Leitsatz (amtlich)
Zur Risikoabgrenzung bei verschuldensabhängig ausgestalteten Vertragsstrafeversprechen in einem Unternehmenskaufvertrag unter Beteiligung der Treuhandanstalt.
Normenkette
BGB § 339; AGBG §§ 9, 9 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 17. Dezember 1998 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus einem in einer notariellen Vertragsurkunde vom 23. April 1992 abgegebenen mit einer Unterwerfungsklausel versehenen Vertragsstrafeversprechen. Mit diesem Vertrag kaufte der Kläger unter Mitwirkung der – damals unter dem Namen Treuhandanstalt handelnden – Beklagten den einzigen Geschäftsanteil der O. GmbH. Hinsichtlich der Fortführung des Betriebs enthielt der Vertrag unter anderem folgende Vereinbarungen:
Präambel
…
(2) Der Käufer hat ein Unternehmens- und Sanierungskonzept für die Gesellschaft entwickelt, das die Sicherung der Überlebensfähigkeit und der Wettbewerbsfähigkeit der Gesellschaft zum Gegenstand hat und der Verkäuferin und der Treuhandanstalt gesondert übergeben wurde. Der Käufer beabsichtigt, nach einem bereits von der Gesellschaft vorgenommenen Abbau des Personalbestandes, das Unternehmen der Gesellschaft mit 45 Arbeitnehmern fortzuführen.
…
(3) Die Parteien stimmen darin überein, daß die Verkäuferin aufgrund der besonderen historischen Situation in den neuen Bundesländern angesichts der Eilbedürftigkeit der Aufgabe, die ehemals volkseigene Wirtschaft zu privatisieren, keine weitgehenden Gewährleistungen übernehmen kann. Demgegenüber konnte der Käufer als Sohn des Geschäftsführers sich umfassend von den Belangen der Gesellschaft überzeugen und hat dies auch getan.
…
§ 5 Arbeitsplatzgarantie
(1) Die Gesellschaft verpflichtet sich und der Käufer steht dafür ein, ab dem Übergang der Geschäftsanteile mindestens 45 Vollzeitarbeitsplätze zu branchenüblichen Konditionen zu erhalten bzw. zu schaffen und diese Vollzeitarbeitsplätze mindestens bis zum 31.12.1995 besetzt zu halten.
(2) Sollte die Zahl der von der Gesellschaft besetzten Vollzeitarbeitsplätze die Mindestbeschäftigungszahl nach Abs. (1) unterschreiten, so zahlt der Käufer für jeden fehlenden oder nicht besetzten Vollzeitarbeitsplatz an die Treuhandanstalt eine Vertragsstrafe in Höhe von DM 25.000 pro Jahr. Die Vertragsstrafe entfällt, soweit der Käufer nachweist, daß die Verpflichtung nach Abs. (1) aus dringenden betrieblichen Gründen, die bei Vertragsschluß nicht vorhersehbar waren, nicht eingehalten werden konnte.
§ 6 Investitionsverpflichtung
(1) …
Er (der Käufer) verpflichtet sich, innerhalb von zwei Jahren ab Beurkundung des Vertrags einen Betrag von DM 1,3 Millionen und nach diesem Zeitraum bis zum 31.03.1995 weitere DM 0,7 Millionen in das Anlagevermögen der Gesellschaft zu investieren und dort zu belassen.
(2) Sollte der Käufer abweichend von der nach Abs. (1) übernommenen Verpflichtung die Investitionssumme zum jeweiligen Stichtag unterschreiten, so zahlt er an die Treuhandanstalt eine Vertragsstrafe in Höhe von 80 % des Betrages, um den die Investitionssumme unterschritten wird. § 5 Abs. (2) Satz 2 gilt entsprechend.
