Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatzanspruch einer Erbengemeinschaft bei arglistig erschlichener gerichtlicher Entscheidung
Leitsatz (amtlich)
a) Die auf § 826 BGB beruhende Möglichkeit des Geschädigten, die Rechtskraft einer arglistig erschlichenen gerichtlichen Entscheidung zu durchbrechen, ist nicht den Rechtsbehelfen gleichzustellen, mit denen aufgrund der Übergangsregelung des Einigungsvertrages Entscheidungen von Gerichten der DDR nach der Wiedervereinigung angefochten werden können.
b) Die deliktsrechtliche Generalnorm des § 330 ZGB kann grundsätzlich nicht als Grundlage eines Schadensersatzanspruchs herangezogen werden, durch den ein Geschädigter die vermögensrechtlichen Wirkungen einer arglistig erschlichenen rechtskräftigen Entscheidung eines Gerichts der DDR rückgängig machen will.
Normenkette
BGB § 826; ZGB DDR § 330
Verfahrensgang
KreisG Cottbus |
BezirksG Cottbus |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Bezirksgerichts Cottbus vom 25. November 1993 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Revision fallen dem Kläger zur Last.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger begehrt – als Mitglied einer Erbengemeinschaft – von den Beklagten Schadensersatz für den vor der „Wende” in der ehemaligen DDR im Rahmen eines gerichtlichen Aufgebotsverfahrens erlittenen Verlust des Eigentums an einem im heutigen Bundesland Brandenburg gelegenen Grundstück.
Der am 5. März 1969 verstorbene Vater des Klägers, Richard H., der zuletzt in M., Nordrhein-Westfalen, wohnhaft gewesen war, war bis zum Jahre 1987 als Eigentümer eines unbebauten Grundstücks im Grundbuch von C. in der ehemaligen DDR eingetragen. Der Verstorbene wurde von seiner Ehefrau und seinen drei Kindern, darunter dem Kläger, beerbt, die sämtlich in der Bundesrepublik Deutschland lebten. Die Erben kümmerten sich nicht um das Grundstück in C. Dieses wurde vielmehr von der – während des Revisionsverfahrens verstorbenen – früheren Beklagten zu 1), Lieselotte H. (im folgenden: Beklagte zu 1)), einer Schwester des Erblassers, und ihrer Tochter, der Beklagten zu 2), genutzt; die Beklagte zu 1) trug auch die auf dem Grundstück ruhenden öffentlichen Lasten.
Nachdem sich die Beklagte zu 2) am 5. Januar 1985 brieflich wegen des weiteren Schicksals des Grundstücks an den Kläger gewandt, dieser sich aber nicht geäußert hatte, stellte die Beklagte zu 1), vertreten durch die Beklagte zu 2), am 1. Oktober 1985 beim zuständigen Kreisgericht C. gemäß § 144 der Zivilprozeßordnung der DDR (künftig: ZPO-DDR) in Verbindung mit § 11 der Grundstücksdokumentationsordnung der DDR vom 6. November 1975 (GBl. DDR 1975 I 697) den Antrag, das Aufgebotsverfahren zum Ausschluß des „unbekannten Eigentümers” des genannten Grundstücks durchzuführen. § 11 der Grundstücksdokumentationsordnung hat in seinen Absätzen 1 und 2 folgenden Wortlaut:
Der unbekannte Eigentümer eines Grundstücks kann mit seinem Recht im Wege des Aufgebotsverfahrens ausgeschlossen werden, wenn ein anderer das Grundstück mehr als 20 Jahre wie ein Eigentümer genutzt hat und seit der letzten Eintragung in das Grundbuch, zu der eine Erklärung des Eigentümers erforderlich war, 20 Jahre vergangen sind.
Wer den Ausschluß erwirkt hat, erwirbt das Eigentum an dem Grundstück mit der Eintragung in das Grundbuch. Ist vor der Entscheidung über den Ausschluß ein anderer als Eigentümer eingetragen worden, wirkt der Beschluß nicht gegen den anderen. Das Gleiche gilt, wenn wegen des Eigentumsrechts eines anderen ein Widerspruch eingetragen worden ist.
In dem beim Sekretär des Kreisgerichts zu Protokoll gegebenen Antrag heißt es u.a.:
„Seit 1939 verwaltet die Antragstellerin das Grundstück wie ein Eigentümer…. Die Erbfolge wurde nie festgestellt, so daß der Eigentümer zum heutigen Zeitpunkt unbekannt ist.”
Das Kreisgericht gab mit Beschluß vom 14. April 1986 dem Antrag statt und schloß den „unbekannten Eigentümer” des Grundstücks mit seinen Rechten aus. Auf der Grundlage dieses Beschlusses wurde im Jahre 1987 die Beklagte zu 1) als neue Eigentümerin des Grundstücks in das Grundbuch eingetragen.
Nachdem der Kläger nach der „Wende” in der DDR von dem Ausschlußbeschluß Kenntnis erlangt hatte, legte er gegen diesen am 7. April 1992 Beschwerde ein, die vom zuständigen Bezirksgericht als unzulässig verworfen wurde; die hiergegen gerichtete Beschwerde des Klägers zum Bundesgerichtshof blieb erfolglos.
Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagten hätten das Aufgebotsverfahren mit bewußt wahrheitswidrigen Angaben betrieben. Ihnen seien seinerzeit, wie sich schon aus dem Brief der Beklagten zu 2) vom 5. Januar 1985 ergebe, die möglichen Erben bekannt gewesen; jedenfalls wären sie verpflichtet gewesen, das Kreisgericht auf die in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Hinterbliebenen des im Grundbuch eingetragenen Erblassers hinzuweisen. Der Kläger hat „Klage gem. § 826 BGB” erhoben und zuletzt in erster Linie die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten begehrt, ihm wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung sämtlichen aus dem Antrag auf Durchführung des Aufgebots entstandenen Schaden zu ersetzen; weitere Hilfsanträge des Klägers waren insbesondere auf Verurteilung der Beklagten zur Rückauflassung des Grundstücks und zur Zahlung eines auf 100.000 DM bezifferten Schadensersatzes gerichtet.
Die Klage war in beiden Vorinstanzen erfolglos. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Begehren im wesentlichen weiter. Die Beklagte zu 2), die sich als Erbin der Beklagten zu 1) bezeichnet, beantragt vorsorglich, ihr für den Fall eines Erfolgs der Revision die Beschränkung der Haftung auf den Nachlaß vorzubehalten.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat das Begehren des Klägers auf der Grundlage des § 826 BGB geprüft und einen Schadensersatzanspruch verneint. Es hat hierbei offen gelassen, ob § 826 BGB – obgleich der Eigentumsverlust am Grundstück bereits vor der Wiedervereinigung eingetreten ist – deswegen zur Anwendung gelangen könne, weil sich die weitere Ausnutzung des Ausschlußtitels als „Dauerdelikt” darstelle oder weil der hier geltend gemachte Schadensersatzanspruch Elemente eines verfahrensrechtlichen Rechtsbehelfs zur Durchbrechung der Rechtskraft einer erschlichenen gerichtlichen Entscheidung aufweise. Jedenfalls seien die Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise die Rechtskraft im Hinblick auf ein deliktisches Verhalten im Sinne des § 826 BGB zurücktreten müsse, vorliegend nicht gegeben. Erforderlich seien nicht allein die objektive Unrichtigkeit der Entscheidung und die Kenntnis desjenigen davon, der sie erwirkt habe, sondern zusätzlich besondere Umstände, die das Beharren auf der Rechtskraft als mißbräuchlich erscheinen ließen; das setze weiter voraus, daß der Eintritt der Rechtskraft nicht auf der eigenen prozessualen Nachlässigkeit des Betroffenen beruhe. Hier habe der Kläger die ihm und der Erbengemeinschaft zustehenden prozessualen Rechte nicht ausreichend gewahrt; er habe die Erhebung einer Anfechtungsklage gemäß § 957 ZPO versäumt.
Zum anderen sei den Beklagten jedoch auch kein sittenwidriges Verhalten anzulasten. Sie hätten vom Kreisgericht anzustellende Ermittlungen hinsichtlich etwaiger Erben des eingetragenen Eigentümers Richard H. nicht behindert. Es lasse sich nicht feststellen, daß die im Aufgebotsantrag enthaltene Angabe, die Erbfolge sei nie festgestellt worden, subjektiv unwahr gewesen sei. Der Kläger behaupte selbst nicht, daß den Beklagten die tatsächliche Erbfolge und der dementsprechend ausgestellte Erbschein bekannt gewesen sei. Die Beklagten hätten auch unwidersprochen vorgetragen, daß ihre Anfragen bei der Witwe des Verstorbenen nach möglichen Erben unbeantwortet geblieben seien. Unter diesen Umständen könne von einer Täuschung des Gerichts keine Rede sein.
Den Beklagten könne auch nicht vorgeworfen werden, sie hätten mit Schädigungsvorsatz gehandelt. Vielmehr hätten sie das Aufgebotsverfahren – aus damaliger Sicht – aus achtenswerten Motiven betrieben, um die Eigentumsverhältnisse am Grundstück klarzustellen. Die Beklagte zu 1) habe lange Zeit das Grundstück verwaltet und dessen Lasten getragen. Der Kläger und seine Familie hätten dagegen keinerlei Interesse an dem Grundstück bekundet, das seinerzeit für die in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Erben auch keinen nennenswerten, jedenfalls keinen realisierbaren Wert dargestellt habe.
II.
Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision im Ergebnis stand. Der Miterbengemeinschaft, welcher der Kläger angehört und für die er den Rechtsstreit gemäß § 2039 BGB führen will, steht der geltend gemachte deliktsrechtliche Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten nicht zu.
