Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 06.11.2013) |
Tenor
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 6. November 2013 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Herstellens von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in jeweils nicht geringer Menge schuldig ist.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels trägt die Staatskasse.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Anbau von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Mit ihrer Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt zu der aus der Urteilsformel ersichtlichen Schuldspruchänderung; im Übrigen ist es unbegründet.
Rz. 2
1. Nach den Feststellungen baute der Angeklagte ausschließlich zum Eigenkonsum Cannabis an. Er zog Cannabispflanzen in dem von ihm bewohnten Anwesen und brachte Stecklinge in Maisfeldern im Raum S. aus. Die abgeernteten Pflanzen trocknete er zur weiteren Verwendung sowohl in seinem Anwesen als auch in demjenigen seiner Eltern. Im Einzelnen pflanzte er auf Maisfeldern 17 Cannabispflanzen an, die bei ihrer Sicherstellung am 11. September 2012 ein Gesamtgewicht von 5.030 Gramm und einen Wirkstoffgehalt von 1,79% +/- 0,19% auswiesen, was 90,1 Gramm +/- 9,4 Gramm THC entspricht. In dem Anwesen der Eltern befanden sich am 18. Oktober 2012 214,7 Gramm getrocknete Cannabispflanzen mit einem Wirkstoffgehalt von 10,2% +/- 1,1% entsprechend 21,9 Gramm +/- zwei Gramm THC, die aus dem Anbau an der A. stammten. In seinem eigenen Anwesen wurden am selben Tag zehn Cannabispflanzen, eine Mutterpflanze, acht Setzlinge sowie abgeerntetes Marihuana sichergestellt. Das Gesamtgewicht dieser Rauschmittel betrug 433,92 Gramm; der Gesamtwirkstoffgehalt belief sich auf 29,7 Gramm +/- 3,1 Gramm THC.
Rz. 3
Das Landgericht hat sich nicht davon überzeugt, dass der Angeklagte mit dem Rauschgift Handel trieb. Es hat den Sachverhalt rechtlich als Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG gewertet und „aus Klarstellungsgründen” dahin erkannt, der Angeklagte habe tateinheitlich Betäubungsmittel angebaut.
Rz. 4
Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit sachlichrechtlichen Einwendungen gegen die Beweiswürdigung und meint insbesondere, die Strafkammer habe die konsumfähige Menge der auf den Maisfeldern sichergestellten Betäubungsmittel zu gering berechnet. Außerdem sei der Schuldspruch rechtsfehlerhaft; denn nach den Feststellungen seien bezüglich der auf den Feldern sowie in den Anwesen des Angeklagten und seiner Eltern aufgefundenen Mengen jeweils materiellrechtlich selbstständige, mithin insgesamt drei Taten gegeben; das Landgericht habe den Angeklagten zudem hinsichtlich der bereits abgeernteten Pflanzen wegen Herstellens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilen müssen.
Rz. 5
2. Das Rechtsmittel hat im Ergebnis den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
Rz. 6
a) Die Beweiswürdigung des Landgerichts hält gemessen an dem eingeschränkten Maßstab der Überprüfung in der Revisionsinstanz (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteil vom 12. Juni 2014 – 3 StR 154/14, NStZ 2014, 507, 508 mwN) materiellrechtlicher Nachprüfung stand. Die Strafkammer hat sich insbesondere rechtsfehlerfrei davon überzeugt, dass die aufgefundenen Betäubungsmittel zum Eigenkonsum des Angeklagten bestimmt waren.
