Leitsatz (amtlich)
Ein Gastwirt ist nicht ohne weiteres berechtigt, den Verwendungszweck der von ihm gemieteten oder gepachteten Gastwirtschaft ganz oder wesentlich zu verändern. Inwieweit mangels besonderer vertraglicher Abreden eine Änderung des Gesamtcharakters der Gastwirtschaft von dem Gastwirt vorgenommen werden kann, ist nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Belange beider Teile zu entscheiden.
Normenkette
BGB § 550
Verfahrensgang
KG Berlin (Urteil vom 26.06.1952) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagter wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Kammergerichts vom 26. Juni 1952 insoweit einschliesslich der ergangenen Kostenentscheidung aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt ist.
In diesem Umfange wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks B. …, H. …, in dem seit Jahrzehnten eine Gastwirtschaft betrieben wird. Am 19. März 1949 schlossen die Parteien ein als Mietvertrag bezeichnetes Abkommen über dieses Lokal. Die Räumlichkeiten wurden den Beklagten „zum Betriebe einer Gastwirtschaft ohne Wohnung vermietet”. Gemäß § 7 Ziff 3 des Vertrages darf der Mieter die Mieträume nur zu den vertraglich bestimmten Zwecken benutzen; will er sie zu anderen Zwecken benutzen, so bedarf er der schriftlichen Zustimmung des Vermieters. Gemäß §§ 3 Ziff 4 und 16 Satz 3 darf der Mieter die Mieträume nur mit Zustimmung des Vermieters untervermieten.
Seit Mitte 1951 befanden sich in einem von dem Vertrag erfaßten Raum die Spieleinrichtungen eines konzessionierten gewerblichen E.– Clubs. Aussen am Hause befanden sich zwei Transparente, die auf den Spielklub hinwiesen. Der Spielbetrieb fand täglich vom Abend bis in die frühen Morgenstunden statt. Der Kläger behauptet, die Beklagten hätten diesen Raum dem Club untervermietet. Die Beklagten bestreiten dies. Sie hätten nur einige Möbelstücke vermietet; im übrigen handele es sich um eine Gebrauchsüberlassung an Gäste, wie sie in einem Lokal üblich sei.
Der Kläger hatte zunächst gegen die Beklagten auf Aufhebung des Mietverhältnisses und Räumung geklagt. Seine Klage war auf angebliche Mietrückstände gestützt und ferner darauf, daß die Untervermietung unzulässig und ein Aufhebungsgrund sei. Diese Klage wurde in beiden Instanzen rechtskräftig abgewiesen. Zur Frage der Untervermietung an den Spielclub führte das Landgericht folgendes aus:
„Der Umstand, daß die Beklagten nunmehr einen Spielclub in die Mieträume aufgenommen haben, rechtfertigt für sich allein ebenfalls nicht die Aufhebung des Mietverhältnisses. Auch wenn die Beklagten ein Vereinszimmer ständig für einen Spielclub zur Verfügung halten, stellt dies keine unerlaubte Untervermietung dar, da die Zurverfügungstellung des Vereinszimmers für besondere Zwecke im Rahmen der vertragsmässigen Nutzung der Mieträume liegt.
Da der Spielclub unstreitig eine polizeiliche Konzession besitzt, bestehen auch gegen die Ausübung des Spielbetriebes im Rahmen der Konzession keine Bedenken. Eine Mietaufhebung wegen Belästigung des Vermieters oder der Hausbewohner könnte der Kläger nur verlangen, wenn tatsächlich Belästigungen durch den Betrieb des Spielclubs vorgenommen sind. Die blosse Möglichkeit, daß hierdurch unsaubere Elemente angezogen werden, reicht zur Rechtfertigung der Mietaufhebung aus § 2 MSchG nicht aus”.
Mit der Behauptung, daß die „Untervermietung” an einen Ecarté-Club ein unzulässiger Gebrauch der Mietsache sei, hat der Kläger nunmehr eine auf § 550 BGB gestützte Klage erhoben mit dem Antrag:
- die Beklagten zu verurteilen, die Untervermietung bzw. sonstige Gebrauchsüberlassung der zum Betrieb einer Gastwirtschaft dienenden Räume im Hause B. …, H. … an einen Spielclub zu unterlassen,
- festzustellen, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger den Schaden, der durch die Gebrauchsüberlassung der Mieträume an einen Spielbetrieb entsteht, zu ersetzen.
Das Landgericht hat diese Klage abgewiesen. Der Kläger hat seinen Antrag mit der Berufung weiter verfolgt unter Beschränkung auf einen E.-Spielclub. Während des Berufungsrechtszuges haben die Beklagten mitgeteilt, daß der E.-Spielclub ausgezogen sei, sie aber weiterhin das Recht zur entsprechenden Verwendung beanspruchen. Das Berufungsgericht hat unter Zurückweisung der Berufung im übrigen das Urteil des Landgerichts dahin abgeändert, daß die Beklagten verurteilt werden, die Untervermietung oder sonstige Gebrauchsüberlassung an einen gewerblich betriebenen E.-Club zu unterlassen.
