Leitsatz (amtlich)
Zur Zulässigkeit und Entschädigungsfähigkeit landschaftsschützender Maßnahmen, die die Veränderung einer seltenen Bodengestalt durch Sandabbau verbieten.
Normenkette
GG Art. 14; NdsNatSchG § 50
Verfahrensgang
OLG Celle (Urteil vom 13.03.1992) |
LG Hannover |
Nachgehend
Tenor
Die Revision des Beteiligten zu 3 gegen das Urteil des Senats für Baulandsachen des Oberlandesgerichts Celle vom 13. März 1992 wird zurückgewiesen.
Der Beteiligte zu 3 hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Beteiligte zu 3 (Antragsgegner im gerichtlichen Verfahren, im folgenden: beteiligter Eigentümer) ist Eigentümer eines überwiegend mit Wald bestandenen Geländes südlich von G., dessen Hügel am Westrand nach seiner Behauptung etwa 600.000 cbm abbauwürdigen diluvialen Sand enthalten. Er baute zunächst rd. 14.000 cbm Sand aufgrund einer Baugenehmigung und dann weiteren Sand ohne Genehmigung ab, bis ihm dies durch mehrere Verfügungen untersagt wurde. Eine von ihm am 15. März 1977 beantragte Genehmigung für weiteren Sandabbau nach dem niedersächsischen Bodenabbaugesetz lehnten Landkreis und Bezirksregierung unter Berufung auf überragende Gesichtspunkte des Landschaftsschutzes ab. Dagegen erhob der beteiligte Eigentümer Klage vor dem Verwaltungsgericht. Durch Verordnung über die einstweilige Sicherstellung des Dünengebietes südlich G. vom 30. November 1979 (ABl. RegBez. Hannover 1979 Nr. 26 S. 929), die auf das Reichsnaturschutzgesetz gestützt war, wurden alle Maßnahmen verboten, die das Landschaftsbild verunstalteten. Darauf nahm der beteiligte Eigentümer die verwaltungsgerichtliche Klage zurück.
Der beteiligte Eigentümer nahm nun den Landkreis und das Land auf Zahlung einer Enteignungsentschädigung in Anspruch. Das Oberlandesgericht Celle erklärte durch Urteil vom 1. November 1982 die Klage gegen das Land dem Grunde nach für gerechtfertigt und verurteilte das Land zur Zahlung von 8.800 DM nebst Zinsen. Dieses Urteil hat der erkennende Senat auf die Revision des Landes durch Urteil vom 26. Januar 1984 (III ZR 216/82 – BGHZ 90, 17) aufgehoben.
Durch die Verordnung zum Schütze des Landschaftsteiles „Dünengebiet südlich G., S. und K.” im Landkreis N./W. in den Gemeinden G. und H. vom 25. Januar 1984 (ABl. RegBez. Hannover 1984, 55) wurde das Gebiet zum Landschaftsschutzgebiet erklärt und die Entnahme von Bodenbestandteilen grundsätzlich verboten. Im Hinblick darauf erklärte der beteiligte Eigentümer den Zivilrechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Das Oberlandesgericht Celle folgte dieser Erklärung durch Urteil vom 21. Februar 1989 hinsichtlich eines Teilbetrages; im übrigen wies es die Klage ab.
Auf Antrag des beteiligten Eigentümers hat die Bezirksregierung als Enteignungsbehörde durch „Teilbeschluß” vom 9. Mai 1989 ausgesprochen, das Land (Beteiligter zu 1 und Antragsteller im gerichtlichen Verfahren) sei dem Grunde nach verpflichtet, den beteiligten Eigentümer für die Nachteile zu entschädigen, die ihm dadurch entstanden seien, daß auf seinem Gelände im Hinblick auf die Landschaftsschutzverordnung vom 25. Januar 1984 Sand nicht mehr abgebaut werden dürfe. Auf Antrag des Landes hat das Landgericht den Teilbeschluß vom 9. Mai 1989 aufgehoben und den Antrag des beteiligten Eigentümers auf Festsetzung einer Enteignungsentschädigung zurückgewiesen. Die Berufung des beteiligten Eigentümers hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der beteiligte Eigentümer sein Entschädigungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des beteiligten Eigentümers bleibt erfolglos.
I.
Das Berufungsgericht ist der Auffassung: Es liege zwar ein unmittelbarer Eingriff vor; dieser beeinträchtige den beteiligten Eigentümer aber nicht in einer eigentumsrechtlich geschützten Rechtsposition. Eine des Eigentumsschutzes fähige Rechtsposition des beteiligten Eigentümers sei schon durch die Versagung der beantragten Abbaugenehmigung mit Bescheid des Landkreises vom 27. Juli 1977 beseitigt worden. Dieser Bescheid sei rechtmäßig gewesen und habe sich im Rahmen der Sozialbindung des Eigentums gehalten. Ein vergleichbares Dünengebiet gebe es im Bereich der Mittelweser nicht noch einmal. Aus dieser „Situation” habe sich eine im-Rahmen der Sozialbindung des Eigentums liegende immanente Beschränkung des Abbaurechts des Eigentümers ergeben. Selbst wenn die Landschaftsschutzverordnung dem beteiligten Eigentümer eine an sich noch gegebene Möglichkeit abgeschnitten hätte, Abbauanträge nach dem Niedersächsischen Naturschutzgesetz zu stellen, läge darin nur eine Beschränkung der Nutzungsrechte, die nicht über die Sozialbindung hinausginge.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.
II.