§ 8 Gewährleistung der Verkäuferin
(1) Die Verkäuferin gewährleistet folgendes:
Die Gesellschaft besteht mit rechtlicher Wirksamkeit. Ihr Stammkapital beträgt DM 50.000,–. Ein Gesamtvollstreckungsverfahren hinsichtlich der Gesellschaft wurde nicht eröffnet. Im übrigen ist dem Käufer die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft bekannt.
…
Für die Zwangsvollstreckung enthält § 2 III. unter anderem folgende Bestimmungen:
….
(7) …
Weiter unterwirft sich der Käufer wegen möglicherweise fällig werdender Vertragsstrafen nach den §§ 5 und 6 dieses Vertrags in einer Höhe von DM 2 Millionen unbedingt der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen.
Diese Zwangsvollstreckungsunterwerfungen gelten gegenüber der … Treuhandanstalt.
Nach der Übernahme des Unternehmens durch den Kläger wurde am 14. Oktober 1992 über das Vermögen der O. GmbH das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet. Die Beklagte hat die Zwangsvollstreckung wegen teilweiser Nichteinhaltung der Arbeitsplatz- und Investitionszusagen betrieben. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Vollstreckungsgegenklage.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung blieb erfolglos. Mit der Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
I. Das Oberlandesgericht hat im wesentlichen ausgeführt:
Die verschuldensabhängig ausgestalteten Vertragsstrafeversprechen seien zwar wirksam vereinbart worden und verstießen, falls es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen handeln sollte, nicht gegen § 9 AGBG. Jedoch seien die Vertragsstrafen nicht verwirkt. Der Kläger habe ein Unternehmen übernommen, dessen wirtschaftlicher Untergang bereits zum Übernahmezeitpunkt absehbar und mit zumutbaren Mitteln nicht abwendbar gewesen sei. Daher seien der Antrag auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens und die dadurch bedingte Nichteinhaltung der Arbeitsplatzgarantie nicht als pflichtwidriges Verhalten des Klägers anzusehen. Außerdem habe der Kläger die Nichteinhaltung der Arbeitsplatz- und Investitionszusagen nicht verschuldet; denn es sei für ihn unzumutbar gewesen, die für die Sanierung des Unternehmens und Erhaltung der Arbeitsplätze erforderlichen Mittel einzusetzen. Da sich das Unternehmen im Zeitpunkt des Verkaufs in einer derart schlechten wirtschaftlichen Lage befunden habe, daß auch ein erfahrener Unternehmer nicht mehr in das Unternehmen investiert hätte, habe sich auch nicht lediglich das normale wirtschaftliche Risiko verwirklicht. Vielmehr sei, da die Geschäftsgrundlage des Vertrags nicht bestanden habe, dieser entsprechend anzupassen. Im Hinblick darauf, daß der Kläger erhebliche Eigenmittel – 500.000 DM – eingesetzt habe, liege auch kein Mißbrauchsfall vor, der durch die Vertragsstrafeversprechen habe verhindert werden sollen.
II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung in entscheidenden Punkten nicht stand.
1. Die Revision nimmt als ihr günstig hin, daß auch der Kläger nach Auffassung des Berufungsgerichts verpflichtet war, die vertraglich vereinbarte Anzahl von Arbeitsplätzen zu erhalten oder zu schaffen (§§ 133, 157 BGB); das wird von der Revisionserwiderung nicht angegriffen und läßt Rechtsfehler nicht erkennen. Der Kläger hat die Weiterführung des Betriebs übernommen und sollte dafür Sorge tragen, daß die Zusage durch die Gesellschaft eingehalten wird.
