Leitsatz (amtlich)
Zur Pflicht des Notars, bei der Beglaubigung einer Unterschrift, durch die ein vollmachtlos geschlossener Vertrag über die Gründung einer GmbH genehmigt wird, über drohende Haftungsrisiken zu belehren.
Normenkette
BNotO § 14 Abs. 1 S. 2; BeurkG § 40
Verfahrensgang
OLG Celle (Urteil vom 23.12.2003; Aktenzeichen 3 U 176/03) |
LG Stade |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats des OLG Celle v. 23.12.2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Beklagte beurkundete am 10.10.1997 die Gründung der HA-H. GmbH (im Folgenden: HA-GmbH). Den Gesellschaftsvertrag schloss der Vater der Klägerin, der für sich selbst und als vollmachtloser Vertreter der Klägerin handelte. Die HA-GmbH wurde gegründet, um die Arbeitnehmer und die Aufträge der insolvent gewordenen HR-B. GmbH zu übernehmen. Mit von dem Beklagten beglaubigter Erklärung v. 22.10.1997 genehmigte die Klägerin die Erklärungen ihres Vaters zur Gründung der HA-GmbH und erteilte ihm nachträglich Vollmacht. Die HA-GmbH wurde bereits vor der Eintragung tätig. Sie machte Verlust und wurde ebenfalls insolvent. Der Konkursverwalter der HA-GmbH nahm die Klägerin als Gesellschafterin auf Zahlung der Stammeinlage und Ausgleich der Unterbilanz in Anspruch.
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Schadensersatz i.H.v. 123.346,53 EUR nebst Zinsen wegen Verletzung notarieller Amtspflichten. Der Beklagte habe sie nicht hinreichend über die mit dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages verbundenen Haftungsrisiken belehrt.
LG und Berufungsgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag, die Klage abzuweisen, weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Die notarielle Beurkundung des Gründungsvertrages der HA-GmbH, bei der die Klägerin durch ihren Vater vertreten gewesen sei, und die Beglaubigung der Unterschrift, mit der die Klägerin die Vertretererklärung genehmigt habe, seien als ein einheitliches Amtsgeschäft zu betrachten. Diesbezüglich habe der Beklagte jedenfalls eine sog. erweiterte Belehrungspflicht gehabt. Ein besonderer Umstand, der eine solche Belehrungspflicht begründet habe, habe in der hier erfolgten "Vertragsaufspaltung" gelegen. Die Klägerin sei dadurch in die Gefahr geraten, als Gesellschafterin zu haften, ohne jemals belehrt worden zu sein. Wäre die Klägerin - was der Beklagte bei der Unterschriftsbeglaubigung pflichtwidrig versäumt habe - über das mit dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages verbundene Haftungsrisiko belehrt worden, hätte sie die Genehmigung nicht erteilt. Es wäre nicht zur Gründung der HA-GmbH gekommen und die Klägerin hätte weder eine Einlage zu leisten gehabt noch auf Unterbilanzhaftung in Anspruch genommen werden können.
II.
Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Prüfung nicht stand.
Nach den bisher getroffenen Feststellungen kann die Klägerin von dem Beklagten nicht Schadensersatz wegen Verletzung notarieller Amtspflichten (§ 19 Abs. 1 S. 1 BNotO) verlangen.
1. Zunächst ist klarzustellen, dass im Streitfall nicht ein "einheitliches Amtsgeschäft", sondern zwei Amtsgeschäfte vorliegen, nämlich die Beurkundung des Gründungsvertrages der HA-GmbH am 10.10.1997 und die Beglaubigung der Unterschrift der diesen Vertrag genehmigenden Klägerin am 22.10.1997. Für die gegenteilige Auffassung nimmt das Berufungsgericht zu Unrecht die in JW 1938, 889 veröffentlichte Entscheidung des Reichsgerichts in Anspruch. Dort ging es um die Beglaubigung von Unterschriften auf einem von dem Notar entworfenen Vertrag (RG a.a.O. S. 890), nicht um die Genehmigung eines früher beurkundeten Vertrages.
2. Auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts kann nicht angenommen werden, der Beklagte habe bei der Beglaubigung der Unterschrift, mit der die Klägerin den durch ihren Vater geschlossenen Gesellschaftsvertrag genehmigt hat, Belehrungspflichten verletzt.
a) Bei der bloßen Beglaubigung einer Unterschrift (§ 40 BeurkG) trifft den Notar nur eine eingeschränkte Prüfungs- und Belehrungspflicht. Zu einer Rechtsbelehrung ist er grundsätzlich nicht verpflichtet. Er muss lediglich prüfen, ob Gründe bestehen, seine Amtstätigkeit zu versagen (§ 40 Abs. 2 i.V.m. §§ 2 bis 5 BeurkG), und die Beteiligten ggf. entsprechend unterrichten (Ganter in Zugehör/Ganter/Hertel, Handbuch der Notarhaftung, 2004, Rz. 1411, m.w.N.). Etwas Anderes, d.h. eine Rechtsbelehrungspflicht hinsichtlich der Bezugsurkunde, ist selbst dann nicht anzunehmen, wenn die Bezugsurkunde von dem beglaubigenden Notar errichtet wurde. Andernfalls müsste er in jedem Fall einer Unterschriftsbeglaubigung nachforschen, ob die Bezugsurkunde von ihm stammt. Der Notar müsste sich deren Inhalt und rechtliche Tragweite wieder vergegenwärtigen. Praktisch müsste er sich in vielen Fällen wieder völlig neu einarbeiten. Im Übrigen wäre das Haftungsrisiko, das sich daraus für den Notar ergäbe, mit der Gebühr für eine Beglaubigung ohne Entwurf nicht angemessen abgegolten (in Zugehör/Ganter/Hertel, Handbuch der Notarhaftung, 2004, Rz. 1411).
