Leitsatz (amtlich)
Mit der Neufassung von § 10 Abs. 8 AMG, wonach auf die Angabe des Parallelimporteurs auf der Blisterpackung verzichtet werden kann, und mit dem damit verfolgten Zweck, Handelshemmnisse beim Parallelimport von Arzneimitteln innerhalb der Europäischen Union abzubauen, ist es nicht zu vereinbaren, den Parallelimporteur unter dem Gesichtspunkt unlauteren Wettbewerbsverhaltens als verpflichtet anzusehen, die ursprüngliche Herstellerangabe zu entfernen.
Normenkette
UWG § 1; AMG § 10 Abs. 8
Verfahrensgang
OLG Hamburg (Urteil vom 27.04.2000) |
LG Hamburg |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 3. Zivilsenat, vom 27. April 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin, ein in Deutschland ansässiges Pharmaunternehmen, produziert und vertreibt das Arzneimittel „Bricanyl” zur Behandlung der Atemwege. Sie ist Lizenznehmerin der Marke Nr. 882 157 „BRICANYL”, eingetragen für „pharmazeutische Erzeugnisse”, deren Inhaberin ihre Muttergesellschaft ist.
Die Beklagte, eine Parallelimporteurin von Arzneimitteln, beabsichtigt, das Arzneimittel „Bricanyl”, das im Ausfuhrmitgliedstaat unter der Bezeichnung „Bricanyl 2,5” vertrieben wird, gemäß den von ihr der Klägerin übersandten Mustern in Deutschland zu vertreiben.
Die Klägerin hat das als Markenverletzung und als wettbewerbswidrig beanstandet und im Wege der einstweiligen Verfügung ein Verbot entsprechend dem im Streitfall begehrten Unterlassungsgebot erstritten.
Die beanstandete Aufmachung der Blisterpackung enthält auf der Rückseite den Hinweis „N.V. A. S.A. BRICANYL® 2,5 (terbutalin.) 2,5 mg”. Das genannte Unternehmen hat das Arzneimittel im Ausfuhrmitgliedstaat mit Zustimmung der Markeninhaberin erstmals in den Verkehr gebracht.
Die Klägerin hat geltend gemacht, die Firmenangabe auf der Blisterpackung werde als Hinweis auf den pharmazeutischen Unternehmer verstanden. Dieser sei die Beklagte als Parallelimporteurin des Arzneimittels. Auf sie werde auf der Blisterpackung aber nicht hingewiesen. Außerdem enthalte diese die in Deutschland unzutreffende Arzneimittelbezeichnung „Bricanyl 2,5”; in Deutschland sei das Arzneimittel unter „Bricanyl” zugelassen. Diese Aufmachung beeinträchtige den Originalzustand der Ware, insoweit liege eine mittelbare Markenverletzung vor. Außerdem verstoße die Beklagte gegen § 10 Abs. 8 Satz 1 AMG i.V. mit § 1 UWG, weil sie den pharmazeutischen Unternehmer und die Arzneimittelbezeichnung nicht zutreffend angebe. Des weiteren fehle auch das Verfalldatum und der Hinweis „Verwendbar bis” auf der Blisterpackung.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen,
das Arzneimittel Bricanyl mit den aus der Anlage K 2 in Ablichtung ersichtlichen Blisterpackungen in der Bundesrepublik Deutschland feilzuhalten und/oder in den Verkehr zu bringen.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat geltend gemacht, bei dem Fertigarzneimittel „Bricanyl” handele es sich um ein fiktiv zugelassenes Altarzneimittel, für das die Vorschrift des § 10 Abs. 8 Satz 1 AMG nicht gelte. Die Firmenangabe auf der Blisterpackung sei nicht irreführend, weil der sorgfältige, vernünftige und aufmerksame Verbraucher die Blisterpackung eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels stets mit der Faltschachtel und der Gebrauchsinformation aufbewahre, die beide alle nach dem Arzneimittelgesetz erforderlichen Angaben enthielten.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.
Die Berufung ist erfolglos geblieben.
Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat einen Wettbewerbsverstoß der Beklagten angenommen. Dazu hat es ausgeführt:
Ob in dem beabsichtigten Verhalten der Beklagten eine Markenverletzung liege, könne, ebenso wie die Frage, welche wettbewerbsrechtliche Bedeutung das Fehlen des Verfalldatums und der Angabe „Verwendbar bis” habe, offenbleiben.
Gegenstand des Unterlassungsantrags gemäß dem Verbotsausspruch des Landgerichts sei das Feilhalten und/oder Inverkehrbringen des Arzneimittels mit der Blisterpackung gemäß Anlage K 2 mit dem Hinweis auf die „N.V. A. S.A.” und ohne sonstige erläuternde Angaben. Hierfür sei die Klägerin als unmittelbar Verletzte klagebefugt.
