Leitsatz (amtlich)
Einem Landkreis ist es aus kartellrechtlichen Gründen nicht schlechthin verwehrt, Gewerbeflächen innerhalb des Gebäudes einer Kfz-Zulassungsstelle an einen Schilderpräger zu vermieten.
Normenkette
GWB § 26 Abs. 2
Verfahrensgang
OLG München (Aktenzeichen U (K) 5870/95) |
LG München I (Aktenzeichen 7 HKO 14899/95) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des Kartellsenats des Oberlandesgerichts München vom 7. November 1996 wird auf Kosten der Klägerinnen zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der beklagte Landkreis in einer Kraftfahrzeugzulassungsstelle Räume an ein Unternehmen vermieten darf, das Kraftfahrzeugschilder prägt und verkauft.
Der beklagte Landkreis unterhält seit 1987 in G. bei M. eine Außenstelle, in der das Landratsamt eine Zulassungsstelle betreibt. Im Keller des Gebäudes gelegene Räumlichkeiten vermietet er ebenfalls seit 1987 an Schilderprägeunternehmen, die er jeweils mit Hilfe einer Ausschreibung auswählt. Derartige Ausschreibungen fanden 1987, 1990 und 1994 statt. Das Unternehmen, das seit 1990 in den Räumen tätig ist, zahlt eine Miete von 20 % des Bruttoumsatzes, mindestens jedoch 5.000 DM monatlich. Es verlangt 39 DM für ein einfaches und 48 DM für ein Eurokennzeichen. Auf die Ausschreibung 1994, an der sich 29 Unternehmen – darunter auch die Klägerinnen – beteiligt hatten, erhielt eine bisher nicht berücksichtigte Mietinteressentin den Zuschlag für einen Mietvertrag mit einer Laufzeit von drei Jahren. Sie hatte ein Mietangebot abgegeben, dessen Höhe zwischen den Parteien streitig ist, jedenfalls aber nicht unter einem Umsatzanteil von 50 % und einer Mindestmiete von 18.000 DM liegt. Der Vollzug des geschlossenen Mietvertrags wurde bis zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits zurückgestellt.
Die Klägerin zu 1 betreibt bundesweit etwa 300 Schilderprägestellen, meist in räumlicher Nähe zu Kfz-Zulassungsstellen. In G. führt sie seit 1991 zusammen mit der Klägerin zu 2 ein entsprechendes Geschäft, das sich in etwa 50 m Entfernung von der Zulassungsstelle auf der anderen Straßenseite befindet. Die Klägerinnen bieten die Kennzeichen zu 38 DM und 46 DM an. Für das Geschäftslokal zahlen die Klägerinnen eine Monatsmiete von 3.000 DM.
Die Klägerinnen haben vorgetragen, daß etwa 94 % der in G. verkauften Kennzeichen von der Anbieterin in der Zulassungsstelle stammten. Da die Schilder in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Zulassungsverfahren erworben werden müßten – wer ein Fahrzeug zulassen möchte, muß zunächst die Zulassungsstelle aufsuchen, sich danach das Kennzeichen verschaffen, um mit dem Kennzeichen nochmals bei der Zulassungsstelle vorzusprechen –, vermittle der Standort dem im Gebäude der Zulassungsstelle untergebrachten Anbieter einen uneinholbaren Vorteil und lasse Mitbewerber, da andere Wettbewerbsfaktoren wie der Preis nahezu bedeutungslos seien, ohne Marktchancen. Die Klägerinnen haben die Ansicht vertreten, das Verhalten des beklagten Landkreises verstoße gegen § 26 Abs. 2 GWB und gegen § 1 UWG. Zur Begründung haben sie sich u.a. auf eine Stellungnahme gestützt, die die bayerische Landeskartellbehörde in einem anderen Verfahren abgegeben hat: Danach könne eine behinderungs- und diskriminierungsfreie Vermietung von Gewerbeflächen an Schilderpräger durch den Landkreis nur dadurch erfolgen, daß er entweder allen interessierten Schilderprägern Räumlichkeiten zur Verfügung stelle oder eine Vermietung an Schilderpräger ganz unterlasse.
