Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 21.06.2022; Aktenzeichen 85 S 3/21 WEG) |
LG Berlin (Entscheidung vom 20.05.2022; Aktenzeichen 85 S 3/21 WEG) |
AG Berlin-Schöneberg (Entscheidung vom 27.02.2020; Aktenzeichen 771 C 15/19) |
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Landgerichts Berlin - Zivilkammer 85 (Einzelrichterin) - vom 20. Mai 2022 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 21. Juni 2022 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Kläger entschieden worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht (Einzelrichterin) zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Revisionsverfahren werden nicht erhoben.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Kläger sind Mitglieder der Beklagten, einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE), und Eigentümer einer Einheit im Dachgeschoss. Im Jahr 2013 wurde unter anderem in der Einheit der Kläger ein Befall mit echtem Hausschwamm festgestellt, dessen Beseitigung am 26. März 2015 beschlossen wurde. In der Folgezeit stritt man um Details der Sanierung. In einem Vorprozess wurde die Beklagte zur Einholung eines statischen Gutachtens zur Tragfähigkeit der Decke nach den technischen Vorgaben für die Jahre 1984/1985 unter Berücksichtigung der Nutzung des Dachgeschosses zu Wohnzwecken sowie zur Instandsetzung der Deckenbalken entsprechend diesem Gutachten verurteilt; außerdem wurde die Ersatzpflicht der Beklagten festgestellt für Schäden, die den Klägern durch die Inanspruchnahme ihres Sondereigentums zur Sanierung des Gemeinschaftseigentums unter Einschluss der Schäden durch die fehlerhafte oder verzögerte Instandsetzung entstanden sind und noch entstehen werden. Das Urteil in dem Vorprozess wurde am 20. August 2020 rechtskräftig. Eine Instandsetzung erfolgte zunächst nicht.
Rz. 2
Mit ihrer Klage verlangen die Kläger zuletzt den Ersatz von Mietausfallschäden für die Zeit von August 2015 bis Februar 2022, die Rückzahlung der von August 2015 bis November 2018 gezahlten Hausgelder und Sonderumlagen sowie die anteilige Erstattung der von August 2018 bis März 2019 entrichteten Grundsteuer; insgesamt machen sie einen Betrag in Höhe von 170.678,51 € geltend. Das Amtsgericht hat der Klage in Höhe von 62.953,52 € stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht durch die Einzelrichterin, der die Rechtssache am 30. Juni 2020 zur Entscheidung übertragen worden war, die Verurteilung lediglich in Höhe von 19.438,32 € aufrechterhalten; die Berufung der Kläger hat es zurückgewiesen. Gegen das Urteil des Landgerichts wenden sich die Kläger mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte sowie ihr Streithelfer beantragen.
Entscheidungsgründe
I.
Rz. 3
Das Berufungsgericht meint, den Klägern stehe ein Anspruch auf Schadensersatz zu, allerdings erst für die Zeit ab dem 1. März 2021. Ein weitergehender Anspruch ergebe sich nicht aus der materiellen Rechtskraftwirkung des Urteils in dem Vorprozess. Zwar sei in diesem Urteil festgestellt worden, dass ein Anspruch der Kläger bestehe, wenn das Sondereigentum zur Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums in Anspruch genommen werde. Es fehle aber an einer Kausalität der erfolgten Inanspruchnahme für den geltend gemachten Schaden. Soweit in dem Urteil auch festgestellt worden sei, dass die Beklagte zum Ersatz des durch die verzögerte oder fehlerhafte Instandsetzung entstandenen Schadens verpflichtet sei, beziehe sich dies nicht auf das Vorliegen eines Verzugs oder darauf, dass bereits eine fehlerhafte Instandsetzung erfolgt sei. Ein Anspruch für den Zeitraum vor Rechtskraft des Urteils in dem Vorprozess scheide insofern jedenfalls deswegen aus, weil die Kläger durch ihre Forderung nach einer aktuellen Regeln entsprechenden Sanierung die Umsetzung der Beschlüsse nach den 1984/1985 geltenden Standards verhindert und damit den Mietausfallschaden selbst verursacht hätten. Ein Anspruch sei erst für die Zeit ab dem 1. März 2021 gegeben, da nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils in dem Vorprozess noch die notwendige Ausführungszeit der Sanierung von ca. sechs Monaten zu berücksichtigen sei.
