Entscheidungsstichwort (Thema)
Nicht schutzfähiges Geschmacksmuster. Löschung im Musterregister. Rückwirkender Wegfall des Geschmacksmusterschutzes
Leitsatz (amtlich)
1. Die nach Verkündung des Berufungsurteils erfolgte Löschung des Geschmacksmusters im Musterregister ist vom Revisionsgericht von Amts wegen zu berücksichtigen.
2. Ist der Musterinhaber rechtskräftig zur Einwilligung in die Löschung verurteilt worden, weil das Muster am Tag der Anmeldung nicht schutzfähig war, so entfällt mit der Löschung im Register der Geschmacksmusterschutz auch für die Vergangenheit mit Wirkung für und gegen alle.
Normenkette
ZPO (2002) § 559; GeschmMG (Fassung vor dem 1.6.2004) § 10c Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
OLG Hamburg (Urteil vom 05.04.2001; Aktenzeichen 3 U 234/98) |
LG Hamburg |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des OLG Hamburg, 3. Zivilsenat, v. 5.4.2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien handeln mit Möbeln. Die Klägerin vertreibt unter der Bezeichnung "F. " ein Metallbett. Dessen Gestaltung entspricht einem aus der nachfolgenden Abbildung ersichtlichen Geschmacksmuster, das auf Grund einer Sammelanmeldung v. 1.6.1993 eingetragen wurde (im Folgenden: Klagegeschmacksmuster):
Das Geschmacksmuster wurde am 27.6.1997 auf den Geschäftsführer der Klägerin umgeschrieben, der dieser die "Ausübung der Geschmacksmusterrechte" übertragen hat.
Auf die Klage eines Dritten ist der Geschäftsführer der Klägerin als Inhaber des Klagegeschmacksmusters rechtskräftig gem. § 10c Abs. 2 Nr. 1 GeschmMG (in der bis zum 1.6.2004 geltenden Fassung; im Folgenden: a.F.) zur Einwilligung in die Löschung verurteilt worden. Das Klagegeschmacksmuster ist daraufhin am 9.4.2001 auf Antrag des Dritten im Musterregister gelöscht worden.
Ein zumindest ähnliches Bett wurde bereits im Jahre 1992 gleichfalls unter dem Namen "F. " vertrieben. Dieses Bett war von der in Z., Slowakei, ansässigen C. AG - bei der es sich nach dem Vorbringen der Klägerin um deren Tochtergesellschaft handelt - bei der ebenfalls in Z. ansässigen Firma P. in Auftrag gegeben und ausgeliefert worden.
Die Beklagte bietet unter der Bezeichnung "L. " ein mit dem Klagegeschmacksmuster identisches Bett an, das sie von der Firma P. bezieht.
Die Klägerin, die vorgetragen hat, ihr Geschäftsführer habe das Bett "F. " erdacht und entworfen, hat in dem Vertrieb des Bettes der Beklagten eine Geschmacksmuster- und Urheberrechtsverletzung sowie einen Verstoß gegen § 1 UWG (in der bis zum 7.7.2004 geltenden Fassung; im Folgenden: a.F.) gesehen. Die Beklagte nutze fremden Vertragsbruch aus, weil die Klägerin über ihre Tochtergesellschaft mit der Firma P. einen Vertrag geschlossen habe, nach dem diese das Bett ausschließlich für die Klägerin bzw. deren Tochtergesellschaft herzustellen habe.
Die Klägerin hat beantragt, der Beklagten zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken das Bett "L. " im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, zu bewerben, zu vertreiben und/oder anbieten, bewerben oder vertreiben zu lassen. Ferner hat sie beantragt, die Beklagte zu verurteilen, Auskunft zu erteilen, Rechnung zu legen und die bezeichneten, im Bundesgebiet befindlichen Betten zum Zwecke der Vernichtung oder gegen angemessenes Entgelt herauszugeben, sowie die Schadensersatzpflicht der Beklagten festzustellen.