Die Klägerinnen haben den beklagten Landkreis auf Unterlassung in Anspruch genommen und zuletzt beantragt,
- den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Räume und/oder Flächen im Gebäude der Kfz-Zulassungsstelle G. an Kfz-Schilderpräger zu vermieten oder sonst zum Gebrauch zu überlassen und insbesondere aufgrund der Ausschreibung vom November 1994 einen Pacht- oder ähnlichen Vertrag zu schließen oder einen bereits geschlossenen Vertrag fortzuführen;
hilfsweise:
Räume und/oder Flächen im Gebäude der G. Kfz-Zulassungsstelle entgeltlich oder unentgeltlich zum Gebrauch zu überlassen, ohne vorherig ein gleichförmiges öffentliches Ausschreibungsverfahren mit von vornherein festgelegten transparenten, objektiven und strengen, d.h. von jedem Bewerber abstrakt gleichermaßen zu erfüllenden Kriterien durchgeführt zu haben.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat das Ergebnis von Zählungen vorgetragen, nach denen der Anteil der bisherigen Mieterin an dem Schilderverkauf je nach Wetterlage bei 75 % oder 83 % gelegen habe. Während es bei der Eröffnung der Zulassungsstelle 1987 darum gegangen sei, überhaupt eine Versorgung mit Kfz-Schildern zu gewährleisten, werde heute durch die Vermietung der Kellerräume in der Zulassungsstelle ein Monopol des Unternehmens der Klägerinnen verhindert.
Das Landgericht hat den Beklagten gemäß dem Hauptantrag verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen (OLG München WRP 1997, 218).
Mit ihrer Revision verfolgen die Klägerinnen ihr Klagebegehren weiter. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch der Klägerinnen aus § 26 Abs. 2 GWB oder § 1 UWG verneint und zur Begründung ausgeführt: Zwar sei der Beklagte Normadressat des kartellrechtlichen Diskriminierungsverbots, weil er auf dem relevanten Markt für die Anmietung oder den Erwerb von Räumen, die für den Betrieb einer Schilderprägestelle geeignet seien, in der Zulassungsstelle G. oder in ihrer unmittelbaren Nähe keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt sei. Es gehe bei der fraglichen Vermietung auch um einen Geschäftsverkehr, der Unternehmen, die mit dem Unternehmen der Klägerinnen gleichartig seien, üblicherweise zugänglich sei. Fraglich sei aber schon, ob der Beklagte die Klägerinnen behindere oder diskriminiere. Beim Marktzutritt seien die Klägerinnen vom Beklagten nicht behindert worden. Da der Beklagte im Rahmen der Ausschreibung an alle Bewerber denselben Maßstab angelegt habe, könne in der Auswahl der berücksichtigten Mieterin, die das Höchstgebot abgegeben habe, auch keine Ungleichbehandlung gesehen werden. Soweit die Klägerinnen darauf abstellten, daß sie durch das Verhalten des Beklagten im Absatz der Kfz-Kennzeichen behindert würden, weil die in den Räumen der Zulassungsstelle tätige Mitbewerberin einen – vom Beklagten vermittelten – Standortvorteil genieße, gehe es um einen vom Beklagten nicht beherrschten Drittmarkt. Schon hieran könne der geltend gemachte Anspruch aus § 26 Abs. 2 GWB scheitern, weil die marktbeherrschende Stellung des Beklagten gerade auf dem Markt bestehen oder sich auswirken müsse, auf dem die Klägerinnen behindert oder diskriminiert würden. Die Frage könne jedoch offenbleiben, da jedenfalls keine unbillige Behinderung vorliege. Denn die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens der Klägerinnen könne nur dann beeinträchtigt worden sein, wenn dem Standortvorteil des im Gebäude der Zulassungsstelle tätigen Mitbewerbers kein entsprechender Nachteil gegenüberstehe. Durch die unterschiedliche Höhe der Miete, die die Klägerinnen auf der einen und die Mitbewerberin auf der anderen Seite zu zahlen habe, werde der Standortvorteil weitgehend relativiert. Dies werde sich in einem funktionierenden Wettbewerb über den Preis ausgleichen. Es bestehe kein Zweifel, daß sich das Käuferverhalten bei einem Preisunterschied von etwa 20 % ändern werde. Dem könne nicht entgegengehalten werden, daß der Preis für die Kfz-Schilder für die Verbraucher angesichts der hohen Fahrzeugpreise keine Rolle spiele. Die Frage, ob der Beklagte Werbung der Klägerinnen für ihre (günstigeren) Preise im Gebäude der Zulassungsstelle gestatten müsse, sei nicht Gegenstand des Rechtsstreits. Gestatte er dem im Gebäude tätigen Schilderpräger Hinweise auf sein Angebot, so müsse er auch dem Unternehmen der Klägerinnen entsprechende Werbemöglichkeiten bieten.
Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung sei neben dem Interesse der Klägerinnen an freier wettbewerblicher Entfaltung das Interesse des beklagten Landkreises zu berücksichtigen, sein Vermögen bestmöglich zu verwerten. Dem Interesse der Allgemeinheit an einem funktionierenden Wettbewerb entspreche es im übrigen nicht, wenn dem Unternehmen der Klägerinnen durch eine Untersagung der Vermietung seinerseits ein Monopol zufiele. Schließlich sei auch zu berücksichtigen, daß auch im Falle einer Untersagung Standortvorteile für den Wettbewerber mit der günstigsten Lage zur Zulassungsstelle unvermeidbar wären.
Das Berufungsgericht hat auch einen Anspruch der Klägerinnen aus § 1 UWG verneint. Den Hilfsantrag hat es als nicht hinreichend bestimmt angesehen.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg.
1. Mit Recht hat das Berufungsgericht einen Unterlassungsanspruch der Klägerinnen aus § 35 Abs. 1 i.V. mit § 26 Abs. 2 GWB verneint.
a) Allerdings ist der beklagte Landkreis, wie das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend angenommen hat, Normadressat des Behinderungs- und Diskriminierungsverbots des § 26 Abs. 2 Satz 1 GWB.
aa) Der relevante Markt, auf den zur Ermittlung der Marktstellung des Beklagten abzustellen ist, umfaßt in sachlicher und räumlicher Hinsicht das Angebot von Gewerbeflächen, die sich für einen Schilderpräger, der den bei den Besuchern einer bestimmten Zulassungsstelle anfallenden Bedarf an Kfz-Schildern decken möchte, zur Anmietung oder sonstigen Nutzung eignen. Das Berufungsgericht ist ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, daß dieser Markt nach dem auch insoweit anwendbaren Bedarfsmarktkonzept nicht auf die im Gebäude der Zulassungsstelle befindlichen Räume beschränkt, sondern auf solche Flächen zu erstrecken ist, die sich in unmittelbarer Nähe des Gebäudes der Zulassungsstelle befinden. Die Nachfrage nach Kfz-Schildern wird erfahrungsgemäß nicht nur von Schilderprägern mit einem Geschäftslokal im Gebäude oder auf dem Gelände der Kfz-Zulassungsstelle, sondern auch von solchen Anbietern befriedigt, die sich in unmittelbarer Nähe angesiedelt haben. Unter diesen Umständen begegnet die Annahme des Berufungsgerichts, für die Nachfrage der Marktgegenseite bestehe insoweit eine funktionelle Austauschbarkeit, keinen durchgreifenden Bedenken. Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision auch nicht daraus, daß sich aus dem Kreis der bei der Ausschreibung 1994 nicht berücksichtigten Bewerber kein weiteres Unternehmen in der Nähe der Zulassungsstelle niedergelassen hat. Denn dies kann ohne weiteres darauf zurückzuführen sein, daß die Wettbewerbschancen für einen dritten Anbieter in G. als gering eingestuft werden.