Rz. 7
aa) Zu den vor allem gegen die Bestimmung der Menge der Betäubungsmittel gerichteten Einwendungen der Staatsanwaltschaft gilt:
Rz. 8
Die Strafkammer war zunächst nicht gehalten anzunehmen, dass die gesamte auf den Maisfeldern sichergestellte Menge zum Konsum bestimmt und geeignet war. Sie hat vielmehr rechtsfehlerfrei aus einem Vergleich des Wirkstoffgehalts mit demjenigen des bei den Eltern des Angeklagten sichergestellten Rauschgifts, das ebenfalls aus dem Anbau an der A. stammte, insoweit auf eine Menge von etwa einem Kilogramm an getrocknetem und gebrauchsfertigen Marihuana geschlossen. Dieser Schluss erweist sich – auch vor dem Hintergrund der plausiblen Einlassung des Angeklagten, er habe lediglich die Blüten geraucht und mit Ausnahme der kleinen Blätter an den Blüten die übrigen Pflanzenteile, die kaum Wirkstoff enthielten, weggeworfen – als jedenfalls möglich, wenn nicht naheliegend. Mit Blick auf den geringen Wirkstoffgehalt von etwa 2% und darauf, dass dieser bei auf einem Feld angebauten Pflanzen unmittelbar nach der Ernte bzw. Sicherstellung zu bestimmen ist, weil das Pflanzenmaterial je nach Lagerungszeit, Lagerungsort und Lagerungstemperatur rasch verdirbt, vertrocknet, verfault oder verschimmelt (vgl. etwa OLG Dresden, Beschluss vom 5. August 1999 – 1 Ss 60/99, NStZ-RR 1999, 372, 373; Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 7. Aufl., § 29a Rn. 65), musste die Strafkammer entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft auch nicht davon ausgehen, dass es sich bei den etwa fünf Kilogramm insgesamt um bereits getrocknetes und konsumfähiges Material handelte. Ein Abweichen von der üblichen Vorgehensweise bei der Bestimmung des Wirkstoffgehalts ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich; die von der Revision in Anspruch genommene Rechtsprechung betrifft andere Fälle.
Rz. 9
bb) Mit Blick auf die im Übrigen umfassende Würdigung der erhobenen Beweise stellt es auch keinen durchgreifenden Rechtsfehler dar, dass die Strafkammer keine weiteren Ausführungen zum Umfang der Betäubungsmittelproduktion in dem Anwesen des Angeklagten gemacht hat. Das Landgericht hat sich bei seiner Wertung – unter jeweils detaillierter Darlegung – im Einzelnen darauf gestützt, dass der von einer polizeilichen Vertrauensperson behauptete gemeinsame Anbau durch den Angeklagten und den Zeugen So. nicht zu belegen gewesen ist. Weiter haben keine Abnehmer für das Rauschgift ermittelt werden können. Den Betäubungsmittelanbau durch den Angeklagten hat es nachvollziehbar als eher unorganisiert bewertet. In den Blick genommen hat es ebenfalls die Lebensumstände sowie die strafrechtlichen Vorbelastungen des Angeklagten. Damit beruht seine Überzeugung insgesamt auf einer tragfähigen, revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Grundlage.
Rz. 10
cc) Schließlich lässt der Zusammenhang der Urteilsgründe entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz eindeutig erkennen, dass die verschiedenen Wirkstoffgehalte durch entsprechende Sachverständigengutachten belegt sind. Es stellt hier keinen Verstoß gegen die materiellrechtlichen Darlegungsanforderungen dar, dass die Urteilsgründe keine weiteren Ausführungen zu diesen Gutachten enthalten; denn es handelt sich bei der Bestimmung des Wirkstoffgehalts von Rauschmitteln um weitgehend standardisierte Verfahren, bei denen die Mitteilung des Ergebnisses jedenfalls dann ausreichen kann, wenn keine Einwände gegen die Zuverlässigkeit der Begutachtung erhoben worden sind (KK-Kuckein, StPO, 7. Aufl., § 267 Rn. 16 mwN). Solches wird aus den im Rahmen der Sachrüge maßgeblichen Urteilsgründen nicht ersichtlich. Eine Verfahrensrüge, mit der etwa geltend gemacht wird, die Sachverständigengutachten seien nicht oder nicht ordnungsgemäß in die Hauptverhandlung eingeführt worden, ist ebenfalls nicht erhoben.
