Entscheidungsstichwort (Thema)
Hochleistungsmagnete zur Einsparung von fossilen Brennstoffen bei dem Betrieb von Heizungsanlagen. Abwertende Meinungsäußerung. Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Wertende Kritik an der gewerblichen Leistung eines Wirtschaftsunternehmens. Meinungsäußerungsfreiheit. Schmähkritik
Leitsatz (amtlich)
a) § 824 Abs. 1 BGB bietet keinen Schutz vor abwertenden Meinungsäußerungen. Dies gilt auch für Äußerungen, in denen Tatsachen und Meinungen sich vermengen, sofern sie durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind.
b) Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb schützt auch das Interesse des Unternehmers daran, dass seine wirtschaftliche Stellung nicht durch inhaltlich unrichtige Informationen oder Wertungen, die auf sachfremden Erwägungen beruhen oder herabsetzend formuliert sind, geschwächt wird und andere Marktteilnehmer deshalb von Geschäften mit ihm abgehalten werden.
c) Eine wertende Kritik an der gewerblichen Leistung eines Wirtschaftsunternehmens ist in der Regel auch dann vom Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt, wenn sie scharf und überzogen formuliert ist; sie kann nur unter engen Voraussetzungen als Schmähkritik angesehen werden.
Normenkette
BGB §§ 823-824; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 12; MRK Art. 8 Abs. 1; MRK Art. 10 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 08.05.2013; Aktenzeichen 15 U 16/13) |
LG Kassel (Entscheidung vom 21.09.2012; Aktenzeichen 7 O 15/12) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 15. Zivilsenats in Kassel des OLG Frankfurt vom 8.5.2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin stellt Hochleistungsmagneten zur Einsparung von fossilen Brennstoffen bei dem Betrieb von Heizungsanlagen her. Sie ist Inhaberin des beim Deutschen Patent- und Markenamt eingetragenen Patents über die "Anordnung zur magnetischen Ionisierung eines kohlenwasserstoffhaltigen Treibstoffs sowie deren Verwendung". Nach der Patentschrift liegt die Aufgabe der Erfindung darin, den Verbrennungswirkungsgrad des behandelten Treibstoffes signifikant zu erhöhen. Der Beklagte hat Physik und Architektur studiert. Er ist der Auffassung, dass die von der Klägerin hergestellten und vertriebenen Vorrichtungen keine Energieeinsparung bewirkten und die Klägerin dies wisse. Am 7.6.2011 teilte er einer Kundin der Klägerin unter voller Nennung der im Folgenden abgekürzt wiedergegebenen Namen per E-Mail mit:
"Sehr geehrte Damen und Herren, ich schreibe derzeit an einem Artikel über einen groß angelegten Schwindel durch eine Firma S. GmbH, die unter dem Markennamen E. Magnete vermarktet, die an die Brennstoffleitung einer Heizungsanlage geklemmt auf wundersame Weise enorme Energieeinsparungen bewirken sollen. Die Wirkung dieser Magnete entspricht der eines Perpetuum Mobiles, die vom Hersteller herbeigezerrte wissenschaftliche Begründung der angeblichen Wirkung der Magnete ist völliger Unsinn. Zu den Opfern dieses Betruges gehört auch Ihr Unternehmen. Wie Herr J. vom Facility Management Ihres Unternehmens berichtet, wurden Heizungsanlagen in Ihren Niederlassungen A. und W. mit diesen Magneten ausgestattet. Ich würde mich freuen, wenn Sie zu dieser Angelegenheit Stellung beziehen könnten. Mich interessiert dabei insbesondere, ob Sie durch Ihren Heizungslieferanten oder Energieberater zu diesen Magneten zum Kauf dieser Magnete motiviert wurden, oder ob sich diese nach Kauf dazu geäußert haben. Besonders interessant ist auch, wie die Messung der angeblichen Effizienzsteigerung durchgeführt wurde. Gerne wird Ihnen dazu jeder Schornsteinfeger bestätigen, dass solch eine Effizienzsteigerung nach einer normalen Wartung und Reinigung, die eventuell beim Einbau der Magnete erfolgte, problemlos messbar ist. Insbesondere möchte ich darauf hinweisen, dass sich Ihr Unternehmen durch die Bereitstellung des Anwenderberichts zu Werbezwecken für dieses Scharlatanerieprodukt (http://www.e.com/pressemeldungen/pdf/anwenderbericht_e..pdf) gegenüber dadurch beeinflussten weiteren Opfern des Betrugs eventuell schadensersatzpflichtig macht. Vielen Dank und herzliche Grüße T. B. Wissenschaftsjournalist"
Rz. 2
Nachdem die Klägerin den Beklagten abgemahnt und seine Äußerungen als Schmähkritik bezeichnet hatte, teilte der Beklagte mit E-Mail vom 17.6.2011 unter Angabe eines Links mit, das Abmahnschreiben habe ihn veranlasst, den Betrug durch die Klägerin auch im Usenet bekannt zu machen.