Die Beklagte hat demgegenüber geltend gemacht, das Bett sei bei der Firma P. geschaffen worden, die im Juni und August 1992 jeweils u.a. 100 Stück an zwei Unternehmen in Hamburg und Garching geliefert habe. Die C. AG sei keine Tochtergesellschaft der Klägerin. Etwaige Vereinbarungen zwischen der Firma P. und der Klägerin, von denen sie, die Beklagte, ohnehin nichts gewusst habe, seien hinfällig geworden, nachdem die Firma P. diese am 8.8.1996 gekündigt habe.
Die Klage hatte in beiden Vorinstanzen keinen Erfolg.
Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihre Klageansprüche weiter.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat die auf Geschmacksmuster-, Urheber- und Wettbewerbsrecht gestützten Klageansprüche verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Auf Rechte an dem Geschmacksmuster könne die Klage nicht gestützt werden, weil das Bett schon außerhalb der Schonfrist des § 7a GeschmMG a.F. der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sei. Urheberrechte stünden der Klägerin, wie bereits im Verfahren der einstweiligen Verfügung ausgeführt worden sei, nicht zu. Das von der Klägerin vorgelegte Privatgutachten begründe keine Zweifel an der bisherigen Auffassung, dass dem Bett kein Werkcharakter zukomme, so dass kein Anlass bestehe, ein gerichtliches Sachverständigengutachten einzuholen.
Auch auf ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz ließen sich die Ansprüche der Klägerin nicht stützen. Die Klägerin erläutere nicht näher, worin die Unlauterkeit der "Übernahme" des Bettes liege. Soweit sie der Beklagten vorwerfe, sie nutze einen Vertragsbruch der Firma P. aus, könne dies nicht als unlauter angesehen werden, weil das Ausnutzen eines fremden Vertragsbruchs von der Rechtsordnung grundsätzlich nicht missbilligt werde.
II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Geschmacksmusterrechtliche Ansprüche der Klägerin scheiden allerdings aus, weil die Eintragung der Anmeldung des Klagegeschmacksmusters im Musterregister am 9.4.2001 gelöscht worden ist. Diese nach der Verkündung des Berufungsurteils (5.4.2001) eingetretene Veränderung der Schutzrechtslage ist auch noch in der Revisionsinstanz zu beachten (vgl. zum vergleichbaren Fall der Löschung einer Marke BGH, Urt. v. 24.2.2000 - I ZR 168/97, MDR 2000, 1390 = GRUR 2000, 1028 [1030] = WRP 2000, 1148 - Ballermann). Das Klagegeschmacksmuster ist gelöscht worden, weil der Musterinhaber rechtskräftig gem. § 10c Abs. 2 Nr. 1 GeschmMG a.F. zur Einwilligung in die Löschung verurteilt worden ist. Infolge der auf § 10c Abs. 2 Nr. 1 GeschmMG a.F. beruhenden Löschung des Klagegeschmacksmusters ist ein Schutz gegen Nachbildung (§ 7 Abs. 1 GeschmMG a.F.) nicht nur für die Zukunft, sondern auch für die Vergangenheit entfallen. Die durch Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Änderung des Geschmacksmustergesetzes v. 18.12.1986 (BGBl. I, 2501) eingeführte Klage auf Einwilligung in die Löschung gem. § 10c Abs. 2 GeschmMG a.F. sollte bei fehlender Schutzfähigkeit in ihrer Wirkung einer Nichtigkeitsklage in Patentsachen entsprechen (vgl. RegE des Gesetzes zur Änderung des GeschmMG v. 18.12.1986, Begründung zu § 10c, BT-Drucks. 