Leitsatz (redaktionell)
Zur Berechnung des Minderwerts bei schwammbefallenen, abbruchreifen Gebäuden.
Normenkette
BGB § 472
Verfahrensgang
OLG Stuttgart (Urteil vom 16.12.1969) |
LG Rottweil |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 16. Dezember 1969 wird insoweit zurückgewiesen, als der in der Berufungsinstanz gestellte Antrag der Klägerin auf Feststellung, daß die Wertsicherungsklausel in Abschnitt I Buchstabe b des Kaufvertrages vom 9. Oktober 1962 ab 1. Dezember 1969 unwirksam sei (Berufungsantrag Nr. 5), abgewiesen worden ist.
Im übrigen, auch hinsichtlich der Kostenentscheidung, wird das vorgenannte Urteil auf die Revision der Klägerin aufgehoben.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Am 9. Oktober 1962 verkaufte die damals 73jährige Beklagte ihr Hausanwesen S. Straße … in F. an die Klägerin und deren Ehemann. Das verkaufte Anwesen bestand aus einem Grundstück von 440 qm, das mit einem im Jahre 1906 errichteten Wohnhaus bebaut war, und zwei Miteigentumsanteilen an benachbarten Wegeparzellen. Als Gegenleistung bezahlten die Käufer 10.000 DM in bar, verpflichteten sich, der Beklagten auf Lebenszeit eine Monatsrente zu zahlen, und gewährten ihr ein unentgeltliches Wohnrecht an bestimmten Räumen des Hauses. Die Rente, hinsichtlich deren sich die Käufer im notariellen Vertrag der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwarfen, sollte ab 1. November 1962 monatlich 800 DM betragen. Sie wurde laut Vertrag (Abschnitt I Buchst. b)
„zu Wertsicherungszwecken derart an den Monatsgrundgehalt eines Landesbeamten der Besoldungsgruppe 9 a Dienstaltersstufe 9 angeglichen, daß, ausgehend von 800 DM Monatsgrundgehalt und gerechnet ab 1. Januar 1963, jede Steigerung oder Minderung zu berücksichtigen ist. Sowohl die Verkäuferin als auch die Käufer können verlangen, daß anstelle der Monatsrente von 800 DM ein monatlich entsprechend gesteigerter oder gesenkter Betrag bezahlt wird, der sich im selben Umfange steigert oder senkt, wie sich der schon erwähnte Grundgehalt des erwähnten Beamten steigert oder senkt.”
Machte die Beklagte, was ihr nach dem Vertrag freistand, von dem ihr eingeräumten Wohnrecht keinen Gebrauch, dann sollte sie stattdessen von den Käufern monatlich 100 DM erhalten.
Das verkaufte Anwesen wurde am 1. November 1962 übergeben. Nachdem der Ehemann der Klägerin seine vertraglichen Rechte an die Klägerin abgetreten hatte, wurde diese als neue Eigentümerin im Grundbuch eingetragen. Im Februar 1963 zog die Beklagte aus; das Wohnrecht wird von ihr nicht in Anspruch genommen.
Als die Klägerin kurze Zeit nach dem Erwerb das Haus instandsetzen und umbauen wollte, stellte sich heraus, daß es von Hausschwamm und Kellerschwamm befallen war; außerdem zeigten sich an den Holzteilen sonstige Fäulnis- und von Insekten herrührende Fraßschäden. Die Klägerin ließ daraufhin umfangreiche Sanierungsmaßnahmen mit Trockenlegung von Teilen des Grundstücks durchführen. Darüber hinaus gestaltete sie das Gebäude teilweise um, modernisierte es und ließ es von Grund auf erneuern. Da sich die Parteien über die Mängelhaftung der Beklagten nicht einigen konnten, stellte die Klägerin ab Ende März 1963 die Rentenzahlungen ein. Das hatte zur Folge, daß die Beklagte die Zwangsvollstreckung aus der Kaufurkunde betrieb. Nachdem die Klägerin demgegenüber einen gerichtlichen Einstellungsbeschluß in Höhe des halben Rentenbetrages erwirkt hatte, zahlte sie ab 1. Januar 1964 wieder monatlich 400 DM Rente und seit 1. März 1965 außerdem – als Entgelt für das nicht ausgeübte Wohnrecht – monatlich 100 DM an die Beklagte.
