Leitsatz (amtlich)
Die zur Bestellung eines dinglichen Vorkaufsrechts gem. § 873 BGB erforderliche Einigung muss, anders als das Verpflichtungsgeschäft, nicht notariell beurkundet werden (insoweit Aufgabe von BGH, Urt. v. 7.11.1990 - XII ZR 11/89, NJW-RR 1991, 205, 206).
Normenkette
BGB § 311b Abs. 1 S. 1, §§ 873, 1094
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des OLG Bremen vom 10.3.2015 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger ist Eigentümer eines unbebauten Grundstücks, das hinter dem an die öffentliche Straße angrenzenden Grundstück der Beklagten belegen ist. Ursprünglich standen beide Grundstücke im Eigentum der Großtante des Klägers (im Folgenden: Erblasserin). Diese setzte 1969 mit notariellem Testament ihre Schwester F. B. (die Großmutter des Klägers) als Vorerbin, als Nacherben und Vorerben des zweiten Nacherben deren Sohn H. B. (den Vater des Klägers) und als zweiten Nacherben den Kläger ein. Ferner ordnete sie die Testamentsvollstreckung an, bis "H. B. die Erbschaft angetreten hat und sämtliche Nachlassverbindlichkeiten erfüllt sind". Die Erblasserin verstarb im Jahr 1972. Der Nacherben- sowie der Testamentsvollstreckervermerk wurden am 21.5.1973 in das Grundbuch eingetragen.
Rz. 2
Mit notariellem Vertrag vom 17.12.1973 verschenkte F. B. beide Grundstücke unter Mitwirkung des Testamentsvollstreckers an H. B., der als Eigentümer in die Grundbücher eingetragen wurde. Mit notariellem Vertrag vom 29.10.1979, dem H. B. beitrat, verkaufte der Testamentsvollstrecker das an die Straße angrenzende Grundstück an die Beklagten. Bei der notariellen Beurkundung vereinbarten die Beklagten, H. B. und der Testamentsvollstrecker, dass die Beklagten ein Geh- und Fahrrecht zugunsten des hinteren Grundstücks einräumen sollten, da es diesem infolge des Verkaufs an einer Zuwegung fehlte. Im Gegenzug wurde vereinbart, dass den Beklagten hinsichtlich des hinteren Grundstücks ein auf den ersten Verkaufsfall beschränktes dingliches Vorkaufsrecht eingeräumt werden sollte. Diese Abreden fanden in dem notariellen Vertrag keinen Niederschlag. H. B. und der Testamentsvollstrecker einerseits und die Beklagten andererseits erteilten jedoch jeweils die Eintragungsbewilligung. Beide Rechte wurden in die jeweiligen Grundbücher eingetragen.
Rz. 3
H. B. verstarb 2007. Der Kläger verkaufte sein Grundstück an einen weiteren angrenzenden Nachbarn. Nachdem den Beklagten am 29.7.2013 eine Abschrift des Vertrags zugestellt worden war, übten sie das Vorkaufsrecht mit Schreiben vom 19.9.2013 aus.
Rz. 4
Der auf die Bewilligung der Löschung des Vorkaufsrechts gerichteten Klage hat das LG stattgegeben. Das OLG hat sie abgewiesen. Mit der von dem OLG zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, will der Kläger das Urteil des LG wiederherstellen lassen.
Entscheidungsgründe
I.
Rz. 5
Das Berufungsgericht verneint einen Grundbuchberichtigungsanspruch gem. § 894 BGB. Das dingliche Vorkaufsrecht zugunsten der Beklagten sei wirksam bestellt worden. Es entstehe gem. § 873 Abs. 1 BGB durch Einigung und Eintragung in das Grundbuch. Diese Voraussetzungen seien erfüllt. Dass die Einigung nicht notariell beurkundet worden sei, sei unschädlich, weil die dingliche Bestellung eines dinglichen Vorkaufsrechts die Einhaltung einer besonderen Form nicht voraussetze. Die Belastung des Grundstücks sei auch nicht gem. § 2113 Abs. 1 BGB unwirksam. Ebenso wenig habe es sich um ein unentgeltliches Rechtsgeschäft i.S.v. § 2205 Satz 3 BGB gehandelt, weil die Einräumung des Vorkaufsrechts einerseits und des Wegerechts andererseits in einem Austauschverhältnis gestanden hätten.