2. Soweit das Berufungsgericht jeweils Satz 2 des 2. Absatzes der §§ 5 und 6 der Vertragsbestimmungen als Vertragsstrafeversprechen verstanden und offengelassen hat, ob diese Regelungen Allgemeine Geschäftsbedingungen darstellen, bestehen ebenfalls keine Bedenken. Auch wenn das Versprechen an den Vorschriften des AGB-Gesetzes zu messen ist, ist es wirksam vereinbart, weil der Vertragspartner des Verwenders nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt wird. Es entspricht der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, daß auch ein formularmäßiges Vertragsstrafeversprechen in einem Unternehmenskaufvertrag oder einem ähnlichen Vertrag unter Beteiligung der Treuhandanstalt grundsätzlich dann nicht gegen § 9 Abs. 1 AGBG verstößt, wenn die Strafe ihrer Höhe nach in einem angemessenen Verhältnis zum Gewicht des Verstoßes und zu dessen Folgen für den Vertragspartner steht (vgl. BGH, Urteile vom 3. April 1998 – V ZR 6/97, WM 1998, 1289 unter II 2, 3, zur Veröffentlichung in BGHZ 141, 391 bestimmt; vom 26. Mai 1999 – VIII ZR 102/98, WM 1999, 1529 unter II 1 a, 2 a; vom 29. September 1999 – VIII ZR 256/98 unter II 2 a, c noch nicht veröffentlicht). Dieses Verhältnis bleibt insbesondere unter der Berücksichtigung der von der Treuhandanstalt zu ihrer Aufgabenerfüllung verfolgten Zwecke gewahrt, wenn die Höhe der Strafe an den Umfang der geschuldeten Leistung, deren Erfüllung sie sichern soll, anknüpft und durch ihn nach oben begrenzt wird (BGH, Urteile vom 3. April 1998 aaO unter II 3 b; vom 26. Mai 1999 aaO unter II 2 a aa; vom 29. September 1999 aaO unter II 2 d).
a) Hinsichtlich der Arbeitsplatzzusagen ist die Vertragsstrafe auf einen überschaubaren Zeitraum von etwas über dreieinhalb Jahren und im Umfang (45 Arbeitnehmer) auf einen ersichtlich das Arbeitsentgelt nicht übersteigenden Betrag von 25.000 DM pro Jahr und Arbeitsplatz beschränkt; dabei ist die Verwirkung der Strafe überdies davon abhängig, daß der jeweilige Arbeitsplatz ein Jahr lang unbesetzt bleibt. Der Kläger, der sich verpflichtet hat, für die Einhaltung der Arbeitsplatzzusage durch die Gesellschaft Sorge zu tragen, mithin auch durch weiteren Kapitaleinsatz die Voraussetzungen hierfür zu schaffen und zu erhalten, schuldet deshalb bei der Verwirkung der Vertragsstrafe wirtschaftlich nicht mehr, als er bei gehöriger Erfüllung der übernommenen Verpflichtungen an Leistungen zu erbringen gehabt hätte (vgl. BGH, Urteile vom 3. April 1998 aaO unter II 3 b; vom 26. Mai 1999 aaO unter II 2 a bb; vom 29. September 1999 aaO unter II 2 e bb).
b) Maßvoll ist auch, daß bei Nichteinhaltung der Investitionszusagen innerhalb der als angemessen anzusehenden Dauer von nicht ganz drei Jahren lediglich 80 % der Differenz zwischen den getätigten und unterlassenen Investitionen zu zahlen sind (vgl. BGH, Urteile vom 3. April 1998 aaO; vom 29. September 1999 aaO unter II 2 e aa).
c) Eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 9 Abs. 1 AGBG wird auch nicht durch den sogenannten „Summierungseffekt” herbeigeführt, der dadurch entsteht, daß die Unterlassung der Investitionen mit der Nichteinhaltung der Verpflichtung zur Erhaltung oder Schaffung der Voraussetzungen für die Einhaltung der Arbeitsplatzzusagen durch die Gesellschaft zusammentreffen kann. Denn die Strafen hängen, auch wenn sie nebeneinander verwirkt werden, von dem Gewicht der jeweiligen Vertragsverstöße ab (BGH, Urteil vom 3. April 1998 aaO unter II 3 c aa; vom 29. September 1999 aaO unter II 2 e cc).