1. Rechtsgrundlage des von dem beteiligten Eigentümer geltend gemachten Anspruchs auf Entschädigung dafür, daß ihm durch die Landschaftsschutzverordnung vom 25. Januar 1984 die Möglichkeit genommen worden sei, auf seinem Gelände Sand abzubauen, kann nur § 50 des Niedersächsischen Naturschutzgesetzes vom 20. März 1981 (NdsGVBl S. 31) – Nds NatSchG – sein. Nach § 50 Abs. 1 Satz 1 haben Eigentümer und andere Nutzungsberechtigte Anspruch auf Entschädigung, wenn ihnen durch Maßnahmen aufgrund dieses Gesetzes Beschränkungen ihrer Nutzungsrechte in einem Ausmaß auferlegt werden, das über die Sozialbindung des Eigentums hinausgeht. Nach § 50 Abs. 2 ist eine Entschädigung insbesondere zu gewähren, soweit infolge von Verboten in einer Landschaftsschutzverordnung (§ 26 Abs. 2 Nds NatSchG) oder auf ihrer Grundlage
- bisher rechtmäßige Grundstücksnutzungen aufgegeben oder eingestellt werden müssen,
- Aufwendungen an Wert verlieren, die für beabsichtigte bisher rechtmäßige Grundstücksnutzungen in schutzwürdigem Vertrauen darauf gemacht wurden, daß diese rechtmäßig bleiben, oder
- die Lasten und Bewirtschaftungskosten von Grundstücken auch in absehbarer Zukunft nicht durch deren Erträge und sonstige Vorteile ausgeglichen werden können
und hierdurch die Betriebe oder sonstigen wirtschaftlichen Einheiten, zu denen die Grundstücke gehören, unvermeidlich und nicht nur unwesentlich beeinträchtigt werden.
2. Gegen die Gültigkeit des § 50 Nds NatSchG bestehen keine Bedenken. Die Vorschrift regelt keinen Fall der Enteignungsentschädigung (Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG), sondern den finanziellen Ausgleich von Nutzungsbeschränkungen, die keine Enteignungen sind, aber wegen der Schwere der mit ihnen verbundenen Einschränkungen der Nutzungsbefugnisse nicht ohne einen solchen Ausgleich zulässig sind (vgl. grundlegend BVerfGE 58, 137, 147 ff.).
Nutzungsbeschränkungen im Interesse des Naturschutzes, an die § 50 Nds NatSchG anknüpft, stellen keine Enteignung, sondern eine Konkretisierung des Eigentumsinhalts dar, auf die insbesondere die Junktimklausel des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG nicht anzuwenden ist (Senatsurteil vom 18. Februar 1993 – III ZR 20/92 – RdL 1993, 120 – zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen; vgl. auch Senatsurteil vom 17. Dezember 1992 – III ZR 112/91 – DVBl 1993, 430 – zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen – und Kröner, Zur Entschädigung beim Denkmalschutz, in: Festschrift für Willi Geiger zum 80. Geburtstag, 1989, S. 445 ff.). Zulässigkeit und Rechtsfolgen einer Enteignung aus Gründen des Naturschutzes bestimmen sich in Niedersachsen nicht nach § 50, sondern nach § 49 Nds NatSchG und dem Niedersächsischen Enteignungsgesetz (§ 49 Abs. 3 Nds NatSchG). Dies steht auch im Einklang mit der Erwägung, daß naturschutzrechtliche Regelungen, jedenfalls soweit sie der Erhaltung im wesentlichen bereits vorhandener naturnaher Verhältnisse dienen oder lediglich Art und Maß der Nutzung näher bestimmen, regelmäßig nur die in Art. 14 Abs. 2 GG verankerte Sozialbindung des Eigentums aktualisieren (Senatsurteil vom 18. Februar 1993 a.a.O.; vgl. auch BVerwGE 84, 361, 370 f.; Nüßgens/Boujong, Eigentum, Sozialbindung, Enteignung, 1987, Rn. 205 f.).
Als Ausgleichsregelung im Rahmen der Inhaltsbestimmung des Eigentums dient § 50 Nds NatSchG dem Zweck, eine dem Eigentümer durch naturschutzrechtliche Maßnahmen im Einzelfall auferlegte besondere Belastung durch eine Geldleistung auf ein zumutbares Maß herabzumindern und die andernfalls eintretende Folge der Verfassungswidrigkeit zu vermeiden (vgl. Senatsurteil vom 18. Februar 1993 a.a.O.; BVerfGE 58, 137; 79, 174, 192). Ausgleichspflichtig ist danach ein Eingriff in eine als Eigentum oder Eigentumsbestandteil geschützte Rechtsposition, durch die der Eigentümer unverhältnismäßig oder im Verhältnis zu anderen ungleich in unzumutbarer Weise belastet wird (vgl. Senatsurteil vom 18. Februar 1993 a.a.O.; Senatsbeschluß vom 29. März 1990 – III ZR 105/89 – BGHR NW LG § 7 Zumutbarkeit 1 = NuR 1990, 429).
3. Auch unter dem Gesichtspunkt des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots als einer Ausprägung des allgemeinen Rechtsstaatsprinzips bestehen gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 50 Nds NatSchG keine Bedenken. Dabei kann auch hier offen bleiben, ob Ausgleichsregelungen, deren Zweck es ist, auf der Anwendung gesetzlicher Vorschriften beruhende unzumutbare Belastungen Einzelner im Rahmen des noch verfassungsrechtlich Zulässigen zu halten, unter dem Gesichtspunkt des vornehmlich auf Eingriffsnormen zugeschnittenen Bestimmtheitsgebots gewisse inhaltliche Mindestanforderungen erfüllen müssen. Denn § 50 Nds NatSchG genügt diesem Erfordernis, indem er durch Anführung dreier typischer Beispielsfälle – unvermeidliche und nicht nur unwesentliche Beeinträchtigung durch Zwang zur Aufgabe oder Einschränkung rechtmäßiger Grundstücksnutzungen (§ 50 Abs. 2 Nr. 1), Wertverlust von Aufwendungen, die für beabsichtigte bisher rechtmäßige Grundstücksnutzungen in schutzwürdigem Vertrauen auf den Fortbestand der Rechtmäßigkeit gemacht wurden (§ 50 Abs. 2 Nr. 2), sowie Unausgleichbarkeit der Lasten und Bewirtschaftungskosten von Grundstücken durch deren Erträge und sonstige Vorteile (§ 50 Abs. 2 Nr. 3) – die Beschränkungen und Pflichten, die „über die Sozialbindung des Eigentums hinausgehen”, typisierend umschreibt (vgl. Senatsurteil vom 18. Februar 1993, a.a.O. S. 10 des Umdrucks, zu § 37 des Saarländischen Naturschutzgesetzes – SNG – vom 31. Januar 1979).