Rz. 6
Der Kläger könne die Grundbuchberichtigung auch nicht unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung verlangen. Rechtsgrund für die Belastung des Grundstücks mit dem dinglichen Vorkaufsrecht sei der Kaufvertrag unter Einschluss der Nebenabreden, dessen anfänglicher Formmangel geheilt worden sei.
II.
Rz. 7
Die Revision hat keinen Erfolg.
Rz. 8
1. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist das Rechtsmittel insgesamt statthaft. Weder der Tenor des Berufungsurteils noch die Entscheidungsgründe enthalten eine Beschränkung der Zulassung. Zwar hat das Berufungsgericht zur Begründung der Zulassungsentscheidung nur auf die umstrittene Beurkundungsbedürftigkeit der dinglichen Einigung über die Bestellung eines dinglichen Vorkaufsrechts verwiesen und nicht auf die weiteren, hiervon unabhängigen Einwendungen des Klägers gegen das Bestehen des Vorkaufsrechts. Dies ist aber nicht als Beschränkung des Umfangs der Zulassung zu verstehen, da die Entscheidung über den einheitlichen, auf Berichtigung des Grundbuchs gerichteten Anspruch im Zweifel insgesamt zur Überprüfung gestellt wird (vgl. Krüger in MünchKomm/ZPO, 4. Aufl., § 543 Rz. 43). Ob eine solche Beschränkung der Zulassung überhaupt wirksam vorgenommen werden könnte, kann dahinstehen. Im Übrigen ist die Revision zulässig.
Rz. 9
2. In der Sache ist das Rechtsmittel unbegründet.
Rz. 10
a) Rechtsfehlerfrei und mit zutreffender Begründung verneint das Berufungsgericht zunächst einen Grundbuchberichtigungsanspruch des Klägers gem. § 894 BGB. Das Grundbuch ist hinsichtlich des dinglichen Vorkaufsrechts nicht unrichtig.
Rz. 11
aa) Das dingliche Vorkaufsrecht i.S.v. § 1094 BGB ist ein eigenständiges Sachenrecht (BGH, Urt. v. 22.11.2013 - V ZR 161/12, NJW 2014, 622 Rz. 10). Es entsteht gem. § 873 BGB durch Einigung und Eintragung in das Grundbuch. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Dass die Einigung nicht notariell beurkundet worden ist, ist unschädlich.
Rz. 12
(1) Der notariellen Beurkundung bedarf gemäß dem hier noch anwendbaren § 313 Satz 1 BGB a.F. (nunmehr § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB) ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben. Nach allgemeiner Ansicht erfasst dies auch die schuldrechtliche Vereinbarung über die Bestellung eines dinglichen Vorkaufsrechts, da hierdurch zugleich die Verpflichtung begründet wird, das Eigentum an dem Grundstück unter bestimmten Umständen an den Vertragspartner zu übertragen (vgl. BGH, Urt. v. 17.5.1967 - V ZR 96/64, DNotZ 1968, 93; RGZ 72, 385, 392 f.; 110, 327, 333; 148, 105, 108f.; Staudinger/R. Schumacher, BGB [2012], § 311b Abs. 1 Rz. 24). Wird ein Vertrag, der eine solche Verpflichtung begründet, nicht notariell beurkundet, ist er gem. § 125 Satz 1 BGB nichtig. In analoger Anwendung von § 313 Satz 2 BGB a.F. (nunmehr § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB) kann der Formmangel jedoch durch Einigung und Eintragung des dinglichen Vorkaufsrechts in das Grundbuch geheilt werden (BGH, Urt. v. 17.5.1967 - V ZR 96/64, DNotZ 1968, 93 f.).