Rz. 3
Das LG hat den Beklagten verurteilt, die Behauptungen zu unterlassen, die Klägerin initiiere mit der Vermarktung ihres unter dem Markennamen "E." hergestellten Produktes einen "groß angelegten Schwindel" bzw. "Betrug", bei den Kunden der Klägerin handele es sich um "Opfer dieses Betrugs", bei den "E."-Produkten der Klägerin handele es sich um "Scharlatanerieprodukte", die Wirkung der von der Klägerin vermarkteten Magnete entspreche der eines "Perpetuum-Mobiles", die vom Hersteller herbeigezerrte wissenschaftliche Begründung der angeblichen Wirkung sei völliger Unsinn. Das LG hat den Beklagten darüber hinaus verurteilt, es zu unterlassen, unmittelbar an Kunden der Klägerin mit den vorgenannten Behauptungen heranzutreten, und an die Klägerin außergerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 1.974,40 EUR zu zahlen. Das OLG hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Rz. 4
Nach Auffassung des Berufungsgerichts stehen der Klägerin Unterlassungsansprüche gegen den Beklagten aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. §§ 823 Abs. 1, 824 BGB zu. Durch die beanstandeten Äußerungen habe der Beklagte die unternehmensbezogenen Interessen des Unternehmens der Klägerin betroffen, die sowohl durch ihr Persönlichkeitsrecht als auch durch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb geschützt seien. Die Äußerungen des Beklagten genössen nicht den Schutz der Meinungsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, weil sie als unzulässige Schmähkritik zu qualifizieren seien. Ausweislich seiner E-Mail vom 7.6.2011 gehe es dem Beklagten vorrangig nicht um eine Auseinandersetzung mit der von ihm behaupteten Wirkungslosigkeit der von der Klägerin verwendeten Technik. Hierzu enthielten seine Ausführungen kaum einen brauchbaren Anhaltspunkt. Vielmehr gehe es dem Beklagten ersichtlich darum, das Unternehmen der Klägerin in den Augen auch von Kunden herabzusetzen. Während der Leser der E-Mail - anders als aus dem Bericht des Bayerischen Landesamtes für Umwelt - keinerlei Informationen erlange, aus welchen Gründen die Technik der Klägerin unbrauchbar sein solle, werde er ohne nähere Darlegungen mit angeblich betrügerischen Machenschaften der Klägerin konfrontiert. Dies habe mit einer Auseinandersetzung in der Sache nichts zu tun, sondern ziele einzig und allein darauf ab, die Klägerin als Betrügerin darzustellen und den Adressaten vor ihr zu warnen. Der Beklagte habe die Klägerin gleichsam als Betrügerin an den Pranger gestellt. Das LG habe sich auch nicht mit den vom Beklagten behaupteten journalistischen und verbraucherschützenden Motiven für sein Verhalten auseinandersetzen müssen, da er sich erstinstanzlich nicht auf diese Motive berufen habe. Soweit er sie mit der Berufungsbegründung geltend gemacht habe, sei er mit dem Vortrag ausgeschlossen. Abgesehen davon habe er seine Motive bereits nicht nachvollziehbar und glaubhaft dargetan. Er habe zu keinem Zeitpunkt einen Artikel verfasst, ohne dass er dargelegt habe, was ihn daran gehindert habe, journalistisch tätig zu werden. Aber auch dann, wenn seine Motive tatsächlich journalistischer Art gewesen wären, würde es an der Bewertung seiner Äußerungen als Schmähkritik nichts ändern.