Rz. 4
Auch unabhängig von den Wirkungen des Feststellungsurteils bestehe für die Zeit vor dem 1. März 2021 kein Schadensersatzanspruch wegen verzögerter oder fehlerhafter Beschlussumsetzung. Ein Anspruch aus §§ 280, 286 BGB bzw. §§ 280, 281 BGB habe unter Geltung des Wohnungseigentumsgesetzes in der bis zum 30. November 2020 geltenden Fassung nicht gegenüber der Beklagten bestanden, da diese nach der damaligen Rechtslage nicht für eine fehlerhafte Beschlussumsetzung des Verwalters gehaftet habe. Entgegen der Ansicht der Kläger könne für diesen Zeitraum auch nicht das am 1. Dezember 2020 in Kraft getretene Wohnungseigentumsgesetz angewendet werden, da es sich um einen in der Vergangenheit abgeschlossenen Sachverhalt handele. Ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes hafte die Beklagte zwar grundsätzlich für die fehlerhafte Umsetzung von Beschlüssen, ein Anspruch sei aber auch insoweit erst für die Zeit ab dem 1. März 2021 gegeben.
II.
Rz. 5
1. Die Revision ist unbeschränkt zulässig. Die von Klägern vorsorglich eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist gegenstandslos (vgl. Senat, Urteil vom 19. April 2013 - V ZR 113/12, NJW 2013, 1948 Rn. 12; Urteil vom 11. November 2022 - V ZR 213/21, NJW 2023, 217 Rn. 7). Die von dem Berufungsgericht in der Formel seines Urteils unbeschränkt ausgesprochene Zulassung der Revision erfährt durch die Ausführungen in den Urteilsgründen keine Einschränkung.
Rz. 6
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Entscheidungsformel zwar im Lichte der Urteilsgründe auszulegen. Deshalb ist regelmäßig von einer beschränkten Revisionszulassung auszugehen, wenn das Berufungsgericht in den Gründen die Frage, zu deren höchstrichterlicher Klärung die Revision zugelassen werden soll, bezeichnet und sich diese Frage nur für einen eindeutig abgrenzbaren selbständigen Teil des Streitstoffs stellt, der Gegenstand eines Teilurteils oder eines eingeschränkt eingelegten Rechtsmittels sein kann (vgl. BGH, Urteil vom 13. Mai 2020 - VIII ZR 222/18, NJW 2020, 3258 Rn. 9 mwN). Voraussetzung für die Annahme einer Beschränkung der Zulassung ist aber, dass aus den Ausführungen nicht nur eine Begründung für die Zulassung der Revision, sondern der Wille des Berufungsgerichts, die Revision in bestimmter Hinsicht zu beschränken, klar und eindeutig hervorgeht (vgl. Senat, Urteil vom 20. November 2020 - V ZR 64/20, ZWE 2021, 223 Rn. 8). Daran fehlt es hier.
Rz. 7
b) Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Zulassungsentscheidung am Schluss des Urteils ausgeführt, die Rechtssache erfordere eine Entscheidung des Revisionsgerichts, soweit es um die Anwendbarkeit des neuen Wohnungseigentumsgesetzes gehe. Damit hat es die unbeschränkte Zulassung der Revision in der Urteilsformel lediglich näher erläutert. Ein Wille, die unbeschränkte Zulassung inhaltlich einzuschränken, lässt sich seinen Ausführungen dagegen nicht, jedenfalls nicht mit der notwendigen Eindeutigkeit und Klarheit entnehmen. Als problematisch erachtete die Einzelrichterin offenbar die Anwendbarkeit des neuen Wohnungseigentumsrechts für die vor dem 1. Dezember 2020 entstandenen Schäden. Darauf kam es aber nach ihrer Lösung nicht an, weil das Berufungsurteil davon ausgeht, dass die unterbliebene Umsetzung der gefassten Beschlüsse bis zur Rechtskraft des Urteils in dem Vorprozess auf einem Verschulden der Kläger beruht; schon deshalb sind Ansprüche für die Zeit vor dem 1. März 2021 verneint worden. Dass die Haftung wegen unterbliebener Umsetzung von Beschlüssen für die Zeit ab dem 1. März 2021 nach dem Wohnungseigentumsgesetz in der neuen Fassung zu beurteilen war, wird (richtigerweise) nicht in Zweifel gezogen; die auf dieser Grundlage zuerkannten Ansprüche sind ohnehin nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens. Ist die Frage, derentwegen das Berufungsgericht die Revision zulässt, nicht entscheidungserheblich, stellt sie sich nicht für einen eindeutig abgrenzbaren selbständigen Teil des Streitstoffs.
Rz. 8
2. Die Revision hat auch in der Sache Erfolg. Das angefochtene Urteil unterliegt schon deswegen gemäß § 547 Nr. 1 ZPO der Aufhebung, weil es unter Verletzung des verfassungsrechtlichen Gebots des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) ergangen ist. Dass die Einzelrichterin die Sache nicht gemäß § 526 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO dem Berufungsgericht zur Entscheidung über die Übernahme vorgelegt, sondern selbst entschieden und die Revision zugelassen hat, stellt eine derartige Verletzung dar. Diese ist ungeachtet der Regelung des § 526 Abs. 3 ZPO von Amts wegen zu beachten.