b) Bei der Beglaubigung der Unterschrift, die die Klägerin unter die Genehmigungserklärung setzte, könnte den Beklagten allerdings eine an den Entwurf der Genehmigungserklärung knüpfende Belehrungspflicht wie bei einer zur Niederschrift aufgenommenen Urkunde getroffen haben; denn der Beklagte dürfte es übernommen haben, den Text der Genehmigungserklärung zu formulieren (BGH v. 25.2.1994 - V ZR 63/93, BGHZ 125, 218 [226] = MDR 1994, 985; Winkler, BeurkG, 15. Aufl., 2003, § 40 Rz. 49). Die Belehrungspflicht (§ 17 Abs. 1 BeurkG) beträfe aber nur die rechtlichen Folgen der Genehmigungserklärung, d.h. das Wirksamwerden des Geschäfts, nicht den Inhalt und die Ausgestaltung des Vertretergeschäfts (BGH v. 25.2.1994 - V ZR 63/93, BGHZ 125, 218 [225 ff.] = MDR 1994, 985). Die Verletzung einer solchen eingeschränkten Belehrungspflicht wird dem Beklagten jedoch nicht angelastet.
c) Schließlich kann bei Unterschriftsbeglaubigungen (mit und ohne Entwurf) die betreuende Belehrungspflicht (§ 14 Abs. 1 S. 2 BNotO) zum Schutz der Beteiligten vor unerkannten, aber für den Notar erkennbaren Gefahren eingreifen (Rz. 1411 a.E.). Die besonderen Umstände, die hier bei der Unterschriftsbeglaubigung durch den Beklagten einen Hinweis auf die Unterbilanzhaftung geboten hätten, hat das Berufungsgericht darin gesehen, dass eine "Vertragsaufspaltung", d.h. ein nachträglich genehmigter Vertragsschluss durch einen vollmachtlosen Vertreter, stattgefunden habe. Dem kann indes nicht beigetreten werden. Nach der bestehenden Gesetzeslage (§ 6 Abs. 2, § 17 Abs. 1 S. 1 BeurkG, § 14 Abs. 1 S. 2 BNotO) ist der Schutz des Vertretenen bewusst nicht so ausgestaltet, als habe er selbst an der Beurkundung teilgenommen (BGH v. 25.2.1994 - V ZR 63/93, BGHZ 125, 218 [225] = MDR 1994, 985); denn Adressat der notariellen Belehrung sind nur die Beteiligten. Wenn der Vertretene aber das Rechtsgeschäft genehmigt (§ 184 Abs. 1 BGB), erklärt er damit zugleich, er lasse die dem Vertreter erteilte Belehrung gegen sich gelten. Es ist Sache des Vertretenen, sich die erfolgte Belehrung von dem Vertreter erläutern zu lassen oder sich anderweitig zu informieren, bevor er das Geschäft genehmigt (Ganter in Zugehör/Ganter/Hertel, Handbuch der Notarhaftung, 2004, Rz. 1133).
Besondere Umstände, die Anlass zu einer eingehenden Belehrung über drohende Haftungsfolgen gegeben hätten, wären allerdings gegeben, wenn der Beklagte gewusst hätte, dass der Vater der Klägerin vor der Gründung der HA-GmbH bereits mehrere, jeweils insolvent gewordene GmbHs "hatte" und die HA-GmbH als Auffanggesellschaft für eine solche insolvente GmbH dienen sollte. Dann nämlich hätte sich dem Beklagten aufdrängen müssen, dass auf Seiten der Klägerin eine - ggf. auf Informationen ihres Vaters beruhende - hinreichende Kenntnis der bestehenden beträchtlichen Haftungsrisiken nicht erwartet werden konnte. Diesbezügliche konkrete Feststellungen hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Sie können insb. nicht - entgegen der von der Revisionsbeklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Ansicht - der allgemein gehaltenen Wendung des Berufungsgerichts entnommen werden, "der Beklagte habe bereits in der Klageerwiderung eingeräumt, dass ihm die Verhältnisse nicht ganz unbekannt waren".
III.
Das Berufungsgericht wird in der neuen mündlichen Verhandlung zu klären haben, ob der Beklagte die vorgenannten Umstände, die zur Gründung der HA-GmbH führten, kannte und deshalb über die Haftungsfolgen bei einer sofortigen Aufnahme der Geschäfte zu belehren hatte (§ 14 Abs. 1 S. 2 BNotO).
Ggf. wird dann auf die Frage der Rechtsbelehrungspflicht (§ 17 Abs. 1 S. 1 BeurkG) bei der Beurkundung des Gründungsvertrages und die weiteren Rügen der Revision einzugehen sein.
Fundstellen
Haufe-Index 1276684 |
DStR 2005, 487 |
DStZ 2005, 320 |
BGHR 2005, 420 |
NJW-RR 2005, 1003 |
DNotI-Report 2005, 7 |
WM 2005, 622 |
WuB 2005, 483 |
ZIP 2005, 257 |
DNotZ 2005, 286 |
MDR 2005, 299 |
ZGS 2005, 46 |
ZNotP 2005, 73 |