3. Dagegen kann den Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht die Haftung des Klägers wegen der teilweisen Nichteinhaltung der eingegangenen Verpflichtungen abgelehnt hat, nicht gefolgt werden.
Das Berufungsgericht hat die Nichteinhaltung der Arbeitsplatz- und Investitionszusage seitens des Klägers als nicht pflichtwidrig, jedenfalls aber als unverschuldet angesehen, weil dieser ein Unternehmen übernommen habe, dessen wirtschaftlicher Untergang bereits zum Übernahmezeitpunkt absehbar und mit zumutbaren Mitteln nicht abwendbar gewesen sei. Soweit das Berufungsgericht aus § 5 Abs. (2) Satz 2 des Vertrages herleitet, daß das Verschuldenserfordernis des § 339 BGB nicht abbedungen ist, bestehen gegen seine von den Parteien nicht angegriffene Auslegung allerdings keine Bedenken; dies gilt selbst dann, wenn die genannte Bestimmung – das hat das Berufungsgericht offengelassen – eine Allgemeine Geschäftsbedingung darstellt, deren Auslegung revisionsrechtlich voll überprüfbar ist (BGH, Urteil vom 3. April 1998 aaO). Eine Verpflichtung des Klägers, die versprochenen Arbeitsplätze zu schaffen und bis zum 31. Dezember 1995 besetzt zu halten sowie insgesamt 2 Millionen DM bis zum 31. März 1995 in das Unternehmen zu investieren, kann jedoch ebensowenig wie ein schuldhafter Verstoß hiergegen mit den von dem Berufungsgericht herangezogenen Zumutbarkeitsgründen verneint werden.
a) Das Berufungsgericht sieht das Verhalten des Klägers in bezug auf die Arbeitsplatzgarantie als nicht pflichtwidrig an, weil er durch das Gesamtvollstreckungsverfahren und die Entscheidung des Verwalters, die bestehenden Arbeitsverhältnisse zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu kündigen, daran gehindert gewesen sei, seine Verpflichtung einzuhalten. Wie sich aus seinen sonstigen Ausführungen ergibt, verkennt das Berufungsgericht zwar nicht, daß es dem Kläger oblegen hätte, für die Erhaltung und Schaffung der Arbeitsplätze durch die Gesellschaft Sorge zu tragen und die zugesagten Investitionen zu tätigen; es meint aber, der wirtschaftliche Untergang des Unternehmens sei für den Kläger von vornherein mit zumutbaren Mitteln nicht abwendbar gewesen. Falls das Berufungsgericht mit diesen Erwägungen den Kläger im Rahmen einer Auslegung der §§ 5, 6 des Unternehmenskaufvertrages von den typischen Risiken des Investors freistellen will, verstößt es, auch wenn es sich bei den genannten Bestimmungen um – im Hinblick auf die Feststellung des von den Parteien Gewollten – nur eingeschränkt nachprüfbare Individualvereinbarungen handeln sollte, gegen das Gebot der interessengerechten Auslegung. Nicht einmal die Klausel des § 5 Abs. (2) Satz 2 befreit den Unternehmenskäufer von derartigen Risiken (BGH, Urteil vom 3. April 1998 aaO).
