Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, ob das einer Vollstreckungsabwehrklage stattgebende Urteil auch die im Vollstreckungstitel enthaltene Kostenentscheidung als Grundlage der Kostenfestsetzung umfaßt.
Normenkette
ZPO §§ 103, 767
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 30. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 7. September 1994 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger hatte von dem Beklagten Geschäftsräume im Haus Z.straße in E. gemietet. Durch Urteil des Landgerichts E. vom 26. Juni 1992 wurde er kostenpflichtig und gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar zur Räumung verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung wurde zurückgewiesen. Für den dem Gerichtsvollzieher unter dem 11. September 1992 erteilten Räumungsauftrag entstanden dem Beklagten Kosten in Höhe von 566,11 DM (47,80 DM Gerichtsvollzieherkosten zuzüglich 518,31 DM Anwaltsgebühren). Ferner mußte er für die zum Zweck der Sicherheitsleistung in Anspruch genommene Bankbürgschaft eine Avalprovision von 622,22 DM zahlen. Wegen der Kosten des Räumungsauftrags betrieb der Beklagte gegen den Kläger aus dem Urteil vom 26. Juni 1992 die Zwangsvollstreckung. Einschließlich der hierdurch entstandenen weiteren Kosten wurden bei dem Kläger am 27. August 1993 586,71 DM eingezogen. Die Avalprovision sowie die Verfahrenskosten erster und zweiter Instanz zuzüglich seiner eigenen Auslagen – insgesamt 8.786,65 DM – meldete der Beklagte zur Kostenfestsetzung an. Über diese Anträge ist bisher nicht entschieden.
In einem weiteren Rechtsstreit (LG E.), in dem um Zahlungsansprüche aus dem beendeten Mietverhältnis gestritten wurde, schlossen die Parteien nach der zwischenzeitlich erfolgten Räumung des Objekts am 27. Juli 1993 einen Vergleich des Inhalts, daß der Kläger zur Abgeltung aller gegenseitigen Ansprüche an den Beklagten 35.000 DM zahle. Unter Hinweis auf diesen Vergleich wendet der Kläger sich mit einer Abwehrklage (§ 767 ZPO) gegen die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil vom 26. Juni 1992. Er vertritt die Auffassung, die Vollstreckungsmaßnahme vom 27. August 1993 sei unzulässig, weil der Beklagte aufgrund des Vergleichs gehindert sei, weiterhin irgendwie geartete Ansprüche gegen ihn zu verfolgen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Es ist davon ausgegangen, durch den Vergleich seien alle gegenseitigen Ansprüche abgegolten. Der Beklagte hat Berufung mit den Anträgen eingelegt, unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Klage abzuweisen sowie festzustellen, daß durch den Vergleich vom 27. Juli 1993 keine über den ausdrücklichen Vergleichstext hinausgehenden anderweitigen Verfahrenskosten, insbesondere nicht Kosten aus dem Verfahren – OLG Hamm, abgegolten seien. Das Oberlandesgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Revision des Beklagten, die der Kläger zurückzuweisen begehrt.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 547 ZPO unbeschränkt zulässige Revision ist nicht begründet.
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die Berufung unzulässig, weil der Beklagte durch das angefochtene Urteil nur in Höhe von 586,71 DM oder allenfalls 1.208,93 DM beschwert werde, so daß die Berufungssumme des § 511a Abs. 1 ZPO nicht erreicht sei. Der Wert des Beschwerdegegenstandes sei mit dem Streitwert der ersten Instanz identisch, da der Beklagte vor dem Landgericht in vollem Umfang unterlegen und der im Berufungsverfahren erstmals gestellte Feststellungsantrag für die Beschwer nicht maßgeblich sei. Den Streitwert der ersten Instanz bilde nicht der Gesamtbetrag aller noch offenen Kostenpositionen, sondern nur der abgegrenzte Teilbetrag, um den in erster Instanz gestritten worden sei. Dieser sei mit 586,71 DM, dem durch die Vollstreckungsmaßnahme vom 27. August 1993 beigetriebenen Betrag, bzw. unter Hinzurechnung der Avalprovision von 622,22 DM, die Gegenstand der Erörterungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht gewesen sei, allenfalls mit 1.208,93 DM zu beziffern. Die weiteren Kostenpositionen, die der Beklagte noch beanspruche, seien auf den Streitwert dagegen ohne Einfluß.