II.
Rz. 5
Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen kann ein Anspruch auf Unterlassung der im Tenor des landgerichtlichen Urteils im Einzelnen aufgeführten Äußerungen und Verhaltensweisen nicht bejaht werden.
Rz. 6
1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ergibt sich ein Anspruch des Klägers auf Unterlassung der im Tenor des landgerichtlichen Urteils im Einzelnen aufgeführten Äußerungen nicht aus § 824 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 824 Abs. 1 BGB sind nicht erfüllt, da die angegriffenen Äußerungen nicht als Tatsachenbehauptungen zu qualifizieren sind.
Rz. 7
a) Gemäß § 824 Abs. 1 BGB hat derjenige, der der Wahrheit zuwider eine Tatsache behauptet oder verbreitet, die geeignet ist, den Kredit eines anderen zu gefährden oder sonstige Nachteile für dessen Erwerb oder Fortkommen herbeizuführen, dem anderen den daraus entstehenden Schaden auch dann zu ersetzen, wenn er die Unwahrheit zwar nicht kennt, aber kennen muss. Die Vorschrift setzt danach voraus, dass unwahre Tatsachen und nicht bloß Werturteile mitgeteilt werden. Vor abwertenden Meinungsäußerungen und Werturteilen bietet § 824 Abs. 1 BGB keinen Schutz (vgl. BGH, Urt. v. 22.2.2011 - VI ZR 120/10, AfP 2011, 259 Rz. 9; BGH, Urt. v. 24.1.2006 - XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 Rz. 62; Soehring/Hoene, Presserecht, 5. Aufl., § 12 Rz. 60; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 5 Rz. 246; Palandt/Sprau, BGB, 74. Aufl., § 824 Rz. 2 ff.).
Rz. 8
b) Ob eine Äußerung als Tatsachenbehauptung oder als Werturteil einzustufen ist, ist eine Rechtsfrage, die vom Revisionsgericht uneingeschränkt zu überprüfen ist (vgl. BGH, Urt. v. 11.3.2008 - VI ZR 7/07, AfP 2008, 297 Rz. 15; v. 16.11.2004 - VI ZR 298/03, AfP 2005, 70, 72 m.w.N.). Tatsachenbehauptungen sind durch die objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit charakterisiert. Demgegenüber werden Werturteile und Meinungsäußerungen durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage geprägt (BVerfGE 90, 241, 247; 94, 1, 8; BVerfG NJW 2000, 199, 200; NJW 2008, 358, 359). Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist danach, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit Mitteln des Beweises zugänglich ist. Dies scheidet bei Werturteilen und Meinungsäußerungen aus, weil sie durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet sind und sich deshalb nicht als wahr oder unwahr erweisen lassen (vgl. BGH, Urt. v. 22.2.2011 - VI ZR 120/10, AfP 2011, 259 Rz. 10; v. 17.11.2009 - VI ZR 226/08, AfP 2010, 72 Rz. 15; BGH, Urt. v. 24.1.2006 - XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 Rz. 63; BVerfGE 90, 241, 247; BVerfG NJW 2008, 358, 359). Sofern eine Äußerung, in der Tatsachen und Meinungen sich vermengen, durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind, wird sie als Meinung von dem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt. Das gilt insb. dann, wenn eine Trennung der wertenden und der tatsächlichen Gehalte den Sinn der Äußerung aufhöbe oder verfälschte (vgl. BGH, Urt. v. 29.1.2002 - VI ZR 20/01, AfP 2002, 169, 170; v. 11.3.2008 - VI ZR 189/06, AfP 2008, 193 Rz. 12, 18; v. 22.9.2009 - VI ZR 19/08, AfP 2009, 588 Rz. 11; BGH, Urt. v. 24.1.2006 - XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 Rz. 70; BVerfGE 85, 1, 15; BVerfG NJW 2008, 358, 359). Würde in einem solchen Fall das tatsächliche Element als ausschlaggebend angesehen, so könnte der grundrechtliche Schutz der Meinungsfreiheit wesentlich verkürzt werden (BVerfGE 85, 1, 15 f. m.w.N.; BVerfG NJW 1993, 1845, 1846).