bb) Ob die getroffenen Feststellungen die Annahme des Berufungsgerichts tragen, der beklagte Landkreis sei auf dem in Rede stehenden Markt keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt, kann offenbleiben. Denn der Beklagte genießt gegenüber den anderen Anbietern von Gewerbeflächen, die für einen Schilderprägebetrieb in Betracht kommen, jedenfalls eine überragende Marktstellung (§ 22 Abs. 1 Nr. 2 GWB). Sie leitet sich aus dem Vorteil ab, den der Standort innerhalb des Gebäudes der Zulassungsstelle dem dort tätigen Anbieter vermittelt. Das Berufungsgericht hat in anderem Zusammenhang festgestellt, daß es sich insofern um einen gewichtigen Vorteil handele, weil für den Bürger, der vor und nach dem Erwerb des Kennzeichens die Zulassungsstelle aufsuchen müsse, ein hoher Anreiz bestehe, seinen Bedarf bei dem im Hause befindlichen Anbieter zu decken. Dies drückt sich auch in dem auf diesen Anbieter entfallenden Anteil der verkauften Schilder aus, der selbst nach dem Vortrag des Beklagten trotz geringfügig höherer Preise mindestens bei 75 % liegt. Der Vorzug, den dieser Anbieter auf dem Markt für Kfz-Kennzeichen genießt, kommt auf dem vorgelagerten Vermietungsmarkt dem beklagten Landkreis zugute, der – wie der Streitfall belegt – in der Lage ist, sich diese Vorzüge durch eine deutlich höhere Miete oder Pacht entgelten zu lassen, als sie für Standorte außerhalb des Gebäudes der Zulassungsstelle bezahlt werden.
b) Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, daß es sich bei der Anmietung von Räumen im Gebäude der Zulassungsstelle des Beklagten um einen Geschäftsverkehr handelt, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist. Die verschiedenen Bewerber für die Anmietung der Räume im Gebäude der Zulassungsstelle sind ihrer wirtschaftlichen Funktion nach untereinander gleichartig. Auch wenn jeweils nur ein Anbieter als Mieter der in Rede stehenden Räume zugelassen werden kann, handelt es sich um einen üblicherweise zugänglichen Geschäftsverkehr. Wie der Senat bereits in der Vergangenheit entschieden hat, schließen quantitative Begrenzungen des Zugangs die Üblichkeit nicht aus (vgl. BGHZ 52, 65, 70 – Sportartikelmesse; 107, 273, 278 – Staatslotterie).
c) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts stellt sich im Streitfall nicht die vom Berufungsgericht erörterte Frage, ob die Klägerinnen mit Hilfe des Anspruchs aus § 26 Abs. 2 GWB auch dagegen vorgehen können, daß sie vom Beklagten auf einem anderen als dem beherrschten Markt behindert oder ungleich behandelt werden (vgl. dazu BGH, Urt. v. 23.2.1988 - KZR 17/86, WuW/E 2483, 2490 - Sonderungsverfahren; Markert in Immenga/Mestmäcker, GWB, 2. Aufl., § 26 Rdn. 81; Carlhoff in Frankfurter Kommentar zum GWB, 3. Aufl., § 26 Rdn. 194 ff.; vgl. auch BGHZ 114, 218, 229 - Einzelkostenerstattung). Im Streitfall steht allein das Verhalten des Beklagten auf dem Vermietungsmarkt in Frage, auf dem das Unternehmen der Klägerinnen Gewerbeflächen zur Anmietung für ihren Schilderprägebetrieb nachfragt. Dabei geht es darum, ob im Verhalten des Beklagten eine unbillige Behinderung oder eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung des Unternehmens der Klägerinnen als Nachfrager von Vermietungsleistungen zu sehen ist. Auch wenn sich das Verhalten des Beklagten für die Klägerinnen auch auf der nachfolgenden Absatzstufe, also beim Vertrieb der Kfz-Kennzeichen, negativ auswirkt, ist für die Beurteilung im Rahmen des § 26 Abs. 2 GWB nur die mögliche Behinderung oder Ungleichbehandlung auf dem Vermietungsmarkt von Bedeutung. Lediglich in Fällen, in denen der Anspruchsteller auf dem beherrschten Markt nicht tätig ist, gleichwohl aber gegen Auswirkungen vorgehen möchte, die das Verhalten des marktmächtigen oder marktstarken Unternehmens auf einem anderen als dem beherrschten Markt hat, stellt sich die sogenannte Drittmarktproblematik.
