Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 24. September 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin war zusammen mit ihrem 1994 verstorbenen Ehemann, den sie beerbt hat, Eigentümerin von vier Grundstücken in L., die 1984 in Volkseigentum überführt worden waren. Am 24. Juli 1990 beantragten sie die Restitution. Der Beklagte war in der Folge für den Ehemann als Rechtsanwalt im Restitutionsverfahren tätig.
Unter dem 18. Oktober 1990 erteilte der Ehemann der Klägerin dem Beklagten Vollmacht, ihn beim Abschluß von Kaufverträgen über die vier Grundstücke zu vertreten, und zwar unter Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens. Aufgrund dieser Vollmacht erwarb der Beklagte mit notariellem Vertrag vom 20. November 1990 die Grundstücke zum Gesamtpreis von 150.000 DM. Der Vertrag wurde „vorbehaltlich” dessen, daß die Grundstücke restituiert würden, abgeschlossen.
Am 30. Mai 1991 „genehmigte” die Klägerin den Vertrag, und am 26. Mai 1991 traten die Eheleute für den Fall, daß der Verfügungsberechtigte die Grundstücke an einen Dritten, nicht den Beklagten, veräußern sollte, die ihnen dann nach dem Vermögensgesetz zustehenden Ansprüche an den Beklagten ab, der ihnen im Gegenzug die Ansprüche aus dem notariellen Kaufvertrag vom 20. November 1990 beließ.
Mit Bescheiden des Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 13. September 1991 (drei Grundstücke) und vom 5. März 1992 (ein Grundstück) wurden die Grundstücke unmittelbar an den Beklagten restituiert. Am 12. Mai 1992 wurde er als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen.
Mit notariellem Vertrag vom 11. September 1992 tauschte der Beklagte eines der erworbenen Grundstücke mit einem Erbteil eines Dritten an anderen Grundstücken, wobei der Verkehrswert für das Grundstück des Beklagten mit 217.000 DM angegeben war. Mit notariellen Verträgen vom 17. Januar und 18. Dezember 1992 sowie vom 28. Oktober 1993 und vom 25. Mai 1994 veräußerte der Beklagte die übrigen Grundstücke nebst zwei hinzuerworbenen Flächen zum Gesamtkaufpreis von 5.950.000 DM an eine Immobiliengesellschaft.
Die Klägerin ist der Auffassung, daß der Grundstückskaufvertrag vom 20. November 1990 und die Abtretung der Ansprüche vom 26. Mai 1991 wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig seien. Sie hat zuletzt im Wege der Teilklage Erlösauskehr in Höhe von 100.000 DM verlangt. Land- und Oberlandesgericht haben ihr Recht gegeben. Mit der Revision erstrebt der Beklagte die Abweisung der Klage. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hält den geltend gemachten Anspruch unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812 Abs. 1 Satz 1, 818 Abs. 2 BGB) für begründet. Es meint, die dem Eigentumserwerb des Beklagten zugrundeliegenden Rechtsgeschäfte, der Kaufvertrag vom 20. November 1990 und der Abtretungsvertrag vom 26. Mai 1991, seien nach § 138 BGB sittenwidrig und damit unwirksam.
II.
Dies hält den Angriffen der Revision nicht stand.
1. Im Ansatz zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Klägerin von dem Beklagten Wertersatz für die von ihr und ihrem verstorbenen Ehemann veräußerten Grundstücke verlangen kann, wenn der Veräußerung der Rechtsgrund fehlt, da dem Beklagten die dann geschuldete Rückübereignung infolge der Weiterveräußerung nicht möglich ist (§§ 812 Abs. 1 Satz 1, 818 Abs. 2 BGB).
Möglicher Rechtsgrund dieses Erwerbs ist aber – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – allein der Kaufvertrag vom 20. November 1990, dem die Klägerin durch ihre „Genehmigung” vom 30. Mai 1991 beigetreten ist. Der Abtretungsvertrag vom 26. Mai 1991 und die Restitutionsbescheide vom 13. September 1991 und vom 5. März 1992 sind nicht Bestandteile des den Erwerb rechtfertigenden Schuldgrundes, sondern Elemente der Vertragserfüllung. Die Restitution führte die von den Verkäufern geschuldete Eigentumsübertragung herbei, und der Abtretungsvertrag mag diese Rückübertragung des Eigentums direkt an den Beklagten begünstigt haben. Rechtlich blieb die Abtretung an sich aber bedeutungslos, da sie sich nur auf den hier nicht eingetretenen Fall bezog, daß den restitutionsberechtigten Eheleuten infolge vorheriger Veräußerung an Dritte Entschädigungsansprüche erwüchsen.