10/5346, 22). Die patentrechtliche Nichtigkeitsklage hat nach § 22 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 21 Abs. 3 S. 1 PatG 1981 die Folge, dass die Wirkungen des Patents und der Anmeldung mit der Löschung als von Anfang an nicht eingetreten gelten (so jetzt ausdrücklich auch § 33 Abs. 3 S. 1 GeschmMG i.d.F. des Geschmacksmusterreformgesetzes v. 12.3.2004, BGBl. I, 390). Da die Löschung des Geschmacksmusters nach § 10c Abs. 2 Nr. 1 GeschmMG a.F. voraussetzte, dass die Schutzfähigkeit bereits am Tage der Anmeldung fehlte, hat sie wie die Nichtigerklärung des Patents zur Folge, dass ein Schutz von Anfang an nicht bestanden hat (i.E. ebenso Eichmann in Eichmann/v. Falckenstein, Geschmacksmustergesetz, 2. Aufl., § 10c Rz. 7, 13, nach dessen Ansicht der Löschung zwar keine Rückwirkung zukommt, sich aber auch Dritte darauf berufen können, dass das wegen Schutzunfähigkeit gelöschte Geschmacksmuster ein Scheinrecht war). Der Löschung des Geschmacksmusters gem. § 10c Abs. 2 GeschmMG a.F. kommt wie der Nichtigerklärung eines Patents und der Löschung eines Gebrauchsmusters (vgl. BGH, Urt. v. 13.12.1962 - I ZR 42/61, GRUR 1963, 519 [520 f.] - Klebemax; Kraßer, Patentrecht, 5. Aufl., S. 643, 648) Wirkung für und gegen alle zu (vgl. Nirk/Kurtze, Geschmacksmustergesetz, 2. Aufl., § 10c Rz. 24, 27). Ist demnach der Schutz des vor dem 28.10.2001 angemeldeten Klagegeschmacksmusters nach der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung des Geschmacksmustergesetzes mit seiner Löschung am 9.4.2001 entfallen, können Rechte aus ihm auch nicht nach dem am 1.6.2004 in Kraft getretenen Geschmacksmustergesetz geltend gemacht werden, § 66 Abs. 2 S. 2 GeschmMG n.F.
2. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht urheberrechtliche Ansprüche der Klägerin unter Bezugnahme auf die im Verfahren der einstweiligen Verfügung ergangenen Entscheidungen mit der Begründung verneint, das Bett "F. " weise zwar die für einen Geschmacksmusterschutz erforderliche Eigentümlichkeit auf, nicht aber die für die Urheberrechtsschutzfähigkeit erforderliche Gestaltungshöhe. Die dagegen gerichteten Angriffe der Revision bleiben ohne Erfolg.
a) Die Beurteilung, ob einem Gegenstand die für einen Urheberrechtsschutz erforderlichen Eigenschaften zukommen, insb. ob es sich um eine persönliche geistige Schöpfung i.S.d. § 2 Abs. 2 UrhG handelt, ist, soweit es darum geht, ob das Erzeugnis auf der Grundlage der dazu erforderlichen tatsächlichen Feststellungen, etwa zu seiner Gestaltung und zum vorbekannten Formengut, den Rechtsbegriff des Werks i.S.d. § 2 Abs. 2 UrhG erfüllt, eine Rechtsfrage und somit insoweit in der Revisionsinstanz nachprüfbar (BGHZ 27, 351 [355] - Candida; BGH, Urt. v. 11.4.2002 - I ZR 231/99, MDR 2003, 41 = BGHReport 2003, 32 = GRUR 2002, 958 [959] = WRP 2002, 1177 - Technische Lieferbedingungen, m.w.N.). Mit der Revision kann insb. geltend gemacht werden, dass der Tatrichter bei seiner Würdigung von rechtlich unzutreffenden Maßstäben ausgegangen ist, seine (tatsächlichen) Feststellungen die Bejahung oder Verneinung des Rechtsbegriffs des Werks nicht tragen oder verfahrensfehlerhaft getroffen worden sind (vgl. BGH, Urt. v. 10.12.1986 - I ZR 15/85, GRUR 1987, 903 [904] - Le Corbusier-Möbel; Urt. v. 22.6.1995 - I ZR 119/93, MDR 1995, 1229 = GRUR 1995, 581 [582] = WRP 1995, 908 - Silberdistel).
b) Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht ist - wie schon das LG - zutreffend davon ausgegangen, dass bei einem - hier in Rede stehenden - Werk der angewandten Kunst an die Urheberrechtsschutzfähigkeit höhere Anforderungen zu stellen sind als bei der zweckfreien bildenden Kunst und, da sich die geschmacksmusterfähige Gestaltung von der nicht geschützten Durchschnittsgestaltung abheben muss, für die Urheberrechtsschutzfähigkeit ein noch weiterer Abstand, d.h. ein deutliches Überragen der Durchschnittsgestaltung zu fordern ist (BGH, Urt. v. 22.6.1995 - I ZR 119/93, MDR 1995, 1229 = GRUR 1995, 581 [582] - Silberdistel; v. 5.3.1998 - I ZR 13/96, BGHZ 138, 143 [147] - Les-Paul-Gitarren).
aa) Das LG, auf dessen Begründung das Berufungsgericht verwiesen hat, hat ausgeführt, das Bett weise zwar in seiner gesamten Gestaltung durch die Verwendung der sich nach unten verjüngenden Dreiecksbleche an den Seitenteilen und durch die Modellierung des verwendeten Stahls mit den kreisförmigen Schliffen eine gewisse Eigentümlichkeit auf, die den geschmacksmusterrechtlichen Anforderungen genüge, die Zubilligung von Kunstwerkschutz i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG aber in keinem Fall rechtfertige. Diese Würdigung lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen. Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe den Berufungsvortrag der Klägerin zur Werkqualität des Bettes sowie den dazu angetretenen Beweis verfahrensfehlerhaft übergangen, ist unbegründet. Der von der Revision dazu angeführte Vortrag, dass das Bett vollkommen ohne Verschraubung auskomme, bei ihm erstmals der Gedanke des bis dahin aus Holz gefertigten sog. Tiefschläfers in Form eines Metallbetts aufgegriffen worden sei und dazu noch derart eigentümlich und eigenständig, zeigt keine Gestaltungsmerkmale auf, die zu einer anderen Beurteilung führen müssten. Technische Konstruktionsteile können für die Frage der künstlerisch-ästhetischen Ausgestaltung und Wirkung nicht herangezogen werden (BGH, Urt. v. 23.10.1981 - I ZR 62/79, MDR 1982, 551 = GRUR 1982, 305 [307] - Büromöbelprogramm). Die Verwendung eines bestimmten Werkstoffs ist als solche nicht schutzfähig (vgl. BGH, Urt. v. 19.12.1979 - I ZR 130/77, GRUR 1980, 235 [236] - Play-family). Soweit sich die Verwendung des Werkstoffs hier in der konkreten (ästhetischen) Gestaltung des Betts niedergeschlagen hat, ist dies von den Vorinstanzen in ihre rechtlich unbedenkliche Würdigung einbezogen worden.
bb) Für die Beurteilung, ob die festgestellten Eigentümlichkeiten über einen Geschmacksmusterschutz hinausgehen und eine für die Zubilligung des Urheberrechtsschutzes genügende Gestaltungshöhe erreichen, kommt es auf den Eindruck an, den das Erzeugnis nach dem durchschnittlichen Urteil des für Kunst empfänglichen und mit Kunstdingen einigermaßen vertrauten Menschen vermittelt (BGHZ 27, 351 [356] - Candida; Erdmann, FS für v. Gamm, S. 389, 400). Es begegnet daher auch keinen rechtlichen Bedenken, dass die Vorinstanzen die für diese (rechtliche) Beurteilung erforderlichen (tatsächlichen) Feststellungen aus eigener Sachkunde getroffen haben.
