Leitsatz (amtlich)
Hat der Kläger als Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts in den Vorinstanzen ausschließlich ihm abgetretene Schadensersatzansprüche der Gesellschaft geltend gemacht, so ist seine Revision unzulässig, wenn mit ihr lediglich das Ziel verfolgt wird, nunmehr einen Individualanspruch des Klägers auf Ersatz des in der Verminderung des Wertes seiner Beteiligung an der Gesellschaft bestehenden Eigenschadens in den Rechtsstreit einzuführen.
Normenkette
ZPO § 561
Verfahrensgang
LG Kassel |
OLG Frankfurt am Main |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 25. Zivilsenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 23. Januar 1998 wird im noch anhängigen Umfang als unzulässig verworfen.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin beabsichtigte, gemeinsam mit ihren drei Söhnen als Gesellschaft bürgerlichen Rechts in einem ihr gehörenden, im unbeplanten Innenbereich der beklagten Gemeinde belegenen Wohnhaus eine Unterkunft für Asylbewerber zu betreiben. Hierüber schloß die Gesellschaft am 10. August 1993 mit dem in den Vorinstanzen mitverklagten Landkreis einen entsprechenden Vertrag, dessen Wirksamkeit jedoch unter den Vorbehalt gestellt wurde, daß die Betreiber für das Vorhaben über eine ordnungsgemäße Baugenehmigung verfügten. Wie inzwischen unstreitig ist, bedurfte das Vorhaben einer Nutzungsänderungsgenehmigung. Den hierauf gerichteten Antrag der Klägerin lehnte der Landkreis in seiner Eigenschaft als Bauaufsichtsbehörde ab, nachdem die beklagte Gemeinde ihr gemäß § 36 BauGB erforderliches Einvernehmen versagt hatte.
Daraufhin trat der Landkreis von dem Vertrag mit der Gesellschaft zurück.
Nachdem der Widerspruch der Klägerin gegen den ablehnenden Bescheid zunächst erfolglos geblieben war, stellte das Verwaltungsgericht auf ihre Klage durch rechtskräftig gewordenes Urteil vom 29. April 1996 fest, daß die Ablehnung der Erteilung einer Baugenehmigung betreffend die Nutzung des Gebäudes zum Zwecke der Unterbringung von Asylbewerbern rechtswidrig gewesen war.
Die Klägerin hat daraufhin den Landkreis und die Gemeinde wegen Amtspflichtverletzung auf Ersatz des der Gesellschaft durch das Scheitern des Vertrages entstandenen Schadens in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Amtshaftungsklage gegen beide Beklagten dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Auf deren Berufung hat das Oberlandesgericht die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin – nach Rücknahme ihres gegenüber dem Landkreis eingelegten Rechtsmittels – lediglich den Anspruch gegen die beklagte Gemeinde (im folgenden: die Beklagte) in Höhe eines Betrages von 278.029,20 DM nebst Zinsen, d.h. eines Viertels der ursprünglichen Klageforderung, weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist im noch anhängigen Umfang unzulässig.
1. Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß die Klägerin in den Vorinstanzen die klagegegenständliche Forderung ausschließlich auf ihr abgetretene Rechte der Gesellschaft bürgerlichen Rechts gestützt hatte. Es läßt den aus der rechtswidrigen Versagung des gemeindlichen Einvernehmens (§ 36 BauGB) hergeleiteten Amtshaftungsanspruch gegen die beklagte Gemeinde (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG) daran scheitern, daß die Gesellschaft als ursprüngliche Gläubigerin dieser abgetretenen Forderung nicht geschützter „Dritter” im Sinne des Amtshaftungsrechts gewesen sei, und führt weiter aus, der Klägerin stehe auch kein Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff zu, weil durch die rechtswidrige Versagung des Einvernehmens nicht in eigentumsgleiche Rechte der Gesellschaft eingegriffen worden sei.
2. Die Revision macht hiergegen geltend, mit dieser Betrachtungsweise habe das Berufungsgericht verkannt, daß der Klägerin ein eigener Schaden entstanden sei, der in der Verminderung des Wertes ihrer Beteiligung an der Gesellschaft bestehe. Diesen Anspruch, den sie im Verhältnis ihrer Beteiligung am Gesellschaftsvermögen rechnerisch mit 25 v.H. der Ursprungsforderung beziffert, verfolgt die Klägerin mit der Revision weiter.
3. Dieser Anspruch ist jedoch, worauf die Revisionserwiderung mit Recht hinweist, gegenüber der Ursprungsforderung ein anderer Streitgegenstand.
a) Nach der prozeßrechtlichen Auffassung vom Streitgegenstand im Zivilprozeß, der sich der Bundesgerichtshof angeschlossen hat (vgl. insbesondere BGHZ 117, 1, 5 f m.w.N.; ferner Senatsurteil vom 13. Juni 1996 - III ZR 40/96 = BGHR ZPO vor § 511 Beschwer 13 = NJW-RR 1996, 1276), wird mit der Klage nicht ein bestimmter materiell-rechtlicher Anspruch geltend gemacht; vielmehr ist Gegenstand des Rechtsstreits der als Rechtsschutzbegehren oder Rechtsfolgenbehauptung aufgefaßte eigenständige prozessuale Anspruch. Dieser wird bestimmt durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet. In diesem Sinne geht der Klagegrund über die Tatsachen, welche die Tatbestandsmerkmale einer Rechtsgrundlage ausfüllen, hinaus. Zu ihm sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden, den Sachverhalt „seinem Wesen nach” erfassenden Betrachtungsweise zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, den der Kläger zur Stützung seines Rechtsschutzbegehrens dem Gericht zu unterbreiten hat.
