Leitsatz (amtlich)
Zur Rechtsstellung des Treugebers in dem Falle. Daß der Treuhänder das von ihm bei der Ausreise aus der DDR verdeckt übernommene Treugut weiter veräußert (im Anschluß an BGH. Urt. v. 19. März 1993. V ZR 247/91, WN 1993, 998).
Normenkette
BGB §§ 55, 823, 894; ZGB DDR §§ 60 ff.; ZGB DDR §§ 330 ff.
Verfahrensgang
LG Magdeburg |
OLG Naumburg |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 10. Juni 1994 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch Ober die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger und seine Ehefrau waren im Grundbuch von G. in ehelicher Vermögensgemeinschaft als Eigentümer eines Hausgrundstücks eingetragen. Nachdem der Kläger die DDR ohne Genehmigung verlassen hatte, wurde der Rat der Stadt G. mit Wirkung vom 1. Juli 1989 zum staatlichen Verwalter seines „hälftigen Anteils” bestellt. Am 2. Januar 1990 erteilten der Kläger und seine Ehefrau, die ihm in die Bundesrepublik folgen wollte, der Beklagten, der Mutter des Klägers, die notariell beglaubigte Vollmacht, sie beim Abschluß eines Überlassungsvertrags Ober das Grundstück zu vertreten. Die Beklagte schloß am 16. Januar 1990 einen notariellen Vertrag ab, in dem sie das Eigentum an dem Grundstück auf sich übertrug. Sie übernahm zugleich als Alleinschuldnerin durch Grundpfandrechte gesicherte Forderungen in Höhe von 50.552,84 Mark/DDR. Die Beklagte wurde am 20. Juli 1990 als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen. Am 10. Januar 1991 verkaufte sie daß Grundstück an einen Dritten für 125.000 DM. Für diesen wurde eine Auflassungsvormerkung eingetragen, die Rang vor einer weiteren Auflassungsvormerkung aufgrund einstweiliger Verfügung zugunsten des Klägers und seiner Frau hat.
Der Kläger hat behauptet, nach seinem Wegzug habe der Staatssicherheitsdienst seine Frau einbestellt. Damit es sich der Staat nicht „kralle”, sei das Grundstück auf die Beklagte übertragen worden. Vor Erteilung der Vollmacht habe diese versichert, das Grundstück gehöre nach wie vor dem Kläger und seiner Frau, diese könnten jederzeit die Rückübertragung verlangen. Die Vollmacht sei am 16. Juli 1990 widerrufen worden, nachdem sich herausgestellt habe, daß sich die Beklagte an ihre Zusage nicht halte. Demgegenüber hat die Beklagte vorgetragen, der Kläger habe, nachdem er sich an seinem neuen Wohnort ein Haus gekauft hatte, die alten Schulden los werden wollen. Deshalb habe er sie zur Übernahme des Grundstücks und der persönlichen Verbindlichkeiten gedrängt. Dritte hatten es wegen der Belastungen abgelehnt, das Grundstück zu kaufen.
Die Klage auf Rückübertragung des Eigentums, zuletzt auch auf Löschung der zugunsten des Dritten eingetragenen Auflassungsvormerkung, ist in den Tatsacheninstanzen erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt der Kläger den Antrag auf Auflassung an ihn und seine Ehefrau sowie auf Bewilligung der Eigentumseintragung in das Grundbuch fort. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, ein Anspruch auf Bewilligung der Grundbuchberichtigung sei nicht gegeben, denn die im Januar 1992 und Juli 1993 erklärten Anfechtungen der Vollmacht wegen Irrtums und arglistiger Täuschung hätten des Grundes entbehrt. Insbesondere habe die Beklagte keine Pflicht getroffen, den Kläger darüber aufzuklären, daß die staatliche Verwaltung keine tatsächlichen Auswirkungen mehr gehabt habe. Ein Widerruf der Vollmacht habe den bereits abgeschlossenen Überlassungsvertrag nicht berührt. Ein Anspruch auf Rückübertragung des Eigentums wegen ungerechtfertigter Bereicherung scheide aus, denn ein Mißverhältnis zwischen den ausgetauschten Leistungen sei auch dann zu verneinen, wenn das Grundstück einen über den beurkundeten Betrag von 38.100 Mark/DDR hinausgehenden Verkehrswert besessen habe. Die Erklärung der Beklagten, der Kläger könne das Grundstück jederzeit zurückverlangene sei unverbindlich, denn es fehle ihr die nach § 287 ZGB hierfür vorgeschriebene Form. Der Beurkundungsform hätte nach § 518 BGB auch ein Schenkungsversprechen bedurft, aus dem nach § 282 BGB (zudem) keine Ansprüche hergeleitet werden könnten.