In dem vorliegenden, seit November 1963 anhängigen Prozeß begehrt die Klägerin wegen des Schwammbefalls Minderung der von ihr für den Erwerb des Grundstücks erbrachten und noch zu erbringenden Leistungen. Sie hat, nach wiederholter Änderung ihrer Anträge, in der Berufungsinstanz zuletzt beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 36.562,20 DM nebst Zinsen zu verurteilen und die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde wegen der Monatsrente von ursprünglich 800 DM für die Zeit ab 1. Dezember 1969 in Höhe von monatlich 659,57 DM für unzulässig zu erklären; ferner hat sie um Feststellung gebeten, daß die Entschädigung für das nichtausgeübte Wohnrecht von monatlich 100 DM infolge Minderung auf 15 DM herabgesetzt sei, daß sie – die Klägerin – mit ihrer Zahlungsforderung gegen die ab 1. Dezember 1969 fällig werdenden Rentenansprüche der Beklagten aufrechnen dürfe und daß die im Kaufvertrag vereinbarte Wertsicherungsklausel mit Wirkung vom 1. Dezember 1969 unwirksam sei. Die Beklagte, die in erster Instanz Klageabweisung beantragt hatte, bestreitet das Recht der Klägerin auf Kaufpreisminderung dem Grunde nach nicht; jedoch komme, so macht sie geltend, ein geringerer Minderungssatz als der mit der Klage verlangte in Betracht; außerdem hätten die Schwammsanierungs- und Umbaumaßnahmen zu einer wesentlichen Verbesserung des Anwesens geführt.
Das Landgericht hat die Zwangsvollstreckung aus dem Kaufvertrag wegen der von der Klägerin zu entrichtenden Rente von ursprünglich 800 DM für die Zeit ab 1. Mai 1967 in Höhe von 271,10 DM monatlich für unzulässig erklärt und festgestellt, daß die anstelle des nicht mehr ausgeübten Wohnrechts geschuldeten Monatsbeträge von 100 DM infolge Minderung auf 50 DM herabgesetzt seien; im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist vom Oberlandesgericht zurückgewiesen worden.
Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre zuletzt gestellten Anträge, soweit ihnen in den Vorinstanzen nicht stattgegeben wurde, weiter. Die Beklagte möchte das Rechtsmittel zurückgewiesen haben.
Entscheidungsgründe
1. Da unstreitig das Gebäude S. Straße O, als die Gefahr auf die Käufer überging (1. November 1962), von echtem Hausschwamm und sonstigen Schädlingen befallen und hierdurch der Wert des verkauften Anwesens nicht unerheblich gemindert war, kann die Klägerin, die nach Abtretung der Ansprüche ihres Ehemanns alleinige Inhaberin der Käuferrechte ist, gemäß §§ 459, 462 BGB Herabsetzung des Kaufpreises verlangen. Das Bestehen eines solchen Minderungsanspruchs wird auch von der Beklagten nicht mehr geleugnet, und der Streit geht im jetzigen Verfahrensstande nur noch darum, in welcher Höhe der Kaufpreis herabzusetzen ist und wie sich das im einzelnen auf die vertraglichen Rechte und Pflichten der Parteien auswirkt.
Nach § 472 BGB geschieht die Minderung auf der Grundlage einer Verhältnisrechnung. Der Kaufpreis wird in dem gleichen zahlenmäßigen Verhältnis herabgesetzt, das im Zeitpunkt des Verkaufs zwischen dem (hypothetischen) Wert der Sache, wenn sie mangelfrei gewesen wäre, einerseits und ihrem tatsächlichen, durch den Mangel beeinträchtigten Wert andererseits bestanden hat. Dieser sogenannte „Minderungssatz” (Herabsetzungsquote) ist im vorliegenden Fall vom Landgericht mit 50 % errechnet worden. Dem hat sich das Berufungsgericht – wenn auch mit teilweise abweichender Begründung – im Ergebnis insoweit angeschlossen, als nach seiner Ansicht jedenfalls kein höherer Minderungssatz (insbesondere nicht die von der Klägerin begehrte Quote von 85 %) in Betracht kommt; ob der Satz niedriger sei als 50 %, brauchte es von seinem Standpunkt aus nicht zu entscheiden, da das landgerichtliche Urteil lediglich seitens der Klägerin, nicht dagegen auch durch die Beklagte angefochten worden ist, letztere sich also mit einer Kaufpreisherabsetzung um die Hälfte abgefunden hat. Zu dem genannten, 50 % nicht übersteigenden Minderungssatz ist das Oberlandesgericht auf Grund der Feststellung gelangt, daß das verkaufte Anwesen in mangelfreiem Zustand 66.000 DM wert gewesen wäre und daß sein Wert durch den Schwammbefall des Hauses nicht unter die Grenze von 33.000 DM (nämlich den Wert des bloßen Grund und Bodens) herabgesunken sei.
