Leitsatz (amtlich)
›Zur Zulässigkeit einer Plakataktion, in der Greenpeace die FCKW-Produktion deutscher Unternehmen unter Abbildung der Portraits ihrer Vorstandsvorsitzenden und Namensnennung in satirisch-sarkastischer Weise kritisiert.‹
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main |
LG Frankfurt am Main |
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger ist seit 1985 Vorstandsvorsitzender der Hoechst-AG. Der Beklagte repräsentiert in der Bundesrepublik Deutschland die Umweltschutzorganisation Greenpeace.
Die Hoechst-AG produziert u.a. vollhalogenierte Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW). Solche Stoffe tragen nach herrschender wissenschaftlicher Erkenntnis erheblich zum Ozonabbau in der Stratosphäre, dem sog. Ozonloch, und zur Erwärmung der Erdatmosphäre durch den sog. Treibhauseffekt bei. Im Jahr 1989 kam es zwischen der Hoechst-AG und dem Beklagten zu Gesprächen über die Möglichkeit einer Einstellung der FCKW-Produktion. Am 25. Oktober 1989 unterrichtete der Kläger die Presse darüber, daß sich die Hoechst-AG als erstes und bisher einziges Unternehmen weltweit auf einen Ausstieg aus der Produktion vollhalogenierter FCKW festgelegt habe; die Hoechst-AG werde diese Produktion bis 1990 um mindestens 25%, bis 1992/93 um mindestens 50% und bis 1995 vollständig einstellen. In einer Erklärung vom 30. Mai 1990 übernahm die Hoechst-AG gemeinsam mit der Kali-Chemie-AG gegenüber dem Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit die Verpflichtung, die Produktion dieser FCKW 1991 um mindestens 30% und 1993 um mindestens 50% zu reduzieren und 1995 ganz einzustellen.
Der Beklagte bezeichnete in einer an die Medien verteilten Mitteilung vom 6. Juni 1990 die angekündigten Maßnahmen der FCKW-Hersteller als Etikettenschwindel, weil von den als Ersatzstoffe geplanten teilhalogenierten FCKW und FKW langfristig eine genauso zerstörerische Wirkung ausgehe wie von den jetzt produzierten Stoffen. Drei kündigte der Beklagte eine bundesweite Plakataktion an; auf den Großflächenplakaten würden die beiden Vorsitzenden der Vorstände von Hoechst-AG und Kali-Chemie-AG, die für die Geschäftspolitik einschließlich der weiterhin auf vollen Touren laufenden FCKW-Produktion verantwortlich seien, mit vollem Namen abgebildet, denn es sei
"an der Zeit, daß auch die persönlich für die weitere Zerstörung der Ozonschicht und des Weltklimas Verantwortlichen 'als Personen der Zeitgeschichte' aus dem Schatten ihrer Aufsichtsräte, Vorstände und Firmenidentitäten heraustreten und Farbe bekennen."
Das von dem Grafiker Klaus Staeck entworfene Plakat der Beklagten gibt unter der blickfangmäßigen Überschrift
"Alle reden vom Klima
Wir ruinieren es:"
in ca. 70 x 50 cm großen Fotos das Portrait des Klägers und das des Vorstandsvorsitzenden der Kali-Chemie-AG wieder. Unter dem Portrait des Klägers findet sich der Zusatz
"Prof. Dr. Wolfgang Hilger
HOECHST-AG",
unter dem Portrait des Vorstandsvorsitzenden der Kali-Chemie steht ein entsprechender Hinweis. Darunter heißt es:
"Absolute Spitze bei Ozonzerstörung und Treibhauseffekt: Verantwortlich für die deutsche Produktion des Ozon- und Klimakillers FCKW. Rufen Sie an: HOECHST-AG 069/3050, KALI-CHEMIE 0511/8570. "
Unter diesem Text findet sich der Hinweis
"Eine Information von GREENPEACE".
Der Kläger fühlt sich durch die Plakataktion der Beklagten in seinem Recht am eigenen Bild und in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt. Er begehrt mit seiner Klage die Verurteilung des Beklagten, die Veröffentlichung des Plakats zu unterlassen, sofern es sein Portrait und seinen Namen wiedergibt.