Rz. 13
(2) Uneinheitlich wird die Frage beurteilt, ob auch die dingliche Einigung über die Belastung eines Grundstücks mit einem Vorkaufsrecht gem. § 1094 BGB notariell beurkundet werden muss. Der XII. Zivilsenat des BGH hat in einem Urteil vom 7.11.1990 (XII ZR 11/89, NJW-RR 1991, 205, 206) ohne nähere Begründung die Auffassung vertreten, die Formvorschrift des § 313 Satz 1 BGB a.F. erstrecke sich auf eine solche Einigung. Dem haben sich Rechtsprechung (OLG Rostock OLGReport Rostock 2000, 245, 246 f.) und Literatur teilweise angeschlossen (vgl. Kanzleiter in MünchKomm/BGB, 7. Aufl., § 311b Rz. 34 Fn. 100; Erman/Grziwotz, BGB, 14. Aufl., § 1094 Rz. 5; BeckOGK/Omlor BGB [Stand 8.1.2016], § 1094 Rz. 50). Überwiegend wird die Einigung jedoch im Anschluss an die Rechtsprechung des RG als formfrei angesehen (RGZ 110, 327, 335; 125, 261, 262 f.; Staudinger/R. Schumacher, BGB [2012], § 311b Rz. 24; Staudinger/Gursky, BGB [2012], § 873 Rz. 50; Staudinger/Schermaier, BGB [2009], § 1094 Rz. 23; Westermann in MünchKomm/BGB, 7. Aufl., § 1094 Rz. 7; NK-BGB-Reetz, 3. Aufl., § 1094 Rz. 36; Soergel/Stürner, BGB, 13. Aufl., § 1094 Rz. 7; Palandt/Bassenge, BGB, 75. Aufl., § 1094 Rz. 5).
Rz. 14
(3) Richtigerweise muss die gem. § 873 BGB zur Bestellung eines dinglichen Vorkaufsrechts erforderliche Einigung, anders als das darauf bezogene Verpflichtungsgeschäft, nicht notariell beurkundet werden. Soweit der XII. Zivilsenat dies in seinem Urteil vom 7.11.1990 (XII ZR 11/89, NJW-RR 1991, 205, 206) anders gesehen hat, hat er auf Nachfrage mitgeteilt, hieran nicht festzuhalten.
Rz. 15
(a) Im Ausgangspunkt ist nach dem Grundsatz der Formfreiheit davon auszugehen, dass eine besondere Form nur dann eingehalten werden muss, wenn das Gesetz dies ausdrücklich vorschreibt. Eine solche Bestimmung enthält das Gesetz für die Einigung gem. § 873 BGB nicht (vgl. Staudinger/Gursky, BGB [2012], § 873 Rz. 50). Nur grundbuchrechtlich soll die für die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erforderliche Eintragungsbewilligung durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen werden (§ 29 Abs. 1 Satz 1 GBO).
Rz. 16
(b) Aus § 313 Satz 1 BGB a.F. bzw. § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB lässt sich ein auf das Erfüllungsgeschäft bezogenes Formerfordernis nicht herleiten.
Rz. 17
(aa) Die Vorschrift regelt nach Wortlaut und systematischer Stellung nur das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft. Ihre analoge Anwendung scheidet schon in Ermangelung einer planwidrigen Regelungslücke aus (unzutreffend daher BeckOGK/Omlor BGB [Stand 8.1.2016], § 1094 Rz. 50.1), weil das Erfüllungsgeschäft nach dem das deutsche Recht beherrschenden Trennungsprinzip bewusst eigenen Regeln unterworfen wird. Das Argument, die dingliche Einigung enthalte zugleich die obligatorische Verpflichtung zu der späteren Eigentumsübertragung, hat bereits das RG mit der zutreffenden Überlegung verworfen, dass die Einigung - anders als das Verpflichtungsgeschäft - nur auf die Entstehung des dinglichen Rechtsverhältnisses (also des Vorkaufsrechts) gerichtet sei (RGZ 125, 261, 262 f.). Da der Inhalt der Einigung sich im Einigsein über die vereinbarte dingliche Rechtsänderung erschöpft, fehlt ihr jede verpflichtende Wirkung zu einem Tun oder Unterlassen (vgl. Mot. III 172; Staudinger/Gursky, BGB [2012], § 873 Rz. 59).