Rz. 9
Die zutreffende Einstufung einer Äußerung als Wertung oder Tatsachenbehauptung setzt die Erfassung ihres Sinns voraus (BGH, Urt. v. 22.9.2009 - VI ZR 19/08, AfP 2009, 588 Rz. 11; v. 11.3.2008 - VI ZR 7/07, AfP 2008, 297 Rz. 15; v. 16.11.2004 - VI ZR 298/03, AfP 2005, 70, 73; v. 5.12.2006 - VI ZR 45/05, AfP 2007, 46 Rz. 14; BVerfGK 10, 485, 489). Bei der Sinndeutung ist zu beachten, dass die Äußerung stets in dem Zusammenhang zu beurteilen ist, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (vgl. BGH, Urt. v. 30.1.1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 20; v. 16.11.2004 - VI ZR 298/03, AfP 2005, 70, 73; v. 27.5.2014 - VI ZR 153/13, AfP 2014, 449 Rz. 13; BVerfG NJW 2013, 217, 218).
Rz. 10
c) Nach diesen Grundsätzen sind die angegriffenen Aussagen als Meinungsäußerungen zu qualifizieren. Die Äußerungen, die Klägerin betreibe mit der Vermarktung ihres unter dem Markennamen E. hergestellten Produktes einen "groß angelegten Schwindel" bzw. "Betrug", bei den Kunden der Klägerin handele es sich um "Opfer dieses Betrugs", bei den E.-Produkten der Klägerin handele es sich um "Scharlatanerieprodukte", die Wirkung der von der Klägerin vermarkteten Magnete entspreche der eines "Perpetuum-Mobiles" und die vom Hersteller "herbeigezerrte" wissenschaftliche Begründung der angeblichen Wirkung sei "völliger Unsinn", sind entscheidend durch das Element des Dafürhaltens und Meinens geprägt. Zwar weisen alle Teilaussagen in ihrer Gesamtheit betrachtet auch tatsächliche Elemente auf. So bringt der Beklagte mit den Begriffen "Schwindel", "Betrug", "Scharlatanerieprodukte" und "Unsinn" im vorliegenden Zusammenhang zum Ausdruck, dass die von der Klägerin bei der Vermarktung ihres Produkts hervorgehobene energieeinsparende Wirkung der Magnete tatsächlich nicht gegeben sei. Die von der Klägerin zur Bewerbung der Magnete vorgebrachte wissenschaftliche Erklärung der angeblichen Wirkungsweise treffe nicht zu, die (angeblich) gemessenen Einsparungen könnten auch auf eine beim Einbau der Magnete erfolgte Wartung und Reinigung der Heizungsanlage zurückzuführen sein und die Klägerin habe hiervon Kenntnis. Hierin erschöpfen sich die Aussagen aber nicht; sie bringen vielmehr in erster Linie die Missbilligung des geschäftlichen Verhaltens der Klägerin durch den Beklagten zum Ausdruck und enthalten damit eine subjektive Wertung, die mit den tatsächlichen Bestandteilen der Äußerungen untrennbar verbunden ist. Auch dem Begriff "Betrug" kommt im vorliegenden Zusammenhang kein weitergehender Aussagegehalt zu. Er wird hier erkennbar nicht im fachspezifischen, sondern in einem alltagssprachlichen Sinne verwendet (vgl. dazu BGH, Urt. v. 29.1.2002 - VI ZR 20/01, AfP 2002, 169, 170; vom 14.5.2013 - VI ZR 269/12, BGHZ 197, 213 Rz. 14; BVerfGE 85, 1, 19; BVerfG NJW 2012, 1643 Rz. 42). Ein durchschnittlicher Leser versteht unter dieser Behauptung nicht die Verwirklichung eines rechtlich präzise bestimmten Straftatbestandes, sondern den weiter gefassten Vorwurf der bewussten Verbrauchertäuschung.
