Leitsatz (amtlich)
›a) Bei Handlungen von Gemeindeverwaltungen außerhalb eines erwerbswirtschaftlichen Tätigkeitsbereichs besteht keine tatsächliche Vermutung für eine Wettbewerbsförderungsabsicht.
b) Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Gewerbetreibender im Falle einer zu seinen Gunsten erteilten irreführenden Auskunft einer Gemeindeverwaltung von einem Mitbewerber als Störer auf Unterlassung in Anspruch genommen werden kann.‹
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Parteien sind konkurrierende Bestattungsunternehmen. Die Beklagte nimmt aufgrund von Verträgen mit den Gemeinden M und N die diesen obliegenden hoheitlichen Bestattungsaufgaben wahr.
Die Verwaltungen beider Gemeinden erteilen Anrufern außerhalb der Amtszeiten durch automatische Anrufbeantworter u.a. folgende Auskünfte:
Gemeinde M
"Bereitschaftsdienste stehen Ihnen unter folgenden Telefonnummern zur Verfügung...
Bei Todesfall rufen Sie bitte 0821/36444 oder ein anderes Bestattungsinstitut."
Gemeinde N
"Dringende Rufnummern...
In Sterbefällen: 36444 oder ein anderes Bestattungsinstitut."
Die jeweils angegebene Rufnummer ist die der Beklagten.
Die Klägerinnen haben geltend gemacht, die Mitteilung der Rufnummer der Beklagten durch die Gemeindeverwaltungen in M. und N sei wettbewerbswidrig. Dadurch, daß die Beklagte die Mitteilung ihrer Rufnummer dulde und ausnutze, verstoße sie gegen §§ 1 und 3 UWG.
Die Klägerinnen haben beantragt,
1. der Beklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verbieten, durch Gemeindeverwaltungen über automatische Anrufbeantworter den Anrufern mitteilen zu lassen, daß im Sterbefall die von der Beklagten im Geschäftsverkehr als gewerbliches Bestattungsunternehmen verwendete Firmen-Telefon-Nummer anzurufen sei,
2. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, den Klägerinnen denjenigen Schaden zu ersetzen, der ihnen durch die Verletzungshandlung gemäß Ziff. 1 bisher entstanden ist und künftighin entstehen wird.
Die Beklagte hat ihre Passivlegitimation bestritten und behauptet, sie habe die Gemeindeverwaltungen in M und N aufgefordert, ihre Rufnummer Anrufern nicht mehr mitzuteilen. Dies hätten beide Gemeindeverwaltungen, die den Ansagetext ohne Absprache mit ihr, der Beklagten, abgefaßt hätten, unter Hinweis auf ihre Verpflichtung zur Bürgerinformation abgelehnt.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Ihre Berufung ist erfolglos geblieben. Mit ihrer Revision verfolgt sie ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerinnen beantragen, die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Nennung der Telefonnummer der Beklagten durch Anrufbeantworter von Gemeindeverwaltungen verstoße gegen § 3 UWG. Die alleinige Angabe der Rufnummer der Beklagten sei objektiv geeignet, den Wettbewerb zugunsten der Beklagten zu beeinflussen. Bei einem nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise könne der Eindruck entstehen, bei der Beklagten werde man sachkundiger bedient als bei Konkurrenzunternehmen. Die erforderliche Wettbewerbsabsicht werde insoweit vermutet. Die Vermutung sei nicht widerlegt.
Diese Beurteilung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden und wird von der Revision nicht angegriffen, soweit das Berufungsgericht die objektive Eignung des Ansagetextes der Anrufbeantworter, den Wettbewerb der Beklagten durch Vermittlung eines falschen Eindrucks zu fördern, bejaht hat.