d) Zu Unrecht hat es das Berufungsgericht in Zweifel gezogen, daß das Unternehmen der Klägerinnen dadurch ungleich behandelt und in seiner Geschäftstätigkeit behindert zu werden droht, daß die Räume in der Zulassungsstelle nicht an die Klägerinnen, sondern an eine Mitbewerberin vermietet werden sollen. Der Begriff der Behinderung in § 26 Abs. 2 GWB ist weit zu verstehen und erfaßt jedes Marktverhalten, das objektiv nachteilige Auswirkungen für den Betroffenen hat (vgl. BGH, Urt. v. 8.6.1967 - KZR 5/66, WuW/E 863, 870 - Rinderbesamung II; BGHZ 81, 322, 327 - Original-VW-Ersatzteile II; 116, 47, 57 - Amtsanzeiger). Auch die Feststellung einer unterschiedlichen Behandlung trägt noch kein Unwerturteil in sich. Vielfach wird ein Marktverhalten sogar beide Alternativen des § 26 Abs. 2 Satz 1 GWB erfüllen. So verhält es sich im Streitfall: Eine Behinderung der Klägerinnen droht bereits dadurch, daß der Beklagte – aus welchen Gründen auch immer – die Gewerbeflächen im Gebäude der Zulassungsstelle nicht an ihr Unternehmen, sondern an einen Dritten vermieten möchte. Darin liegt gleichzeitig eine Ungleichbehandlung, die unabhängig davon zu bejahen ist, ob der Beklagte für die Entscheidung zugunsten des Dritten vernünftige Gründe anzuführen vermag.
e) Kann der Beurteilung, es liege weder eine Behinderung noch eine unterschiedliche Behandlung vor, nicht beigetreten werden, erweist sich die vom Berufungsgericht angestellte Hilfserwägung hingegen als zutreffend: Die gebotene Abwägung der Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes ergibt, daß die Behinderung der Klägerinnen durch den Beklagten nicht als unbillig angesehen werden kann und für die Ungleichbehandlung ein sachlich gerechtfertigter Grund besteht.
aa) Im Rahmen der Interessenabwägung ist zunächst zu berücksichtigen, daß das von den Klägerinnen begehrte Verbot darauf gerichtet ist, den Beklagten mit der in Rede stehenden gewerblichen Leistung vollständig vom Wettbewerb auszuschließen. Eine derart weitgehende Rechtsfolge kann im Rahmen des § 26 Abs. 2 GWB nur ganz ausnahmsweise in Betracht kommen. Denn diese Bestimmung zielt darauf ab, die Spielräume, die der Normadressat genießt, einzuengen, nicht aber, ihn gänzlich vom Wettbewerb auszuschließen. Auch kann der Normadressat im allgemeinen nicht gezwungen werden, seine Interessen vollständig denen eines anderen Unternehmens unterzuordnen.
bb) Bei dem Interesse, das der Beklagte mit der Vermietung der Gewerbeflächen verfolgt, geht es nicht nur um das fiskalische Interesse, zusätzliche Einnahmen zu erwirtschaften, sondern zumindest auch darum, den Kunden der Zulassungsstelle dadurch entgegenzukommen, daß sie einen Schilderpräger im selben Gebäude aufsuchen können. Im Streitfall stand dieser Gesichtspunkt zunächst im Vordergrund; den getroffenen Feststellungen ist zu entnehmen, daß nach Eröffnung der Zulassungsstelle im Jahre 1987 eine Versorgung mit Kfz-Kennzeichen nicht gewährleistet gewesen wäre, wenn der Beklagte nicht die Räume im Gebäude der Zulassungsstelle zur Verfügung gestellt hätte. Daß es sich bei dem Verkauf der Kfz-Kennzeichen um ein mit der hoheitlichen Tätigkeit der Zulassungsstelle in engem Zusammenhang stehendes Geschäft handelt und eine einfache Erwerbsmöglichkeit den Bedürfnissen des Publikums entgegenkommt, hat der Bundesgerichtshof auch im Rahmen der Beurteilung nach § 1 UWG als maßgeblichen Umstand angesehen, weshalb selbst der Verkauf der Schilder durch die Zulassungsstelle nicht beanstandet worden ist (BGH, Urt. v. 26.4.1974 - I ZR 8/73, GRUR 1974, 733, 735 = WRP 1974, 397 - Schilderverkauf).