b) In diesem Sinne kann der Individualanspruch eines einzelnen Gesellschafters auf Ersatz des Schadens, der in der Minderung des Wertes seiner Beteiligung am Gesellschaftsvermögen besteht, nicht – auch nicht teilweise – mit dem Ersatzanspruch der Gesellschaft selbst gleichgesetzt werden. Dieser letztere Anspruch ist nämlich ein solcher der Gesellschaft; er gehört zu dem Gesellschaftsvermögen als dem dem Gesellschaftszweck gewidmeten Sondervermögen, das vom sonstigen Vermögen der Gesellschafter, dem Privatvermögen, streng zu unterscheiden ist (§§ 718, 719 BGB; vgl. Palandt/Sprau, BGB, 58. Aufl. 1999 § 718 Rn. 1). Diese Rechtsnatur des Anspruchs, insbesondere seine unmittelbare Herleitung aus dem gesamthänderisch gebundenen Gesellschaftsvermögen, ändert sich auch nicht dadurch, daß er an einen Gesellschafter abgetreten wird. Der rechtliche Unterschied zu einem aus der unmittelbaren Verletzung eigener Rechte hergeleiteten Individualanspruch des betreffenden Gesellschafters wird durch die Abtretung nicht berührt. Dementsprechend stellt der nunmehr geltend gemachte Anspruch nicht ein lediglich der Höhe nach hinter der Ursprungsforderung zurückbleibendes, aber ansonsten in ihr enthaltenes „Minus” dar, sondern ein „Aliud”, das mit dem ursprünglichen Rechtsschutzbegehren und der ursprünglichen Rechtsfolgenbehauptung nicht identisch ist.
4. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, daß ein Rechtsmittel nur dann zulässig ist, wenn der Rechtsmittelkläger mit ihm die Beseitigung einer in dem angefochtenen Urteil liegenden Beschwer erstrebt. Ein Rechtsmittel ist unzulässig, wenn es den in der Vorinstanz erhobenen Klageanspruch nicht wenigstens teilweise weiterverfolgt, also – im Falle einer vorinstanzlichen Klageabweisung – deren Richtigkeit gar nicht in Frage stellt, sondern lediglich im Wege der Klageänderung einen neuen, bislang nicht geltend gemachten Anspruch zur Entscheidung stellt. Die Erweiterung oder Änderung der Klage kann nicht alleiniges Ziel des Rechtsmittels sein; vielmehr setzt ein derartiges Prozeßziel ein zulässiges Rechtsmittel voraus (vgl. Senatsurteil vom 30. November 1995 - III ZR 240/94 = BGHR ZPO vor § 511 Beschwer 11 = NJW 1996, 527; ferner Senatsurteil vom 13. Juni 1996 aaO; s. auch die in BGHR ZPO vor § 511 Beschwer 5, 6, 9, 10, 14, 15, ZPO § 511 Klageänderung 1 und Klageerweiterung 1 abgedruckten Entscheidungen anderer Zivilsenate des Bundesgerichtshofs). Diese für die Berufung entwickelten Grundsätze gelten auch für die Revision. Allerdings wird eine Klageänderung, die nicht mit einer Änderung des Klagegrundes verbunden ist oder die auf einer vom Berufungsgericht festgestellten Tatsache beruht, auch noch im Revisionsrechtszug für zulässig erachtet (MünchKomm ZPO/Walchshöfer § 561 Rn. 20 m.w.N.). Damit ist aber nicht gesagt, daß die Klageänderung alleiniges Ziel des Rechtsmittels sein und mit diesem ein neuer Streitgegenstand eingeführt werden könnte. Dies bedeutet, daß die Revision mit dem Ziel, statt der ursprünglich geltend gemachten Gesellschaftsforderung nunmehr einen zum Privatvermögen eines einzelnen Gesellschafters gehörenden Individualanspruch durchzusetzen, unzulässig ist.
5. Dem steht nicht entgegen, daß nach der von der Revision an sich zutreffend wiedergegebenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Fällen, in denen der Alleingesellschafter einer GmbH von einem Dritten schuldhaft geschädigt worden und der Schaden an seinem „Sondervermögen”, seiner Gesellschaft, eingetreten ist, es nach Lage der Dinge im Verhältnis zum Schädiger so angesehen werden kann, daß ihn, den Alleingesellschafter, persönlich ein Schaden getroffen hat (BGHZ 61, 380; Urteil vom 8. Februar 1977 - VI ZR 249/74 = NJW 1977, 1283; ferner Senatsurteil vom 6. Oktober 1988 - III ZR 143/87 = BGHR StrEG § 7 Vermögensschaden 1 [betreffend einen Anspruch nach § 7 StrEG]). Diese Entscheidungen betreffen nämlich sämtlich Fallgestaltungen, in denen der jeweilige Alleingesellschafter von vornherein seinen Eigenschaden geltend gemacht hatte; für die hier in Rede stehende, logisch vorrangige prozessuale Frage, ob ein derartiger Eigenschaden im Wege einer Änderung des Klagegrundes noch in das Revisionsverfahren eingeführt werden kann, läßt sich daraus nichts entnehmen.
Unterschriften
Rinne, Wurm, Streck, Kapsa, Dörr
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 25.02.1999 durch Freitag Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 541253 |
BGHR |
Nachschlagewerk BGH |