1. Das Berufungsgericht hat zutreffend die Vorschrift des § 826 BGB, auf die der Kläger seine Klage ausdrücklich gestützt hat, als Anspruchsgrundlage in Betracht gezogen, eine hierauf gegründete Schadensersatzforderung aber im Ergebnis zu Recht verneint.
a) Der Kläger wendet sich mit allen im Rechtsstreit gestellten Anträgen, auch soweit sie auf Entschädigung in Geld gerichtet sind, der Sache nach gegen den Eigentumserwerb der Beklagten zu 1) am streitigen Grundstück. Deren Erwerb beruht unmittelbar auf dem Beschluß des Kreisgerichts C. vom 14. April 1986. Dieser ist am 30. April 1986 gemäß § 84 in Verbindung mit § 83 Abs. 1 ZPO-DDR in Rechtskraft erwachsen, nachdem er am 15. April 1986 der Beklagten zu 1) nach § 146 Abs. 2 ZPO-DDR zugestellt und binnen der Frist des § 158 Abs. 2 Satz 2 ZPO-DDR keine nach § 158 Abs. 1 ZPO-DDR statthafte Beschwerde eingelegt worden war; eine Zustellung an weitere Personen war für den Eintritt der Rechtskraft nicht geboten, da sich aufgrund des gerichtlichen Aufgebots keine weiteren Beteiligten gemeldet hatten (vgl. dazu Zivilprozeßrecht der DDR, Kommentar, 1987, Anm. 2 zu § 146 ZPO-DDR).
Das im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachte Schadensersatzbegehren des Klägers ist daher inhaltlich gegen die Rechtswirkung dieser (formell und materiell) rechtskräftigen (für die Beteiligten „verbindlichen”, vgl. § 83 Abs. 2 Satz 1 ZPO-DDR) Entscheidung des Kreisgerichts C. gerichtet, durch den das Grundstückseigentum den bisherigen Eigentümern, dem Kläger und den übrigen Miterben, entzogen und auf dessen Grundlage die Beklagte zu 1) als neue Grundstückseigentümerin im Grundbuch eingetragen worden ist. Mit seiner Klage will der Kläger dementsprechend an die in gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung anerkannten Grundsätze zu § 826 BGB anknüpfen: Danach kann demjenigen, der einen Vermögensschaden erlitten hat, weil ein anderer gegen ihn durch Irreführung des Gerichts arglistig eine unrichtige Entscheidung erschlichen hat, ungeachtet ihrer Rechtskraft ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 826 BGB zustehen, da die Rechtskraft dann zurücktreten muß, wenn ihre Ausnutzung mit dem Gerechtigkeitsgedanken schlechthin unvereinbar wäre (vgl. dazu z.B. BGHZ 40, 130, 132; 101, 380, 383; 103, 44, 46). Auf einen derartigen Schadensersatzanspruch vermag der Kläger vorliegend sein Begehren aber nicht mit Erfolg zu stützen.
b) Allerdings wendet sich die Revision zu Recht gegen die Begründung, mit der das Berufungsgericht die Voraussetzungen des § 826 BGB hier verneint hat. Die insoweit angestellten Überlegungen im Berufungsurteil halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand; sie beruhen zum Teil auf Feststellungen, die nicht verfahrensfehlerfrei getroffen worden sind.
aa) Die Beurteilung des Berufungsgerichts, den Beklagten könne nicht vorgehalten werden, sie hätten durch bewußt unwahre Angaben das Aufgebotsverfahren überhaupt erst eingeleitet, berücksichtigt nicht in ausreichendem Maße den Prozeßstoff, insbesondere – wie die Revision zutreffend rügt – nicht hinreichend den Inhalt des von beiden Parteien in den Rechtsstreit eingeführten Briefes der Beklagten zu 2) an den Kläger vom 5. Januar 1985. Dieses Schreiben enthält deutliche Anhaltspunkte dafür, daß die Beklagten seinerzeit zumindest damit rechneten, daß dem Kläger, seiner Mutter und seiner Schwester Eigentumsrechte an dem streitigen Grundstück zustanden. Damit hätte sich das Berufungsgericht näher auseinandersetzen müssen. Von der Beklagten zu 1) und ihrer sie im Aufgebotsverfahren vertretenden Tochter, der Beklagten zu 2), war zu verlangen, daß sie wahrheitsgemäß und vollständig (vgl. zur prozessualen Wahrheitspflicht § 3 Abs. 1 Satz 3 ZPO-DDR) dem Kreisgericht alle Tatsachen vortrugen, die ihnen über die möglichen Eigentumsverhältnisse an dem betreffenden Grundstück bekannt waren. Der Inhalt des Briefes vom 5. Januar 1985 legt aber nahe, daß sie dies bewußt nicht getan haben. Daß die Beklagten möglicherweise über die Erbfolge im einzelnen, insbesondere die Erbanteile, nicht informiert waren und ihnen kein Erbschein bekannt war, ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht von entscheidender Bedeutung. Unter diesen Umständen beruht die Beurteilung des Berufungsgerichts, von einer Täuschung des Gerichts durch die Beklagten könne keine Rede sein, nicht auf einer revisionsrechtlich beanstandungsfreien Grundlage.
bb) Rechtlichen Bedenken begegnen auch die Erwägungen, mit denen im Berufungsurteil eine vorsätzliche Schädigung des Klägers durch die Beklagten verneint wird. Die getroffenen Feststellungen reichen nicht für die Bewertung aus, das Grundstück sei für den Kläger und die übrigen Miterben „wertlos”, sein Entzug daher für diese kein Schaden im Rechtssinne gewesen.
2. Diese nicht hinreichend geklärten tatsächlichen Fragen können jedoch dahinstehen. Denn für einen Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB wegen des arglistigen Erschleichens eines rechtskräftigen gerichtlichen Titels ist hier bereits aus Rechtsgründen kein Raum.
a) Allerdings stehen einer solchen zivilrechtlichen Schadensersatzforderung nicht bereits die Vorschriften des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz – VermG) vom 23. September 1990 (BGBl. II, 885) in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. August 1992 (BGBl. I, 1446) entgegen.