Rz. 11
2. Die Revision wendet sich auch mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Klägerin stehe gegen den Beklagten ein Anspruch auf Unterlassung der im Tenor des landgerichtlichen Urteils im Einzelnen aufgeführten Äußerungen und Verhaltensweisen aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 analog i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB zu.
Rz. 12
a) Zwar ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die angegriffenen Äußerungen in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin eingreifen. Betroffen ist der durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete soziale Geltungsanspruch der KIägerin als Wirtschaftsunternehmen (vgl. BGH, Urt. v. 3.6.1986 - VI ZR 102/85, BGHZ 98, 94, 97; v. 8.2.1994 - VI ZR 286/93, AfP 1994, 138 f.; v. 11.3.2008 - VI ZR 7/07, AfP 2008, 297 Rz. 9). Denn die Verwendung der beanstandeten Begriffe ist geeignet, ihr unternehmerisches Ansehen in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen.
Rz. 13
Die angegriffenen Äußerungen berühren darüber hinaus das durch Art. 12 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich gewährleistete Recht der Klägerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Betroffen ist das Interesse der Klägerin daran, dass ihre wirtschaftliche Stellung nicht durch inhaltlich unrichtige Informationen oder Wertungen, die auf sachfremden Erwägungen beruhen oder herabsetzend formuliert sind, geschwächt wird und andere Marktteilnehmer deshalb von Geschäften mit ihr abgehalten werden (vgl. BGH, Urt. v. 11.3.2008 - VI ZR 7/07, AfP 2008, 297 Rz. 9; BGH, Urt. v. 24.1.2006 - XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 Rz. 98; BVerfG, NJW-RR 2004, 1710, 1711; NJW 2008, 358, 359 f.). Die angegriffenen Äußerungen sind geeignet, eine Verunsicherung der Kunden der Klägerin zu bewirken mit der Folge, dass diese die angebotenen Leistungen nicht (mehr) nachfragen.
Rz. 14
Das zuletzt genannte Interesse der Klägerin wird zusätzlich dadurch betroffen, dass der Beklagte mit den angegriffenen Äußerungen unmittelbar an Kunden der Klägerin herangetreten ist.
Rz. 15
b) Die getroffenen Feststellungen rechtfertigen aber nicht die Annahme, dass die Beeinträchtigungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin und ihres Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb rechtswidrig sind.
Rz. 16
aa) Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb stellt einen offenen Tatbestand dar, dessen Inhalt und Grenzen sich erst aus einer Abwägung mit den im Einzelfall konkret kollidierenden Interessen anderer ergeben (BGH, Urt. v. 11.3.2008 - VI ZR 7/07, AfP 2008, 297 Rz. 12; v. 21.4.1998 - VI ZR 196/97, BGHZ 138, 311, 318; BGH, Urt. v. 24.1.2006 - XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 Rz. 97; BVerfG, NJW-RR 2004, 1710, 1711 f.). Gleiches gilt für das allgemeine Persönlichkeitsrecht (vgl. BGH, Urt. v. 30.9.2014 - VI ZR 490/12, juris Rz. 19, z.V.b.; v. 17.12.2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rz. 22; v. 11.3.2008 - VI ZR 7/07, AfP 2008, 297 Rz. 12). Bei der Abwägung sind die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen. Der Eingriff in den Schutzbereich des jeweiligen Rechts ist nur dann rechtswidrig, wenn das Interesse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGH, Urt. v. 30.9.2014 - VI ZR 490/12, juris Rz. 19, z.V.b.; v. 17.12.2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rz. 22 = AfP 2014, 135).