Dies bekämpft die Revision mit Erfolg.
II.
1. Rechtlichen Bedenken unterliegt das Berufungsurteil im Ergebnis allerdings nicht, soweit es das Durchgreifen der Anfechtungen der Vollmacht verneint. Zwar hat das Berufungsgericht nicht, wie es nach Art. 232 § 1 EGBGB geboten war, § 70 ZGB als Prüfungsmaßstab herangezogen (vgl. Senatsurt. BGHZ 118, 34, 38; Palandt/Heinrichs, BGB, 55. Aufl., Art. 232 5 1 EGBGB Rdn. 5). Die Gründe, aus denen es die Änfechtungstatbestände der §§ 119, 123 BGB verneint, haben aber auch bei Anwendung des vor dem Beitritt geltenden Rechts Bestand. Die Revision greift den Punkt nicht auf, erhebt insbesondere keine Verfahrensrügen gegen die Feststellungen, von denen das Berufungsgericht ausgeht.
Keine Bedenken gegen die Wirksamkeit des Vertrags vom 16. Januar 1990 ergeben sich auch aus dem Gesichtspunkt, daß die zum 1. Juli 1989 angeordnete Treuhandverwaltung und damit der Entzug der Verfügungsbefugnis des Klägers auch nach Außerkraftsetzung der „Anordnung Nr. 2” durch die Anordnung zur Regelung von Vermögensfragen vom 11. November 1989 (GBl I S. 247) fortbestand. Wie der Senat entschieden hat, wäre die Verfügung über das Eigentum – wenn ihr sonst kein Mangel anhaftete – (jedenfalls) deshalb, weil sie nach dem 14. November 1989 (dem Tat des Inkrafttretens der Anordnung vom 11. November 1989) getroffen wurde, (spätestens) mit Wegfall der staatlichen Verwaltung am 31. Dezember 1992 (§ 11 a VermG) wirksam geworden (BGHZ 123, 58). Ein zwischenzeitlich erfolgter Widerruf der Vollmacht hatte hieran nichts ändern können, denn der fehlende Wille des Verfügenden, den Vertrag zu vollziehen, berührt das Wirksamwerden der Verfügung entsprechend § 185 Abs. 2 Satz 2 2. Alt. BGB nicht (BGH aaO, 5. 64).
2. a) Das Berufungsgericht würdigt jedoch den Vortrag des Klägers rechtlich unvollkommen. Wenn, wovon für die Revisionsinstanz auszugehen ist, der Kläger und dessen Frau das Grundstück deshalb jederzeit zurückverlangen konnten, weil es nach dem Vereinbarten wirtschaftlich ihr Eigentum geblieben war, hatten die Beteiligten, abweichend von der notariellen Urkunde, keinen Überlassungsvertrag geschlossen. Auch ein (Rück-)Schenkungsversprechen, welches das Berufungsgericht zusätzlich zu der Überlassung in Erwägung zieht, würde dem Parteiwillen nicht gerecht (zu einem solchen Falle vgl. Senatsurt. v. 5. November 1993, V ZR 145/92, WM 1994, 250). Vereinbart ist in diesem Falle keine endgültige Übertragung des Eigentums an die Beklagte („Überlassung”), diese sollte vielmehr die Eigentümerstellung nur treuhänderisch für den Kläger und dessen Frau innehaben (Senatsurt. v. 19. März 1993, V ZR 247/91, WM 1993, 998; zu weiteren, durch die Verhältnisse in der DDR veranlaßten Fällen fremdnütziger Treuhandschaft vgl. BGH, Urt. v. 19. September 1995, VI ZR 377/94, WM 1995, 2065; v. 25. Oktober 1995, IV ZR 83/95, zur Veröff. bestimmt). Die Revision hat diesen Gesichtspunkt auch aufgegriffen. Sie hat dem Berufungsgericht vorgehalten, daß es das Rechtsverhältnis der Parteien nicht als „Auftrag (§ 275 ZGB)” oder „Geschäftsbesorgungsvertrag (§§ 197 ff ZGB)” gewertet habe und hat hierzu auf unter Beweis gestellten Vortrag Bezug genommen, wonach der Überlassungsvertrag nur zum Schein abgeschlossen worden sei.
