten hätte. Individuell vereinbart ist eine AGB-Regelung nur dann, wenn der Verwender sie auch inhaltlich zur Disposition stellt (vgl. dazu BGH zuletzt im Urteil vom 3. Juli 1985 – IVa ZR 246/83 = WM 1985, 1208 m.w.Nachw.). Das ist hier unstreitig nicht geschehen.
b) Dem Berufungsgericht kann auch darin nicht gefolgt werden, daß mit der von der SUG gewählten Gestaltung des Formularvertrages die – von ihr gewünschte – Verknüpfung des Haftungsausschlusses (Ordnungsnummer 30) mit Nr. 10 AVB durch die Formulierung, „es gelten umseitige Bedingungen: Beachte: … Haftung”, nicht wirksam herbeigeführt worden ist. Die Grenze interessengerechter Wertung der AVB wird überschritten, wenn es im angefochtenen Urteil heißt, der Mieter eines Kraftfahrzeugs, der durch Ankreuzen der Ordnungsnummer 30 einen „Haftungsausschluß” vereinbare, rechne nicht damit, daß unter Nr. 10 AVB, welche in dem Hinweis auf die umseitigen Bedingungen zusätzlich mit dem Wort „Haftung” ausdrücklich genannt ist, etwas für ihn Maßgebliches geregelt sein könnte, und er brauche damit auch nicht zu rechnen. Bei sachgerechter Gegenüberstellung beider Begriffe erweist sich, daß „Haftung” schlagwortartig auf Regeln über die Verantwortlichkeit des Mieters hinweist und damit auch auf Tatbestände, bei denen sie ganz oder teilweise entfällt. Dementsprechend ist der erkennende Senat in den bisher entschiedenen Fällen, denen Formular-Mietverträge der vorliegenden Art zugrunde lagen, ohne weiteres davon ausgegangen, daß die Kennzeichnung der entsprechenden Rubrik des Formulars bedeutet, daß Haftungsfreiestellung vereinbart ist, sich deren nähere Ausgestaltung aber aus den in Bezug genommenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen ergibt. Davon abzugehen besteht kein Anlaß. Unbeachtet hat das Berufungsgericht überdies gelassen, daß die Zusage von Haftungsfreistellung in Formularmietverträgen nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats bedeutet, der Kraftfahrzeugvermieter habe den Mieter so zu stellen, wie dieser stünde, wenn er für ein eigenes Fahrzeug Vollkasko-Versicherungsschutz vereinbart hatte. Diesem Grundsatz haben die gewerblichen Kraftfahrzeugvermieter inzwischen bei der Formulierung ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen Rechnung getragen. Das zeigt auch die Klausel Nr. 10 b AVB der SUG. Sie entspricht, wie das Berufungsgericht nicht verkannt hat, der Vorschrift des § 61 VVG. Sowenig der Beklagte erwarten konnte, daß das Ankreuzen der Ordnungsnummer 30 „Haftungsausschluß” für ihn die Vorschrift des § 276 Abs. 2 BGB außer Kraft setzt, sowenig durfte er darauf vertrauen, besser gestellt zu werden, als der durch eine Vollkaskoversicherung geschützte Eigentümer eines Kraftfahrzeugs (vgl. die Zusammenstellung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Haftung des Kfz-Mieters in Wolf/Eckert, Handbuch des gewerblichen Miet- und Pachtrechts, 4. Aufl., S. 105, 106).
Aus alledem folgt, daß ein durch eine Individualabrede vereinbarter Haftungsausschluß für grobe (und leichte) Fahrlässigkeit nicht vorliegt.