II.
1. Gegenüber diesen Erwägungen macht die Revision geltend, das Oberlandesgericht habe verkannt, daß sich die Klage gegen die Vollstreckbarkeit des Titels insgesamt richte, weil der Kläger vorgetragen habe, der Beklagte sei durch den Vergleich gehindert, weitere irgendwie gearteten Ansprüche gegen ihn zu verfolgen. Hierzu seien auch die Kostenerstattungsansprüche zu rechnen, deren Vollstreckung nicht mehr möglich sei, wenn die Zwangsvollstreckung uneingeschränkt für unzulässig erklärt werde. Ein zur Vollstreckung geeigneter Titel im Sinne des § 103 Abs. 1 ZPO liege dann nicht mehr vor. Das müsse, auch aus Gründen der Prozeßökonomie, jedenfalls insoweit gelten, als ein Kostenfestsetzungsbeschluß noch nicht ergangen sei.
2. Diesen Angriffen muß der Erfolg versagt bleiben. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß der Wert der Beschwer allenfalls mit 1.208,93 DM anzusetzen und die Berufung deshalb gemäß § 511a Abs. 1 ZPO unzulässig ist.
a) Der in der Berufungsinstanz erstmals gestellte Feststellungsantrag des Beklagten ist für die Berechnung der Beschwer ohne Bedeutung. Das Interesse des Rechtsmittelführers, das angefochtene Urteil zu beseitigen, wird hierdurch nicht beeinflußt (vgl. Stein/Jonas/Grunsky ZPO 21. Aufl. § 511a Rdnr. 8, 10; Zöller/Gummer ZPO 19. Aufl. § 511a Rdnr. 4). Insoweit greift die Revision die Ausführungen des Berufungsgerichts auch nicht an.
b) Der Wert einer Vollstreckungsabwehrklage bemißt sich nach dem Umfang der erstrebten Ausschließung der Zwangsvollstreckung. Entsprechend richtet sich die Beschwer des unterlegenen Beklagten danach, inwieweit die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil für unzulässig erklärt worden, er durch den rechtskraftfähigen Inhalt der Entscheidung mithin materiell belastet ist (BGH, Beschluß vom 23. September 1987 III ZR 96/87 – BGHR ZPO § 3 Vollstreckungsabwehrklage 1 NJW-RR 1988, 444; Stein/Jonas/Roth a.a.O. § 3 Rdnr. 62 Stichwort: Vollstreckungsgegenklage). Das ist, nachdem die Verurteilung zur Räumung und Herausgabe der gemieteten Räume unzweifelhaft nicht mehr Gegenstand der vorliegenden Klage ist, nur noch wegen der Vollstreckungskosten von 586,71 DM sowie allenfalls wegen der Avalprovision von 622,22 DM zu bejahen, falls insofern der Auffassung gefolgt wird, diese sei als Teil der Kosten der Zwangsvollstreckung aufgrund des für den Hauptanspruch bestehenden Vollstreckungstitels gemäß § 788 Abs. 1 ZPO ohne Kostenfestsetzung beizutreiben (so z.B. Thomas/Putzo ZPO 19. Aufl. § 788 Rdnr. 18; offen gelassen in BGH, Urteil vom 18. Dezember 1973 – VI ZR 158/72 – NJW 1974, 693, 694). Die Kostenerstattungsansprüche des Beklagten sind nicht Gegenstand der Abwehrklage und des stattgebenden landgerichtlichen Urteils. Dieses hat auf die noch offenen Kostenerstattungsansprüche des Beklagten (ohne die Avalprovision: 8.164,43 DM) keinen Einfluß. Ziel der Klage nach § 767 ZPO ist der Ausspruch, daß die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil aufgrund von Einwendungen gegen die festgestellte Forderung fortan ganz, teil- oder zeitweise unzulässig ist, nicht dagegen die Aufhebung des Urteils oder die Feststellung, daß der Anspruch nicht oder nicht mehr bestehe. Das Urteil, das der Vollstreckungsabwehrklage stattgibt, läßt deshalb nach allgemeiner Meinung in Rechtsprechung und Literatur die materielle Rechtskraft der Verurteilung und die Kostenentscheidung des früheren Urteils unberührt (RGZ 75, 199, 201; BGH, Urteil vom 7. November 1974 – III ZR 115/72 – NJW 1975, 539, 540; vom 15. Oktober 1992 – IX ZR 231/91 – BGHR ZPO § 767 Kostenfestsetzungsbeschluß 1; Stein/Jonas/Bork a.a.O. § 103 Rdnr. 7). Damit bleibt letztere als Grundlage für die Kostenfestsetzung bestehen (LG Berlin Rechtspfleger 1982, 482, 483; OLG Düsseldorf Rechtspfleger 1993, 172, 173; Zöller-Herget a.a.O. §§ 103, 104 Rdnr. 21 Stichwort: Vollstreckungsgegenklage; MünchKomm-ZPO/Belz, § 103 Rdnr. 21).
c) Diese Auffassung ist entgegen der Annahme der Revision mit § 103 Abs. 1 ZPO zu vereinbaren. Daß der Anspruch auf Erstattung der Prozeßkosten nur aufgrund eines zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titels geltend gemacht werden kann, begründet lediglich das Erfordernis eines Vollstreckungstitels im weiteren Sinne. Es muß ein Titel vorliegen, der eine Kostenerstattungspflicht ausspricht und aus dem nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung die Zwangsvollstreckung stattfinden kann. Dagegen braucht der die Grundlage der Kostenfestsetzung bildende Titel in der Hauptsache keinen zur Zwangsvollstreckung geeigneten Inhalt zu haben, weshalb die Festsetzung auch bei abweisenden, rechtsgestaltenden und Feststellungsurteilen zulässig ist (Stein/Jonas/Bork a.a.O. § 103 Rdnr. 4; MünchKomm-ZPO/Belz a.a.O. § 103 Rdnr. 3). Der die Hauptsache betreffende Ausspruch der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung hat demgemäß nicht zur Folge, daß der Titel seine Geeignetheit zur Zwangsvollstreckung im Sinne des § 103 Abs. 1 ZPO verliert. Andernfalls könnte sich etwa der zur Sachleistung und in die Kosten verurteilte Schuldner, wenn er nachträglich die Sachleistung erbringt, durch Erhebung der Abwehrklage der Kostenfestsetzung entziehen.
Eine abweichende Beurteilung kommt auch nicht für den Fall in Betracht, daß ein Kostenfestsetzungsbeschluß noch nicht ergangen ist. Der rechtskraftfähige Inhalt eines der Abwehrklage stattgebenden Urteils kann nicht davon abhängen, ob die Kosten bereits festgesetzt sind oder nicht. Um schon vor der Kostenfestsetzung eine Entscheidung über die Auswirkungen des Vergleichs vom 27. Juli 1993 auf die Kostenerstattungsansprüche herbeizuführen, hätte im ersten Rechtszug ein Feststellungsantrag, wie er vom Beklagten in der Berufungsinstanz angebracht worden ist, gestellt werden können.
d) Läßt das erstinstanzliche Urteil somit die Kostenentscheidung im Urteil vom 26. Juni 1992 als Grundlage für die Kostenfestsetzung unberührt, ist der Beklagte hierdurch nicht in Höhe der noch festsetzbaren Kostenpositionen beschwert. Selbst unter Einbeziehung der Avalprovision ist der Wert der Beschwer zu Recht nur mit 1.208,93 DM angesetzt worden.
Fundstellen
Haufe-Index 609894 |
NJW 1995, 3318 |