Diese Konkretisierung nimmt der Generalklausel des § 50 Abs. 1 freilich nicht ihre selbständige Bedeutung. Angesichts der Vielgestaltigkeit möglicher Fälle ist es jedenfalls bisher nicht gelungen, die Kriterien einer unverhältnismäßigen „Opferlage”, bei der die Neubestimmung des Eigentumsinhalts wegen der mit ihr verbundenen Belastung für den Eigentümer nicht ohne Ausgleich zulässig ist, abschließend genauer zu umschreiben, so daß auf eine Auffangvorschrift nicht verzichtet werden kann, wenn der Landesgesetzgeber nicht Gefahr laufen will, ausgleichsbedürftige Fälle unberücksichtigt zu lassen, in denen dann eine sachlich erforderliche Regelung nicht rechtmäßig getroffen werden kann.
4. § 50 Nds NatSchG ist auf den vorliegenden Fall anwendbar. Der beteiligte Eigentümer leitet seinen Entschädigungsanspruch nunmehr aus den Beschränkungen her, die ihm durch die Landschaftsschutzverordnung vom 25. Januar 1984 auferlegt worden sind. Diese Landschaftsschutzverordnung ist nach Inkrafttreten des Niedersächsischen Naturschutzgesetzes (§ 74 Nds NatSchG: 1. Januar 1981) erlassen worden.
III.
Dahingestellt bleiben kann im vorliegenden Fall, ob § 50 Nds NatSchG auch bei rechtswidrigen Maßnahmen anwendbar ist, wie das Berufungsgericht meint; denn die Landschaftsschutzverordnung vom 25. Januar 1984 ist rechtmäßig.
1. Gegenstand und Zweck des Schutzes sind in der Landschaftsschutzverordnung hinreichend bestimmt (vgl. dazu VGH Baden-Württemberg Beschluß vom 7. August 1992 – 5 S 251/91 – NuR 1993, 139). § 2 LSchVO umschreibt den Schutzzweck der Verordnung wie folgt:
„(1) Der Charakter des Gebietes wird in großen Teilen insbesondere durch die mit naturnahen Laubmischwaldbeständen bestockten Flugsanddünen geprägt. Die Dünen sind in diesem Bereich besonders prägnant und noch in hohem Maße erhalten.
Der östliche Bereich (S. und K.) zeichnet sich durch mehr oder weniger intensive landwirtschaftliche Nutzung im Wechsel mit Waldflächen und kleineren Waldstücken aus. Weiterhin bestimmen Hecken, Gebüsche, Einzelbäume und Baumgruppen das Landschaftsbild in diesem Bereich.
Bis auf einige landwirtschaftliche Hofstellen und Weideschuppen ist keine Bebauung vorhanden.
(2) Schutzzweck ist der Erhalt des eigentümlichen Charakters dieses Landschaftsteiles.
Insbesondere soll die Beseitigung der für einen Teilbereich des Schutzgebietes typischen Ausbildungen von Flugsanddünen verhindert werden. Die Vegetation soll im Rahmen einer ordnungsgemäßen Nutzung gesichert werden; dies gilt insbesondere für die Waldbestände.
Nicht genutztes Gelände soll als Lebens- und Zufluchtsstätte für die freilebende Tierwelt und wildwachsenden Pflanzen erhalten bleiben.
Die Eigenart, Vielfalt und Schönheit des Landschaftsbildes und der durch Bebauung kaum beeinträchtigte Landschaftsraum soll in erster Linie zum Zweck der Erholungsnutzung erhalten bleiben.”
2. Zu Recht ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen, daß das in den Geltungsbereich der Verordnung vom 24. Januar 1984 einbezogene Gebiet die Voraussetzungen für die Unterschutzstellung nach § 15 BNatSchG, § 26 Nds NatSchG erfüllt.
a) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts handelt es sich um eine durchgehende, bewaldete Flugsanddünenkette, die sich hier noch als geschlossener Zug über nahezu 5 km erstreckt und einen landschaftlich und geologisch einheitlichen Gürtel von besonderem Erhaltungswert darstellt. Ein nach Flächenausmaß, Geschlossenheit und Morphologie vergleichbares Dünengebiet ist im Bereich der Mittelweser nicht mehr vorhanden. Ungeachtet der dort verlaufenden Trasse der B 215 hat das Gebiet in dem Bereich, um den es im vorliegenden Fall geht, seine besondere, unbedingt erhaltungsbedürftige Eigenart behalten.
b) Die gegen die dieser Würdigung zugrundeliegenden Feststellungen des Berufungsgerichts über den Zustand des Dünengebietes gerichteten Verfahrensrügen der Revision greifen nicht durch.
aa) Die Feststellungen des Berufungsgerichts stützen sich auf eine Augenscheinseinnahme. Bei der Würdigung der Erhaltungsbedürftigkeit des Gebietes ist das Berufungsgericht „der auf den fachkundigen Stellungnahmen der beteiligten Ämter beruhenden Darstellung” des Landes gefolgt. Dies ist nicht verfahrensfehlerhaft.