II. Die in den AVB der SUG getroffene Haftungsregelung ist wirksam und verstößt, wie das Berufungsgericht zu Recht ausgeführt hat, auch nicht gegen § 3 AGBG (Senatsurteil vom 16. Januar 1974 = WM 1974, 218 unter II 2 c). Nr. in b AVB der SUG halt, soweit hier von Bedeutung, auch der Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG stand (vgl. Senatsurteile vom 8. Februar 1978 – VIII ZR 240/76 = BGHZ 70, 304; vom 1. Oktober 1975 – VIII ZR 130/74 – BGHZ 65, 118; vom 17. Dezember 1980 – VIII ZR 316/79 = NJW 1981, 121.1 und zuletzt Urteil vom 19. Juni 1985 – VIII ZR 250/84 = WM 1985, 1168).
Für die Entscheidung des Rechtsstreits käme es danach an sich darauf an, ob der Beklagte ausnahmsweise für den entstandenen Schaden haftet, weil er den Unfall grob fahrlässig herbeigeführt hat. Obwohl das Berufungsgericht dazu keine Feststellungen getroffen, insbesondere die von der Klägerin angebotenen Beweise nicht erhoben hat, brauchte das angefochtene Urteil nicht aufgehoben zu werden, denn es erweist sich aus anderen Gründen als richtig, § 563 ZPO.
III. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch ist, wie sich aus dem unstreitigen Geschehensablauf – ohne daß es weiterer tatsächlicher Feststellungen bedürfte – ergibt, verjährt. Deshalb konnte der erkennende Senat in der Sache selbst entscheiden, § 56 Abs. 3 Nr. 1 ZPO.
1. Die Verjährung der Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen, und zwar auch derjenigen aus unerlaubter Handlung (BGH Urteil vom 31. Januar 1967 – VI ZR 105/65 = BGHZ 47, 53) beginnt gemäß § 558 RGB in dem Zeitpunkt, in dem der Vermieter die Sache zurückerhält. Das ist der Fall, sobald er diese untersuchen und etwaige Schäden oder Veränderungen feststellen kann. In aller Regel, so auch im vorliegenden Fall, genügt, daß ein Sachverständiger im Auftrag des Vermieters das Mietobjekt – hier das Kraftfahrzeug untersucht (Senatsurteil vom 26. Oktober 1983 – VIII ZR 132/82 = WM 1983, 1362). Diese Untersuchung fand am 24. November 1981 statt (Bl. 25 GA) und setzte den Lauf der Verjährungsfrist in Gang.
2. Ohne Erfolg vertritt die Klägerin unter Berufung auf Nr. 12 AVB der SUG die Auffassung, der Lauf der Verjährungsfrist habe erst mit Einsicht in die polizeilichen Ermittlungsakten vom 28. Mai/8. Juni 1982 begonnen, denn diese Bestimmung ist unwirksam.
a) Die Unwirksamkeit kann allerdings nicht mit der Begründung aus § 225 BGB hergeleitet werden, daß durch Stundung der Schadensersatzleistung die Fälligkeit des Anspruchs und damit auch der Beginn des Laufs der Verjährungsfrist hinausgeschoben wird. Zwar hat ein durch Abrede erfolgtes Hinausschieben der Fälligkeit auch einen entsprechenden späteren Beginn des Laufs der Verjährungsfrist zur Folge (Senatsurteil vom 25. Oktober 1983 a.a.O. unter II 3 b aa), darin liegt aber kein Verstoß gegen § 225 BGB Senatsurteil vom 26. Oktober 1988 aaO). Die Auffassung des Oberlandesgerichts Bremen, (DAR 1984, 22), eine gleichlautende Klausel wie hier müsse entgegen der äußeren Vertragsgestaltung als eine unmittelbare und damit nichtige Erschwerung der Verjährung im Sinne des § 225 BGB gewertet werden, ist nicht gerechtfertigt. Denn die nach ihrem Wortlaut und erkennbaren Sinn eindeutige Klausel läßt ein solches Verständnis nicht zu. Wie der erkennende Senat im Urteil vom 26. Oktober 1983 ausgeführt hat, dienen Absprachen über das Hinausschieben der Fälligkeit einem erlaubten und berechtigten Interesse. Der in der Literatur vertretenen Auffassung, das Hinausschieben der Fälligkeit des Anspruchs stelle eine unwirksame Umgehung des § 225 BGB dar (Staudinger/Emmerich, BGB, 12. Aufl., 2. Bearbeitung, § 558 Rdn. 27) vermag auch nach erneuter Prüfung nicht zu überzeugen.