2. Entscheidend ist daher allein, ob der Grundstückskaufvertrag vom 20. November 1990 wegen Verstoßes gegen die guten Sitten unwirksam ist (§ 138 Abs. 1 BGB).
a) Dabei verkennt das Berufungsgericht nicht die Voraussetzungen, unter denen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, insbesondere auch des Senats, ein Kaufvertrag nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig sein kann, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung ein besonders grobes Mißverhältnis besteht (vgl. dazu Senat, Urt. v. 18. Januar 1980, V ZR 34/78, WM 1980, 597 m.w.N.; Urt. v. 5. Juni 1981, V ZR 80/80, WM 1981, 1050, 1051; BGH, Urt. v. 26. November 1997, VIII ZR 322/96, NJW-RR 1998, 1065, 1066 m.w.N.). Es sieht auch richtig, daß es in zeitlicher Hinsicht darauf ankommt, ob das zu beurteilende Rechtsgeschäft im Zeitpunkt seiner Vornahme sittenwidrig war, also im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, nicht im Zeitpunkt der Vertragserfüllung (BGHZ 100, 353, 359 f; 107, 92, 96 f; Senat, Urt. v. 3. November 1995, V ZR 102/94, ZIP 1996, 155, 156 f).
b) Gleichwohl war es bei dem von dem Berufungsgericht zugrunde gelegten Sachverhalt rechtsfehlerhaft, auf den 20. November 1990, den Tag des notariellen Grundstückskaufvertrages, abzustellen und zu prüfen, ob zu diesem Zeitpunkt zwischen dem vereinbarten Kaufpreis und dem Verkehrswert der Grundstücke ein besonders grobes Mißverhältnis bestand, das den Schluß auf eine verwerfliche Gesinnung des Beklagten zuläßt und damit zur Sittenwidrigkeit des Vertrages führt.
aa) Ohne Belang ist dabei allerdings, daß die Klägerin den zunächst nur von ihrem Mann geschlossenen Vertrag erst später, am 30. Mai 1991, „genehmigte”. Denn diese Erklärung bedeutete lediglich, daß sie den bestehenden vertraglichen Vereinbarungen, so wie sie getroffen worden waren, auf Verkäuferseite beitrat. Auch der Umstand, daß der Vertrag „vorbehaltlich” einer Restituierung der Grundstücke geschlossen wurde, führt nicht dazu, daß es für die Frage der Sittenwidrigkeit auf einen späteren Zeitpunkt, den der Restituierung ankäme. Zwar läßt die Klausel darauf schließen, daß der Kaufvertrag – allerdings ohne die Auflassung (§ 925 Abs. 2 BGB) – möglicherweise unter der aufschiebenden Bedingung der Restituierung geschlossen wurde. Dafür spricht auch, daß in dem Vollzugsauftrag an den beurkundenden Notar die Möglichkeit in Rechnung gestellt wird, „daß der Vertrag hinsichtlich eines Grundstückes nicht wirksam werden sollte”. Dann wäre der Kaufvertrag zwar erst mit der Rückführung im September 1991 bzw. März 1992 wirksam geworden. Doch bleibt auch in diesem Fall der Zeitpunkt des Vertragsschlusses der für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit maßgebliche (Senat, Urt. v. 3. November 1995, V ZR 102/94, ZIP 1996, 155, 156 f). Denn nur zu diesem Zeitpunkt kann verständigerweise die Frage gestellt werden, ob der eine Vertragsteil in verwerflicher Weise Umstände ausgenutzt hat, die den anderen Teil in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt haben.
bb) Das Datum des notariellen Grundstückskaufvertrages ist jedoch deswegen unmaßgeblich, weil nach dem in der Revisionsinstanz zu unterstellenden Vortrag des Beklagten davon auszugehen ist, daß, über den notariell beurkundeten Kaufpreis hinaus, insgesamt 224.200 DM als Kaufpreis gezahlt worden sind. Dem Ehemann der Klägerin – so der Vortrag – sei es nämlich gelungen, in Nachverhandlungen den Kaufpreis um 74.200 DM heraufzusetzen. Entspricht dies den Tatsachen, so kann darin eine nachträgliche Änderung des Kaufvertrages liegen mit der Folge, daß der Zeitpunkt der Vertragsänderung für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit maßgeblich ist (BGH, Urt. v. 27. Januar 1977, VII ZR 339/74, WM 1977, 399, 400; BGHZ 100, 353, 359). Allerdings muß die Vertragsänderung wirksam sein. Entgegen der Auffassung der Revision kann dies nicht damit begründet werden, daß vor Inkrafttreten des 2. Vermögensrechtsänderungsgesetzes die Abtretung von Restitutionsansprüchen, und damit auch die Änderung solcher Abtretungsverträge, formlos möglich gewesen sei. Es geht hier – wie bereits dargelegt – nicht um die Beurteilung des Abtretungsvertrages, sondern um den Grundstückskaufvertrag. Insoweit bedurfte eine Änderung der notariellen Beurkundung (§ 313 Satz 1 BGB). Eine ohne Einhaltung dieser Form vereinbarte Vertragsänderung wäre aber durch eine nachfolgende Eintragung des Beklagten als Eigentümer geheilt (§ 313 Satz 2 BGB).
c) Nach allem kann das angefochtene Urteil nicht bestehen bleiben, da Feststellungen dazu fehlen, ob und wann der Kaufvertrag geändert wurde mit der Folge, daß auf einen anderen Zeitpunkt zur Beurteilung der Sittenwidrigkeit abzustellen wäre.