Erklärungen, die eine Partei abgibt, ohne ausdrücklich als Partei vernommen zu sein, dürfen zwar nicht als Beweismittel, behandelt werden; der Tatrichter darf sie jedoch im Rahmen der Beweiswürdigung verwerten (BGH Urteil vom 3. Dezember 1991 – VI ZR 48/91 – BGHR ZPO § 286 Abs. 1 Satz 1 Parteibehauptung 3 = VersR 1992, 358). Ihm ist nach § 286 ZPO grundsätzlich erlaubt, allein aufgrund des Vertrags der Parteien und ohne Beweiserhebung festzustellen, was für wahr und was für nicht wahr zu erachten ist (BGHZ 82, 13 20; Senatsbeschluß vom 29. Oktober 1987 – III ZR 54/87 – BGHR ZPO § 141 Würdigung 1; BGH Urteile vom 28. November 1979 – IV ZR 34/78 – VersR 1980, 229 – und vom 24. April 1991 – IV ZR 172/90 – BGHR ZPO § 286 Beweiserleichterung 1 = VersR 1991, 917, 918). Der Tatrichter ist nicht einmal gehindert, im Rahmen der Würdigung „des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme” (§ 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO) einer Parteierklärung, auch wenn sie außerhalb einer förmlichen Parteivernehmung abgegeben worden ist, den Vorzug vor den Bekundungen eines Zeugen zu geben (BGH Urteil vom 8. Dezember 1987 – VI ZR 79/87 – BGHR ZPO § 286 Abs. 1 Satz 1 Parteibehauptung 2).
Nach diesen Grundsätzen ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht der Darstellung des beteiligten Landes insoweit ohne weitere Beweiserhebung gefolgt ist. Es konnte sich dabei darauf stützen, daß diese Darlegung auf Stellungnahmen fachkundiger Behörden beruhte. Die Revision bringt nichts dafür vor, daß das Berufungsgericht zu Unrecht diese Behörden für sachkundig und ihre Bediensteten für glaubwürdig gehalten hätte.
bb) Insbesondere hinsichtlich der Berücksichtigung der Bahnlinie und der B 215 ist ein Verstoß des Berufungsgerichts gegen § 286 ZPO nicht erkennbar. Das Berufungsgericht hat nicht übersehen, daß durch die Bahnlinie und die Bundesstraße das Landschaftsbild beeinträchtigt wird. Wenn es trotzdem zu dem Ergebnis gelangt ist, das Dünengebiet habe gleichwohl in dem Bereich, um den es hier geht, seine besondere, unbedingt erhaltungsbedürftige Eigenart behalten, so hält es sich im Bereich zulässiger tatrichterlicher Würdigung, die Rechtsfehler nicht erkennen läßt.
3. Die von dem Landkreis erlassene Landschaftsschutzverordnung hebt die Privatnützigkeit des Eigentums in dem betroffenen Gebiet auch nicht vollständig auf.
Nach § 4 LSchVO ist „zur Abwendung erheblicher Gefährdungen des Schutzzweckes … im Landschaftsschutzgebiet … verboten”:
- Die Umwandlung von Wald in Nutzflächen anderer Art und die Durchführung von Maßnahmen, die nicht den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Forstwirtschaft entsprechen,
- die Entnahme von Bodenbestandteilen, das Aufschütten oder Einbringen von Stoffen aller Art sowie sonstige Veränderungen der Bodengestalt,
- die Veränderung oder Beseitigung von Feldgehölzen, Hecken, Bäumen und sonstigen Vegetationsbeständen, landschaftlich oder erdgeschichtlich bemerkenswerter Erscheinungen (z.B. Findlinge) und von Kleingewässern insbesondere Teiche, Tümpel und anderen Feuchtstellen,
- die Ruhe der Natur und den Naturgenuß durch möglichen Lärm zu stören, soweit dies nicht zur Ausübung einer ordnungsgemäßen land- und forstwirtschaftlichen Bodennutzung erforderlich ist (z.B. durch Tonwiedergabegeräte oder Modellflugzeuge),
- die Errichtung oder die wesentliche Veränderung von baulichen Anlagen aller Art, einschließlich Verkehrsanlagen sowie Einfriedigungen, Absperrungen und Verkaufseinrichtungen, auch wenn sie keiner bauaufsichtlichen Genehmigungs- und Anzeigepflicht bedürfen,
- das Anbringen von Werbeeinrichtungen, Tafeln oder Inschriften, soweit sie sich nicht auf den Landschaftsschutz oder auf den Verkehr beziehen oder als Ortshinweise dienen,
- die Anlage von Zelt-, Lager- und Campingplätzen, sonstigen ortsfesten Fremdenverkehrs- und Erholungseinrichtungen,
- außerhalb von Hausgrundstücken und an anderen als den behördlich zugelassenen Plätzen zu zelten oder Wohnwagen oder andere für die Unterkunft geeignete Fahrzeuge aufzustellen,
- der Bau oder die Erweiterung von ortsfesten Draht- und Rohrleitungen und
- anderen Handlungen, die den Charakter des Gebietes verändern oder dem besonderen Schutzzweck zuwiderlaufen, insbesondere das Landschaftbild oder den Naturgenuß beeinträchtigen.”
Zulässig bleibt nach § 6 LSchVO
- „Die im Sinne des Naturschutzgesetzes ordnungsgemäße land- und fostwirtschaftliche Bodennutzung auf den bisher genutzten Flächen,
- die Nutzung, auf deren Ausübung beim Inkrafttreten dieser Verordnung ein durch besonderen Verwaltungsakt begründeter Rechtsanspruch besteht,
- der Umbau, die Erweiterung und der Wiederaufbau land- und forstwirtschaftlicher Hofstellen, die Anlage von Weidezäunen und Weideschuppen sowie sonstige Einrichtungen (z.B. Beregnungsanlagen, Dränagen, Verkaufs- und Werbeeinrichtungen zum Verkauf landwirtschaftlicher Produkte), die für die Durchführung einer ordnungsgemäßen land- und forstwirtschaftlichen Nutzung erforderlich sind,
- die ordnungsgemäße Ausübung der Jagd,
- die Unterhaltung und Sicherung von Anlagen im Rahmen anderer gesetzlicher Vorschriften und Bestimmungen.”