b) Unwirksam ist Nr. 12 der AVB SUG aber, weil ihr Regelungsgehalt der Inhaltskontrolle gemäß § 9 AGBG nicht standhält.
aa) Die Verjährung hat den Zweck, dem Rechtsfrieden und der Sicherheit des Rechtsverkehrs dadurch zu dienen, daß die Anspruchsberechtigten genötigt werden, ihre Ansprüche alsbald geltend zu machen, weil nach Ablauf der Verjährungsfrist die Möglichkeit ihrer gerichtlichen Durchsetzbarkeit entfallt, wenn der Anspruchsgegner sich auf Verjährung beruft. Die Vorschriften über die Verjährung enthalten deshalb nicht nur reine Zweckmäßigkeitserwägungen des Gesetzgebers, sondern dienen öffentlichem Interesse (Palandt/Heinrichs, BGB, 44. Aufl., § 225 Anm. 1; Erman/Hefermehl, BGB, 7. Aufl., § 225 Rdn. 1) und weisen einen hohen Gerechtigkeitsgehalt auf, der gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG zu respektieren ist (von Westphalen, Wohnraummiete und AGB-Gesetz, Der betrieb, Beil. 8/84 zu Heft Nr. 10 für den Fall der Verkürzung der Verjährungsfrist des § 558 BGB). Mit diesen Grundsätzen ist es unvereinbar, den Eintritt der Fälligkeit eines Anspruchs in das Ermessen eines Vertragspartners zu stellen und auf diese Weise die Verjährung hinauszuschieben. Dies hat der Bundesgerichtshof für den Fall einer einseitigen Stundungsbewilligung des Gläubigers entschieden (BGH Urteil vom 18. Mai 1977 – III ZR 116/74 = WM 177, 895; vgl. auch Erman/Hefermehl a.a.O. § 202 Rdn. 6). Nichts anderes kann aber gelten, wenn durch formularmäßige Vereinbarung dem Gläubiger das Recht eingeräumt wird, nach seinem Ermessen die Fälligkeit des Anspruchs im Zusammenwirken mit einem Dritten herbeizuführen.
bb) Nr. 12 AVB der SUG schiebt die zunächst mit der Rückgabe des Fahrzeugs eintretende Fälligkeit etwaiger Ersatzansprüche des Vermieters wegen Verschlechterung der Mietsache – und den Beginn der Verjährung – durch die Stundungsabrede hinaus (vgl. dazu BGH Urteil vom 18. Mai 1977 – III ZR 116/74 = WM 1977, 895), sofern es zur Feststellung einer Haftung des Mieters erforderlich ist, eine polizeiliche Ermittlungsakte einzusehen und solange, bis der Vermieter Gelegenheit hatte, die Akte einzusehen. Damit sind die Entschließung der Klägerin, Akteneinsicht zu beantragen, und der Wille eines Dritten (der die polizeilichen Ermittlungsakten führenden Behörde), Akteneinsicht, zu gewähren, Voraussetzung für den Eintritt der Fälligkeit. Nr. 12 der AVB der SUG ist daher so auszulegen, daß dann, wenn es die Klägerin für erforderlich (zweckmäßig) hält, Einsicht in die polizeilichen Ermittlungsakten zu beantragen, die Fälligkeit ihres Schadensersatzanspruches erst mit der Akteneinsicht eintritt, bis dahin aber durch die formularmäßig verabredete Stundung die Fälligkeit hinausgeschoben ist. Nach – richtigem Verständnis – der Nr. 12 Satz 2 AVB endet die Stundung allerdings in jedem Falle sechs Monate nach Rücknahme des Fahrzeugs.