Wieviel der Kaufpreis insgesamt beträgt, den die Klägerin teils schon bezahlt hat, teils noch in Zukunft bis zum Lebensende der Beklagten in Gestalt von Rentenzahlungen und Wohnungsentgelt zu leisten haben wird, hat der Berufungsrichter offen gelassen. Er begnügt sich mit der Feststellung, ihre bis zum 30. November 1969 geschuldeten Vertragsleistungen hätten sich auf 101.596,92 DM belaufen; hiervon habe sie nach ihrem unbestrittenen Vorbringen die Hälfte, nämlich 50.798,46 DM, auch tatsächlich bis zu dem angegebenen Zeitpunkt bezahlt, während eine behauptete geringfügige Mehrzahlung (157,44 DM) nicht dargetan sei. Einer genauen Ermittlung dessen, was sie laut Vertrag in der Folgezeit noch an Rente und Wohnungsentgelt werde leisten müssen, bedürfe es aus dem Grunde nicht, weil die Klägerin immer nur die Hälfte der vertraglich vorgesehenen Leistungen erbringe und die Minderung in der Weise zu vollziehen sei, daß sowohl die Kaufpreisanzahlung als auch die wiederkehrenden Beträge im gleichen Verhältnis – d.h. hier um die Hälfte – herabgesetzt würden (unter Bezugnahme auf Staudinger/Ostler, BGB 11. Aufl. § 465 Anm. 25 und Palandt, BGB § 472 Anm. 3, gemeint ist wohl: Anm. 4).
Hiervon ausgehend erachtet das angefochtene Urteil den in der Berufungsinstanz gestellten Zahlungsantrag der Klägerin und ihr Begehren auf Feststellung einer Aufrechnungsbefugnis im vollen Umfang für unbegründet. Ebensowenig könne eine Herabsetzung des Wohnungsentgelts unter den vom Landgericht erkannten Betrag von 50 DM monatlich verlangt werden. Ein Recht auf Unzulässigerklärung der wegen der Rente betriebenen Zwangsvollstreckung stehe der Klägerin, da sich der Monatsbetrag infolge der Wertsicherungsklausel inzwischen auf 1.157 DM erhöht habe, eigentlich nur noch in Höhe von 221,20 DM zu; da jedoch die landgerichtliche Entscheidung mangels Anfechtung durch die Beklagte nicht zu Ungunsten der Klägerin geändert werden könne, müsse es insoweit bei dem dort zugesprochenen höheren Betrag von 271,10 DM verbleiben. Das Berufungsurteil versagt schließlich auch dem Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit der Wertsicherungsklausel, den die Klägerin auf vermeintlichen Wegfall der Geschäftsgrundlage stütze, den Erfolg.
2. Der Revision, die dies als fehlerhaft bekämpft, ist zuzugeben, daß die Urteilsausführungen, soweit es um den Minderungssatz von nicht mehr als 50 % geht (Abschnitt II Nr. 2 Buchst. d der Entscheidungsgründe), rechtlichen Bedenken unterliegen.