3. Dagegen halten die Ausführungen des Berufungsgerichts, mit denen es Ansprüche der Klägerin aus § 1 UWG a.F. verneint hat, der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Nach ständiger Rechtsprechung kann der Vertrieb eines nachgeahmten Erzeugnisses wettbewerbswidrig sein, wenn das Erzeugnis von wettbewerblicher Eigenart ist und besondere Umstände hinzutreten, die die Nachahmung unlauter erscheinen lassen (BGH, Urt. v. 7.11.2002 - I ZR 64/00, MDR 2003, 643 = BGHReport 2003, 505 = GRUR 2003, 356 [357] = WRP 2003, 500 - Präzisionsmessgeräte, m.w.N.). Dabei besteht zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen eine Wechselwirkung. Je größer die wettbewerbliche Eigenart und je höher der Grad der Übernahme sind, desto geringere Anforderungen sind an die besonderen Umstände zu stellen, die die Wettbewerbswidrigkeit der Nachahmung begründen (BGH v. 7.11.2002 - I ZR 64/00, MDR 2003, 643 = BGHReport 2003, 505 = GRUR 2003, 356 [357] - Präzisionsmessgeräte, m.w.N.). In der am 8.7.2004 in Kraft getretenen Fassung des UWG v. 3.7.2004 (BGBl. I, 1414) ist diese Fallgruppe des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes in § 4 Nr. 9 geregelt.
b) Das LG ist - wie auch übereinstimmend die Parteien - von dem Vorliegen einer für einen Geschmacksmusterrechtsschutz ausreichenden Eigentümlichkeit und von einer wettbewerblichen Eigenart ausgegangen. Das Berufungsgericht hat keine abweichenden Feststellungen getroffen, so dass diese Beurteilung, die einen Rechtsfehler nicht erkennen lässt, auch in der Revisionsinstanz zu Grunde zu legen ist.
c) Das von der Beklagten unter der Bezeichnung "L. " angebotene Bett ist mit dem von der Klägerin unter der Bezeichnung "F. " vertriebenen Bett identisch, so dass an das Vorliegen unlauterkeitsbegründender Umstände nur geringe Anforderungen zu stellen sind. Mit Recht rügt die Revision als Verletzung des § 286 ZPO, dass das Berufungsgericht, soweit es nähere Erläuterungen zur Frage der Unlauterkeit der Übernahme vermisst hat, wesentliches Vorbringen der Klägerin übergangen hat.
aa) Rechtlich unbedenklich ist es allerdings, dass das Berufungsgericht darin, dass die Firma P. die Beklagte möglicherweise unter Verletzung eines mit der Klägerin bestehenden Vertragsverhältnisses beliefert, keinen die Wettbewerbswidrigkeit begründenden Umstand gesehen hat. Das Ausnutzen des Vertragsbruchs eines durch eine Ausschließlichkeitsabrede gebundenen Händlers stellt für sich allein gesehen noch keinen die Unlauterkeit begründenden besonderen Umstand dar (vgl. BGH v. 1.12.1999 - I ZR 130/96, BGHZ 143, 232 [240 f.] = MDR 2000, 1267 - Außenseiteranspruch II). Daran hat auch das neue UWG nichts geändert. Das (bloße) Ausnutzen eines Vertragsbruchs unterfällt weder einer der im dortigen § 4 Nr. 9 ausdrücklich - aber nicht abschließend (vgl. Begründung zum RegE, BT-Drucks. 15/1487, 18) - genannten Fallgruppen (insb. nicht Nr. 9 lit. c), noch liegt darin ein sonstiger unlauterkeitsbegründender Umstand.
bb) Die Klägerin hat aber weiter geltend gemacht, dass das Verhalten der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Herkunftstäuschung wettbewerbswidrig sei. Nach ihrem Vortrag bringen die angesprochenen Verkehrskreise das Bett "F. " mit der Klägerin als dessen Herstellerin in Verbindung. Die Klägerin hat dazu unter Beweisantritt vorgetragen, dass einer ihrer Abnehmer, bei dem es sich um einen der größten Möbeleinzelhändler im süddeutschen Raum handele, die Kündigung des bestehenden Bezugsvertrags angedroht habe, wenn die Klägerin es nicht unterlasse, kleinere Möbelhäuser in Stuttgart, Karlsruhe und Freiburg mit dem Bett "F. " zu beliefern. Tatsächlich habe sie, die Klägerin, gar nicht an diese kleineren Händler geliefert; vielmehr hätten diese das Bett offensichtlich bei der Beklagten erworben.