Rz. 17
bb) Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die danach erforderliche Abwägung sei vorliegend entbehrlich, weil die angegriffenen Äußerungen als Schmähkritik zu qualifizieren seien und deshalb nicht am Schutz der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG teilhätten.
Rz. 18
(1) Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmähkritik eng auszulegen. Auch eine überzogene, ungerechte oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Hinzutreten muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung des Betroffenen im Vordergrund steht, der jenseits polemischer und überspitzter Kritik herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll. Eine Schmähung liegt bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vor und ist eher auf die Privatfehde beschränkt (vgl. BGH, Urt. v. 29.1.2002 - VI ZR 20/01, AfP 2002, 169, 170; BVerfG AfP 2013, 388 Rz. 15; NJW 2014, 3357 Rz. 11; NJW-RR 2004, 1710, 1712, jeweils m.w.N.). Eine wertende Kritik an der gewerblichen Leistung eines Wirtschaftsunternehmens ist in der Regel auch dann vom Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt, wenn sie scharf und überzogen formuliert ist; sie kann nur unter engen Voraussetzungen als Schmähkritik angesehen werden (BGH, Urt. v. 21.4.1998 - VI ZR 196/97, BGHZ 138, 311, 320; v. 29.1.2002 - VI ZR 20/01, AfP 2002, 169, 171; v. 16.11.2004 - VI ZR 298/03, AfP 2005, 70, 73; v. 11.3.2008 - VI ZR 189/06, AfP 2008, 193 Rz. 16).
Rz. 19
(2) Nach diesen Grundsätzen sind die angegriffenen Äußerungen nicht als Schmähkritik zu qualifizieren. Auch hier ist nämlich zu beachten, dass eine Aussage nicht isoliert gewürdigt werden darf, sondern in dem Gesamtzusammenhang zu beurteilen ist, in dem sie gefallen ist (vgl. BGH, Urt. v. 5.12.2006 - VI ZR 45/05, AfP 2007, 46 Rz. 19). Der E-Mail des Beklagten vom 7.6.2006 kann bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung ein Sachbezug nicht abgesprochen werden. Es handelt sich zwar um polemische und überspitzte Kritik; diese hat aber eine sachliche Auseinandersetzung zur Grundlage. Der Beklagte setzt sich - wenn auch in scharfer und möglicherweise überzogener Form - kritisch mit der gewerblichen Leistung und dem Geschäftsgebaren der Klägerin auseinander. Ihm geht es erkennbar darum, die aus seiner Sicht gegebene völlige Wirkungslosigkeit der Produkte der Klägerin aufzudecken und zur Unterrichtung der Marktteilnehmer und zur Markttransparenz beizutragen. Zu diesem Zweck bittet er den angeschriebenen Kunden der Klägerin um nähere Informationen, wie es zu dem Anwenderbericht des Kunden gekommen ist, den die Klägerin zu Werbezwecken für ihr Produkt verwendet. So bittet er insb. um Mitteilung, wie die Messung der angeblichen Effizienzsteigerung der Heizung durchgeführt wurde, und weist darauf hin, dass eine Effizienzsteigerung bereits nach einer normalen Wartung und Reinigung zu erwarten sei.
Rz. 20
cc) Im Streitfall sind deshalb die unter a) genannten Schutzinteressen der Klägerin mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK verankerten Recht des Beklagten auf Meinungsfreiheit abzuwägen.