III.
Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Ermittlung der Wertverhältnisse geben Veranlassung zu den folgenden Hinweisen:
1. Die Erwägungen zu den Risiken bei der Verwirklichung der Restitutionsansprüche sind für die Frage der Sittenwidrigkeit ohne Bedeutung. Es geht hier – wie dargelegt – nicht um den Kauf von Restitutionsansprüchen, sondern um den Kauf mehrerer Grundstücke. Zu Recht hat das Berufungsgericht daher im Ergebnis auch nur auf das Verhältnis von Grundstücksverkehrswert und Kaufpreis abgestellt.
2. Der Sachverständige P., auf den sich das Berufungsgericht stützt, hat die Grundstücke nach dem Sachwertverfahren (§§ 21 bis 25 WertermittlungsVO) bewertet. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bietet sich bei der Bewertung von Grundstücken, die mit Mietshäusern – wie hier – bebaut sind, in erster Linie nicht die Sachwertmethode an, sondern die Ertragswertmethode (vgl. BGH, Urt. v. 13. Juli 1970, VII ZR 189/68, NJW 1970, 2018, 2019; s. auch schon Senat, BGHZ 10, 171, 180). Will der Sachverständige, und ihm folgend das Gericht, hiervon abweichen, muß das begründet werden. Sachgerecht kann die Anwendung der Sachwertmethode sein, wenn die erzielbaren Mieten sehr gering und die Erträge nicht den wirklichen Wert des Grundstücks widerspiegeln. Dies kann im Jahr 1990 so gewesen sein, dürfte aber für einen deutlich späteren Zeitpunkt nicht mehr naheliegen.
3. Zu Recht weist die Revision darauf hin, daß der Beklagte Abbruchkosten in Höhe von 276.188,02 DM geltend gemacht hat und daß diese Kosten auf Gebäude entfallen seien, die abbruchreif gewesen seien. Trifft dies zu, sind diese Kosten bei der Bewertung zu berücksichtigen, und zwar unabhängig davon, nach welcher Methode der Verkehrswert ermittelt wird.
Bei der Ertragswertmethode sind sie im Regelfall vom gesondert zu ermittelnden Bodenwert abzuziehen, da ertraglose Bauwerke abgerissen werden müssen, damit der Grund und Boden wieder ertragreich bebaut werden kann (vgl. Zimmermann, WertermittlungsVO, 1988, § 20 Rdn. 11). Bei der Sachwertmethode ist der Bodenwert in der Regel ebenfalls um die Abbruchkosten zu kürzen, da andernfalls keine Vergleichbarkeit hergestellt werden kann zwischen den zu bewertenden Grundstücken und den Vergleichsgrundstücken sowie den Vergleichspreisen für unbebaute Grundstücke (Zimmermann aaO § 25 Rdn. 25). Will das Berufungsgericht zu einer anderen Bewertung gelangen, muß es dies begründen. Das Gutachten des Sachverständigen P., auf den sich das Berufungsgericht gestützt hat, läßt eine nachvollziehbare Begründung dafür, daß der Gutachter die – nach Darstellung des Beklagten – abbruchreifen Gebäude teilweise noch als Sachwerte bewertet und die Abbruchkosten außer Ansatz gelassen hat, nicht erkennen.
4. Bleibt es bei einer Bewertung zu dem von dem Berufungsgericht angenommenen Stichtag 20. November 1990, ist eine Übernahme der von dem Sachverständigen P. ermittelten Werte nur rechtsfehlerfrei, wenn sich das Berufungsgericht mit den – nicht weniger plausiblen – Wertangaben der von dem Beklagten beauftragten Sachverständigen Dr. T. auseinandersetzt und begründet, weshalb es dem Sachverständigen P. folgt. Die Revision rügt zu Recht, daß dies in dem angefochtenen Urteil nicht geschehen ist. Insbesondere fehlt auch eine Begründung dafür, daß es sachgerecht ist, hinsichtlich der aus einer internen Bodenleitwertkarte entnommenen Werte angesichts der bestehenden Unsicherheiten zwar bei den gewerblich genutzten Grundstücken (und das auch nicht gleichmäßig) einen Abschlag vorzunehmen, nicht aber bei den Wohngrundstücken.
Unterschriften
Tropf, Krüger, Klein, Lemke, Gaier
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 26.01.2001 durch Kanik, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen