Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatz

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage eines Schadenersatzanspruchs nach § 945 ZPO, wenn ein Besitzeinweisungsbeschluß (§ 116 BBauG), der u. a. zum Abbruch eines Hauses berechtigt, im Wege einer später aufgehobenen einstweiligen Verfügung, die auf Räumung und Herausgabe des Hausgrundstücks gerichtet war, vollzogen worden ist.

 

Normenkette

ZPO § 945; BBauG § 116

 

Tatbestand

Der Kläger ist Testamentsvollstrecker des Nachlasses des F.

Zum Nachlaß gehört das Hausgrundstück N. 17 in B. Bezüglich dieses Grundstücks ist ein Enteignungsverfahren zugunsten der Beklagten anhängig, da diese nach einem bestandskräftigen Bebauungsplan die Errichtung eines Rathausneubaus beabsichtigt und dabei das Grundstück N. 17 in Anspruch nehmen will.

Im Rahmen des Enteignungsverfahrens wurde die Beklagte durch Beschluß der Enteignungsbehörde antragsgemäß mit Wirkung vom 19. Mai 1980 in den vorläufigen Besitz des Grundstücks eingewiesen. Der Kläger hat diesen Beschluß durch einen bei der Baulandkammer des Landgerichts B. anhängigen Antrag auf gerichtliche Entscheidung angefochten, nicht dagegen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung dieses Rechtsbehelfs beantragt.

Nachdem die Beklagte den Kläger unter Hinweis auf den Besitzeinweisungsbeschluß ergebnislos aufgefordert hatte, das Grundstück zu räumen, erwirkte sie unter dem 23. Mai 1980 beim Amtsgericht B. eine einstweilige Verfügung gegen den Kläger, durch welche diesem aufgegeben wurde, das Grundstück N. 17 zu räumen und an die Beklagte herauszugeben. Diese einstweilige Verfügung wurde durch Urteil des Landgerichts aufgehoben und der Antrag auf ihren Erlaß zurückgewiesen; die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten wurde durch Urteil des Oberlandesgerichts zurückgewiesen. Zuvor, nämlich bereits am 27. Mai 1980, hatte die Beklagte das Grundstück N. 17 räumen und am 28. Mai 1980 das aufstehende Gebäude abreißen lassen; inzwischen ist auch eine Ausbaggerung des Grundstücks erfolgt.

Der Kläger hat deshalb die Beklagte u. a. auf Schadensersatz in Anspruch genommen.

Die Klage ist insoweit in allen Instanzen erfolglos geblieben.

 

Entscheidungsgründe

I.

1.-5.

(von der weiteren Darstellung wird abgesehen)

6.

Der Klageanspruch ist auch nicht aus § 945 ZPO begründet. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Eingewiesene, wenn ihm der unmittelbare Besitzer den Besitz nicht freiwillig überläßt, Besitzschutzansprüche nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch geltend machen und notfalls mit Hilfe der Zivilgerichte durchsetzen kann oder ob ihm der Besitz (allein oder auch) von der Enteignungsbehörde mit den Mitteln des Verwaltungszwangs verschafft werden kann (vgl. dazu Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BBauG § 116 Rn. 16; Schlichter/Stich/Tittel, BBauG 3. Aufl. § 116 Rn. 12; s. auch Schrödter, BBauG 4. Aufl. § 116 Rn. 7). Auch wenn dem Eingewiesenen an sich die zivilrechtlichen Möglichkeiten, sich in den Besitz des betroffenen Grundstücks zu setzen, verschlossen wären, müßte doch grundsätzlich die Ersatzvorschrift des § 945 ZPO eingreifen, wenn der Eingewiesene den Weg der einstweiligen Verfügung beschritten hat und sich dieser als von Anfang an ungerechtfertigt erweist.

Im Streitfall ist jedoch eine Ersatzpflicht nicht anzuerkennen. Nach § 945 ZPO ist der durch die Vollziehung der einstweiligen Verfügung verursachte unmittelbare und mittelbare Schaden zu ersetzen (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 43. Aufl. § 945 Anm. 4 Bc; vgl. auch BGHZ 85, 110, 114, 115). Davon wird jedoch der hier geltend gemachte Vermögensnachteil (Substanz des abgebrochenen Hauses) nicht erfaßt. Die Beklagte war - wie ausgeführt - schon aufgrund des Besitzeinweisungsbeschlusses als eines wirksamen Rechtstitels zum Abbruch des Hauses berechtigt (vgl. auch BGHZ 15, 356, 358). Diese Befugnis ist ihr auch mit der Aufhebung der einstweiligen Verfügung nicht abgesprochen worden. Insoweit hat sich also nicht die materielle Unbegründetheit eines in der einstweiligen Verfügung vorläufig zuerkannten Rechts herausgestellt. Daher trifft im Blick auf den begehrten Substanzschaden der Grund der Haftung aus § 945 ZPO, daß die Vollstreckung aus einem noch nicht endgültigen Titel auf Gefahr des Gläubigers geht (BGHZ 54, 76, 80 f. m. w. Nachw.), solange nicht zu, als der Besitzeinweisungsbeschluß in Kraft ist. Der Haftungsgrund des § 945 ZPO gilt im Streitfall allenfalls für die Nachteile, die dem Kläger dadurch entstanden sind, daß die Beklagte aufgrund der einstweiligen Verfügung etwa schneller in den Besitz des betroffenen Grundstücks gelangt ist, als ihr das allein aufgrund des Besitzeinweisungsbeschlusses möglich gewesen wäre. Der Ersatz solcher Schäden wird aber vom Kläger nicht verlangt.

(von der weiteren Darstellung wird abgesehen)

 

Fundstellen

Haufe-Index 1456393

BGHZ, 1

NJW 1986, 1107

BRS 1987, 256

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