Leitsatz (amtlich)
Unterhalt, der an den geschiedenen Ehegatten für die Zeit nach Wirksamkeit des Versorgungsausgleichs geleistet wird, kann zurückgefordert werden, soweit der Unterhaltsberechtigte, auf Grund des durchgeführten Versorgungsausgleichs einen Rentenanspruch hat.
Normenkette
BGB § 1569 ff., § 1587 ff., § 812; ZPO §§ 767, 322-323
Verfahrensgang
AG Wennigsen (Deister) |
OLG Celle |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 18. Zivilsenats – Senat für Familiensachen – des Oberlandesgerichts Celle vom 25. März 1980 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Nach Scheidung der Ehe der Parteien ist der Kläger rechtskräftig verurteilt worden, der Beklagten monatlichen Unterhalt in Höhe von 805,56 DM zu zahlen. Den Versorgungsausgleich hat das Gericht später durch Beschluß vom 17. Mai 1978, rechtskräftig seit dem 28. Juni 1978, im Wege des sogenannten Quasi-Splittings gem. § 1587 b Abs. 2 BGB durchgeführt. Mit Bescheid vom 23. August 1978 ist dem Kläger mitgeteilt worden, daß seine Versorgungsbezüge mit Wirkung vom 1. Juli 1978 zugunsten der Beklagten um monatlich 838,20 DM gekürzt werden.
Mit Schreiben vom 10. Juli 1978 hatte die Beklagte dem Kläger Zwangsvollstreckungsmaßnahmen angedroht, wenn er nicht binnen drei Tagen den nach dem amtsgerichtlichen Urteil für den Monat Juli 1978 geschuldeten Unterhalt zahle. Der Kläger hat daraufhin den geforderten Betrag unter Vorbehalt seiner Rechte bezahlt. Auf seine Klage ist das Unterhaltsurteil sodann mit Wirkung vom 11. Oktober 1978 aufgehoben worden.
Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt der Kläger die Rückzahlung des für Juli 1978 geleisteten Unterhaltsbetrages von 805,56 DM, weil die Beklagte in diesem Monat aufgrund des durchgeführten Versorgungsausgleichs nicht mehr unterhaltsbedürftig gewesen sei. Die Beklagte verweist insbesondere darauf, daß sie im Juli 1978 noch keine Rentenzahlung aufgrund des Versorgungsausgleichs erhalten und der Unterhaltstitel noch Bestand gehabt habe. Eine später erfolgte Rentennachzahlung könne dem Kläger nicht zugute kommen, da es sich um die Erfüllung ihres eigenen Rentenanspruchs gehandelt habe.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat ihr stattgegeben. Mit der – zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
1. Das Berufungsgericht hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei um die Unterhaltszahlung für Juli 1978 ungerechtfertigt bereichert, da ihr für diesen Zeitraum ein materiell-rechtlicher Unterhaltsanspruch nicht mehr zugestanden habe. Sie sei nicht mehr unterhaltsbedürftig gewesen, weil sie ab 1. Juli 1978 aufgrund des durchgeführten Versorgungsausgleichs einen eigenen Rentenanspruch in einer den Unterhaltsbetrag übersteigenden Höhe erlangt habe. Sinn des Versorgungsausgleichs sei es gerade, den geschiedenen Ehegatten durch die hinzuerworbenen Rentenansprüche von etwaigen Unterhaltsansprüchen gegen den anderen Ehegatten unabhängig zu machen. Daß der Unterhaltstitel des Amtsgerichts Hannover bis zum 10. Oktober 1978 fortbestanden habe, sei lediglich eine formale Rechtsposition, die keinen Rechtsgrund im Sinne von § 812 BGB darstelle. Zwar habe der Kläger wegen der Kürze der ihm gesetzten Zahlungsfrist von der Möglichkeit, den Unterhaltstitel mit einer Vollstreckungsabwehrklage oder auch einer Abänderungsklage zu bekämpfen, keinen Gebrauch gemacht. Deswegen sei aber die Bereicherungsklage auf Erstattung des zu Unrecht Beigetriebenen nicht ausgeschlossen.
Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision stand.