Rz. 9
a) Ein Verstoß gegen gerichtliche Zuständigkeitsvorschriften begründet eine Verletzung des verfassungsrechtlichen Gebots des gesetzlichen Richters, wenn er auf Willkür beruht (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 2006 - VI ZR 4/06, BGHZ 170, 180 Rn. 5). So liegt es hier.
Rz. 10
aa) Der Einzelrichter, dem der Rechtsstreit von dem vollbesetzten Berufungsgericht gemäß § 526 Abs. 1 ZPO zur Entscheidung übertragen worden ist, ist zwar zur Entscheidung über die Berufung auch dann befugt, wenn er abweichend von der Mehrheit seines Kollegiums von vorneherein die grundsätzliche Bedeutung der Sache angenommen hat; er kann dann ohne Verfahrensverstoß die Revision zulassen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Februar 2013 - VI ZR 290/11, NJW 2013, 1149 Rn. 11; Urteil vom 10. November 2022 - III ZR 13/22, MDR 2023, 317 Rn. 14; Urteil vom 17. November 2022 - VII ZR 297/21, ZIP 2023, 215 Rn. 12). Er muss aber den Rechtsstreit nach § 526 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO dem Kollegium zur Entscheidung über eine Übernahme vorlegen, wenn er eine grundsätzliche Bedeutung, die sich aus einer nach der Übertragung auf ihn eingetretenen wesentlichen Änderung der Prozesslage ergibt, bejaht (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 2018 - VII ZR 288/17, BGHZ 220, 68 Rn. 14; Urteil vom 17. November 2022 - VII ZR 297/21, ZIP 2023, 215 Rn. 13).
Rz. 11
bb) Hiernach hätte die Einzelrichterin das Verfahren gemäß § 526 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO dem Berufungsgericht zur Entscheidung über eine Übernahme vorlegen müssen, statt die Sache zu entscheiden und die Revision wegen Grundsatzbedeutung, Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.
Rz. 12
(1) Das vollbesetzte Berufungsgericht hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 30. Juni 2020 und damit vor Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes am 1. Dezember 2020 gemäß § 526 Abs. 1 ZPO der Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen. In der in dem Berufungsurteil getroffenen Zulassungsentscheidung hat die Einzelrichterin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gemäß § 526 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO, die im Sinne aller in § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO genannten Zulassungsgründe zu verstehen ist (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 2022 - III ZR 13/22, MDR 2023, 317 Rn. 13), bejaht. Dabei hat sie angenommen, dass sich diese grundsätzliche Bedeutung aus einer nach der erfolgten Übertragung der Rechtssache auf sie erfolgten Änderung der Rechtslage und damit einer Änderung der Prozesslage im Sinne des § 526 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO ergibt (vgl. zur Änderung der Rechtslage als Unterfall der Änderung der Prozesslage: PG/Oberheim, ZPO, 14. Aufl., § 526 Rn. 19; Wieczorek/Schütze/Gerken, ZPO, 5. Aufl., § 526 Rn. 16). Denn sie hat die grundsätzliche Bedeutung ausweislich der Entscheidungsgründe in der Anwendbarkeit des neuen Wohnungseigentumsgesetzes gesehen. Das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz trat aber, was der Einzelrichterin, wie sich den Entscheidungsgründen entnehmen lässt, ebenfalls bewusst war, am 1. Dezember 2020, also nach der am 30. Juni 2020 erfolgten Übertragung in Kraft. Damit lagen aus der Sicht der Einzelrichterin die Voraussetzungen für die Vorlage nach § 526 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO vor.
Rz. 13
(2) Dass die Entscheidung der Einzelrichterin über die Zulassung inhaltlich schon deswegen nicht nachvollziehbar ist, weil die Anwendbarkeit des Wohnungseigentumsgesetzes in der neuen Fassung nicht entscheidungserheblich gewesen ist (vgl. oben Rn. 7), ändert an dem Bestehen der Vorlagepflicht nichts. Inwieweit eine Vorlage zur Übernahme nach § 526 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zu erfolgen hat, beurteilt sich nämlich danach, ob der Einzelrichter das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Vorschrift bejaht, also nach dessen - möglicherweise fehlerhafter - Sicht (vgl. BGH, Urteil vom 17. November 2022 - VII ZR 297/21, ZIP 2023, 215 Rn. 13). Insoweit gilt nichts anderes als bei der Vorlagepflicht nach § 568 Satz 2 ZPO, die - unabhängig von dem tatsächlichen Vorliegen ihrer Voraussetzungen - dann gegeben ist, wenn der Einzelrichter deren Voraussetzungen bejaht (st. Rspr., vgl. Senat, Beschluss vom 19. April 2018 - V ZB 260/17, AGS 2018, 295; BGH, Beschluss vom 22. November 2011 - VIII ZB 81/11, NJW-RR 2012, 125 Rn. 9; Beschluss vom 18. September 2018 - VI ZB 34/17, NJW-RR 2018, 1460 Rn. 5; jeweils mwN).