Mit der Revision, um deren Zurückweisung der Kläger bittet, begehren die Beklagten die völlige Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
I.
Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, daß der Unterlassungsanspruch des Klägers wenn ein solcher materiell bei Klageerhebung gegeben war, durch den Auszug des Spielclubs nicht erloschen ist. Für die Unterlassungsklage sind insoweit die gleichen Überlegungen maßgebend, wie sie für die Feststellungsklage gelten. Die Tatsache, daß sich die Beklagten noch heute des Rechtes berühmen, jederzeit einen E.-Spielclub in ihre Räume aufnehmen zu dürfen, berührt bereits die Rechtstellung des Klägers in einer Weise, daß er, falls er gegen eine bestehende Gebrauchsüberlassung einen Unterlassungsanspruch hat, diesen Anspruch auch vorsorglich geltend machen kann. Insofern findet § 1004 BGB auch auf das Verhältnis Vermieter – Mieter Anwendung.
II.
Das Berufungsgericht hat angenommen, daß die Gebrauchsüberlassung an einen E.-Club § 7 des Mietvertrages zwischen den Parteien und das Verbot der Untervermietung gemäß § 18 des Mietvertrages der Parteien in Verbindung mit § 549 BGB verletze.
Das Berufungsgericht sieht den Vertrag zwischen den Parteien als einen Mietvertrag an. Möglicherweise handelt es sich bei diesem Vertrage allerdings um einen Pachtvertrag.
Für die Beurteilung des Falles kann jedoch dahingestellt bleiben, ob ein Miet- oder ein Pachtvertrag vorliege. Gemäß § 581 BGB findet § 549 BGB auf den Pachtvertrag Anwendung. Auch für die Auslegung des Verbots der Untervermietung im Vertrage selbst ist es belanglos, ob dieser rechtlich als Miet- oder als Pachtvertrag anzusehen ist. Es fragt sich, ob im vorliegenden Fall nach dem Sinn und Zweck des Vertrages die Überlassung des Raumes an einen gewerblich betriebenen E.-Spielclub als unzulässig angesehen werden muß.
Das Berufungsgericht hat insoweit keine besondere Abrede der Parteien oder eine stillschweigende Willensübereinstimmung festgestellt. Es kommt also darauf an, welche Rechte dem Beklagten nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte zustehen. Zutreffend ist das Berufungsgericht bei der Prüfung dieser Rechtsfrage davon ausgegangen, daß das Recht des Beklagten, über den Verwendungszweck der Gastwirtschaft zu bestimmen, dort endet, wo der gesamte Verwendungszweck der Gastwirtschaft beeinträchtigt oder wesentlich verändert wird und dies Rückwirkungen für den Kläger als Eigentümer der Räume äussern kann. Dieser hat ein Interesse daran, daß die auf Zeit überlassenen Räume nicht infolge einer wesentlichen Veränderung des in ihnen geführten Betriebes eine Wertminderung erfahren oder gegebenenfalls für seine Zwecke entwertet werden. Allerdings sind die Voraussetzungen, die den Kläger berechtigen, dem Beklagten als Inhaber der Gastwirtschaft Schranken aufzuerlegen, anders als bei einem sonst zum Gebrauch überlassenen Gegenstand. Das Wesen des Gastwirtsgewerbes besteht gerade darin, daß den Gästen je nach der Art und dem Umfang des Wirtschaftsbetriebes der Gebrauch des Raumes gestattet wird. Inwieweit geringere Abweichungen von dem Charakter der betriebenen Gastwirtschaft möglich und zulässig sind, ist stets nur an Hand des einzelnen Falles unter Berücksichtigung der Belange der Parteien nach Treu und Glauben zu entscheiden. Hiernach kann sogar im Einzelfall eine wesentliche Veränderung zulässig sein; vor allem dann wenn die Veränderung eine Wertsteigerung mit sich brächte und der Eigentümer keine berechtigten Gründe gegen eine solche Veränderung vorbringen könnte, es andererseits demgegenüber unbillig wäre, der Änderung zu widersprechen.
III.