Das Unterlassungsbegehren sei im Hinblick auf die Firmenangabe auf der Blisterpackung zwar nicht nach § 10 Abs. 8 Satz 1 AMG a.F. i.V. mit § 1 UWG, aber nach § 1 UWG wegen unlauterer Behinderung begründet.
Die Blisterpackung enthalte mit der Angabe „N.V. A. S.A.” den unzutreffenden Hinweis, daß ein Unternehmen aus dem Konzern der Klägerin der pharmazeutische Unternehmer i.S. von § 4 Abs. 18 AMG sei. Hiervon sei die im Inland tätige Klägerin unmittelbar betroffen, sie müsse damit rechnen, als vorgeblich für den Vertrieb des Arzneimittels verantwortliches Unternehmen in Anspruch genommen zu werden. Eine Gesamtwürdigung aller Umstände falle zum Nachteil der Beklagten aus, weil für sie keine wesentlichen Umstände sprächen, während die Klägerin sich dem Haftungsrisiko gegenüber sehe.
Gemeinschaftsrechtliche Vorschriften stünden dem Unterlassungsgebot nicht entgegen.
II. Die hiergegen gerichtete Revision hat Erfolg; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache.
1. Das Berufungsgericht hat seine Auffassung, in dem beabsichtigten Verhalten der Beklagten liege eine wettbewerbswidrige Behinderung, im wesentlichen darauf gestützt, daß auf der angegriffenen Blisterpackung des fiktiv zugelassenen Altarzneimittels „Bricanyl” – anders als es § 10 Abs. 8 Satz 1 AMG für ausdrücklich zugelassene Arzneimittel vorsah – der pharmazeutische Unternehmer nicht angegeben sei.
Ungeachtet der Frage, ob die Entscheidung des Berufungsgerichts im Zeitpunkt ihres Erlasses eine tragfähige Rechtsgrundlage hatte, kann das wettbewerbsrechtlich begründete Unterlassungsgebot nach der Änderung des § 10 Abs. 8 durch das Zehnte Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 4. Juli 2000 (BGBl. I S. 1002) nicht aufrechterhalten werden.
Der in § 10 Abs. 8 AMG eingefügte Satz 2 lautet: „Auf die Angabe von Namen und Firma eines Parallelimporteurs kann verzichtet werden”. Dies läßt erkennen, daß – jedenfalls für einen (im Streitfall in Rede stehenden) Parallelimport – nicht von einer Wertung des Gesetzgebers dahin ausgegangen werden kann, daß die Angabe des pharmazeutischen Unternehmers i.S. von § 4 Abs. 18 AMG von so erheblicher Bedeutung ist, daß die Angabe auch für Altarzneimittel, soweit die Vorschrift des § 10 AMG auf sie keine Anwendung findet, nach der allgemeinen Vorschrift des § 1 UWG unter dem Aspekt der Behinderung durchgesetzt werden müßte. Da die angeführte Gesetzesänderung den Abbau eines Hindernisses für den freien Warenverkehr beim Parallelimport innerhalb der Europäischen Union bezweckt, würde diesem Zweck entgegengehandelt, wenn der Parallelimporteur verpflichtet würde, die Blisterpackung dahin zu verändern, daß – zwar nicht der pharmazeutische Unternehmer angegeben wird – die ursprüngliche Herstellerangabe aber entfernt werden müßte.
Bei dieser Sachlage kann das nach Auffassung des Berufungsgerichts für die Klägerin gegebene Haftungsrisiko aus § 84 AMG bei der Abwägung aller Umstände nicht derart überwiegen, daß der Beklagten die für ein Überkleben der Angabe des ursprünglichen Herstellers notwendigen Arbeitsschritte zugemutet werden könnten. Das gilt um so mehr, als mit der neuen Fassung der Vorschrift gerade ein Hindernis für einen Parallelimport abgebaut werden sollte.
2. Das Berufungsgericht wird sich, nachdem die von ihm angeführte Begründung aus dem Gesichtspunkt der wettbewerbswidrigen Behinderung (§ 1 UWG) die Verurteilung der Beklagten nicht zu tragen vermag, mit den von ihm bisher nicht behandelten Anspruchsgrundlagen aus dem Markengesetz und aus § 3 UWG auseinandersetzen müssen.
III. Danach war auf die Revision der Beklagten das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Ullmann, v. Ungern-Sternberg, Starck, Bornkamm, Schaffert
Fundstellen
Haufe-Index 893663 |
NJW 2003, 2989 |
BGHR 2003, 502 |
BGHR |
NJW-RR 2003, 1038 |
GRUR 2003, 447 |
Nachschlagewerk BGH |
WRP 2003, 503 |
MarkenR 2003, 149 |
Mitt. 2003, 226 |