Zwar betrifft das Vermögensgesetz nach dessen § 1 Abs. 3
„auch Ansprüche an Vermögenswerten sowie Nutzungsrechte, die aufgrund unlauterer Machenschaften, z.B. durch Machtmißbrauch, Korruption, Nötigung oder Täuschung von Seiten des Erwerbers, staatlicher Stellen oder Dritter, erworben wurden.”
Ob im vorliegenden Falle die Voraussetzungen eines auf dieser Regelung beruhenden Restitutionsanspruchs, der im öffentlich-rechtlichen Verfahren zu verfolgen ist, erfüllt sein können, steht nicht zur Überprüfung durch den Senat. Die Durchsetzung des vom Kläger hier geltend gemachten zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs wäre hiervon nicht berührt.
aa) Zwar schließt die Restitution wegen unlauterer Machenschaften im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG grundsätzlich zivilrechtliche Ansprüche, die ihren Grund in diesen Machenschaften haben, aus (st. Rspr., vgl. z.B. BGHZ 118, 34, 38f.; 120, 204, 210; 121, 347, 352f.; 122, 204, 207; BGH, Urteil vom 11. Februar 1994 – V ZR 254/92, WM 1994, 700, 701). Dies beruht darauf, daß für die Wiedergutmachung des durch die früheren staatlichen Verhältnisse in der DDR verursachten „Teilungsunrechts” ein sozialverträglicher Ausgleich geschaffen werden sollte, bei dem insbesondere der Redlichkeit des Erwerbers Vorrang vor dem Rückübertragungsinteresse des Geschädigten eingeräumt werden sollte; ein redlicher Erwerber sollte deshalb nicht zugleich zivilrechtlichen Ansprüchen des vom „Teilungsunrecht” Betroffenen ausgesetzt sein.
bb) Eine derartige Ausschlußwirkung hat der Restitutionsanspruch aber nicht in jedem Falle, in dem ein Restitutionstatbestand zugleich einen mit zivilrechtlichen Ansprüchen belasteten Erwerb erfaßt. Die Berufung auf zivilrechtlich relevante Sachverhalte, die neben dem Makel des „Teilungsunrechts” stehende zusätzliche Mängel des Erwerbs betreffen, ist nicht ausgeschlossen (vgl. BGHZ 120, 198, 200f.; 120, 204, 211; 122, 204, 207; 123, 58, 61). Denn die Ausschlußwirkung soll lediglich sicherstellen, daß der im Vermögensgesetz vorgesehene Schutz des redlichen Erwerbs nicht durch zivilrechtliche Ansprüche und Rechtsbehelfe unterlaufen wird, welche die Besonderheiten des „Teilungsunrechts” unberücksichtigt lassen; sie reicht daher nur soweit, als dieser Schutzzweck es erfordert (vgl. BGHZ 121, 347, 353f.).
Deshalb ist hier kein Ausschluß des geltend gemachten zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs geboten. Nach dem – insoweit beanstandungsfrei – festgestellten Sachverhalt und dem unstreitigen Vorbringen der Parteien im vorliegenden Rechtsstreit steht kein durch die politischen Verhältnisse bedingtes „Teilungsunrecht” im Vordergrund, sondern es geht nach dem Klagevortrag um ein deliktisches, das zuständige Kreisgericht gerade täuschendes Verhalten der Beklagten, die ihrerseits die Staatsgewalt der DDR zu eigenem Vorteil mißbraucht haben sollen. Ein hierauf gegründeter Schadensersatzanspruch des Klägers und der übrigen Miterben kann dem Schutzzweck des Vermögensgesetzes nicht zuwider laufen.
b) § 826 BGB findet jedoch keine Anwendung, weil das deliktische Verhalten, das den Beklagten nach dem Klagevortrag angelastet werden könnte, vor der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 bereits vollständig abgeschlossen war und daher aufgrund der Übergangsregelungen des Einigungsvertrages vom 31. August 1990 (BGBl. 1990 II 889) das Recht der DDR anzuwenden ist.
aa) § 826 BGB ist auf den Streitfall nicht deshalb anzuwenden, weil die Möglichkeit einer Rechtskraftdurchbrechung, die dadurch dem Geschädigten eröffnet wird, den Rechtsbehelfen gleichzusetzen wäre, mit denen Entscheidungen von Gerichten der DDR nach der Wiedervereinigung angefochten werden können.
Gemäß Art. 18 Abs. 1 Satz 1 des Einigungsvertrages blieb die im Aufgebotsverfahren nach §§ 144 ff. ZPO-DDR i.V.m. § 11 der Grundstücksdokumentationsordnung der DDR getroffene gerichtliche Entscheidung auch nach der Wiedervereinigung uneingeschränkt wirksam. Da der Beschluß des Kreisgerichts C. vom 14. April 1986 – wie dargelegt rechtskräftig geworden war, richtete sich die Zulassung von Rechtsbehelfen hiergegen ab dem 3. Oktober 1990 nach Anl. I Kap. III Sachgebiet A Abschn. III Maßgabe 5 i des Einigungsvertrages. Dort heißt es:
„Gegen Entscheidungen, die vor dem Wirksamwerden des Beitritts rechtskräftig geworden sind, finden die vorgesehenen Rechtsbehelfe gegen rechtskräftige Entscheidungen statt (§§ 323, 324, 579 ff., 767 ff.). Die Voraussetzungen einschließlich der Fristen richten sich nach der Zivilprozeßordnung.”