Wenn auch das Berufungsgericht insoweit von grundsätzlich richtigen Erwägungen ausgegangen ist, so fehlt es doch an den tatsächlichen Feststellungen, ob eine derartige Änderung des Betriebes durch die Abgabe eines Vereinszimmers an einen gewerblich betriebenen E.-Club eingetreten ist. Um eine Veränderung des Charakters der Wirtschaft feststellen zu können, hätte das Berufungsgericht zunächst einmal als Ausgangspunkt der Charakter des Lokals feststellen müssen, den es im Zeitpunkt der „Vermietung” an die Beklagten hat. Darüber steht aber nichts fest. Zwar hat der Kläger behauptet, es habe sich um ein gut bürgerliches Lokal gehandelt. Aber andererseits haben die Beklagten unter Beweis gestellt, daß es sich bei der Strasse, in der das Lokal belegen ist, um eine ausgesprochene Vergnügungsgegend handle, in der also Spielclubs und sonstige Einrichtungen weniger oder gar nicht vom dem Charakter des Lokals abweichen, als es etwa in einer ruhigen Wohngegend der Fall sein könnte. Es ist aber auch nicht in einer Weise, die eine Beurteilung des Falles ermöglichen könnte, festgestellt, inwieweit der Gesamtcharakter durch die Abgabe eines Raumes an einen E.-Club beeinflußt worden ist. Um dies beurteilen zu können, müßte z. B. das Verhältnis der Grundfläche des abgegebenen Raumes zu dem Teil, der noch als Wirtschaft betrieben wird, festgestellt werden; weiter ob in Stunden, in denen im E.-Club nicht gespielt wird, dessen Raum noch für irgendwelche andere Gäste benutzt worden ist, inwieweit sich der Umsatz in dem nicht vom Club benutzten Teil der Wirtschaft durch die Abgabe des Clubraumes verändert hat, ob etwa sonstige Vereine, die die Wirtschaft früher als Vereinslokal benutzt haben oder auch Stammtische oder regelmässige Gäste mit Rücksicht auf die Aufnahme des E.-Clubs die Benutzung der Wirtschaft aufgegeben haben. Es wäre insbesondere notwendig, festzustellen, ob das Kommen und Gehen der Gäste des E.-Clubs durch den Haupteingang der eigentlichen Wirtschaft stattfindet und die Gäste der Wirtschaft sich durch den Spielbetrieb und die Clubbesucher in irgendeiner Weise beeinträchtigt fühlen. Es mag auch von Belang sein, ob es früher in der Wirtschaft bereits üblich gewesen ist, daß dort Geschicklichkeitsspiele mit oder ohne glücksspielähnlichen Einschlag in grösserem Umfange betrieben worden sind. Von allen diesen bisher in keiner Weise geklärten Umständen kann es abhängen, ob die Wirtschaft ihren Charakter durch die Abgabe des Raumes an einen gewerblich betriebenen E.-Club verändert hat oder nicht. Nur wenn eine wirklich den Charakter des Lokals beeinflussende unzumutbare Veränderung eingetreten ist, hat der Kläger einen Unterlassungsanspruch.
Dagegen kommt es auf einige andere Fragen nicht an, denen das Berufungsgericht entscheidendes Gewicht beigelegt hat.
Das Berufungsgericht sieht einen besonderen Umstand, der die Gebrauchsüberlassung an den Club unzulässig macht, darin, daß es sich bei dem Spielclub um einen Gewerbebetrieb handele. Es hat deshalb in der Urteilsformel den Unterlassungsanspruch dahin eingeschränkt, daß er sich nur auf gewerblich betriebene E.-Clubs bezieht. Wenn das Berufungsgericht davon ausgegangen sein sollte, daß die Überlassung eines Raumes in einer Gastwirtschaft an einen Gewerbebetrieb, bei Aufrechterhaltung des Charakters des Gastwirtsbetriebes im übrigen eine nicht verkehrsübliche Gebrauchsüberlassung sei, so ist das nicht zu billigen. Die Revision weist mit Recht darauf hin, daß in vielen Wirtschaften Vereinsräume von Sportclubs bestehen, auch wenn es sich um Clubs von Berufssportlern handelt.
Es ist also nicht möglich, allein in der Tatsache des gewerblichen Betriebs des E.-Clubs einen Umstand zu erblicken, der die Überlassung des Raumes an ihn unzulässig macht.
Für die Entscheidung der Frage, ob die Aufnahme eines gewerblich betriebenen E.-Clubs in einen Raum der vermieteten Wirtschaft zulässig ist oder nicht, fehlt es somit an den erforderlichen Feststellungen. Die Erwägungen des Berufungsgerichts rechtfertigen nicht ohne weiteres die Annahme, daß eine unzulässige Veränderung des Charakters der Gastwirtschaft eingetreten ist. Andererseits reichen die Feststellungen auch nicht aus, um dem Revisionsgericht zu ermöglichen, bereits jetzt entgegengesetzt zu entscheiden. Die für den Charakter des Lokals und auch der Gegend angebotenen Beweise sind vom Berufungsgericht übergangen worden. Es ist deshalb erforderlich, daß das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen wird. In der neuen Verhandlung wird es den Parteien freistehen, zu den vorstehend entwickelten Grundsätzen und den Umständen, die für eine Veränderung des Charakters des Lokals maßgeblich sein können, Beweise anzutreten. Es war demnach wie geschehen zu erkennen.
Unterschriften
Dr. Kleinewefers, Dr. Gelhaar, Dr. K. E. Meyer, Hanebeck, Dr. Hauß
Fundstellen