cc) Auf der Seite der Klägerinnen sowie anderer potentieller Mitbewerber ist das Interesse zu berücksichtigen, ihre Chancen im Wettbewerb nicht dadurch gefährdet zu sehen, daß der Beklagte einem Mitbewerber Geschäftsräume vermietet, die diesem einen erheblichen Standortvorteil verschaffen. Dem Umstand, daß die öffentliche Hand auf diese Weise Einfluß auf das Wettbewerbsgeschehen nimmt, kommt dabei allerdings – entgegen einer im Schrifttum geäußerten Auffassung (vgl. Immenga, NJW 1995, 1921, 1926; J.B. Nordemann, WRP 1996, 383, 384) – keine entscheidende Bedeutung zu. Auch an anderer Stelle wirkt sich die nicht auf eigene Leistung zurückzuführende Nachfrage- oder Angebotsmacht der öffentlichen Hand im Wettbewerb aus, ohne daß sich daraus kartellrechtlich ein Verbot wirtschaftlichen Handelns ableiten ließe. Vor allem aber werden die wettbewerbsschädlichen Auswirkungen, die von einem Verhalten wie dem im Streitfall beanstandeten ausgehen, nicht zutreffend dargestellt. Der auch von der Revision erhobene Einwand, durch die Vermietung der Räume im Gebäude der Zulassungsstelle an einen Schilderpräger werde der Leistungswettbewerb vollständig ausgeschaltet, ist nicht begründet.
Zutreffend ist zwar, daß der im Gebäude oder auf dem Gelände der Zulassungsstelle tätige Mitbewerber – wie bereits dargelegt – einen Standortvorteil genießt, der je nach den örtlichen Verhältnissen erheblich sein kann. Mit Recht hat jedoch das Berufungsgericht darauf hingewiesen, daß sich ein solcher Standortvorteil in einem funktionierenden Wettbewerb dadurch ausgleicht, daß für den vorteilhaften Standort ein höherer Preis, also in der Regel eine höhere Miete oder Pacht, zu zahlen ist, der sich im allgemeinen auch in höheren Verkaufspreisen niederschlagen wird. Die Rügen, die die Revision gegenüber dieser Beurteilung des Berufungsgerichts erhebt, gehen fehl. Die vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang angestellten Erwägungen können insbesondere nicht als hypothetisch abgetan werden. Denn sie gründen sich auf ein allgemeines Erfahrungswissen hinsichtlich der wirtschaftlichen Zusammenhänge, auf das bei der kartellrechtlichen Beurteilung der widerstreitenden Interessen ohne weiteres zurückgegriffen werden kann. Darüber hinaus gibt der Streitfall ein Beispiel für das Funktionieren der Marktgesetze: Denn das Ergebnis der Ausschreibung des Jahres 1994 zeigt, daß für den vorteilhaften Standort im allgemeinen ein höherer Preis zu zahlen ist und damit dem vom Standort her benachteiligten Wettbewerber ein Ausgleich in der Form eines deutlichen Kostenvorteils zukommt, der sich in günstigeren Endverbraucherpreisen niederschlagen kann.
Allerdings können Preisvorteile nur dann zum Zuge kommen, wenn für den Wettbewerber, der seine Schilder von dem ungünstigeren Standort aus anbietet, Möglichkeiten bestehen, auf sein Angebot, insbesondere auf die von ihm verlangten Preise, an geeigneter Stelle hinzuweisen. Daß es im Streitfall an derartigen Möglichkeiten fehlen würde, ist indessen nicht dargetan.
dd) Im Streitfall ist die Auswahl des Mieters der fraglichen Räume unter angemessenen und fairen Bedingungen erfolgt. Der Beklagte führt in regelmäßigen Abständen Ausschreibungen durch, bei denen der Interessent zum Zuge kommt, der das Höchstgebot abgibt. Die beschränkte Vertragsdauer gibt nicht berücksichtigten Interessenten die Möglichkeit, sich bei einer der nächsten Ausschreibungen erneut um die Räume zu bemühen. Ein solches Vorgehen berücksichtigt die Interessen der Schilderpräger in fairer und angemessener Weise und bietet aus Rechtsgründen keinen Anlaß zu Beanstandungen. Insbesondere kann – entgegen der Auffassung der Revision – nicht davon ausgegangen werden, der Beklagte fordere mit dem Angebot, die fraglichen Gewerbeflächen an den meistbietenden Interessenten zu vermieten, zu ruinösem Wettbewerb auf und riefe Hasardeure auf den Plan, die zur Zahlung unverhältnismäßig hoher Mieten bereit seien. Ob ein bestimmter Mietzins für einen bevorzugten Standort angemessen ist, richtet sich in erster Linie nicht nach objektiven Gesichtspunkten, sondern nach den besonderen Umsatzerwartungen an dem bevorzugten Standort.