Im übrigen greifen die von der Revision erhobenen Rügen gegen die Feststellungen durch (§ 286 ZPO), mit denen das Berufungsgericht dem Kläger unter Begrenzung seines Pflichtenkreises die Risiken der Sanierungsfähigkeit des Unternehmens offenbar deshalb abnehmen will, weil diese von ihm verkannt worden und für ihn auch nicht erkennbar gewesen seien. Dies ist nach dem von der Revision in Bezug genommenen Vorbringen der Beklagten, dessen Richtigkeit revisionsrechtlich zu unterstellen ist und von dem Inhalt der Präambel gestützt wird, nicht der Fall. Die Beklagte hat vorgetragen, der Vater des Klägers, der seit 19. November 1990 Geschäftsführer der GmbH gewesen sei, habe diesem umfassend alle Auskünfte erteilt, die das Unternehmen beträfen. Der Kläger habe sich im Hinblick auf das Unternehmen alle Kenntnisse und Informationen in Gesprächen mit der Geschäftsleitung, dem Management und der Belegschaft beschafft. Aufgrund dessen habe er in seiner Eigenschaft als Unternehmensberater insgesamt drei Sanierungskonzepte vorgelegt, dessen letztes den von ihm bis 1994 zu erbringenden Investitionsaufwand mit 10,1 Millionen DM veranschlagt habe; auf diese Sanierungskonzepte werde auch in der Präambel hingewiesen. In den Ankaufsverhandlungen, die der Kläger mit den Herren M. und K. der Treuhandanstalt geführt habe, sei von beiden Seiten klar ausgesprochen worden, daß die Möglichkeit eines Scheiterns der Sanierung der O. GmbH nicht ausgeschlossen werden könne.
Wenn das Berufungsgericht den Kläger von seinen Verpflichtungen freistellen will, weil er, für ihn unvorhergesehen, den Ausführungen des Sachverständigen entsprechend über die im Kaufvertrag vereinbarten Beträge – von denen er 500.000 DM geleistet hat – hinausgehende erhebliche weitere Investitionen hätte tätigen müssen, hat es dieses Vorbringen der Beklagten unberücksichtigt gelassen. Daß das Unternehmen auch durch Investitionen in der vom Kläger selbst geschätzten Größenordnung nicht vor dem wirtschaftlichen Untergang hätte bewahrt werden können, ist nicht festgestellt. Schließlich hat das Berufungsgericht auch die von der Beklagten nach ihrem Vorbringen vorgenommenen Entschuldungen und Forderungsverzichte (Entschuldung der Altkredite in Höhe von 4.577.000 DM, Entschuldung der Liquiditätskredite in Höhe von 3.563.000 DM, Forderungsverzichte bezüglich der Altgesellschafterdarlehen in Höhe von 1.757.000 DM und Forderungsverzichte wegen weiterer Zuwendungen in Höhe von 317.000 DM, insgesamt 10.213.000 DM) nicht in seine Erwägungen einbezogen. Ebensowenig hat es den von der Revision hervorgehobenen Umstand bedacht, daß die Gegenleistung des Klägers für den Erwerb des Unternehmens im wesentlichen in der Arbeitsplatzgarantie bestanden hat und daß der Kaufpreis der Höhe nach mit Rücksicht hierauf festgesetzt worden ist.
b) Bei Zugrundelegung des Vorbringens der Beklagten kann auch ein Verschulden des Klägers an der Nichterfüllung seiner Pflichten nicht verneint werden.