Darüber hinaus läßt § 5 LSchVO Ausnahmen von den Verboten des § 4 unter folgenden Voraussetzungen zu:
„(1) Wird durch eine nach § 4 verbotene Handlung der Charakter des Landschaftsschutzgebietes nicht verändert und der besondere Schutzzweck im Einzelfall nicht beeinträchtigt, so hat die untere Naturschutzbehörde auf Antrag eine Ausnahme zuzulassen. Die Ausnahme ersetzt nicht eine etwa nach anderen Vorschriften erforderliche Genehmigung. Eine solche Ausnahme kann auch mit Nebenbestimmungen erteilt werden, die zur Abwendung oder dem Ausgleich der dem besonderen Schutzzweck zuwiderlaufenden Auswirkungen dienen.
(2) Im übrigen kann von den Verboten des § 4 nach Maßgabe der im § 53 des Niedersächsischen Naturschutzgesetzes enthaltenen Bedingungen auf Antrag eine Befreiung durch die Bezirksregierung Hannover gewährt werden.”
Angesichts der durch diese Regelungen zugelassenen und auf ihrer Grundlage genehmigungsfähigen Nutzungen kann keine Rede davon sein, daß durch die Unterschutzstellung die private Nutzbarkeit der betroffenen Grundstücke vollständig beseitigt sei.
IV.
Die Verneinung einer Ausgleichspflicht nach § 50 Nds NatSchG durch das Berufungsgericht hält revisionsrechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.
1. Ob die einstweilige Sicherstellung des Gebietes durch die noch auf der Grundlage des Reichsnaturschutzgesetzes erlassene Verordnung vom 30. November 1979 Entschädigungsansprüche auslösen kann, die gegebenenfalls auf der Grundlage des § 50 Nds NatSchG gewährt werden könnten, weil das Niedersächsische Naturschutzgesetz von 1981 solche zur Sicherung von Naturschutzgebieten, Naturdenkmalen und sonstigen Landschaftsteilen erlassenen Maßnahmen in Kraft belassen hat (§ 71 Nds NatSchG; zur Entschädigungsgrundlage vgl. BayObLG NVwZ-RR 1989, 290), braucht hier nicht entschieden zu werden. Gegenstand des Baulandverfahrens ist allein die von der Enteignungsbehörde in dem angefochtenen „Teilbeschluß” ausgesprochene Verpflichtung, den beteiligten Eigentümer für die Nachteile zu entschädigen, die ihm dadurch entstanden sind, daß er im Hinblick auf die Landschaftsschutzverordnung vom 25. Januar 1984 Sand nicht mehr abbauen durfte. Soweit die Enteignungsbehörde weitere Übelegungen darüber angestellt hat, ob im – späteren – Höheverfahren auch Nachteile zu berücksichtigen seien, die bereits vor dem 25. Januar 1984 eingetreten sind, handelt es sich um unverbindliche Ausführungen über einen Gegenstand, über den im vorliegenden Baulandverfahren nicht zu entscheiden ist.
2. Einer der Fälle des § 50 Abs. 2 Nds NatSchG liegt nicht vor. Der beteiligte Eigentümer wurde nicht zur Aufgabe oder Einschränkung rechtmäßiger Grundstücksnutzungen gezwungen (§ 50 Abs. 2 Nr. 1 Nds NatSchG). Er hat auch keine Aufwendungen für beabsichtigte bisher rechtmäßige Grundstücksnutzungen in schutzwürdigem Vertrauen auf den Fortbestand der Rechtmäßigkeit gemacht, die ihren Wert verloren haben (§ 50 Abs. 2 Nr. 2 Nds NatSchG). Schließlich hat er auch nicht substantiiert vorgetragen, daß die Lasten und Bewirtschaftungskosten der von der Landschaftsschutzverordnung betroffenen Grundstücke nicht durch deren Erträge und sonstige Vorteile ausgleichbar seien (§ 50 Abs. 2 Nr. 3 Nds NatSchG).
3. Eine Ausgleichspflicht nach § 50 Abs. 1 Nds NatSchG hat das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht verneint, weil die Landschaftsschutzverordnung keine Rechtsposition beeinträchtigt hat, die dem beteiligten Eigentümer bei Inkrafttreten der Verordnung zustand oder ihm jedenfalls nur gegen Gewährung einer Ausgleichszahlung entzogen werden konnte.
Das Vorhaben des beteiligten Eigentümers war im maßgeblichen Zeitpunkt schon ohne besondere Unterschutzstellung des Gebietes unzulässig.
a) Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 5 des Bundesnaturschutzgesetzes vom 20. Dezember 1976 (BGBl 1 S. 3573) ist beim Abbau von Bodenschätzen die Vernichtung wertvoller Landschaftsbestandteile zu vermeiden. Unvermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft durch die Gewinnung von Bodenschätzen sind durch Rekultivierung oder naturnahe Gestaltung auszugleichen. Diese Vorschrift bedurfte gemäß § 4 Satz 3 BNatSchG zu ihrer Wirksamkeit nicht der Ausfüllung durch den Landesgesetzgeber. Sie war daher bereits vor dem Inkrafttreten der Landschaftsschutzverordnung von 1984 zu beachten. Überdies hatte der niedersächsische Gesetzgeber die rahmenrechtlichen Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes (vgl. dazu BVerwG Urteil vom 14. Oktober 1988 – 4 C 58.84 – NuR 1989, 257) inzwischen in Landesrecht umgesetzt. Gemäß § 8 Nds NatSchG dürfen Eingriffe in die Landschaft das Landschaftsbild nicht mehr als unbedingt notwendig beeinträchtigen. Gemäß § 7 Abs. 1 Nds NatSchG werden dadurch Eingriffe in die Landschaft durch Veränderung der Gestalt von Grundflächen erfaßt, die das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen können. Gemäß § 11 Nds NatSchG sind Eingriffe in die Landschaft, die erhebliche Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes erwarten lassen und die nicht vermieden und durch eine landschaftsgerechte Neugestaltung nicht ausgeglichen werden können (§ 10 Abs. 1 Nds NatSchG), unzulässig, wenn bei Abwägung aller Anforderungen an Natur und Landschaft untereinander die Belange der Landschaftspflege vorgehen. Bei alledem gilt der Grundsatz, daß beim Abbau von Bodenschätzen die Vernichtung wertvoller Landschaftsteile oder Landschaftsbestandteile zu vermeiden ist. Unvermeidbare Beeinträchtigungen der Landschaft durch die Gewinnung von Bodenschätzen sind durch Rekultivierung oder naturnahe Gestaltung auszugleichen (§ 2 Nr. 5 Nds NatSchG). Die Genehmigung zum Bodenabbau ist (nur) zu erteilen, wenn gewährleistet ist, daß das Abbauvorhaben mit dem Naturschutzrecht, dem öffentlichen Baurecht und sonstigem öffentlichen Recht vereinbar ist (§ 19 Abs. 1 Nds NatSchG). Insoweit löste das Niedersächsische Naturschutzgesetz das Bodenabbaugesetz vom 15. März 1972 (GVBl S. 137; 1978 S. 81) ab, das die Genehmigung zum Bodenabbau nur unter der Voraussetzung gestattete, daß die Landschaft nicht auf Dauer verunstaltet wurde und Landschaftsteile von besonderem Wert erhalten blieben (§ 6 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 2 und 3 Bodenabbaugesetz).
b) Das Vorhaben des beteiligten Eigentümers war nicht nach den Grundsätzen des § 7 Abs. 2 Nds NatSchG privilegiert. Es hielt sich nicht im Rahmen einer im Sinne dieses Gesetzes ordnungsgemäßen landwirtschaftlichen Bodennutzung.
Das naturschutzrechtliche Privileg für die – im Sinne des Naturschutzrechts – ordnungsgemäße Landwirtschaft (§ 7 Abs. 2 Nds NatSchG) gilt nicht für solche Veränderungen der Landschaft, die eine landwirtschaftliche Nutzung erst ermöglichen oder diese effektiver gestalten sollen (BVerwG Beschlüsse vom 14. April 1988 – 4 B 55.88 – NuR 1989, 84 – und vom 26. Februar 1992 – 4 B 38.92 – NuR 1992, 328). Die Landwirtschaftsklausel will die „tägliche Wirtschaftsweise” des Landwirts von naturschutzrechtlichen Anordnungen freistellen (BVerwGE 67, 93, 94 = NuR 1983, 272; vgl. Dt. Bundestag, Prot. 7. Wp. S. 17514 C, 18550 A). Dazu gehört weder der Wechsel zwischen landwirtschaftlicher und forstwirtschaftlicher Bodennutzung oder zwischen verschiedenen landwirtschaftlichen Nutzungsarten (BVerwGE 67, 93; Beschluß vom 29. November 1985 – 4 B 213.85 – NuR 1986, 251; HessVGH Beschluß vom 6. September 1991 – 3 TH 1077/91 – NuR 1992, 86), noch die Umwandlung von Natur in Kulturlandschaft (BVerwG Beschluß vom 14. April 1988 a.a.O.; Urteil vom 14. Oktober 1988 – 4 C 58.84 – NuR 1989, 257).
c) Der von dem beteiligten Eigentümer beabsichtigte Sandabbau hätte einen unzulässigen Eingriff im Sinne der vorgenannten Bestimmungen dargestellt. Zu der geschützten Gestalt von Grundflächen gehören sämtliche prägenden Bestandteile der Oberflächenstruktur (Breuer, Die Bedeutung des § 8 BNatSchG für Planfeststellungen und qualifizierte Genehmigungen nach anderen Fachgesetzen, NuR 1980, 89, 91), insbesondere Hügel und Dünen (Gassner, Eingriffe in Natur und Landschaft – ihre Regelung und ihr Ausgleich nach § 8 BNatSchG, NuR 1984, 81, 83). Eine Veränderung der Grundflächengestalt ist immer dann anzunehmen, wenn geomorphologische Gegebenheiten der Erdoberflächenstruktur beschädigt oder beeinträchtigt werden (VG Saarlouis Urteil vom 24. November 1988 – 2 K 27/87 – NuR 1990, 284; dazu Stollmann, Zum Verhältnis von Eingriffstatbestand und Landwirtschaftsklausel im Naturschutzrecht, DVBl 1993, 643, 646). Die mit dem Eingriff verbundene unvermeidbare Beeinträchtigung der Weserdünenlandschaft wäre auch nicht ausgleichbar gewesen (§ 10 Abs. 1 Nds NatSchG), da selbst eine Wiederauffüllung nicht den ursprünglichen Zustand wiederhergestellt hätte, zu dem auch das Vorhandensein des diluvialen Sandes gehört. Im übrigen hat der beteiligte Eigentümer eine Wiederherstellung der Landschaft nicht beabsichtigt; ihm ging es vielmehr zugleich um die Gewinnung neuer landwirtschaftlich nutzbarer Flächen.
d) Bei dieser Sach- und Rechtslage hatte hier das öffentliche Interesse an einem Schutz wertvoller Landschaftsteile vor irreversibler Beseitigung ein derart starkes Gewicht, daß die wirtschaftlichen Interessen des beteiligten Eigentumes an einer möglichst ertragreichen Nutzung seines Grundvermögens selbst bei voller Berücksichtigung der Privatnützigkeit des Eigentums zurückzustehen hatten. Das beabsichtigte Vorhaben wäre daher – unabhängig von dem Erlaß der Landschaftsschutzverordnung 1984 – zu untersagen gewesen (§ 11 Nds NatSchG).