2. Daß das aufgrund eines rechtskräftigen Urteils Geleistete niemals durch die Bereicherungsklage (§ 812 BGB) zurückgefordert werden könne, weil das Urteil der Rechtsgrund der Leistung sei und jedem Angriff auf seinen Inhalt die Einrede der Rechtskraft entgegenstehe, trifft in dieser Allgemeinheit nicht zu. Richtig ist zwar, daß das durch ein rechtskräftiges Urteil Zugesprochene nicht mit der Bereicherungsklage zurückgefordert werden kann mit der Begründung, der Rechtsstreit sei unrichtig entschieden worden (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 1953 – II ZR 180/52 – LM § 322 ZPO Nr. 10; Staudinger/Lorenz BGB 12. Aufl. § 812 Rdnr. 90). Eine Bereicherungsklage kann aber auf Tatsachen gestützt werden, die nach dem für die Rechtskraft maßgebenden Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung eingetreten sind, weil dadurch die Rechtskraft nicht berührt wird (vgl. RG Recht 1913, 1631; BGB-RGRK/Heimann-Trosien 12. Aufl. Rdnr. 30 vor § 812; Stein/Jonas/Schumann/Leipold ZPO 19. Aufl. § 322 Anm. X 3 sowie Münzberg in der 20. Aufl. Rdnr. 23 vor § 704; Gaul JuS 1962, 1). Es kann insbesondere mit ihr geltend gemacht werden, ein rechtskräftig zuerkannter Anspruch sei nach der mündlichen Verhandlung durch Erfüllung erloschen, aber gleichwohl noch im Wege der Zwangsvollstreckung beigetrieben worden. Der Schuldner, der versäumt hat, die Erfüllung im Wege der Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) geltend zu machen, geht nicht etwa seiner Rechte deswegen verlustig, weil diese Klage nach der Beendigung der Zwangsvollstreckung nicht mehr erhoben werden kann. Nach allgemeiner Ansicht setzen sich vielmehr die rechtlichen Möglichkeiten der Vollstreckungsabwehrklage nach der Beendigung der Zwangsvollstreckung in der materiell-rechtlichen Bereicherungsklage fort (vgl. OLG Frankfurt NJW 1961, 1479, 1480; BAG NJW 1980, 141 f.; Stein/Jonas/Münzberg a.a.O. § 767 Rdnr. 56; Zöller/Scherübl ZPO 13. Aufl. § 767 Anm. III 1 a; Baumbach/Lauterbach/Hartmann ZPO 40. Aufl. § 767 Anm. 1 B e; Gaul a.a.O. m. w. N. in Fn. 8). Die Ausführungen der Revision zu der Frage, ob der Kläger seinerzeit mit Aussicht auf Erfolg die Vollstreckungsabwehrklage hätte erheben und die sofortige Einstellung der Zwangsvollstreckung hätte erreichen können, sind daher unerheblich.
3. Im vorliegenden Fall ist der der Beklagten rechtskräftig zuerkannte Unterhaltsanspruch zumindest in der titulierten Form dadurch weggefallen, daß an dessen Stelle ein eigener Rentenanspruch in übersteigender Höhe aus dem Versorgungsausgleich ab 1. Juli 1978 getreten ist. Dies zieht die Revision im Grunde nicht in Zweifel. Es kann auch dahinstehen, ob ab 1. Juli 1978 für eine Übergangszeit bis zum tatsächlichen Zufluß der Rente an die Beklagte ein Anspruch gegen den Kläger auf ein Überbrückungsgeld angenommen werden kann, das mit einer späteren Rentennachzahlung rückzahlbar wäre (vgl. dazu OLG Köln NJW 198o, 2817; zustimmend v. Maydell FamRZ 1981, 623, 627). Denn ein derartiger Anspruch auf vorläufige Zahlungen wäre jedenfalls mit dem auf eine endgültige Leistung gerichteten Unterhaltsanspruch nicht identisch; er könnte daher nicht aufgrund des von der Beklagten erwirkten Unterhaltstitels beigetrieben werden. Insoweit würde Ähnliches gelten wie für einen Titel auf Trennungsunterhalt, der nicht für den Zeitraum nach der Ehescheidung fortwirkt (Senatsurteil vom 14. Januar 1981 – IV b ZR 575/80 – FamRZ 1981, 242 = NJW 1981, 978). Der Kläger hätte den Wegfall des Unterhaltsanspruchs ab 1. Juli mit der Vollstreckungsabwehrklage gegen das Unterhaltsurteil geltend machen können. Nur dann, wenn statt dessen die Abänderungsklage (§ 323 ZPO) gegeben wäre, könnte sich die Beklagte wegen der