Bei der Ermittlung des Wertes, den das verkaufte Anwesen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ohne den Schwammbefall – also „in mangelfreiem Zustande” (§ 472 Abs. 1 BGB) – gehabt haben würde, hat das Oberlandesgericht sich der Auffassung des zweitinstanzlichen Sachverständigen, Stadtbaumeister a.D. Willi Hirzel, angeschlossen, der in diesem Punkt, nahezu übereinstimmend mit einer vom Landgericht eingeholten amtlichen Schätzung des Gutachterausschusses der Stadt F. (70.000 DM), zu einem Betrag von 66.000 DM gelangt ist. Das wurde damals auch von der Klägerin nicht bemängelt (Schriftsatz vom 17. September 1969, S. 10). Soweit sie jetzt mit der Revision unter Hinweis auf § 286 ZPO rügt, daß der Berufungsrichter das streitige Anwesen zu Unrecht als „kein ausgesprochenes Mietwohngrundstück” bezeichnet habe (BU S. 28), setzt sie sich in Widerspruch zu ihrem eigenen Vortrag über den mangelnden Komfort der seinerzeit im Hause vorhandenen Räumlichkeiten (Schriftsatz vom 18. November 1969, S. 6; vgl. auch die Baubeschreibung im Hauptgutachten Hirzel, S. 2). Außerdem handelt es sich bei den beanstandeten Worten um eine beiläufige Bemerkung, mit der nur erläutert werden sollte, weshalb Hirzel gemäß § 14 ff der Verordnung über Grundsätze für die Ermittlung des Verkehrswertes von Grundstücken vom 7. August 1961 (BGBl. I 1183) in erster Linie vom Sachwert ausgegangen ist; daß er dann unterstützend auch noch den Ertragswert (§§ 7 ff, 18 a.a.O.) herangezogen hat, wird im angefochtenen Urteil ausdrücklich festgestellt (S. 28).
Nicht gefolgt dagegen ist das Berufungsgericht dem Sachverständigen hinsichtlich seiner Bewertung des Grundstücks im mangelhaften Zustand, d.h. mit Schwammbefall. Den bei Vertragsabschluß im Herbst 1962 infolge dieses Befalls tatsächlich bestehenden, geringeren Wert hat Hirzel im Ergänzungsgutachten vom 26. Juni 1969 „ohne Berücksichtigung eines merkantilen Minderwerts” mit insgesamt 12.500 DM errechnet: ausgehend von 80.000 DM Sachwert bei Mangelfreiheit, worin 33.000 DM für den Grund und Boden enthalten waren, zog er hiervon 55.000 DM für Schwammbeseitigung, Unterhaltungs- und Instandsetzungskosten sowie fehlende Horizontalisolierung ab, so daß ein restlicher Sachwert von 25.000 DM verblieb; als Ertragswert setzte er wegen Nichtvermietbarkeit des abbruchreifen Gebäudes den Betrag „null” ein, bildete das arithmetische Mittel aus beiden Zahlen und kam so zu einem „Verkehrswert = Verkaufswert” in vorgenannter Höhe. Demgegenüber vertritt das angefochtene Urteil den Standpunkt, dieser Wert sei in Wirklichkeit hoher gewesen, er habe sich auf mindestens 33.000 DM belaufen, d.h. auf den Betrag, der im Gutachten schon allein für Grund und Boden eingesetzt werde.
Sein Abweichen vom Sachverständigen begründet das Urteil damit, er sei von „rein technischen Erwägungen” ausgegangen und habe, wenn er das Haus wegen Schwammbefalls, hohen Alters und schlechten baulichen Zustandes als abbruchreif ansah, die Tatsache außer acht gelassen, daß die Klägerin sich nach Feststellung des Schwammbefalls entschieden habe, es nicht abzureißen, sondern zu sanieren; damit habe sie zum Ausdruck gebracht, das Gebäude selbst verkörpere noch einen gewissen Wert und sei keineswegs abbruchreif; denn anderenfalls hätten alle Schwammbekämpfungsmaßnahmen keinen Sinn gehabt und es wäre zweckmäßiger und wirtschaftlicher gewesen, einen Neubau zu errichten. Ob dem Sachverständigen, soweit er den objektiven Wert des Grundstücks im schwammbefallenen Zustande ohne Berücksichtigung etwaigen merkantilen Minderwerts mit nur 12.500 DM ansetze, zu folgen sei, könne offen bleiben, da auf jeden Fall der von ihm selbst mit 33.000 DM angenommene Wert des Grund und Bodens die unterste Grenze bilde, bis zu der eine Herabsetzung des Kaufpreises in Betracht komme; dieser Wert könne nur dann von einer Minderung mit erfaßt werden, wenn Abbruchskosten entstanden wären, aber solche Kosten schieden nach der durchgeführten Mängelbeseitigung gerade aus.