Keiner der in dieser Regelung ausdrücklich aufgezählten Rechtsbehelfe der Zivilprozeßordnung der Bundesrepublik findet auf Ausschlußentscheidungen im Aufgebotsverfahren Anwendung. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Aufzählung der Rechtsbehelfe in dieser Übergangsregelung als nicht abschließend angesehen werden kann. Auch in diesem Fall käme gegen eine Ausschlußentscheidung im Aufgebotsverfahren nach dem 3. Oktober 1990 nur eine Anfechtungsklage nach § 957 Abs. 2 ZPO in Betracht (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 4. März 1994 – V ZR 287/92 – DtZ 1994, 214). Eine Schadensersatzklage nach § 826 BGB wird hierdurch nicht eröffnet.
Zwar wird in der Rechtsliteratur die Auffassung vertreten, daß auf der Grundlage dieser Übergangsregelung auch die Klage aus § 826 BGB gleichsam als „außerordentlicher Rechtsbehelf” gegen rechtskräftige, auf unredliche Weise erwirkte Entscheidungen der Gerichte der ehemaligen DDR erhoben werden könne (vgl. Vollkommer in Zöller, Zivilprozeßordnung, 18. Aufl. 1993, Rdn. 79 vor § 322 ZPO; Zöller/Vollkommer, ZPO und GVG nach dem Einigungsvertrag mit der DDR, Beiheft zu Zöller, Zivilprozeßordnung, 16. Aufl. 1990, Anl. 1 zum Einigungsvertrag, Rdn. 30; Rieß/Hilger, Das Rechtspflegerecht des Einigungsvertrages, 1991, Teil A, Rdn. 78 Fußn. 164; Zimmermann, Zivilprozeßordnung, 3. Aufl. 1993, Rdn. 101 der Einleitung II). Der Senat vermag sich dieser Auffassung jedoch nicht anzuschließen. Die genannte Übergangsregelung läßt ausschließlich prozeßrechtliche Rechtsbehelfe zu, die auf Vorschriften der Zivilprozeßordnung der Bundesrepublik beruhen. Der Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB hat seine Grundlage hingegen, auch soweit damit die Rechtskraftwirkung einer gerichtlichen Entscheidung überwunden werden soll, im materiellen Recht des BGB. Dementsprechend stellt die auf § 826 BGB gestützte sachlich-rechtliche Klage (im Gegensatz etwa zur Restitutionsklage des Wiederaufnahmeverfahrens) den Bestand der gerichtlichen Entscheidung nicht in Frage. Sie ist vielmehr darauf gerichtet, die durch den Bestand und seine Rechtsfolgen verursachte Einbuße im Wege des Schadensersatzes auszugleichen, wobei zur Erreichung dieses Zweckes die (materielle) Rechtskraft der Entscheidung zurücktreten muß (vgl. BGHZ 50, 115, 118 m.w.N.). ES geht bei der Klage aus § 826 BGB daher nicht um einen „außerordentlichen Rechtsbehelf” gegen eine gerichtliche Entscheidung, sondern um die Anwendung materiellen Zivilrechts.
bb) Gemäß Art. 232 § 10 EGBGB wäre § 826 BGB als sachlich-rechtliche Deliktsnorm nur anwendbar, wenn die den Beklagten angelastete unerlaubte Handlung nach dem 2. Oktober 1990 begangen wäre. Das ist jedoch nicht der Fall.
Die Einleitung und Durchführung des Aufgebotsverfahrens, der Entzug des Grundstückseigentums zu Lasten der bisherigen Eigentümer und die Eintragung der Beklagten zu 1) als neue Eigentümerin sind sämtlich vollständig vor der Wiedervereinigung vollzogen worden. Ein Handeln der Beklagten nach dem 2. Oktober 1990, etwa – wie es das Berufungsgericht in Erwägung gezogen hat – als „Dauerdelikt” durch weiteres Ausnutzen eines arglistig erwirkten Titels, kommt nicht in Betracht. Bei dem Eigentumserwerb der Beklagten zu 1) und dem diesen erwirkenden, vom Kläger beanstandeten Verhalten handelt es sich um einen im Zeitpunkt der Wiedervereinigung längst abgeschlossenen, in der Vergangenheit liegenden Vorgang.
Das Beharren der Beklagten auf der erlangten Rechtsposition auch nach dem 2. Oktober 1990 vermag – entgegen der Auffassung der Revision – nicht erneut einen deliktischen Tatbestand im Sinne des § 826 BGB, nunmehr durch Unterlassen, zu verwirklichen. Selbst wenn die Beklagten bei der Einleitung des Aufgebotsverfahrens so vorgegangen sein sollten, wie der Kläger vorträgt und es ihnen vorwirft, könnte es nicht als eine nach der Wiedervereinigung begangene, eine Schadensersatzpflicht begründende unerlaubte Handlung angesehen werden, daß sie nunmehr die durch Täuschung des Gerichts herbeigeführten Maßnahmen nicht gegenüber dem Kläger und der Erbengemeinschaft offenbart und sie – gegebenenfalls durch Rückübertragung des Grundstücks – rückgängig gemacht haben. Die bloße Nichtaufgabe der einmal erreichten rechtlichen Position genügt ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht zur Erfüllung des Tatbestandes einer unerlaubten Handlung nach § 826 BGB.