Rz. 14
cc) Das Vorgehen der Einzelrichterin stellt sich als willkürlich dar. Bei der Annahme von Willkür ist allerdings Zurückhaltung geboten. Nicht jede entgegen § 526 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO unterlassene Vorlage rechtfertigt diesen (objektiven) Vorwurf (BGH, Urteil vom 10. November 2022 - III ZR 13/22, juris Rn. 20, insoweit in MDR 2023, 317 nicht abgedruckt). Die Besonderheiten der vorliegenden Fallgestaltung zwingen indessen zu einer solchen Würdigung. Denn die Einzelrichterin hat bei ihrer Zulassungsentscheidung die Grundsatzbedeutung aufgrund einer als wesentlich erachteten, nach der Übertragung erfolgten Änderung der Prozesslage bejaht und zugleich implizit verneint, indem sie eine Vorlage an die Berufungskammer unterlassen hat. Dieser nicht auflösbare Widerspruch stellt sich als objektiv willkürlich dar und verletzt daher das verfassungsrechtliche Gebot des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG; vgl. auch BGH, Urteil vom 17. November 2022 - VII ZR 297/21, ZIP 2023, 215 Rn. 13 f.). Sollten der Einzelrichterin Fehler bei der Auslegung der Vorschrift des § 526 Abs. 2 Satz 1 Nr.1 ZPO unterlaufen sein, ist dies unerheblich, weil die Frage, ob Willkür vorliegt, anhand objektiver Kriterien festzustellen ist (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 2022 - III ZR 13/22, juris Rn. 22 mwN, insoweit in MDR 2023, 317 nicht abgedruckt). Durch die Nichtbeachtung der Vorlagepflicht gemäß § 526 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO hat die Einzelrichterin die erneute Beurteilung der grundsätzlichen Bedeutung der Sache dem Kollegium als dem gesetzlich zuständigen Richter entzogen. Gleiches gilt für die Entscheidung in der Sache, da aus der Sicht der Einzelrichterin eine Übernahme des Rechtsstreits durch das Kollegium geboten gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 17. November 2022 - VII ZR 297/21, ZIP 2023, 215 Rn. 14).
Rz. 15
b) Das Revisionsgericht hat den sich aufgrund der objektiven Willkürlichkeit der Entscheidung ergebenden Verfassungsverstoß von Amts wegen zu beachten (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 2022 - III ZR 13/22, MDR 2023, 317 Rn. 25; Urteil vom 17. November 2022 - VII ZR 297/21, ZIP 2023, 215 Rn.15). Auch § 526 Abs. 3 ZPO steht dem nicht entgegen. Diese Vorschrift schließt zwar grundsätzlich eine Überprüfung der Entscheidung über die Übertragung, Vorlage oder Übernahme der Sache aus, greift aber dann nicht ein, wenn die Entscheidung auf Willkür beruht, weil in einem solchen Fall eine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vorliegt; aus diesem Grund ist auch eine Heilung des Verstoßes gemäß § 295 ZPO nicht möglich (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 2022 - III ZR 13/22, MDR 2023, 317 Rn. 15 mwN).
III.
Rz. 16
1. Entscheidet der Einzelrichter - wie hier - unbefugt allein, ist der absolute Revisionsgrund der fehlerhaften Gerichtsbesetzung gemäß § 547 Nr. 1 ZPO gegeben (vgl. BGH, Beschluss vom 25. November 2015 - XII ZB 105/13, NJW-RR 2016, 388 Rn. 10; Urteil vom 17. November 2022 - VII ZR 297/21, ZIP 2023, 215 Rn. 16). Das Berufungsurteil ist ohne Sachprüfung im Umfang seiner Anfechtung aufzuheben und die Sache insoweit zur erneuten Entscheidung - auch unter Berücksichtigung der Schriftsätze im Revisionsverfahren - an das Berufungsgericht (Einzelrichterin) zurückzuverweisen.
Rz. 17
2. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass die Einzelrichterin nicht gehindert ist, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 526 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO nach erneuter Prüfung zu verneinen, weil die Anwendbarkeit des neuen Wohnungseigentumsrechts schon nicht entscheidungserheblich ist.
IV.
Rz. 18
Hinsichtlich der durch die Revision entstandenen Gerichtskosten macht der Senat von der Möglichkeit des § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG Gebrauch.
Brückner |
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Göbel |
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Haberkamp |
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Laube |
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Grau |
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Fundstellen
NJW-RR 2023, 715 |
NZM 2023, 564 |
WuM 2023, 374 |
immobilienwirtschaft 2023, 116 |