e) Damit ist noch nicht die Frage beantwortet, ob die Genehmigung für das beabsichtigte Vorhaben nur gegen Leistung einer Ausgleichszahlung versagt werden durfte. Das Berufungsgericht hat sich mit dieser Prüfung nicht ausdrücklich befaßt. Seine tatrichterlichen Feststellungen gestatten indes dem Senat eine Entscheidung auch dieser Rechtsfrage.
aa) Wie bereits unter II 2 der Entscheidungsgründe ausgeführt, dient § 50 Nds NatSchG als Ausgleichsregelung im Rahmen eines inhaltsbestimmenden Gesetzes (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) dem Zweck, eine dem Eigentümer durch naturschutzrechtliche Maßnahmen im Einzelfall auferlegte besondere Belastung durch eine Geldleistung auf ein unzumutbares Maß herabzumindern, um die andernfalls eintretende Rechtsfolge der Verfassungswidrigkeit zu vermeiden (vgl. dazu bereits Senatsurteil vom 18. Februar 1993 (III ZR 20/92 a.a.O.)). Hierdurch sollen übermäßige Belastungen, die bei der Anwendung eines inhaltsbestimmenden Gesetzes in Einzelfällen eintreten und den Betroffenen unzumutbar belasten, ausgeglichen werden (BVerfGE 58, 137, 147 f. – Pflichtexemplar; Krohn, Enteignung, Entschädigung, Staatshaftung, 1993, Rn. 6 f.).
bb) Bei der Beurteilung, ob eine Maßnahme des Natur- und Landschaftsschutzes den betroffenen Eigentümer in diesem Sinne unzumutbar belastet, zieht der Senat sinngemäß die Grundsätze heran, die er – noch unter der Geltung eines umfassenderen Enteignungsbegriffes (vgl. Krohn a.a.O. Rn. 1, 2) – zur Abgrenzung der (entschädigungslosen) Sozialbindung des Eigentums von (entschädigungspflichtigen) Eingriffen mit „enteignender” Wirkung entwickelt hat.
Danach wird jedes Grundstück durch seine Lage und Beschaffenheit sowie seine Einbettung in die Landschaft und Natur, also seine „Situation”, geprägt. Darauf muß der Eigentümer bei der Ausübung seiner Befugnisse im Hinblick auf die Sozialbindung des Eigentums Rücksicht nehmen. Daher lastet auf jedem Grundstück gleichsam eine aus seiner Situationsgebundenheit abzuleitende immanente Beschränkung der Rechte des Eigentümers, aus der sich Schranken seiner Nutzungs- und Verfügungsmacht ergeben.
Wie diese Grenzen im Einzelfall zu ziehen sind, ist jeweils aufgrund einer wertenden Beurteilung der Kollision zwischen den berührten Belangen des Allgemeinwohls und den betroffenen Eigentümerinteressen festzustellen. Eine situationsbedingte Belastung des Grundstücks ist anzunehmen, wenn ein – als Leitbild gedachter – vernünftiger und einsichtiger Eigentümer, der auch das Gemeinwohl nicht aus dem Auge verliert, von sich aus im Blick auf die Lage und die Umweltverhältnisse seines Geländes von bestimmten Formen der Nutzung absehen würde. Hierfür sind in der Regel die bisherige Benutzung und der Umstand von Bedeutung, ob die Benutzungsart in der Vergangenheit schon verwirklicht worden war. Allerdings kann nicht nur auf schon gezogene Nutzungen abgestellt werden. Vielmehr ist entscheidend, ob eine zulässige Nutzungsmöglichkeit, die sich nach Lage und Beschaffenheit des Grundstücks objektiv anbietet, untersagt oder wesentlich eingeschränkt wird (BGHZ 87, 66, 71 f.; 90, 4, 14 f.; 90, 17, 24/25; 99, 24, 31 f.; 105, 15, 17 f.; Senatsurteil vom 18. Februar 1993 – III ZR 20/92 a.a.O.; vgl. auch BVerwGE 84, 361).
Eine besondere, die Sozialbindung aktualisierende Situation kann sich daraus ergeben, daß das Grundstück eine nach dem jeweils geltenden Landschaftsschutzrecht erhaltenswerte Beschaffenheit hat, die entweder seine schützenswerte Substanz als solche betrifft (vgl. Senatsurteile vom 25. März 1957 – III ZR 253/55 = DVBl 1957, 861 – „Buchendom” – und vom 17. Februar 1977 – III ZR 115/74 = WM 1977, 561 – „Lavaberg”) oder auf seiner prägenden Wirkung für die Landschaft (vgl. Senatsurteil BGHZ 77, 351) beruht. Im letzteren Fall ist die konkrete Situation des Grundstücks gekennzeichnet durch die Umstände, welche die von dem Grundstück ausgehende Wirkung für das Bild der Landschaft begründen. Sie sind es, die den Charakter und damit den besonderen ideellen oder auch materiellen Wert des Grundstücks bislang schon ausgemacht haben (vgl. BGHZ 72, 211, 217; 99, 24, 32; 105, 15).
cc) Im vorliegenden Fall sind keine Umstände ersichtlich, die nach Maßgabe dieser Grundsätze eine Situationsberechtigung der von dem Abbauverbot betroffenen Grundstücke für die vom Eigentümer beabsichtigte Verwendung hätten begründen können. Der Senat hat bei der Bestimmung des Umfangs der Sozialbindung eine Situationsberechtigung für eine landschaftsrelevante Nutzung vor allem angenommen, wenn das Grundstück bereits in einen behördlich genehmigten, laufenden Abbaubetrieb eingegliedert war; in diesem Fall kann die schon verwirklichte legale, Bestandsschutz genießende Nutzung ihrerseits die Situation im Sinne der vom Eigentümer beabsichtigten Nutzung prägen (vgl. Senatsurteil BGHZ 105, 15, 19/20 m.w.N.). Ein solcher Sachverhalt liegt hier jedoch nicht vor. Der beteiligte Eigentümer hatte die betroffenen Grundstücke bislang forstwirtschaftlich genutzt; an der Fortsetzung dieser Nutzung – deren Unwirtschaftlichkeit, gemessen am Verhältnis von Aufwand und Ertrag er nicht substantiiert geltend gemacht hat – ist er durch das Sandabbauverbot nicht gehindert worden.