Der Beklagte hat geltend gemacht, er leiste mit seiner Aktion einen Beitrag zum umweltpolitischen Meinungskampf, der durch sein Recht auf freie Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 GG gerechtfertigt sei; im übrigen handele es sich bei dem Plakat um ein typisches Beispiel der politischen Werkkunst, so daß sein Vorgehen außerdem in der Kunstfreiheitsgarantie des Art. 5 Abs. 3 GG eine Stütze finde.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat ihr stattgegeben. Mit der (zugelassenen) Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist das Unterlassungsbegehren des Klägers nach §§ 22, 23 KUG, §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB begründet. Das Recht des Klägers an seinem Bild und seinem Namen werde als Teil seines Persönlichkeitsrechts durch die bundesweite Plakataktion des Beklagten in einer Intensität beeinträchtigt, die er auch als absolute Person der Zeitgeschichte i.S. des § 23 Abs. 1 KUG nicht hinnehmen müsse. Zwar berufe sich der Beklagte grundsätzlich zu Recht auf sein Grundrecht auf Meinungsäußerungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG, das in seiner wertsetzenden Bedeutung bei der Auslegung der §§ 22, 23 KUG sowie der §§ 823 Abs. 1 und 1004 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen sei. Dieses Grundrecht, nach dem bei Beiträgen zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage die Vermutung für die Zulässigkeit freier Rede spreche, beschränke den Beklagten auch nicht auf eine ausgewogene und schonende Kritik und Darstellung, vielmehr dürfe er durchaus zu scharfen, übersteigerten und auch einseitigen Äußerungen und Mitteln greifen, um auf die eminenten Gefahren der FCKW-Produktion hinzuweisen. Indes führe die Güterabwägung, die im Rahmen des § 23 Abs. 2 KUG vorzunehmen sei, zu dem Ergebnis, daß das Recht des Beklagten auf Meinungsäußerungsfreiheit gegenüber der Schwere der Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers, die mit der Veröffentlichung seines Bildnisses und der Nennung seines Namens auf dem Plakat verbunden sei, zurücktreten müsse. Von dieser bundesweit angelegten Plakataktion gehe - anders als etwa von einem kritischen Zeitungsartikel - eine Prangerwirkung aus; sie erinnere den Betrachter des Plakats an einen Steckbrief, der ihm die Tat und das Bild des Klägers als des wegen der Tat öffentlich zu verachtenden Täters offenbare. Die Schwere dieser Persönlichkeitsverletzung werde noch durch die Einseitigkeit der Prangerwirkung verstärkt; der Kläger werde in ein ungerechtfertigtes "schiefes Licht" gestellt, weil mit dem Plakat der Eindruck erweckt werde, daß gerade er eine Vorreiterrolle bei der Ruinierung des Klimas übernommen habe, während in Wahrheit die Hoechst-AG versuche, beim Ausstieg aus der FCKW-Produktion allen anderen voranzugehen. Am Vorrang des Persönlichkeitsrechts des Klägers ändere sich auch dann nichts, wenn man das Plakat wegen seines satirischen Inhalts und seiner typischen Werkkunst-Aussage als Kunst und den Beklagten als Träger der Kunstfreiheitsgarantie aus Art. 5 Abs. 3 GG betrachte; eine so schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts, wie sie hier vorliege, werde auch vom Schutz der Kunstfreiheit nicht erfaßt.