ee) Entgegen der Auffassung der Revision sprechen allgemeine Grundsätze wie das Subsidiaritätsprinzip oder das Prinzip des Leistungswettbewerbs nicht gegen das Verhalten des Beklagten. Die Erwägungen, die die Revision in diesem Zusammenhang anstellt, bauen auf der – unzutreffenden – Annahme auf, daß durch die Vermietung von Gewerbeflächen im Gebäude der Zulassungsstelle der Leistungswettbewerb auf dem Kennzeichenmarkt ausgeschaltet und damit der Bestand des Wettbewerbs nachhaltig gefährdet würde. Das Berufungsgericht hat diese Befürchtung indessen – wie bereits dargelegt – mit rechtsfehlerfreien Erwägungen ausgeräumt.
ff) Schließlich darf bei den Erwägungen, die die Revision zu den drohenden Wettbewerbsverzerrungen auf dem Kennzeichenmarkt anstellt, nicht außer Betracht bleiben, daß eine entsprechende Situation auch ohne eine Vermietung von Gewerbeflächen durch die öffentliche Hand eintreten kann. Auch wenn im Gebäude oder auf dem Gelände der Zulassungsstelle keine Gewerbeflächen für Schilderpräger zur Verfügung gestellt werden, können sich für den räumlich am günstigsten gelegenen Wettbewerber ganz ähnliche Standortvorteile ergeben, wie sie ein im Gebäude der Zulassungsstelle tätiger Anbieter genießt, ohne daß dies mit den Mitteln des Kartellrechts zu verhindern wäre.
2. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist auch nicht aus § 1 UWG begründet. Im Rahmen der lauterkeitsrechtlichen Beurteilung sind insoweit die gleichen Beurteilungskriterien wie bei § 26 Abs. 2 GWB maßgebend (vgl. BGHZ 96, 337, 346 - Abwehrblatt II; 107, 40, 41 - Krankentransportbestellung). Eine Gefährdung des Wettbewerbsbestandes, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes das lauterkeitsrechtliche Verbot einer Wirtschaftstätigkeit der öffentlichen Hand rechtfertigen könnte (vgl. BGHZ 82, 375, 390 - Brillen-Selbstabgabestellen; 123, 157, 161 - Abrechnungs-Software für Zahnärzte), steht im Streitfall – wie dargelegt – nicht in Rede. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß das Unternehmen der Klägerinnen nicht allein auf den Standort in G. angewiesen ist, sondern sich auch bei anderen Kfz-Zulassungsstellen um vorteilhafte Gewerbeflächen – sei es innerhalb oder außerhalb der Zulassungsstelle – bemühen kann.
3. Mit Recht hat das Berufungsgericht die Klage auch mit dem Hilfsantrag abgewiesen, weil dieser nicht hinreichend bestimmt ist (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die Anforderungen, die nach diesem Antrag an die Ausschreibung der zu vermietenden Räume zu stellen sind („… mit von vornherein festgelegten transparenten, objektiven und strengen, d.h. von jedem Bewerber abstrakt gleichermaßen zu erfüllenden Kriterien …”), verlagern – wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat – den Streit über die im einzelnen zu beachtenden Erfordernisse der Ausschreibung unzulässigerweise in das Vollstreckungsverfahren. Die Revision hat insoweit auch keine gesonderten Rügen erhoben. Wie dargelegt, ist im übrigen das vom Beklagten eingehaltene Ausschreibungsverfahren, bei dem der meistbietende Anbieter den Zuschlag erhält, nicht zu beanstanden.
III. Danach ist die Revision der Klägerinnen mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Unterschriften
Geiß, v. Ungern-Sternberg, Melullis, Tepperwien, Bornkamm
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 14.07.1998 durch Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 539791 |
BB 1998, 2334 |
NJW 1998, 3778 |
GRUR 1999, 278 |
Nachschlagewerk BGH |
ZMR 1999, 16 |
DÖV 1999, 263 |
DAR 1998, 473 |
GewArch 1999, 27 |
MDR 1999, 558 |
WRP 1999, 105 |
WuM 1998, 751 |