Soweit das Oberlandesgericht darauf abstellt, der Kläger habe zumindest nicht schuldhaft gehandelt, weil er nicht entgegen aller Vernunft gezwungen werden könne, die für die Sanierung und die Erhaltung der Arbeitsplätze erforderlichen Mittel einzusetzen, hat es nicht gesehen, daß die Parteien in § 5 Abs. (2) Satz 2 und in § 6 Abs. (2) Satz 2 in Verbindung mit § 5 Abs. (2) Satz 2 des Vertrages festgelegt haben, unter welchen Voraussetzungen sie betriebliche Gründe als Entlastung für die Nichteinhaltung der Arbeitsplatzgarantie und der Investitionsverpflichtung anerkennen wollen. Diese Regelung, die inhaltlich keinen Bedenken begegnet, modifiziert und konkretisiert den allgemeinen Verschuldensmaßstab im Hinblick auf die von dem Erwerber des Unternehmens zu tragenden betriebsbedingten Risiken (BGH, Urteil vom 3. April 1998 aaO). Da das Berufungsgericht auf die genannten Vertragsbestimmungen nicht eingegangen ist und weitere Feststellungen in diesem Zusammenhang ausscheiden, kann der Senat auch bei Annahme einer individualvertraglichen Vereinbarung eine eigene Auslegung vornehmen. Nach Satz 2 des Abs. 2 der §§ 5 und 6 des Vertrages entfällt die Vertragsstrafe dann, wenn die Nichteinhaltung der strafbewehrten Verpflichtung auf unverschuldete Umstände zurückzuführen ist, die nichtverschuldeten Umstände in bei Vertragsschluß nicht vorhersehbaren dringenden betrieblichen Bedürfnissen bestehen und nicht von dem normalen Unternehmerrisiko (BGH, Urteil vom 3. April 1998 aaO unter III 1) erfaßt wird. Daß diese Voraussetzungen gegeben sind, kann nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Vortrag der Beklagten nicht angenommen werden. Konnte sich der Kläger vor Vertragsschluß umfassend über die wirtschaftliche Lage des Betriebs unterrichten und wäre für ihn erkennbar gewesen, daß dieser auch bei Investitionen in dem von ihm, dem Kläger, vorgesehenen Umfang nicht sanierungsfähig war, wird er von einem Verschuldensvorwurf nicht befreit. Eine Zuordnung zum Risikobereich des Klägers würde auch einer Anwendung der Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage entgegenstehen (BGH, Urteil vom 3. April 1998 aaO).
4) Wenn das Berufungsgericht abschließend meint, daß im Streitfall kein Mißbrauch vorliege, der durch die Vertragsstrafeversprechen habe verhindert werden sollen, weil der Kläger das Unternehmen habe erhalten wollen, kann auch dieser Gesichtspunkt nicht zur Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung führen. Eine solche einseitige Betrachtungsweise ohne Berücksichtigung der anderen – sachgerechten und rechtlich nicht zu beanstandenden – Zwecke der Vertragsstrafeklauseln in Unternehmenskaufverträgen und ähnlichen Verträgen unter Beteiligung der Treuhandanstalt wird den Besonderheiten jener Vertragswerke nicht gerecht. Sinn und Zweck solcher Abreden war es, die von der Treuhandanstalt im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben verfolgten sogenannten „weichen” Ziele volkswirtschaftlicher, sozial- und strukturpolitischer Art bei der Veräußerung ehemaliger staatlicher Unternehmen so weit wie möglich sicherzustellen (BGH, Urteil vom 26. Mai 1999 aaO unter II 2 a aa, vom 29. September 1999 aaO unter II 2 c). Die Strafbewehrung der Zusagen über die Investitionssumme und die Zahl der Arbeitsplätze, die sich aus dem vom Kläger vorzulegenden Investitionskonzept ergaben, war der Prüfstein für die Ernsthaftigkeit und Seriosität des Unternehmenskonzepts und damit auch der Einsatzbereitschaft des Erwerbers, der zu einer realistischen Einschätzung angehalten werden sollte.
III. Das Berufungsurteil kann somit keinen Bestand haben (§ 564 Abs. 1 ZPO). Eine abschließende Entscheidung in der Sache ist dem Senat verwehrt (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO), da es zur Entscheidung des Rechtsstreits einer weiteren Aufklärung bedarf. Die Sache ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit – gegebenenfalls nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien – die erforderlichen Feststellungen getroffen werden können.
Unterschriften
Dr. Deppert, Dr. Beyer, Dr. Deppert für den wegen Urlaubs an der Unterzeichnung verhinderten Richter am Bundesgerichtshof 15. Februar 2000 Dr. Leimert, Wiechers, Dr. Wolst
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 09.02.2000 durch Mayer, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 556365 |
BB 2000, 949 |
DStZ 2000, 462 |
DStZ 2000, 463 |
EWiR 2000, 517 |
Nachschlagewerk BGH |
VIZ 2000, 377 |
WM 2000, 922 |
ZIP 2000, 799 |