Rz. 18
(bb) Die Formbedürftigkeit der Einigung widerspräche zudem der in § 925 Abs. 1 BGB enthaltenen Regelung für die Auflassung, die als Einigung i.S.v. § 873 BGB auf die Übertragung des Eigentums an einem Grundstück gerichtet ist. Da selbst die Auflassung nicht notariell beurkundet, sondern (nur) vor der zuständigen Stelle erklärt werden muss (vgl. BGH, Urt. v. 5.12.1956 - V ZR 61/56, BGHZ 22, 312, 315 ff.; Urt. v. 25.10.1991 - V ZR 196/90, NJW 1992, 1101, 1102; RGZ 99, 65, 67 ff.; 132, 406, 408), gilt dies erst recht für eine Einigung i.S.v. § 873 BGB, die nicht § 925 BGB unterfällt.
Rz. 19
(cc) Unvereinbar wäre die Formbedürftigkeit schließlich mit der in § 313 Satz 2 BGB a.F. bzw. § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB vorgesehenen Heilung des formunwirksamen Verpflichtungsgeschäfts. Hierzu käme es nur unter besonderen Umständen, wenn auch die Einigung der notariellen Beurkundung bedürfte. Der Zweck der Heilungsvorschrift, das bislang unwirksame Kausalgeschäft aufgrund der Erfüllung seinem ganzen Inhalt nach wirksam werden zu lassen (vgl. hierzu eingehend BGH, Urt. v. 8.10.2004 - V ZR 178/03, BGHZ 160, 368, 372 f.), würde verfehlt, wenn die Verfügung denselben Formanforderungen wie das Verpflichtungsgeschäft unterworfen würde und dessen Erfüllung infolgedessen nicht eintreten könnte.
Rz. 20
bb) Rechtsfehlerfrei und von der Revision unbeanstandet lässt das Berufungsgericht die Unwirksamkeit des Vorkaufsrechts gem. § 2113 Abs. 1 BGB offen; ob diese Verfügungsbeschränkung auch für einen Testamentsvollstrecker gilt, der nur für die Vorerbschaft eingesetzt ist, ist zwar streitig (vgl. hierzu Palandt/Weidlich, BGB, 75. Aufl., § 2205 Rz. 24 m.w.N.), aber nicht entscheidungserheblich. Das Berufungsgericht hat sich insoweit nämlich auf die zutreffende Erwägung gestützt, dass die Beklagten das Vorkaufsrecht gem. § 2368 Abs. 3 a.F. BGB (nunmehr § 2368 Satz 2 BGB) i.V.m. § 2366 BGB jedenfalls gutgläubig erworben haben, da eine solche Beschränkung der Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers weder aus dem Testamentsvollstreckerzeugnis (vgl. § 2368 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F., nunmehr § 354 Abs. 2 FamFG) noch aus dem Grundbuch hervorging.
Rz. 21
cc) Ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht die Bestellung des Vorkaufsrechts nicht als unwirksame unentgeltliche Verfügung i.S.v. § 2205 Satz 3 BGB ansieht. Die hierauf bezogene Verfahrensrüge hat der Senat geprüft und nicht als durchgreifend erachtet. Von einer näheren Begründung wird abgesehen (§ 564 Satz 1 ZPO).
Rz. 22
b) Schließlich ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht einen Anspruch auf Berichtigung des Grundbuchs unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung verneint. Der für die Bestellung des dinglichen Vorkaufsrechts erforderliche Rechtsgrund liegt in der darauf bezogenen schuldrechtlichen Vereinbarung. Zwar war der Kaufvertrag aufgrund der nicht beurkundeten Nebenabreden gem. § 139 BGB zunächst insgesamt formunwirksam; dieser Mangel ist jedoch durch die erfolgte Einigung und den Vollzug der Abreden in den jeweiligen Grundbüchern gem. § 313 Satz 2 BGB a.F. geheilt worden.
III.
Rz. 23
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 9299103 |
NJW 2016, 2035 |
NJW 2016, 8 |
JR 2017, 532 |
MittBayNot 2017, 143 |
WM 2016, 2230 |
ZEV 2017, 155 |
ZfIR 2016, 404 |
DNotZ 2016, 915 |
DZWir 2016, 400 |
JZ 2016, 374 |
JuS 2017, 71 |
MDR 2016, 642 |
Rpfleger 2016, 535 |
MietRB 2016, 171 |
NotBZ 2016, 347 |
RÜ 2016, 562 |
ZNotP 2016, 91 |
Jura 2016, 1217 |
LL 2016, 464 |