Zeitschranke des § 323 Abs. 3 ZPO darauf berufen, daß der Kläger tatsächlich eine Aufhebung des Unterhaltstitels erst ab 11. Oktober 1978 erreicht hat. Die Abgrenzung der Voraussetzungen beider Klagearten ist nicht immer eindeutig zu vollziehen (vgl. BGHZ 70, 151, 156). Indessen handelt es sich bei der Anrechnung einer betragsmäßig feststehenden Rente aus dem Versorgungsausgleich auf einen bestehenden Unterhaltsanspruch um einen der anderweiten Erfüllung gleichkommenden Vorgang; im Ergebnis ermäßigt sich der Unterhaltsanspruch auf den Unterschiedsbetrag zwischen der zuerkannten Rente und dem angemessenen Unterhalt (vgl. Palandt/Diederichsen BGB 41. Aufl. Einf.; 1587 Anm. 1). Der Versorgungsausgleich soll das nacheheliche Unterhaltsrecht ergänzen, eine Lücke im geltenden Recht schließen und die bisherigen Mängel der sozialen Sicherung der geschiedenen Frau beseitigen oder wenigstens vermindern (BGHZ 74, 38, 42). Es geht daher nicht um die Berücksichtigung des Einflusses der stets wandelbaren wirtschaftlichen Verhältnisse auf die Unterhaltspflicht, die nur im Wege der Abänderungsklage geltend gemacht werden kann, sondern um die Verrechnung mit einem Unterhaltssurrogat (vgl. BGHZ 70, 151, 156 f. für den vergleichbaren Fall der Anrechnung von Kindergeld). War aber die Vollstreckungsabwehrklage eingeräumt, so ist, wie dargelegt, das rechtsgrundlos auf den Unterhaltstitel Geleistete nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB (Erfüllung einer Nichtschuld) rückforderbar. Es muß in Fällen der vorliegenden Art hingenommen werden, daß der Unterhaltsberechtigte den Zeitraum vom Wegfall des Unterhaltsanspruchs bis zum tatsächlichen Zufluß der Rente aus dem Versorgungsausgleich zu überbrücken hat, wobei er notfalls einen Vorschuß des Rententrägers beantragen kann (§ 42 SGB I).
4. Zu Unrecht beruft sich die Revision auf § 814 BGB, weil der Kläger mit dem bei der Zahlung gemachten Vorbehalt zum Ausdruck gebracht habe, daß er gewußt habe, zur Unterhaltszahlung nicht verpflichtet zu sein. Wie in Rechtsprechung und Schrifttum anerkannt ist, schließt ein bei der Leistung gemachter Vorbehalt die Anwendung dieser Vorschrift aus (BGH, Urteil vom 30. Oktober 1972 – VIII ZR 175/71 = WM 1973, 146, 148; RGZ 138, 122, 124 und JW 1938, 1047, 1048; Staudinger/Lorenz a.a.O. § 814 Rdnr. 6; Palandt/Thomas a.a.O. § 814 Anm. 2 b). Nach dem gesetzgeberischen Zweck des § 814 BGB knüpft die Vorschrift an eine freiwillige Leistung an. Mit dem Vorbehalt wehrt sich der Leistende aber gerade gegen die Deutung seines Verhaltens dahin, er wolle ohne Rücksicht auf das Bestehen einer Verpflichtung leisten.
5. Den Einwand der Beklagten, sie habe die erlangte Zahlung für ihren Lebensunterhalt vollständig verbraucht (§ 818 Abs. 3 BGB), hat das Berufungsgericht mit der Begründung zurückgewiesen, ihr sei beim Empfang des Geldes aufgrund des vom Kläger gemachten Vorbehalts und der Erhöhung ihrer Rente im Versorgungausgleichsverfahren bekannt gewesen, daß eine Doppelzahlung vorliege, § 819 Abs. 1 BGB. Die Rüge der Revision, diese Erwägung werde von den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsurteils nicht getragen, kann letztlich dahinstehen. Jedenfalls hat die Beklagte entsprechende Aufwendungen für ihren Lebensunterhalt aus der Rentenzahlung für Juli 1978 erspart, so daß sie sich nicht mit Erfolg auf den Wegfall der Bereicherung berufen kann (vgl. Palandt/Thomas a.a.O. § 818 Anm. 6 A a m. w. N.). Seit dem Empfang dieser Nachzahlung kann sie dem Bereicherungsanspruch des Klägers auch nicht einen etwaigen Anspruch auf eine Überbrückungszahlung entgegenhalten, da diese bereits zur Rückzahlung fällig wäre.
Fundstellen
Haufe-Index 609565 |
BGHZ, 278 |
NJW 1982, 1147 |