Auf das Verhalten der Beklagten bei Einleitung und Durchführung des Aufgebotsverfahrens kann § 826 BGB gemäß Art. 232 § 10 EGBGB keine Anwendung finden; insoweit sind die Voraussetzungen des vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzanspruchs vielmehr nach dem materiellen Recht der ehemaligen DDR zu beurteilen.
3. Entgegen der Auffassung der Revision ist das Schadensersatzbegehren auch nicht auf der Grundlage der demgemäß heranzuziehenden Vorschriften des Zivilgesetzbuchs der DDR (ZGB), insbesondere des § 330 ZGB, gerechtfertigt.
a) Die Auslegung und Anwendung von Vorschriften des Zivilrechts der DDR hat unter Berücksichtigung der Rechtspraxis in der ehemaligen DDR zu erfolgen; das für „Altfälle” fortwirkende Recht ist grundsätzlich so anzuwenden, wie es von den Gerichten der DDR ausgelegt worden wäre (vgl. Senatsurteile vom 22. Juni 1993 – VI ZR 302/92 – VersR 1993, 158; vom 3. Mai 1994 – VI ZR 278/93 – VersR 1994, 825, 826 und vom 11. Oktober 1994 – VI ZR 234/93 – zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).
b) Zentrale deliktische Schadensersatznorm war danach § 330 ZGB. Nach dieser Vorschrift ist, wer unter Verletzung ihm obliegender Pflichten rechtswidrig einen Schaden verursacht, zum Ersatz dieses Schadens verpflichtet. Vorrangige Rechtspflicht in diesem Sinne ist die in § 324 ZGB festgelegte Pflicht zur Vermeidung von Schäden an Leben und Gesundheit anderer sowie an sozialistischem Eigentum oder persönlichem Eigentum der Bürger. Weitere Pflichten, deren Verletzung einen Schadensersatzanspruch nach § 330 ZGB begründen können, ergeben sich auch aus anderen Bereichen der Rechtsordnung, etwa aus dem Strafrecht (vgl. Kommentar zum Zivilgesetzbuch der DDR, 1983, Anm. 1 zu § 330 ZGB); nach § 178 des Strafgesetzbuchs der DDR (StGB-DDR) stellte der Betrug zum Nachteil persönlichen Eigentums eine strafrechtlich geahndete Pflichtverletzung dar.
c) Zwar war das Vorgehen der Beklagten, wie es dem Klagevortrag zugrunde liegt, geeignet, den Tatbestand derartiger Pflichtverletzungen zu erfüllen. Der Schaden, dessen Ausgleich der Kläger hier begehrt, nämlich der Entzug des Grundstückseigentums, ist jedoch unmittelbar durch den rechtskräftigen Beschluß des Kreisgerichts C. vom 14. April 1986 herbeigeführt worden. Die Verbindlichkeit dieser gerichtlichen Entscheidung für die Beteiligten schließt grundsätzlich eine Rückgängigmachung der durch sie bewirkten vermögensrechtlichen Zuordnung mittels einer Schadensersatzforderung, auch wenn diese auf Geldersatz gerichtet ist, aus. Ein Schadensersatzanspruch gegenüber den Beklagten wäre nur dann gerechtfertigt, wenn § 330 ZGB in der Auslegung, die diese Bestimmung in der Rechtspraxis der DDR erfahren hat, die Grundlage dafür bieten könnte, in Ausnahmefällen in entsprechender Weise die (materielle) Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung zu durchbrechen, wie dies im Anwendungsbereich des § 826 BGB anerkannt ist. Dies ist jedoch nicht der Fall.
aa) Allerdings finden sich in den Anfangsjahren der DDR – damals noch unter der Fortgeltung des BGB – Fälle in der Rechtsprechung, in denen ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB gegenüber rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidungen, insbesondere wenn ein Titel arglistig erschlichen wurde, zugesprochen worden ist (vgl. BG Erfurt, NJ 1953, 312; BG Schwerin, NJ 1953, 313). Diese Entscheidungen haben auch Widerhall in der Rechtsliteratur gefunden (vgl. insbesondere Nathan, NJ 1953, 313, 314; ders., NJ 1953, 449, 450; Schumann, NJ 1953, 449; Gutschmidt, NJ 1953, 447, 448). Dabei wurde zwar deutlich zum Ausdruck gebracht, daß die Rechtskraft einer Entscheidung dann nicht im Wege stehen kann, wenn es darum geht, den Wirkungen eines Mißbrauchs der Rechtsprechungsorgane durch arglistig täuschendes Verhalten entgegenzutreten; zugleich wurde aber darauf hingewiesen, daß die Korrektur in solchen Fällen vorrangig durch prozessuale Rechtsbehelfe, insbesondere die Wiederaufnahme des Verfahrens und die dem Prozeßrecht der DDR eigentümliche Kassation zu geschehen habe (vgl. Nathan, NJ 1953, 313, 314; Winkler in: Das Zivilprozeßrecht der Deutschen Demokratischen Republik, 2. Bd. 1958, § . 267). Insoweit wurden die im seinerzeit geltenden Prozeßrecht normierten engen, auch zeitlichen Beschränkungen der Restitutionsklage kritisiert (vgl. Nathan, NJ 1953, 449, 451).