Rz. 11
b) Die rechtliche Würdigung des festgestellten Sachverhalts durch das Landgericht hält demgegenüber sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Rz. 12
aa) Bezüglich der auf den Maisfeldern sowie im Anwesen des Angeklagten sichergestellten Betäubungsmittel, die noch nicht geerntet waren, ist der Angeklagte wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) strafbar. Es bestand hinsichtlich dieser Betäubungsmittel ein von einem Besitzwillen getragenes tatsächliches Herrschaftsverhältnis im Sinne einer tatsächlichen Verfügungsmacht über das Rauschgift, die es dem Angeklagten ermöglichte, mit den Betäubungsmitteln nach Belieben zu verfahren (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Januar 2011 – 5 StR 555/10 juris Rn. 12 f. mwN). Die Strafbarkeit wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verdrängt insoweit diejenige wegen Anbaus von Betäubungsmitteln; denn derjenige, der Cannabispflanzen aufzieht und dabei Besitz an ihnen hat, macht sich bei Überschreiten der Grenze zur nicht geringen Menge nicht nur wegen des Vergehens des Anbaus von Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG, sondern wegen des Verbrechens des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge strafbar (BGH, Beschluss vom 26. Januar 2011 – 5 StR 555/10, juris Rn. 12; Weber, BtMG, 4. Aufl., § 29 Rn. 113 mwN). Eine tateinheitliche Aburteilung aus „Klarstellungsgründen” scheidet insoweit aus. Da schon der Wirkstoffgehalt der auf den Maisfeldern aufgefundenen Betäubungsmittel über der Grenze zur nicht geringen Menge lag, kann bei der rechtlichen Bewertung als Besitz in nicht geringer Menge dahinstehen, ob dies bei den im Anwesen des Angeklagten sichergestellten Pflanzen auch der Fall war.
Rz. 13
bb) Hinsichtlich des in seinem sowie dem Anwesen seiner Eltern aufgefundenen Rauschgifts, das bereits abgeerntet und getrocknet war, ist der Angeklagte des Herstellens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) schuldig. Der Angeklagte erntete ausweislich der Feststellungen das Rauschgift und machte es verbrauchsfähig; damit sind die Voraussetzungen des Herstellens erfüllt (Körner/Patzak/Volkmer, aaO, § 29 Teil 3 Rn. 11 ff.). Hinter dieser Tatbestandsalternative tritt der hier bezüglich dieser Betäubungsmittel ebenfalls gegebene Auffangtatbestand des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zurück (Weber, aaO, § 29a Rn. 196 mwN). Weil bereits die Wirkstoffmenge des in dem Anwesen der Eltern des Angeklagten sichergestellten getrockneten Marihuanas die Grenze zur nicht geringen Menge überschritt, kommt es für den Schuldspruch wegen Herstellens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nicht darauf an, ob der Wirkstoffgehalt des abgeernteten Rauschgifts, das sich in dem Anwesen des Angeklagten befand, für sich betrachtet ebenfalls über dieser Grenze lag.
Rz. 14
cc) Es liegt insgesamt nur eine Tat im materiellrechtlichen Sinne vor (§ 52 StGB). Der gleichzeitige Besitz verschiedener, zum Eigenverbrauch bestimmter Betäubungsmittel durch den Angeklagten ist nur als ein Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz zu werten. Dies gilt auch dann, wenn wie hier verschiedene Rauschgiftmengen separat an unterschiedlichen Orten aufbewahrt werden (BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2004 – 4 StR 358/04, BGHR BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 Besitz 4; Weber, aaO, § 29 Rn. 1365 mwN) und wenn der Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge teilweise hinter das Herstellen von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zurücktritt.
Rz. 15
3. Der Senat ändert den Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst ab. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil der Angeklagte sich gegen den geänderten Schuldvorwurf nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
Rz. 16
4. Die Änderung des Schuldspruchs lässt den Strafausspruch unberührt. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht eine andere Strafe verhängt hätte, hätte es den Sachverhalt rechtlich zutreffend gewertet. Der vom Landgericht zugrunde gelegte Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG wird von der Schuldspruchänderung ebenso wenig berührt wie der Unrechts- und Schuldgehalt der Tat, den die Strafkammer bei ihrer Entscheidung im Blick hatte.
Rz. 17
5. Die materiellrechtliche Nachprüfung des Urteils hat einen Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten nicht ergeben (§ 301 StPO).
Unterschriften
Becker, Hubert, Schäfer, Gericke, Spaniol
Fundstellen
Haufe-Index 7464521 |
NStZ-RR 2015, 14 |