Hiergegen wendet sich die Revision mit Recht. Inwieweit bereits ihre Rüge durchgreift, daß das Berufungsgericht keine einschlägigen Sachkenntnisse besitze und sich daher nicht ohne zusätzliche Beweiserhebung in Gegensatz zu den Feststellungen Hirzels habe setzen dürfen, kann ebenso dahingestellt bleiben wie die weitere Frage, ob es einem Sachverständigen, der einen nicht mehr vorhandenen, inzwischen durch Umbau beseitigten Gebäudezustand bewerten soll, zum Vorwurf gereicht, wenn er sich dabei mangels anderer Anhaltspunkte von technischen Erwägungen leiten läßt. Nicht stichhaltig ist jedenfalls die Begründung, mit der das angefochtene Urteil die nicht bloß von Hirzel (Ergänzungsgutachten S. 16), sondern auch vom städtischen Gutachterausschuß (zu Ziffer 3 Nr. IV Anmerkung) eindeutig bejahte Abbruchreife angezweifelt und bei seiner Wertermittlung die Kosten, die im Falle eines Gebäudeabbruchs entstanden wären, außer Ansatz gelassen hat.
a) Aus der Tatsache, daß die Klägerin Sanierungsmaßnahmen durchgeführt und das laut Feststellung der Sachverständigen bei Vertragsabschluß schwammverseuchte Haus gleichwohl umgebaut und modernisiert hat, folgt entgegen der Annahme des Oberlandesgerichts nicht zwingend ein damals noch objektiv bestehender Gebäudewert. Vielmehr ist bei dieser Erwägung, worauf die Revision zutreffend hinweist, die Möglichkeit außer acht geblieben, ein an sich wertloses Bauwerk nicht abzureißen, sondern es durch kostspielige, wenn auch unwirtschaftliche Aufwendungen wiederinstandzusetzen. Das kann insbesondere geschehen, wenn der Betreffende den Grad und Umfang der vorhandenen Schäden zunächst nicht kennt oder unrichtig einschätzt, insoweit war von der Klägerin, ohne daß die Beklagte dies substantiiert bestritten hätte, vorgetragen worden, ihre umfangreichen Investitionen allein hätten das abbruchreife Haus in einen einigermaßen brauchbaren Zustand gebracht (Schriftsatz vom 17. September 1969, S. 8), und die Beklagte hatte ihrerseits behauptet, der Befall des Untergeschosses mit echtem Hausschwamm habe sich erst zu einer Zeit herausgestellt, als die von der Klägerin angeordneten Sanierungs- und sonstigen Baumaßnahmen bereits angelaufen waren (Schriftsatz vom 22. Februar 1968, S. 3). Da unter derartigen Umständen nicht auszuschließen ist, daß die Klägerin, weil ihr die wirkliche Ausdehnung des Schwammbefalls erst nach und nach bewußt wurde, sich zu immer weiteren Investitionen veranlaßt fühlte, um die schon aufgewendeten Geldbeträge nicht endgültig einzubüßen, entbehrt die Ansicht des Berufungsrichters, der Umbau des Gebäudes durch die Klägerin sei „bei einer objektiven Betrachtung nicht unvernünftig” und beruhe auf keiner „Verkennung der wahren Sachlage”, einer ausreichenden Begründung. Sie läßt sich nicht, wie das Urteil es versucht, mit einem Vergleich zwischen den „reinen Schwammsanierungskosten” und dem „Gesamtaufwand für Umbau und Sanierung” rechtfertigen; denn selbst wenn dieser Aufwand beträchtlich höher gewesen sein sollte als jene Kosten, wäre damit noch nicht widerlegt, daß die Klägerin, vom wirtschaftlichen Standpunkt betrachtet, vernünftiger daran getan hätte, von einem Umbau nebst vorheriger Schwammbekämpfung ganz Abstand zu nehmen und stattdessen ein neues Gebäude zu errichten.