In der Folgezeit wurde für die anstehende Reform des Zivilprozesses vorgeschlagen, eine Rechtskraftdurchbrechung zuzulassen, wenn sich ergebe, daß einer gerichtlichen Entscheidung infolge erheblicher Fehler bei ihrem Zustandekommen schwere Mängel anhaften, wobei als Mittel zu dieser Durchbrechung insbesondere eine – möglichst zeitlich unbefristete – Kassation dienen sollte (vgl. hierzu Nathan/Püschel, Staat und Recht 1963, 674, 678 f.). Das künftige Zivilprozeßrecht sollte mit einem neuen Verständnis der Rechtskraft der Entscheidungen sozialistischer Gerichte und erweiterten Durchbrechungsmöglichkeiten die bisherigen Behelfe des „bürgerlichen” Prozeßrechtsdenkens, auch den Weg über eine Schadensersatzklage nach § 826 BGB, ablösen.
bb) Mit Inkrafttreten des Zivilgesetzbuchs und der neuen Zivilprozeßordnung der DDR zum 1. Januar 1976 ist § 826 BGB durch die an ganz andere tatbestandliche Voraussetzungen anknüpfende deliktische Generalnorm des § 330 ZGB ersetzt und die Möglichkeit erweitert worden, auch gegen rechtskräftige Titel prozeßrechtlich vorzugehen. Gemäß § 163 Abs. 1 Ziffer 1 ZPO-DDR war nunmehr durch Klage einer Prozeßpartei oder des Staatsanwalts die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftige Entscheidung eines Gerichts abgeschlossenen Verfahrens zulässig,
„wenn Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, die dem Gericht und dem Kläger des Wiederaufnahmeverfahrens zur Zeit der Entscheidung nicht bekannt waren und eine andere Entscheidung zu begründen geeignet sind.”
Nach § 163 Abs. 3 ZPO-DDR war die Wiederaufnahme durch Klage einer Prozeßpartei innerhalb von drei Monaten nach Kenntnis des Wiederaufnahmegrundes einzureichen; ein absoluter Ausschluß der Wiederaufnahmeklage trat erst ein, wenn nach dem Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung 10 Jahre vergangen waren. Diese Wiederaufnahme betraf grundsätzlich alle verfahrensbeendigenden Entscheidungen, auch rechtskräftige Beschlüsse im Aufgebotsverfahren nach § 146 ZPO-DDR (vgl. Zivilprozeßrecht der DDR, Kommentar 1987, Anm. 0 zu § 163 ZPO-DDR).
Die hiermit eröffnete weitgehende Möglichkeit einer Wiederaufnahme des Verfahrens gegen eine Entscheidung, die auf einer unzutreffenden Tatsachengrundlage beruht, sollte dem Schutz der Rechte der Prozeßparteien sowie der Sicherung der „Autorität des Instituts der Rechtskraft” dienen, indem „Fälle des unberechtigten Wirkens dieses Instituts eliminiert” werden (vgl. Lehrbuch des Zivilprozeßrechts, Autorenkollektiv unter Leitung von Kellner, 1980, S. 425). Die damit notwendigerweise verbundene Durchbrechung der Rechtskraft wurde nicht als Mangel angesehen. Da die Rechtskraft ihre Legitimation aus der Richtigkeit gerichtlicher Entscheidungen herleite und das Ergebnis eines gesetzlich geregelten Verfahrens sei, in dem in der zur Entscheidung unterbreiteten rechtlichen Angelegenheit die objektive Wahrheit ermittelt werde, seien die Wirkungen der Rechtskraft aufzuheben, wenn sich nachträglich herausstelle, daß die Voraussetzungen für die gerichtlichen Schlußfolgerungen nicht gegeben gewesen seien und die Entscheidung deshalb nicht mit dem sozialistischen Recht übereinstimme und ungerecht sei (vgl. dazu Lehrbuch des Zivilprozeßrechts, aaO, S. 348, 350 und 416). Diesem Ziel diente neben dem Wiederaufnahmeverfahren auch die Kassation rechtskräftiger Entscheidungen, soweit diese auf einer Rechtsverletzung beruhten (§§ 160 ff. ZPO-DDR).
cc) Es ist nicht zu ersehen, daß neben diesen umfassenden prozeßrechtlichen Möglichkeiten für eine Durchbrechung der Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung, weil sie auf unrichtigem Tatsachenvortrag beruht, das Bedürfnis oder auch nur der Raum für ein Vorgehen auf der Grundlage eines materiell-rechtlichen Schadensersatzanspruches gegeben gewesen wäre, wie er gemäß § 826 BGB möglich ist. Weder die Rechtsprechung der Gerichte der DDR noch die Rechtsliteratur haben sich, soweit ersichtlich, mit der Möglichkeit eines derartigen Schadensersatzanspruches befaßt, nachdem am 1. Januar 1976 das ZGB und die neue Zivilprozeßordnung der DDR in Kraft getreten waren. Es ist vielmehr davon auszugehen, daß die Gerichte der DDR den Kläger auf die Möglichkeit der Wiederaufnahmeklage nach § 163 Abs. 1 Ziffer 1 ZPO-DDR verwiesen hätten.