cc) Diesem Vorbringen der Klägerin hätte das Berufungsgericht nachgehen müssen. Nach der Rechtsprechung zu § 1 UWG a.F. können Ansprüche aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz gegeben sein, wenn die Gefahr einer Herkunftstäuschung besteht und der Nachahmer zumutbare und geeignete Maßnahmen zur Vermeidung der Herkunftstäuschung unterlassen hat (BGH, Urt. v. 21.3.1991 - I ZR 158/89, MDR 1991, 1153 = GRUR 1992, 523 [524] - Betonsteinelemente; Urt. v. 19.10.2000 - I ZR 225/98, BGHReport 2001, 429 = MDR 2001, 705 = GRUR 2001, 443 [445] = WRP 2001, 534 - Viennetta; Urt. v. 8.11.2001 - I ZR 199/99, MDR 2002, 471 = BGHReport 2002, 239 = GRUR 2002, 275 [277] = WRP 2002, 207 - Noppenbahnen; Urt. v. 7.2.2002 - I ZR 289/99, BGHReport 2002, 837 = GRUR 2002, 820 [822 f.] = WRP 2002, 1054 - Bremszangen). Dem entspricht § 4 Nr. 9 lit. a UWG n.F. (vgl. BT-Drucks. 15/1487, 18).
Feststellungen dazu, ob im vorliegenden Fall die Gefahr einer Herkunftstäuschung gegeben ist, hat das Berufungsgericht nicht getroffen; insb. lässt sich seinen Feststellungen nichts dazu entnehmen, ob die Beklagte ausreichende Maßnahmen zur Vermeidung einer Herkunftstäuschung unternommen hat. Bei einer identischen Übernahme kann grundsätzlich die Gefahr einer Herkunftstäuschung bestehen, weil der interessierte Betrachter zwangsläufig davon ausgeht, die beiden identischen Produkte stammten von demselben Hersteller (vgl. BGH, Urt. v. 14.1.1999 - I ZR 203/96, GRUR 1999, 751 [753] = WRP 1999, 816 - Güllepumpen; Urt. v. 7.2.2002 - I ZR 289/99, BGHReport 2002, 837 = GRUR 2002, 820 [823] = WRP 2002, 1054 - Bremszangen).
III. Danach ist das angefochtene Urteil auf die Revision der Klägerin aufzuheben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses die notwendigen Feststellungen dazu trifft, ob der Klägerin Ansprüche aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz, die grundsätzlich in Betracht kommen, solange die wettbewerbliche Eigenart nicht verloren gegangen ist und auch die besonderen Unlauterkeitsumstände nicht weggefallen sind (BGH, Urt. v. 14.1.1999 - I ZR 203/96, GRUR 1999, 751 [754] = WRP 1999, 816 - Güllepumpen), unter dem Gesichtspunkt der Gefahr einer Herkunftstäuschung zustehen.
Sollte es danach auf die zwischen den Parteien streitige Frage der Rechtsinhaberschaft ankommen, werden die zwischen der Klägerin und der Firma P. getroffenen Vereinbarungen zu berücksichtigen sein. Ein eigenständiges wettbewerbsrechtliches Leistungsschutzrecht kann neben demjenigen, dessen Leistung nachgeahmt wird, auch einem ausschließlich Vertriebsberechtigten erwachsen (vgl. BGH, Urt. v. 24.3.1994 - I ZR 42/93, MDR 1994, 1200 = GRUR 1994, 630 [634] = WRP 1994, 519 - Cartier-Armreif; insoweit in BGH v. 24.3.1994 - I ZR 42/93, BGHZ 125, 322 = MDR 1994, 1200, nicht abgedr.). Die danach bestehenden Ansprüche können sich außer gegen den Hersteller der Nachahmung auch gegen deren Importeur (vgl. BGH, Urt. v. 23.1.1981 - I ZR 48/79, MDR 1981, 821 = GRUR 1981, 517 [520] - Rollhocker) sowie gegen den Händler richten (vgl. Piper in Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., § 1 Rz. 599).
Fundstellen
Haufe-Index 1241138 |
BGHR 2005, 178 |
EBE/BGH 2004, 1 |
GRUR 2004, 941 |
WRP 2004, 1498 |
Mitt. 2004, 572 |