Auf der hiernach fehlerhaft begründeten Verneinung einer Abbruchreife beruht die angefochtene Entscheidung. Im Urteil heißt es zwar, die Frage, ob Hirzel hinsichtlich des von ihm festgestellten Grundstückswerts bei Schwammbefall zu folgen sei, könne offen bleiben, was auf die Absicht des Berufungsgerichts hinzudeuten scheint, das Ergebnis des Gutachtens als richtig zu unterstellen. Bereits im nächsten Absatz der Urteilsbegründung wird jedoch ausgeführt, daß der Bodenwert von 33.000 DM die „unterste Grenze” für eine Kaufpreisherabsetzung sei. Damit ist das Oberlandesgericht unmißverständlich von dem Sachverständigen abgewichen, der das Anwesen im schwammbefallenen Zustand einschließlich des Grund und Bodens nur mit 12.500 DM bewertet hatte.
b) Seine Ansicht, der Bodenwert werde durch die Abbruchskosten nicht verringert, rechtfertigt der Berufungsrichter mit der Erwägung, daß keine solchen Kosten entstanden seien; denn die Klägerin habe das Haus nicht abgebrochen, sondern die vorhandenen Mängel beseitigt. Auch diese Betrachtungsweise ist nicht richtig.
Bei Ermittlung des Minderungssatzes nach § 472 BGB kommt es auf den objektiven Wert der verkauften Sache im mangelhaften Zustand an. Darum wäre zu prüfen gewesen, ob Abbruchskosten entstanden wären, wenn die Klägerin nach Erwerb des schwammverseuchten Anwesens das damals wirtschaftlich Gebotene unternommen hätte. Die subjektiven Vorstellungen, die sich der Käufer über Art und Umfang eines Mangels irrigerweise macht, sind für die Bemessung des Minderwertes ohne Bedeutung. Maßgebend ist allein, wie sich dieser Mangel nach völliger Aufklärung des Sachverhalts als im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses wirklich vorhanden darstellt (RG Recht 1912 Nr. 3064). Im vorliegenden Fall muß, da sich die gegenteilige Feststellung des Berufungsgerichts als fehlerhaft erwiesen hat (vgl. oben zu a), zugunsten der Klägerin davon ausgegangen werden, daß das verkaufte Haus im Oktober 1962 wertlos und abbruchreif gewesen ist. Dann war es aber nicht angängig, den Wert des Grund und Bodens als untere Grenze des Minderwertes anzusetzen. Daß ein Grundstück in unbebautem Zustande wertvoller sein kann, als wenn sich darauf ein unbrauchbares und daher vernünftigerweise zu beseitigendes Gebäude befindet, bedarf keiner weiteren Erörterung. Durch das Abreißen der wertlosen Aufbauten erwachsen dem Käufer zwangsläufig Kosten, die er, wenn er den reinen Grund und Boden erworben hätte, nicht aufzuwenden brauchte.
Wollte mithin das Berufungsgericht sich dem Sachverständigengutachten Hirzel, wonach das verkaufte Anwesen einschließlich des Bodenwerts mit Rücksicht auf den Schwammbefall zur Zeit des Verkaufs 12.500 DM wert gewesen sein soll, nicht anschließen, so hätte es die Höhe der Abbruchskosten prüfen, hierzu den Sachverständigen hören und den Parteien erforderlichenfalls anheimgeben müssen, nähere Einzelheiten vorzutragen. Möglicherweise hätte sich dann herausgestellt, daß die Wertminderung, die der Grund und Boden durch den Schwammbefall erlitten hatte, nicht einmal auf die bloßen Kosten des Gebäudeabbruchs beschränkt blieb, sondern daß darüber hinaus noch weitere Arbeiten am Grundstück selbst notwendig gewesen wären, wie Aufgrabungen zwecks Beseitigung einer Grundfeuchtigkeit, die die Schwammbildung hervorgerufen haben kann, Wiederauffüllung des Geländes und dergleichen (Urteil des erkennenden Senats vom 28. Juni 1961, V ZR 201/60, NJW 1961, 1860). Zu diesem Punkt sind zwar in den Tatsacheninstanzen seitens der Parteien, soweit ersichtlich, keine konkreten Behauptungen aufgestellt worden; aber die Revision beanstandet nicht zu Unrecht, daß das Oberlandesgericht mit seinem vom Sachverständigengutachten abweichenden Abstellen auf den Bodenwert als „unterste Grenze” die Parteien überrascht habe und daß im Falle eines rechtzeitigen Hinweises die Klägerin auf Anhörung des Sachverständigen gerade auch hierüber bestanden hätte (§§ 139, 144, 411 Abs. 3, 286 ZPO). Nicht unerörtert hätte schließlich in diesem Zusammenhang der sogenannte „merkantile Minderwert” bleiben dürfen, auf den der Berufungsrichter erst an späterer Urteilsstelle bei seinen Ausführungen zum Geschäftsgrundlage-Wegfall (S. 40) eingegangen ist; denn rechtlich läßt sich nicht von vornherein ausschließen, daß selbst dann, wenn die Klägerin das Gebäude abgebrochen hätte, schon die Tatsache des früheren Schwammbefalls an dieser Stelle ausgereicht haben würde, um die Verkäuflichkeit oder die Höhe des zu erzielenden Kaufpreises zu beeinträchtigen.