b) Der Umstand, daß die Beklagte die den Grundbuchbelastungen zugrundeliegenden persönlichen Verbindlichkeiten übernahm, steht dem rechtlich nicht entgegen. Der fremdnützige Treuhänder wird zwar im allgemeinen einen Anspruch darauf haben, daß ihm der Treugeber die mit der Verwaltung des Treugutes verbundenen Aufwendungen ersetzt (vgl. hier § 277 ZOB). Die Übernahme der Verbindlichkeiten auf eigene Rechnung durch die Beklagte hatte aber wegen der Abschottung der DDR gegenüber den in den Westen verzogenen Eigentümern, von der der Kläger und seine Ehefrau, wie sie behaupten, bei ihrer Abrede noch ausgingen, ihren Sinn. Ihr stand nach dem Vortrag des Klägers das Recht der Beklagten gegenüber, das Hausgrundstück während der Zeit der treuhänderischen Verwaltung zu nutzen. Mit Beendigung der Treuhandschaft fiel auch die Pflicht der Beklagten, die Lasten zu tragen, weg. Dies ist zwar nicht ausdrücklich Inhalt der von dem Kläger vorgetragenen Treuhandabrede, ergibt sich aber aus dem Treuhandzweck. Die Treugeber hatten für diesen Fall die Verbindlichkeiten befreiend zu übernehmen oder, falls die Gläubiger hierzu ihre Mitwirkung versagten, die Beklagte von den Verbindlichkeiten freizustellen.
c) Revisionsrechtlich ist mithin davon auszugehen, daß die notariell beurkundeten Erklärungen vom 16. Januar 1990 unwirksam sind, denn ihr Inhalt ist nicht vom Rechtsfolgewillen der Parteien gedeckt (§§ 60 ff ZOB). Zum Schein erklärt ist allerdings nicht die Übertragung des Eigentums auf die Beklagte, wohl aber sind dies die Bedingungen, unter denen diese erfolgen sollte („Überlassung” statt gewollter Treuhandschaft). Das Gewollte wiederum war nichtig, da es nicht die nach § 271 Abs. 1 Satz 2 ZOB erforderliche notarielle Urkundsform erlangt hatte (§ 66 Abs. 2 ZGB). Ein anderer rechtlicher Aspekt träte allerdings hervor, wenn die Beteiligten die treuhänderische Übertragung des Eigentum selbst noch nicht zum Gegenstand ihrer Vereinbarung gemacht, sondern nur die Verpflichtung der Beklagten hätten begründen wollen, später das Eigentum als Treuhänderin zu übernehmen. Der Senat hat entschieden, daß ein Vertrag, durch den sich der Auftragnehmer verpflichtet, von einem Dritten ein Grundstück anzukaufen und an den Auftraggeber weiter zu übertragen, nach dem Recht der DDR keiner notariellen Beurkundung bedurfte (Urt. v. 6. Mai 1994, V ZR 30/93, WM 1994, 1298). Ob dies auch zu gelten hätte, wenn der treuhänderische Erwerb unmittelbar zwischen den Beteiligten des Auftragsverhältnisses stattfinden sollte, oder ob in diesem Fall die das Recht der DDR kennzeichnende Einheit des Verpflichtungsgeschäftes und seines Vollzugs (§ 25 ZOB) einer Lösung von dem Formgebot entgegenstand, braucht hier nicht beantwortet zu werden. Dem Klagevortrag sind keine hinreichenden Anhaltspunkte für einen Willen der Beteiligten zu entnehmen, von der Begründung der Eigentümerstellung der Beklagten zunächst abzusehen.