II. Diese Erwägungen halten im Ergebnis einer Nachprüfung nicht stand.
1. Allerdings erweisen sich die rechtlichen Überlegungen des Berufungsgerichts in ihrem Ausgangspunkt als zutreffend.
a) Soweit sich der Kläger gegen die Veröffentlichung seines Bildes wendet, beruht sein Begehren auf § 22 KUG, nach dem Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden dürfen. Das dort gewährleistete Recht am eigenen Bild - eine besondere Erscheinungsform des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (BVerfGE 35, 202, 224 und st. Rspr. des Senats, vgl. zuletzt Senatsurteile vom 14. Oktober 1986 - VI ZR 10/86 - NJW-RR 1987, 231 m.w.N. und vom 14. April 1992 - VI ZR 285/91 - NJW 1992, 2084), dessen Verletzung u.a. einen Unterlassungsanspruch nach §§ 823, 1004 BGB auslösen kann - ist indes nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG für Personen der Zeitgeschichte, zu denen das Berufungsgericht den Kläger rechtsfehlerfrei zählt, eingeschränkt. Diese Einschränkung tritt jedoch nach § 23 Abs. 2 KUG u.a. dann zurück, wenn durch die Verbreitung des Bildnisses ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird. Ob dies der Fall ist, bestimmt sich nach einer Abwägung, in der darüber zu befinden ist, ob dem Stellenwert des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Abgebildeten, das die Rechte aus §§ 22 f KUG umfaßt, gegenüber der mit der Abbildung in Anspruch genommenen Rechtsposition der Vorrang gebührt (vgl. Senatsurteil vom 16. September 1966 - VI ZR 268/64 - NJW 1966, 2353 ff.). Auch soweit sich der Kläger gegen die Nennung seines Namens wendet, findet sein Begehren in dem durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleisteten allgemeinen Persönlichkeitsrecht und in §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB eine Stütze. Ob eine Verletzung dieses Rechts vorliegt, ist ebenfalls anhand des zu beurteilenden Einzelfalls auf Grund einer Güter- und Interessenabwägung festzustellen; denn wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muß grundsätzlich erst durch eine Güterabwägung mit den schutzwürdigen Interessen der anderen Seite bestimmt werden (st. Rspr., zuletzt Senatsurteil vom 13. November 1990 - VI ZR 104/90 - NJW 1991, 1532, 1533). Damit kommt es unter den beiden rechtlichen Gesichtspunkten, auf die der Kläger seinen Unterlassungsanspruch stützt, darauf an, ob dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers ein größeres Gewicht beizumessen ist als den Rechtsgründen, die der Beklagte für seine Plakataktion in Anspruch nehmen kann.
b) Der Beklagte beruft sich für seine Plakataktion in erster Linie auf die Meinungsäußerungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG. Die Gerichte haben der Bedeutung dieses Grundrechts bei der Auslegung und Anwendung der Vorschriften des Privatrechts Rechnung zu tragen (BVerfGE 86, 122, 128 f. m.w.N.). Dem ist das Berufungsgericht gefolgt. Es geht davon aus, daß der Beklagte Träger dieses Grundrechts ist und daß das Plakat am Schutz des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG teilhat. Der Senat teilt diese Auffassung.
aa) Der Plakattext wird in seiner Gesamtheit von der Meinungsäußerungsfreiheit erfaßt.
Ohne Erfolg macht die Revisionserwiderung geltend, daß sich die Text-Bild-Gesamterklärung des Plakats als Tatsachenbehauptung darstelle, die als unwahr durch Art. 5 Abs. 1 GG nicht geschützt sei. Allerdings ist der Revisionserwiderung zuzugeben, daß der Text des Plakats eine Reihe von Tatsachenbehauptungen enthält, nämlich die Behauptung, daß die Hoechst-AG zusammen mit der Kali-Chemie-AG in erster Linie für die deutsche Produktion von FCKW verantwortlich ist, daß der Kläger die Hoechst-AG in dieser Verantwortung repräsentiert und daß die FCKW-Produktion zur Zerstörung der Ozonschicht und zum Treibhauseffekt beiträgt. Dies sind indes wahre Tatsachen. Der Wahrheitsgehalt dieser Äußerungen wird nicht dadurch in Frage gestellt, daß der Text unerwähnt läßt, daß sich die Hoechst-AG auf einen Ausstieg aus der FCKW-Produktion festgelegt und zu einer stufenweisen Reduzierung dieser Produktion bis zur vollständigen Produktionseinstellung im Jahr 1995 verpflichtet hat. Es kann dahinstehen, ob für den Beklagten eine Verpflichtung bestanden hätte, auf eine in Kürze bevorstehende Produktionseinstellung hinzuweisen. Da die Hoechst-AG indes nach ihrer eigenen Erklärung die Produktion vollhalogenierter FCKW in zwar stufenweise reduziertem, jedoch weltweit weiterhin ins Gewicht fallendem Ausmaß bis in das Jahr 1995 fortsetzt, bestand für den Beklagten keine Veranlassung, seine Behauptung, die Hoechst-AG produziere in erster Reihe ("absolute Spitze") weiterhin FCKW, mit einem Hinweis auf die weiteren Produktionspläne zu versehen. Hierfür bestand um so weniger Veranlassung, als die ins Auge gefaßten teilhalogenierten Ersatzstoffe nach dem unwidersprochenen Vortrag des Beklagten ebenfalls klimaschädigend sind, indem sie zumindest zu dem sog. Treibhauseffekt beitragen.