c) Die Ansicht, das Grundstück sei bei Vertragsabschluß mindestens noch 33.000 DM wert gewesen, wird sonach durch die bisherige Begründung nicht getragen. Das Berufungsgericht muß sich erneut mit der Frage des Minderungssatzes befassen und den Sachverhalt, soweit es dem Gutachten Hirzel nicht folgen will, weiter aufklären. Auf die übrigen Revisionsrügen zu diesem Punkt braucht nicht mehr eingegangen zu werden. Der Klägerin steht es frei, ihr diesbezügliches Vorbringen in der neuen Tatsachenverhandlung zu wiederholen; das gilt insbesondere für die – möglicherweise bei der Wertermittlung ins Gewicht fallende – Behauptung, daß die Beklagte für das in eine Gesellschaft eingebrachte Nachbargrundstück mit über 450 qm Baufläche lediglich 15.000 DM auf ihren Gesellschafteranteil angerechnet erhalten habe (vgl. Schriftsatz vom 17. September 1969, S. 9).
3. Was die Höhe der Monatsrente anbetrifft, so hat das Berufungsgericht die im Kaufvertrag enthaltene, unstreitig von der Land es Zentralbank nach § 3 WährG genehmigte Wertsicherungsklausel im Einklang mit dem Landgericht dahin verstanden, daß die Rente stets mit dem als Bezugsgröße vereinbarten Beamtengehalt übereinstimmen und jede gesetzlich geregelte Gehaltserhöhung oder -kürzung „mitmachen” solle. Dem Versuch der Klägerin, an die Stelle dieser „linearen” Rentenanpassung eine bloß „verhältnismäßige” zu setzen und die Erhöhung jeweils nur in dem Verhältnis eintreten zu lassen, das zwischen 800 DM und dem mit Wirkung zum 1. Januar 1963 auf 817 DM angestiegenen Grundgehalt besteht (vgl. im einzelnen die Ausführungen im Schriftsatz vom 30. Oktober 1967, S. 2 ff), hat es den Erfolg versagt. Die Revision meint, dies könne „nach dem klaren Wortlaut des Vertrages” nicht richtig sein. Hierbei handelt es sich jedoch um einen unzulässigen Angriff gegen die tatrichterliche Vertragsauslegung, die keinen Rechtsverstoß erkennen läßt (§ 561 Abs. 2 ZPO). Der Standpunkt des angefochtenen Urteils ist nicht nur mit dem Vertragstext – den es in diesem Zusammenhang ausdrücklich anführt – vereinbar, sondern entspricht auch dem festgestellten Willen der Vertragschließenden, wonach die Beklagte jeweils die gleichen Zahlungen erhalten sollte wie die Angehörigen der in Bezug genommenen Beamtenkategorie.
Aus diesem Grunde bestehen ferner keine rechtlichen. Bedenken gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, die durch Gesetz vom 6. Juli 1965 (BadWürttGBl S. 105) erfolgte Überführung der Beamten der bisherigen Besoldungsgruppe 9 a – die aufgelöst wurde – in die Besoldungsgruppe 10 stelle ebenfalls eine Gehaltserhöhung im Sinne der vertraglichen Regelung dar und müsse deshalb zugunsten der Beklagten Berücksichtigung finden. Wenn es in dem Umstand, daß die Aufbesserung der Beamtenbezüge hier nicht in der Form von Zuschlägen zum bisherigen Grundgehalt, sondern durch Anhebung der ganzen Besoldungsgruppe vor sich ging, keinen Anlaß für eine abweichende Beurteilung erblickte, vielmehr angenommen hat, die Vertragspartner hätten auch einen solchen Sachverhalt mit ihrer Wertsicherungsklausel regeln wollen, so hält sich dies im Rahmen der dem Tatrichter nach § 286 ZPO obliegenden Würdigung (vgl. über Vertragsauslegung in derartigen Fällen die Urteile des Senats vom 8. Juli 1964, V ZR 178/63, WM 1964, 906, vom 12. Oktober 1965, V ZR 143/64 und vom 15. März 1968, V ZR 43/67, WM 1968, 833).