3. Die Frage, ob die Beklagte nach Treu und Glauben daran gehindert wäre, sich auf die Formwidrigkeit der gewollten Treuhandschaft zu berufen (für Umgehungsgeschäfte aus der Zeit der DDR vgl. Senatsurteile v. 26. März 1993, V ZR 107/92, „0≪ 1993. 1041; v. 10. Dezember 1993, V ZR 158/92, WM 1994, 212; vgl. auch BGH, Urt. v. 25. Oktober 1995. V ZR 83/95, zur Veröff. bestimmt). stellt sich hier nicht. Der Treuhandzweck wird nämlich, wie in dem vom Senat am 19 März 1993 entschiedenen Falle CV ZR 247/91, WM 1993. 998), auch sonst erreicht. Der Kläger ist, aus revisionsrechtlicher Sicht, gemeinsam mit seiner Ehefrau Eigentümer des Hausgrundstücks geblieben, denn die Nichtigkeit des Geschäfts vom 16. Januar 1990 erfaßte nach dem Recht der DDR auch dessen dinglichen Vollzug (vgl. oben 2 c; Senatsurt. BGHZ 120, 204, 209). Sollte das Interesse der Eheleute an der Grundbuchberichtigung wegen des zugunsten des vormerkungsberechtigten Dritten wirkenden öffentlichen Glaubens (§§ 892, 893 BGB; Senatsurt. v. 17. Juni 1994, V ZR 204/92, WM 1994, 2253, 2254) entfallen sein. wären sie nicht auf einen an früheren Wertverhältnissen ausgerichteten Wertersatzanspruch (§§ 356, 357 ZGB) verwiesen. Sie könnten vielmehr von der Beklagten Schadensersatz wegen Verletzung ihres Eigentums (hier nach § 823 BGB; für Fälle der Eigentumsverletzung vor dem Beitritt vgl. 55 330, 333, 336 ZGB) fordern. An der Nichtigkeit des Vereinbarten nähme auch die von der Beklagten eingegangene Schuldübernahme teil, so daß sich die von der Revisionserwiderung aufgeworfene Frage einer Verurteilung Zug um Zug gegen Rückgängigmachung der persönlichen Haftung nicht stellt.
4. Die Ansprüche des Klägers sind nicht durch das Vermögensgesetz verdrängt. Dies gilt hier bereits deshalb, weil die Eigentumsübertragung aufgrund des Vertrags vom 16. Januar 1990 nicht mehr unter staatlichem Zwang erfolgt war. Die Verordnung vom 30. November 1988 über Reisen von Bürgern der DDR nach dem Ausland (GBl I S. 271) diente zu diesem Zeitpunkt nicht mehr als Grundlage für Pressionen gegen Ausreisende. Das Gesetz über Reisen von Bürgern der DDR in das Ausland vom 11. Januar 1990 (GBl I 5. 8). das den Grundsatz der Ausreisefreiheit verankerte. war bei Abschluß des Geschäfts der Parteien bereits ausgefertigt. Damit hatte die DDR die Abkehr von dem Vermögensunrecht eingeleitet. Im übrigen stünde das Vermögensgesetz, wie der Senat bereits entschieden hat (Urt. v. 19. März 1993, V ZR 247/91, WM 1993, 998; abweichend in einem obiter dictum BVerwG ZIP 1995, 415), der Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche aus einer Treuhandabrede nicht entgegen.
III.
Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, da bisher keine Feststellungen über den zwischen den Parteien streitigen Rechtsgrund der Eigentumsübertragung getroffen sind (§ 565 ZPO). Im weiteren Verfahren wird der Kläger Gelegenheit haben, seinen bisherigen Antrag auf Bewilligung der Grundbuchberichtigung umzustellen (§§ 894, 1011 BGB i.V.m. Art. 234 §§ 4, 4 a EGBOB) oder zum Schadensersatz überzugehen. Auch den Schadensersatzanspruch kann der Kläger allein verfolgen (Senatsurt. v. 11. Dezember 1992, V ZR 118/91, NJW 1993, 727, 728).
Unterschriften
Hagen, Lambert-Lang, Tropf, Schneider, Krüger
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 12.01.1996 durch Kanik Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 604924 |
BGHR |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 1996, 726 |