cc) Danach hängt die Fälligkeit des Schadensersatzanspruchs in erster Linie von einer Ermessensentscheidung der Klägerin ab. Sie kann durch Unterlassen eines entsprechenden Antrags die Fälligkeit bis zu einem Zeitraum von sechs Monaten hinausschieben (Satz 2 zu Nr. 12 AVB der SUG). Innerhalb dieses Zeitraumes hängt der Eintritt der Fälligkeit davon ab, zu welchem Zeitpunkt, den die Klägerin selbst bestimmen kann, Akteneinsicht beantragt wird, welchen Stand das polizeiliche Ermittlungsverfahren zu diesem Zeitpunkt hat und ob die aktenführende Behörde Akteneinsicht sofort gewähren kann oder nicht. Gegen eine solche Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen bestehen dann durchgreifende rechtliche Bedenken, wenn durch sie einseitig die Interessen des Kraftfahrzeugvermieters geschützt werden sollen, ohne daß zumindest auch den berechtigten Belangen des Mieters Rechnung getragen wird.
aaa) § 558 BGB knüpft den Beginn der Verjährung an die Rückgabe an. Rückgabe bedeutet in diesem Zusammenhang Sachherrschaft derart, daß der Vermieter die Mietsache auf ihren Zustand untersuchen kann. Die Untersuchungsmöglichkeit verschafft dem Vermieter in der Regel die Kenntnis derjenigen Tatsachen, die er benötigt, um eventuelle Ersatzansprüche gegen den Mieter geltend zu machen, und zwar binnen einer Verjährungsfrist von sechs Monaten, da Mietverhältnisse nach dem Willen des Gesetzgebers zügig abzuwickeln sind. Die Verknüpfung der Fälligkeit von Ersatzansprüchen des Vermieters wegen Verschlechterung der Mietsache und des Verjährungsbeginns mit der Rückgabe schafft auch für den Mieter klare Verhältnisse. Er kann insbesondere ohne weiteres ermitteln, wann die Sechsmonatsfrist abläuft.
bbb) In Anbetracht der hier gegebenen Fallgestaltung ist der Klägerin als Vermieterin zuzugestehen, daß die Untersuchungsmöglichkeit der Mietsache in vielen Fällen jedenfalls dann nicht ausreicht, am sich über das Bestehen eines Ersatzanspruchs gegen den Mieter Klarheit zu verschaffen, wenn ein Haftungsausschluß vereinbart ist. Denn der Zustand der Mietsache besagt in der Regel nichts darüber, ob trotz des vereinbarten Haftungsausschlusses ausnahmsweise eine Haftung des Mieters gegeben ist, weil er vorsätzlich oder grob fahrlässig den Schaden herbeigeführt hat. Die Klägerin ist vielmehr zusätzlich darauf angewiesen, eigene Ermittlungen über den Unfallhergang anzustellen (vgl. dazu Nr. 8 der AVB der SUG) oder die polizeilichnen Ermittlungsakten einzusehen. Daß das nicht immer innerhalb von sechs Monaten nach Rückgabe des gemieteten Fahrzeugs möglich sein wird, liegt nahe, so daß dem Kraftfahrzeugvermieter ein berechtigtes Interesse an dem durch eine Stundungsabrede herbeigeführten Hinausschieben der Fälligkeit seiner Ersatzansprüche und ihrer Verjährung nicht abgesprochen werden kann.