Rz. 21
(1) In der Rechtsprechung des BVerfG sind verschiedene Kriterien entwickelt worden, die Leitlinien für den konkreten Abwägungsvorgang vorgeben (vgl. BGH, Urt. v. 30.10.2012 - VI ZR 4/12, AfP 2013, 50 Rz. 12 m.w.N.). Danach fällt bei Äußerungen, in denen sich - wie im vorliegenden Fall - wertende und tatsächliche Elemente in der Weise vermengen, dass die Äußerung insgesamt als Werturteil anzusehen ist, bei der Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen der Wahrheitsgehalt der tatsächlichen Bestandteile ins Gewicht. Enthält die Meinungsäußerung einen erwiesen falschen oder bewusst unwahren Tatsachenkern, so tritt das Grundrecht der Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Schutzinteressen des von der Äußerung Betroffenen zurück (vgl. BGH, Urt. v. 11.3.2008 - VI ZR 189/06, AfP 2008, 193 Rz. 18; v. 20.11.2007 - VI ZR 144/07, VersR 2008, 1081 Rz. 12; BVerfGE 90, 241, 248 f.; 94, 1, 8; BVerfG NJW 1993, 1845, 1846; NJW 2008, 358, 359 f., 38; NJW 2012, 1643 Rz. 34). Denn an der Aufrechterhaltung und Weiterverbreitung herabsetzender Tatsachenbehauptungen, die unwahr sind, besteht unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit kein schützenswertes Interesse (BVerfG NJW 2012, 1643 Rz. 33; NJW 2013, 217, 218). Wahre Tatsachenbehauptungen müssen dagegen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind (vgl. BGH, Urt. v. 30.10.2012 - VI ZR 4/12, AfP 2013, 50 Rz. 12 m.w.N.; BVerfG NJW 2012, 1643 Rz. 33). Dementsprechend muss sich ein Gewerbetreibender wertende, nicht mit unwahren Tatsachenbehauptungen verbundene Kritik an seiner gewerblichen Leistung in der Regel auch dann gefallen lassen, wenn sie scharf formuliert ist (vgl. BGH, Urt. v. 21.4.1998 - VI ZR 196/97, BGHZ 138, 311, 320; v. 29.1.2002 - VI ZR 20/01, AfP 2002, 169, 171; v. 22.9.2009 - VI ZR 19/08, AfP 2009, 588 Rz. 21; EGMR NJW 2006, 1255, 1259 Rz. 94 - Steel und Morris/Vereinigtes Königreich sowie 1994, Serie A, Bd. 294-B, Nr. 75 = ÖstJZ 1995, 436, 438 f. - Fayed/Vereinigtes Königreich).
Rz. 22
(2) Auf der Grundlage des mangels gegenteiliger Feststellungen revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachvortrags des Beklagten hat das Interesse der Klägerin am Schutz ihres sozialen Geltungsanspruchs als Wirtschaftsunternehmen und ihrer unternehmensbezogenen Interessen nach diesen Grundsätzen hinter dem Recht des Beklagten auf Meinungsfreiheit zurückzutreten. Nach dem - u.a. durch Vorlage zweier Privatgutachten und eines Warnschreibens des Bayerischen Landesamtes für Umwelt konkretisierten - Sachvortrag des Beklagten sind die tatsächlichen Elemente seiner insgesamt als Meinungsäußerungen zu qualifizierenden Aussagen wahr. Denn danach sind die von der Klägerin mit dem Versprechen der Energieeinsparung bei dem Betrieb von Heizungsanlagen vertriebenen Magnete wirkungslos. Die angeblich energieeinsparende Wirkung der Magnete ist tatsächlich nicht gegeben. Etwaige Energieeinsparungen nach dem Einbau eines Magneten sind auf eine beim Einbau des Magneten erfolgte Wartung und Reinigung der Heizungsanlage zurückzuführen. Die von der Klägerin durchgeführten, eine Effizienzsteigerung belegenden Messungen sind nicht aussagekräftig, da sie nicht unter standardisierten Bedingungen und von objektiven Dritten durchgeführt worden sind. Die zur Bewerbung der Magnete vorgebrachte wissenschaftliche Erklärung der angeblichen Wirkungsweise trifft nicht zu; der als Beleg für die Wirkung der Magnete hergestellte Bezug zur Kernspinresonanz ist frei erfunden und dient der bewussten Täuschung potentieller Kunden.