Auf dieser Tatsachenbasis beruhen Wertungen, die der Gesamtaussage ihr Gepräge geben. In der Wendung "Wir ruinieren es" liegt die Anklage einer als für das Klima verhängnisvoll bewerteten unternehmerischen Entscheidung. Der Hinweis "Verantwortlich für die deutsche Produktion" enthält über den Tatsachengehalt hinaus den Vorwurf, daß die FCKW-Produktion der Hoechst-AG normativ dem Kläger als dem Repräsentanten der Hoechst-AG und einem Entscheidungsträger für ihre Produktion zuzurechnen sei. Die Aufforderung "Rufen Sie an: ... " bringt den Gedanken zum Ausdruck, daß eine Einwirkung der Öffentlichkeit auf die beiden FCKW produzierenden Unternehmen geboten sei, um der Klimazerstörung Einhalt zu gebieten.
Die Textanalyse läßt deutlich werden, daß es hier um ein Zusammenwirken von Tatsachenbehauptungen und Wertungen geht. Damit wird der Text in seiner Gesamtheit von der Schutzwirkung des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG erfaßt; auch Tatsachenbehauptungen sind durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit geschützt, weil und soweit sie Voraussetzungen der Bildung von Meinungen sind, die Art. 5 Abs. 1 GG gewährleistet. Sofern eine Äußerung, in der Tatsachen und Meinungen sich vermengen, durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind, wird sie als Meinung von dem Grundrecht geschützt. Das gilt insbesondere dann, wenn eine Trennung der wertenden und der tatsächlichen Gehalte den Sinn der Äußerung aufhöbe oder verfälschte (BVerfGE 85, 1, 15). So liegen die Dinge hier. Das Plakat erfüllt nur in seiner Gesamtheit seine für den Durchschnittsbetrachter offensichtliche Zweckbestimmung, nämlich die umweltpolitische Kritik von Greenpeace an der FCKW-Produktion.
bb) Auch die übrige Ausgestaltung des Plakats fällt in den Schutzbereich der Meinungsäußerungsfreiheit. Das gilt insbesondere für den Abdruck des Portraits des Klägers und die Nennung seines Namens, die Teile der Gesamtaussage des Plakats sind. Das Bild soll die Wirkung des Textes verstärken, indem es die Hoechst-AG für den Betrachter in der Person des Klägers sichtbar werden läßt. Die Namensnennung verfolgt die gleiche Zielrichtung; sie will deutlich machen, daß für die Unternehmenspolitik auch so großer Wirtschaftsunternehmen wie der Hoechst-AG Personen verantwortlich sind. Diese Personalisierung des Angriffs bezweckt eine Wirkungssteigerung der Meinungsäußerung, die von dem Schutz des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG erfaßt wird. Ebenso sind die satirische Ausdrucksform der Überschrift ("Alle reden vom Klima. Wir ruinieren es") sowie der Sarkasmus der Einleitung des ersten Satzes ("Absolute Spitze .. ") Formen der Meinungsäußerung, die deren Effekt erhöhen sollen.
2. Dem Recht des Beklagten auf freie Meinungsäußerung steht, wie gesagt, das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers hier vornehmlich unter zwei Aspekten gegenüber. Die Rechtspositionen beider Parteien sind damit gegeneinander abzuwägen. Diese Abwägung erfolgt sowohl auf der Grundlage einer generellen Betrachtung des Stellenwerts der betroffenen Grundrechtspositionen, als auch unter Berücksichtigung der Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung im konkreten Fall (vgl. BVerfGE 35, 202, 225; 85, 1, 16; 86, 1, 11; Senatsurteil vom 30. Mai 1978 - VI ZR 117/76 - NJW 1978, 1797, 1798). Die danach gebotene Gewichtung der Grundrechtsbetroffenheit beider Seiten hat das Berufungsgericht zu dem Ergebnis geführt, daß im Streitfall die Meinungsäußerungsfreiheit des Beklagten gegenüber der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers, die mit der Veröffentlichung seines Bildes und der Nennung seines Namens auf dem Plakat verbunden ist, zurücktreten muß. Dem vermag sich der Senat nicht anzuschließen.