Da die Frage, wie die Wertsicherungsklausel zu verstehen sei, in der Berufungsinstanz eingehend schriftsätzlich erörtert, worden ist, war das Oberlandesgericht entgegen der Meinung der Revision nicht gehalten, die anwaltlich vertretene Klägerin gemäß § 139 ZPO noch besonders auf die Möglichkeit einer Benennung des beurkundenden Notars als Zeugen hinzuweisen.
4. Soweit die Revision den Hinweis des Berufungsgerichts, die Klägerin habe das Erdgeschoß immerhin für 250 DM monatlich vermietet, mit dem Einwand bekämpft, die Vermietung sei in möbliertem Zustande erfolgt, wird von ihr übersehen, daß die Klägerin eine Möblierung („einschließlich Bettzeug”) nur hinsichtlich des ersten Stockwerkes behauptet hat (Schriftsatz vom 18. November 1969, S. 8 oben). Außerdem kommt es hierauf nicht an, weil nicht die Beschaffenheit des Hauses nach Schwammbekämpfung und Umbau, sondern im Zeitpunkt des Verkaufs festzustellen ist.
5. Als frei von Rechtsirrtum erweisen sich die eingehenden Erwägungen, mit denen das angefochtene Urteil (S. 35–41) einen Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 242 BGB) verneint und deshalb den erstmals in der Berufungsinstanz gestellten Antrag der Klägerin auf Feststellung, daß die Wertsicherungsklausel ab 1. Dezember 1969 unwirksam sei, als unbegründet abgewiesen hat. Wenn die Revision dem entgegenhält, die Anwendbarkeit der Geschäftsgrundlage-Grundsätze möge offen bleiben, auf jeden Fall führe aber eine ergänzende Vertragsauslegung nach § 157 BGB zu dem von der Klägerin gewünschten Ergebnis, so ist das nicht stichhaltig. Bei seinen Ausführungen über das Gleichgewichtsverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung hat der Berufungsrichter nachdrücklich auf das Risiko hingewiesen, das die Klägerin mit ihrer Rentenverpflichtung eingegangen ist. Auch hat er den vom Sachverständigen Hirzel mit 13.200 DM veranschlagten „merkantilen Minderwert” des Grundstücks, auf den die Revision jetzt abhebt, schon mit in Rechnung gestellt, so daß es einer Beweiserhebung hierüber nicht bedurfte. Angesichts der tatrichterlichen Feststellungen über das, was sich die Parteien bei Vertragsabschluß über die künftige Entwicklung vorgestellt haben, ist für eine Vertragsergänzung kein Raum.
6. Die angefochtene Entscheidung kann hiernach nicht bestehen bleiben, soweit sie den Minderungssatz zum Gegenstand hat. Die gebotene Aufhebung und Zurückverweisung (§§ 564, 565 Abs. 1 ZPO) erfaßt sämtliche von der Klägerin im Berufungsrechtszug gestellten Anträge mit Ausnahme des letzten, der auf Feststellung der Unwirksamkeit der Wertsicherungsklausel gerichtet ist (Berufungsantrag Nr. 5); hinsichtlich dieses Feststellungsantrages muß die Revision als unbegründet zurückgewiesen werden.
Da es nicht angezeigt erscheint, über einen der Zurückweisung entsprechenden Teil der Revisionskosten bereits jetzt zu entscheiden, ist zugleich die vorinstanzliche Kostenentscheidung insgesamt aufzuheben. Das Berufungsgericht wird auch die vom endgültigen Prozeßausgang abhängige Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens zu treffen haben.
Unterschriften
Dr. Augustin, Rothe, Mattern, Offterdinger, Dr. Grell
Fundstellen
Haufe-Index 1502182 |
Nachschlagewerk BGH |
MDR 1971, 118 |