Rz. 23
Zu Gunsten des Beklagten ist weiter zu berücksichtigen, dass er seine Äußerungen nicht im Rahmen einer privaten Auseinandersetzung zur Verfolgung von Eigeninteressen gemacht, sondern ein Informationsanliegen im Zusammenhang mit einer die Verbraucher wesentlich berührenden Frage verfolgt hat (vgl. BGH, Urt. v. 21.4.1998 - VI ZR 196/97, BGHZ 138, 311, 320; v. 2.12.2008 - VI ZR 219/06, AfP 2009, 55 Rz. 18; v. 22.9.2009 - VI ZR 19/08, AfP 2009, 588 Rz. 21; BVerfG, NJW-RR 2004, 1710, 1712; EGMR NJW 2006, 1255, 1259 Rz. 94 - Steel und Morris/Vereinigtes Königreich sowie 1994, Serie A, Bd. 294-B, Nr. 75 = ÖstJZ 1995, 436, 438 f. - Fayed/Vereinigtes Königreich). Auch an wirtschaftlichen Fragen kann ein schutzwürdiges Informationsinteresse der Allgemeinheit, insb. der vom Verhalten eines Unternehmens betroffenen Kreise, bestehen. Eine marktwirtschaftliche Ordnung setzt voraus, dass die Marktteilnehmer über ein möglichst hohes Maß an Informationen über marktrelevante Faktoren verfügen (vgl. BVerfG, NJW-RR 2004, 1710, 1711 f.). Wie sich bereits aus der E-Mail des Beklagten vom 7.6.2006 ergibt, ging es ihm ungeachtet seiner überspitzten Formulierungen darum, über fragwürdige Geschäftspraktiken aufzuklären. Darüber hinaus ergab sich für den Empfängerkreis bereits aus der Art der Darstellung, dass ein subjektives Werturteil formuliert wurde. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Meinungsfreiheit des Beklagten im Kern betroffen wird, wenn ihm die Äußerung seiner Meinung gerichtlich untersagt wird. Die Verurteilung zur Unterlassung einer Äußerung muss aber im Interesse des Schutzes der Meinungsfreiheit auf das zum Rechtsgüterschutz unbedingt Erforderliche beschränkt werden (vgl. BVerfGK 2, 325, 329; BVerfG AfP 2012, 549 Rz. 35).
Rz. 24
3. Das Berufungsurteil war deshalb aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die erforderlichen Feststellungen treffen kann (§§ 562 Abs. 1, 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird dabei Gelegenheit haben, sich auch mit den weiteren im Revisionsverfahren erhobenen Einwendungen der Parteien auseinanderzusetzen.
Fundstellen
Haufe-Index 7565427 |
NJW 2015, 773 |
EBE/BGH 2015, 45 |
CR 2015, 251 |
EWiR 2015, 109 |
GRUR 2015, 289 |
GRUR 2015, 8 |
ZIP 2015, 8 |
ZIP 2015, 883 |
AfP 2015, 41 |
DZWir 2015, 148 |
JZ 2015, 128 |
MDR 2015, 150 |
NJ 2015, 165 |
NJ 2015, 6 |
VersR 2015, 247 |
ZUM 2015, 244 |
GRUR-Prax 2015, 64 |
K&R 2015, 196 |
MMR 2015, 405 |
IPRB 2015, 78 |