a) Das Bundesverfassungsgericht und der Bundesgerichtshof haben in zahlreichen Entscheidungen für die Beurteilung einer Konfrontation von allgemeinem Persönlichkeitsrecht und Meinungsäußerungsfreiheit Grundsätze entwickelt. Danach gilt folgendes:
Da es der Sinn jeder zur Meinungsbildung beitragenden öffentlichen Äußerung ist, Aufmerksamkeit zu erregen, sind angesichts der heutigen Reizüberflutung aller Art einprägsame, auch starke Formulierungen hinzunehmen (BVerfGE 24, 278, 286). Das gilt auch für Äußerungen, die in scharfer und abwertender Kritik bestehen, mit übersteigerter Polemik vorgetragen werden oder in ironischer Weise formuliert sind (Senatsurteil vom 20. Mai 1986 - VI ZR 242/85 - VersR 1986, 992). Der Kritiker darf seine Meinung grundsätzlich auch dann äußern, wenn sie andere für "falsch" oder für "ungerecht" halten (Senatsurteil vom 30. Mai 1978 - VI ZR 117/76 - aaO). Auch die Form der Meinungsäußerung unterliegt der durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Selbstbestimmung des Äußernden (BVerfGE 60, 234, 241). Verfolgt der Äußernde nicht eigennützige Ziele, sondern dient sein Beitrag dem geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage, dann spricht die Vermutung für die Zulässigkeit der Äußerung; eine Auslegung der die Meinungsfreiheit beschränkenden Gesetze, die an die Zulässigkeit öffentlicher Kritik überhöhte Anforderungen stellt, ist mit Art. 5 Abs. 1 GG nicht vereinbar (BVerfGE 42, 163, 170; 66, 116, 139; 68, 226, 232). Für die Beurteilung der Reichweite des Grundrechtsschutzes aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG kommt es ferner maßgeblich darauf an, ob und in welchem Ausmaß der von den Äußerungen Betroffene seinerseits an dem von Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Prozeß öffentlicher Meinungsbildung teilgenommen, sich damit aus eigenem Entschluß den Bedingungen des Meinungskampfes unterworfen und sich durch dieses Verhalten eines Teils seiner schützenswerten Privatsphäre begeben hat (BVerfGE 54, 129, 138). Erst wenn bei einer Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Herabsetzung der Person im Vordergrund steht, hat die Äußerung - auch wenn sie eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Frage betrifft - als Schmähung regelmäßig hinter dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zurückzutreten (BVerfGE 82, 272, 283 f.; 85, 1, 16).
b) Nach diesen Beurteilungsgrundsätzen muß der Kläger die Veröffentlichung des Plakats hinnehmen.
Der Beklagte verfolgt mit der Plakataktion keine eigennützigen Ziele, vielmehr behandelt er ein Thema, das wegen seiner elementaren Bedeutung zu engagierten Meinungsäußerungen herausfordert. Die Beeinträchtigung des Klimas durch FCKW ist ein drängendes Problem unserer Zeit. Die Plakataktion des Beklagten stellt sich damit als ein Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage dar. Für sie spricht deshalb nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Vermutung der rechtlichen Zulässigkeit.
In dieselbe Richtung wirkt der Umstand, daß der Kläger von sich aus bereits mit diesem Thema an die Öffentlichkeit getreten ist. Er hat am 25. Oktober 1989 in einer Presse-Information in umfangreichen Ausführungen zu der Frage Stellung genommen, weshalb die Hoechst-AG die FCKW- Produktion (noch) nicht einstellt. Damit hat sich nicht allein das von ihm geführte Unternehmen, sondern der Kläger persönlich als dessen Repräsentant noch vor der Plakataktion des Beklagten in die öffentliche Meinungsbildung zu diesem Thema eingeschaltet. Nach der Mitteilung von Greenpeace vom 6. Juni 1990 haben u.a. die Erklärungen der deutschen FCKW-Hersteller bei dem im Umweltschutz sich besonders engagierenden Beklagten den Eindruck eines "Etikettenschwindels" erzeugt und damit die Plakataktion überhaupt erst veranlaßt.