Der beabsichtigte Sandabbau lag zwar im vitalen wirtschaftlichen Interesse des Eigentümers. Abgesehen davon, daß das Grundeigentum in seinem verfassungsrechtlich geschützten Kern nicht alle Befugnisse umfaßt, die von der Sache her möglich sind und die sich einem wirtschaftlich denkenden Eigentümer als die lohnendste und ertragreichste anbieten (BVerfGE 58, 300, 345; BVerwGE 67, 93), hatte die beabsichtigte Nutzung aber wegen der damit verbundenen Zerstörung eines erhaltenswerten Landschaftsbildes die Situationsgebundenheit der Grundstücke, deren Charakter vor allem durch ihre prägende Wirkung für die Landschaft bestimmt wird, gegen sich. Hinzu kommt, daß hier auch der abzubauende diluviale Sand als Teil einer uferbegleitenden Innendüne selbst Gegenstand des Natur- und Landschaftsschutzes ist. Dem Eigentümer ist daher keine Nutzung untersagt worden, die sich nach Lage und Beschaffenheit des Grundstücks objektiv anbot.
Ob es, wie die Enteignungsbehörde angenommen hat, mit den Belangen des Landschaftsschutzes zu vereinbaren gewesen wäre, den Sand nur teilweise abzubauen, bedarf im Entschädigungsfeststellungsverfahren nicht der Prüfung. Insoweit war es allein Sache des beteiligten Eigentümers, seine Vorstellungen für einen Abbau geringeren Umfangs – gegebenenfalls in Abstimmung mit der Behörde – im einzelnen darzulegen und z.B. einen Betriebsplan vorzulegen. Der Eigentümer durfte sich nicht darauf verlassen, die Behörde werde ihn zur Stellung eines beschränkten Antrags auf Genehmigung auffordern, wenn sie nur einen solchen für erfolgreich ansehe (vgl. Senatsurteil vom 17. Februar 1977 – III ZR 115/74 a.a.O.).
Hiernach hat das Vermögenswerte Interesse des Eigentümers, den in den Hügeln enthaltenen Sand auf kostengünstige Weise abzubauen und die auf diese Weise freigelegten Grundflächen dann landwirtschaftlich zu nutzen, bei der vorzunehmenden Abwägung zwischen den privaten und öffentlichen Interessen nicht den Stellenwert, den ihm die Enteignungsbehörde beigemessen hat. Bei der Prüfung, wie sich hier ein – als Leitbild gedachter – vernünftiger und einsichtiger Eigentümer, der auch das Gemeinwohl nicht aus dem Auge verliert, entscheiden würde, müssen die in der Situationsgebundenheit der konkreten Eigentumsobjekte zum Ausdruck kommenden Belange des Landschaftsschutzes mit ihrem vollen Gewicht berücksichtigt werden. Je stärker diese Interessen sind und je mehr das betroffene Grundstück in seiner konkreten „Situation” durch sie geprägt wird, um so eher können die wirtschaftlichen Folgen dem einzelnen Eigentümer zugemutet werden, ohne gegen das Gebot übermäßiger Belastung zu verstoßen. Hierin liegt der Unterschied zu den Wirkungen eigentumsrelevanter Planungsakte, die mit Nutzungsbeschränkungen auf die (vorhandene) „Situation” des Planungsobjekts nicht bloß reagieren, sondern diese nach eigenen Planzielen verändern (vgl. Krohn/Löwisch Eigentumsgarantie, Enteignung, Entschädigung, 3. Aufl. Rn. 84, unter Hinweis auf das Senatsurteil BGHZ 87, 66 – Staustufe Iffezheim). In diesem Fall kann die Zumutbarkeitsschwelle für eine Ausgleichsleistung tiefer liegen, weil das dem Einzelnen im Interesse der Allgemeinheit abgeforderte Opfer hier nicht den sozialen Bezug widerspiegelt, in dem das Eigentumsobjekt bereits steht.
Wie bereits unter III 2 ausgeführt, hat das Berufungsgericht verfahrensfehlerfrei festgestellt, daß die für den Bodenabbau vorgesehenen Grundstücke Teil eines landschaftlich und geologisch einheitlichen Gürtels von besonderem Erhaltungswert sind. Danach ist ein nach Fläche, Geschlossenheit und Morphologie vergleichbares Gebiet bewaldeter Flugsanddünen als Übergang zwischen Weseraue und Geest im Bereich der Mittelweser sonst nicht mehr vorhanden. Der vorgesehene Abbau der Sanddünen hätte diesen Teil einer besonders schutzwürdigen Landschaft endgültig zerstört und den zu bewahrenden geologischen Zusammenhang aufgehoben. Daß dem beteiligten Eigentümer unter diesen Umständen der Abbau der in seinen Grundstücken enthaltenen Sandmengen nicht gestattet worden ist, stellt angesichts der beschriebenen Situationsbindung dieser Grundstücke keine unzumutbare Belastung dar, die durch eine Entschädigung nach § 50 Nds NatSchG ausgeglichen werden müßte (zur Ablehnung von Entschädigungsansprüchen bei sonst drohender Verunstaltung eines Naturdenkmals – „Lavaberg” – vgl. auch das bereits erwähnte Senatsurteil vom 17. Februar 1977 – III ZR 115/74 a.a.O.).
Unterschriften
Krohn, Engelhardt, Werp, Rinne, Wurm
Fundstellen
Haufe-Index 1444690 |
BGHZ |
BGHZ, 242 |
NJW 1993, 2605 |
NVwZ 1993, 1126 |
Nachschlagewerk BGH |
DVBl. 1993, 1092 |