ccc) Es ist auch nicht zu verkennen, daß die Stundungsklausel den Belangen des Kfz-Mieters insofern dient, als sie ihn vor klageweiser Inanspruchnahme allein zum Zwecke der Unterbrechung der Verjährung schützt. Aber auch dann ist es erforderlich, daß für den Mieter klar erkennbar ist, wann die Fälligkeit eines eventuell gegen ihn gerichteten Schadensersatzanspruchs eintritt und damit der Lauf der Verjährungsfrist beginnt und wann die Verjährung eintritt. Diesem Interesse des Mieters wird Nr. 12 AVB der SUG nicht gerecht. Akteneinsichtsgesuch des Vermieters und Gewährung von Akteneinsicht und damit der Eintritt der Fälligkeit und der Beginn der Verjährungsfrist sind für den Mieter weder zu beeinflussen noch zu erkennen. Denn die Entschließung, Akteneinsicht zu beantragen, vollzieht sich allein bei der büromäßigen Schadensbearbeitung durch den Vermieter; von der Bewilligung der Akteneinsicht in die polizeilichen Ermittlungsakten erfahrt der Mieter ebenfalls nichts. Ohne großen Aufwand könnte den berechtigten Interessen des Mieters indessen z.B. dadurch Rechnung getragen werden, daß die Vermieterin ihn von der Notwendigkeit einer Akteneinsicht, jedenfalls aber davon unterrichtet, daß ihr Einsicht in die polizeilichen Ermittlungsakten gewährt worden sei. Dies müßte in der Klausel festgelegt sein. Nr. 12 AVB der SUG vernebelt in der vorliegenden Fassung und der dargelegten Handhabung dagegen die Fälligkeit des Ersatzanspruchs des Vermieters und höhlt Sinn und Zweck der Verjährung aus. Es ist nicht ausgeschlossen, daß der Mieter in vielen Fällen allein schon deshalb zur Beauftragung eines Rechtsanwalts gezwungen wird, um seinerseits die polizeilichen Ermittlungsakten einzusehen und den Beginn der Verjährungsfrist feststellen zu lassen. Denn im vorliegenden Fall hat auch die Klägerin den Eintritt der Fälligkeit ihres Schadensersatzanspruches in der Klagebegründung nicht darlegen können. Die Berechnung hat sich erst dass den beigezogenen Bußgeldakten ergeben.
ddd) Nr. 12 AVB der SUG berücksichtigt daher nicht in angemessener Weise berechtigte Interessen des Mieters und ist mit § 9 AGBG nicht zu vereinbaren.
III. Die Verjährungsfrist lief damit am 24. Mai 1982 ab (§ 558 BGB). Da eine anderweitige Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung nicht ersichtlich ist, konnte der am 27. August 1982 bei dem zuständigen Amtsgericht eingegangene Antrag auf Erlaß eines Mahnbescheides die Verjährung nicht mehr unterbrechen.
IV. Es stellt auch keine unzulässige Rechtsausübung dar, daß der Beklagte sich auf die Einrede der Verjährung beruft. Soweit bei der Regelung von Schadensersatzansprüchen – nach § 225 BGB unwirksam – auf die Einrede der Verjährung verzichtet worden ist, kann der Verpflichtete, der einen solchen Verzicht erklärt, bei dem Berechtigten das Vertrauen erwecken, er werde sich nicht auf Verjährung berufen, so daß in der abredewidrigen Erhebung der Verjährungseinrede häufig eine unzulässige Rechtsausübung liegen wird (allgemeine Meinung; vgl. statt aller: von Feldmann, MünchKomm, 2. Aufl., § 225 Rdn. 3). Ob der Vereinbarung über die Akteneinsicht gemäß Nr. 12 AVB der SUG die Wirkung eines Verzichts auf die Einrede der Verjährung beigemessen werden Kann, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls greift der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung nur unter strengen Voraussetzungen durch. Insoweit ist aber nicht vertretbar, daß die Klägerin nach der Akteneinsicht durch ihren Bevollmächtigten am 28. Mai/8. Juni 1982 bis zum 27. August 1982 gewartet hat, um den Antrag auf Erlaß eines Mahnbescheides bei dem zuständigen Amtsgericht anzubringen. Daß dieses Zuwarten möglicherweise mit dem Vertrauen auf die Wirksamkeit von Nr. 12 der AVB der SUG zu erklären ist, ist im Rechtsstreit mit dem Beklagten unerheblich.
IV. Nach alledem war die Revision der Klägerin mit der Kostenfolge des § 97 ZPO:
Unterschriften
Braxmaier, Wolf, Treier, Dr. Zülch, Groß
Fundstellen
Haufe-Index 1127369 |
NJW 1986, 1608 |
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