Der Senat teilt nicht die Auffassung des Berufungsgerichts, daß die Plakataktion eine gegen die Person des Klägers gerichtete unzulässige Prangerwirkung entfalte oder als Schmähung hinter seinem Persönlichkeitsrecht zurücktreten müsse. Die Veröffentlichung des Portraits und die Nennung des Namens des Klägers bezwecken, wie gesagt, eine Steigerung der Wirkung der Aussagen des Plakats auf den Betrachter und eine Erhöhung des Aufforderungseffekts gegenüber dem Kläger. Dabei richten sich die Angriffe aber nicht gegen den Kläger als Privatperson, sondern als denjenigen, der einen der beiden deutschen FCKW-Produzenten als verantwortlicher Entscheidungsträger repräsentiert. Allein die FCKW-Produktion und deren Folgen sind die Themen des Plakats. In diesem Zusammenhang spielt die Person des Klägers nur insofern eine Rolle, als er nach Auffassung des Beklagten als Entscheidungsträger für die Produktion des von ihm geführten Unternehmens verantwortlich ist. Das folgt auch aus dem Text des Plakats selbst, in dem der Beklagte dem Namen des Klägers den Namen des von ihm geleiteten Unternehmens hinzugefügt und damit zum Ausdruck gebracht hat, daß der Kläger in seiner Eigenschaft als Verantwortungsträger seines Unternehmens das Ziel des Angriffs ist. Davon geht auch das Berufungsgericht aus. Wegen dieser offenkundigen und überdies durch den Plakattext noch verdeutlichten Zusammenhänge vermag der Senat eine gegen den Kläger als Privatperson gerichtete Prangerwirkung nicht zu erkennen. Das bedeutet nicht, daß die Plakataktion für die Privatsphäre des Klägers ohne Belastungen ist; der Hinweis der Revisionserwiderung auf mögliche Aggressionen ihm gegenüber, die durch die Aktion provoziert werden können, ist für die Interessen- und Güterabwägung durchaus beachtlich. Im Streitfall vermögen aber auch solche Befürchtungen ein Verbot der Plakataktion nicht zu rechtfertigen. Sie haben letztlich ihren Ausgangspunkt weniger in der Aktion des Beklagten als vielmehr in dem Sachanliegen, das wegen seiner existentiellen Bedeutung für alle zu solchen Konfrontationen veranlassen kann. Sie müssen in Grenzen in Kauf genommen werden, wenn die Meinungsfreiheit auch und gerade in der geistigen Auseinandersetzung um solche existentielle Fragen gelten soll. Sofern sie hier den Kläger betreffen, wird er in seiner Eigenschaft als Verantwortungsträger seines Unternehmens belastet, das für das im Umweltschutz besonders engagierte Lager wegen seiner nicht nur in Deutschland, sondern weltweit ins Gewicht fallenden Produktion von FCKW das gegnerische Lager repräsentiert. Nach Auffassung des Senats erlaubt es Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG, unter diesen besonderen Umständen die Kritik an einer unternehmerischen Entscheidung, mit der - jedenfalls nach der Vorstellung des Beklagten - die im Plakat genannten weitreichenden Folgen für die Allgemeinheit verbunden sind, in der öffentlichen Diskussion nicht anders als die Kritik an weitreichenden politischen Entscheidungen auf die Person dessen auszurichten, der als Verantwortungsträger angesehen wird. Die Bedeutung des Grundrechts der Meinungsfreiheit für einen freien und offenen politischen Prozeß (vgl. BVerfGE 7, 198, 208) läßt es nicht zu, einer Person, die sich kraft ihrer Stellung Entscheidungen von einer Tragweite zurechnen lassen muß, wie sie hier zur Erörterung stehen, die Möglichkeit zu gewähren, durch die Berufung auf ihre Privatsphäre eine solche Kritik zu unterbinden. Das gilt erst recht, wenn - wie hier - der Angegriffene schon zuvor von sich aus an dem zu diesem Thema geführten Prozeß öffentlicher Meinungsbildung intensiv teilgenommen hat.
3. Da somit das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers im Streitfall schon gegenüber der Meinungsäußerungsfreiheit des Beklagten zurücktreten muß, kann auf sich beruhen, ob sich der Beklagte für seine Plakataktion auch auf die Kunstfreiheitsgarantie aus Art. 5 Abs. 3 GG berufen kann.
Fundstellen
Haufe-Index 2993228 |
DB 1994, 215 |
NJW 1994, 124 |
BGHR BGB § 1004 Abs. 1 Persönlichkeitsrecht 2 |
BGHR GG Art. 5 Abs. 1 Text-Bild-Gesamterklärung 1 |
BGHR KUG § 22 Bildnis 1 |
DRsp I(150)349a |
NVwZ 1994, 618 |
GRUR 1994, 391 |
WM 1993, 2214 |
ZIP 1993, 1801 |
AfP 1993, 736 |
JZ 1994, 413 |
JuS 1994, 346 |
MDR 1994, 558 |
VersR 1994, 57 |