Für eine schadensersatzrechtliche Lösung bestand daneben auch deswegen keine Notwendigkeit, weil dem Kläger ein Schadensersatzanspruch grundsätzlich nicht länger als die Wiederaufnahmeklage zur Verfügung gestanden hätte, da sich die Ausschlußfrist von 10 Jahren für die Wiederaufnahmeklage gemäß § 163 Abs. 3 ZPO-DDR mit der Frist von ebenfalls 10 Jahren deckt, nach deren Ablauf gemäß § 475 Ziffer 2 ZGB die Verjährung eines deliktischen Anspruchs spätestens eintrat.
Unter diesen Umständen vermag der Senat der deliktischen Anspruchsnorm des § 330 ZGB keine Grundlage für den hier vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzanspruch zu entnehmen.
d) Eine andere Beurteilung ist auch nicht im Hinblick auf höherrangiges Recht geboten. Zwar muß bei der Auslegung und Anwendung des Rechts der ehemaligen DDR, auch soweit es nicht um fortgeltendes, sondern um für „Altfälle” fortwirkendes Recht geht, geprüft werden, ob die Rechtsanwendung, wie sie im konkreten Fall auf der Grundlage der Rechtspraxis der DDR vorzunehmen ist, zu einem Ergebnis führen kann, das mit den Grundrechtsgarantien und den tragenden verfassungsrechtlichen Wertungen des Grundgesetzes, insbesondere dem Rechtsstaatsprinzip, nicht in Einklang steht (vgl. dazu Senatsurteil vom 11. Oktober 1994 – VI ZR 234/93 – zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen m.w.N.). Auch eine Berücksichtigung dieser Grundsätze erfordert vorliegend aber keine Auslegung des § 330 ZGB dahin, daß diese Vorschrift als Anspruchsgrundlage für die geltend gemachte Schadensersatzforderung zur Verfügung steht.
Der Kläger und die übrigen Mitglieder der Erbengemeinschaft waren weder vor noch nach dem 3. Oktober 1990 in einer dem Rechtsstaatsprinzip widersprechenden Weise rechtlos gestellt. Nach dem Zivilprozeßrecht der DDR stand als Rechtsbehelf gegen den Beschluß des Kreisgerichts C. nach Eintritt der Rechtskraft das dargestellte Wiederaufnahmeverfahren aufgrund § 163 ZPO-DDR offen. Es ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, daß dem Kläger, hätte er sich vor der Wiedervereinigung um das Grundstück gekümmert, die durch das Aufgebotsverfahren herbeigeführte Entwicklung der Dinge verborgen geblieben und ihm nur deshalb, weil er in der Bundesrepublik Deutschland ansässig war, eine Wiederaufnahmeklage von vornherein verschlossen gewesen wäre.
Mit der Wiedervereinigung entfiel zwar diese Möglichkeit. Es ist jedoch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, daß der bundesdeutsche Gesetzgeber im Rahmen des Einigungsvertrages die vor dem Wirksamwerden des Beitritts ergangenen Entscheidungen von DDR-Gerichten grundsätzlich als wirksam anerkannt und ihre Überprüfung nur im Rahmen nunmehr geltenden Rechts ermöglicht hat (vgl. BGH, Urteil vom 4. März 1994 – V ZR 287/92 – aaO). Es war hier ausreichend, daß den früheren, durch die Gerichtsentscheidung ausgeschlossenen Grundstückseigentümern nunmehr die Anfechtungsklage auf der Grundlage des § 957 ZPO zur Verfügung stand; daß die besonderen Voraussetzungen und Fristen dieses Verfahrens einzuhalten waren, benachteiligte die Betroffenen nicht in einer rechtsstaatlich zu beanstandenden Weise (vgl. BGH, Urteil vom 4. März 1994 – V ZR 287/92 – aaO).
e) Entgegen der Auffassung der Revision kommt für das Begehren des Klägers auch die bereicherungsrechtliche Vorschrift des § 356 ZGB, die die Herausgabe eines materiellen Vorteils anordnet, auf den kein Anspruch bestanden hatte, nicht als Anspruchsgrundlage in Betracht. Der rechtskräftige Beschluß des Kreisgerichts C. vom 14. April 1986 war und ist eine zivilrechtlich wirksame Rechtsgrundlage für den Eigentumserwerb der Beklagten zu 1) am Grundstück. Auch insoweit gebieten weder höherrangiges Recht noch der von der Revision herangezogene Grundsatz von Treu und Glauben, der allerdings auch bei Auslegung und Anwendung des fortwirkenden Rechts der DDR zu beachten ist (vgl. Senatsurteil vom 3. Mai 1994 – VI ZR 278/93 – aaO), eine andere Beurteilung.
III.
Da sich das angefochtene Urteil im Ergebnis als zutreffend erweist, ist die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 604940 |
NJW 1995, 1552 |
ZIP 1995, 685 |