Nicht beigetreten werden kann indessen der Ansicht des Berufungsgerichts, die für ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs in subjektiver Hinsicht erforderliche Absicht der Gemeinden, den Wettbewerb der Beklagten zu fördern, werde vermutet. Eine auf entsprechender Lebenserfahrung beruhende tatsächliche Vermutung für eine bestehende Wettbewerbsabsicht bei objektiv wettbewerbsgeeignetem Handeln ist nur bei Gewerbetreibenden und Wirtschaftsverbänden, nicht aber bei Kommunalgemeinden anerkannt, soweit sie - wie vorliegend - außerhalb des erwerbswirtschaftlichen Tätigkeitsbereichs handeln (vgl. BGH, Urt. v. 16.5.1961 - Ib ZR 175/58, GRUR 1962, 34, 36 - Torsana; BGH, Urt. v. 21.12.1966 Ib ZR 146/84, GRUR 1967, 428 f. - Anwaltsberatung; v. Gamm, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl., 17. Kap. Rdn. 19, 49, 50). Bei Gemeinden ist insoweit ein Erfahrungsschluß, eine objektiv den Wettbewerb eines anderen fördernde Handlung sei in Wettbewerbsabsicht erfolgt, nicht gerechtfertigt. Handlungen von Gemeindeverwaltungen außerhalb des erwerbswirtschaftlichen Tätigkeitsbereichs verfolgen im allgemeinen nicht das Ziel, fremden Wettbewerb zu fördern, sondern dienen regelmäßig der Wahrnehmung der diesen im öffentlichen Interesse übertragenen Aufgaben. Das schließt zwar das Bestehen einer Wettbewerbsabsicht im Einzelfall nicht aus (vgl. BGHZ 19, 299, 303 f. - Kurverwaltung; BGH, Urt. v. 19.6.1981 - I ZR 10O/79, GRUR 1981, 823, 825 = WRP 1982, 207, 209 - Ecclesia-Versicherungsdienst); etwa wenn eine Gemeinde an dem wirtschaftlichen Erfolg eines Gewerbetreibenden, dessen Wettbewerb zu fördern ihr Handeln geeignet ist, ein Interesse hat, weil sie davon aufgrund vertraglicher oder sonstiger Beziehungen profitiert. Jedoch bedarf es insoweit besonderer Feststellungen. Solche hat das Berufungsgericht bisher nicht getroffen.
2. Auch die weitere Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte müsse sich das Verhalten der Gemeindeverwaltungen zurechnen lassen, hält der rechtlichen Nachprüfung nur zum Teil stand.
a) Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, Störer sei auch, wer eine unzulässige Wettbewerbshandlung eines aus eigenem Antrieb und selbstverantwortlich Handelnden unterstütze und es trotz bestehender rechtlicher Möglichkeit unterlasse, den Dritten an der Störerhandlung zu hindern. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. BGHZ 14, 163, 174 - Constanze II; BGH, Urt. v. 15.12.1975 - I ZR 122/74, GRUR 1976, 256, 258 = WRP 1976, 162, 165 - Rechenscheibe; BGH, Urt. v. 7.7.1988 I ZR 36/87, GRUR 1988, 829, 830 = WRP 1988, 668, 669 Verkaufsfahrten II).
Beigetreten werden kann auch der Ansicht des Berufungsgerichts, diese Voraussetzungen lägen hier vor. Die Beklagte habe den Gemeinden durch die vertragliche Ubernahme von Leistungen im Bestattungswesen die Aufnahme ihrer Telefonnummer in die Ansagedienste ihrer Anrufbeantworter zumindest nahegelegt und somit durch eigenes Verhalten an der Schaltung der wettbewerbswidrigen Ansagen mitgewirkt. Als Vertragspartnerin der Gemeinden habe sie einen Anspruch, die wettbewerbswidrige Nennung ihrer Telefonnummer zu unterlassen.
Der Begriff des Störers ist im Interesse eines möglichst weitreichenden Schutzes vor wettbewerbswidrigem Handeln weit auszulegen. Eine Mitwirkung durch Unterstützung der unzulässigen Angabe ihrer Telefonnummer durch die Anrufbeantworter der Gemeinden erfordert lediglich eine willentliche und adäquat kausale Handlung der Beklagten (vgl. BGH, Urt. v. 7.7.1988 - I ZR 36/87, GRUR 1988, 829, 830 - WRP 1988, 668, 669 - Verkaufsfahrten II). Eine solche ist entgegen der Ansicht der Revision in dem Abschluß von Verträgen mit den Gemeinden über die Wahrnehmung der ihnen obliegenden bestattungswirtschaftlichen Aufgaben durch die Beklagte zu sehen. Angesichts dieser Verträge lag die Mitteilung der Rufnummer der Beklagten durch Anrufbeantworter der Gemeinden nach der Lebenserfahrung nicht außerhalb aller Wahrscheinlichkeit im Sinne des Adäquanzerfordernisses. Zu den Aufgaben einer Gemeindeverwaltung gehört es, in ihrem Zuständigkeitsbereich, soweit erforderlich, Bereitschaftsdienste einzurichten und die Bürger in geeigneter Weise darüber zu unterrichten, an wen sie sich in Notfallsituationen außerhalb der Dienststunden der Verwaltung wenden können. Da die Gemeinden die ihnen obliegenden bestattungswirtschaftlichen Aufgaben nicht selbst wahrnehmen, sondern durch die Beklagte wahrnehmen lassen, lag ein Hinweis durch Anrufbeantworter, bei einem Todesfall könne die angegebene Nummer der Beklagten angerufen werden, nicht so fern, als daß die adäquate Kausalität verneint werden könnte.
Nicht zu beanstanden ist auch, daß das Berufungsgericht die rechtliche Möglichkeit der Beklagten bejaht hat, eine wettbewerbswidrige Mitteilung ihrer Rufnummer durch die Gemeinden zu unterbinden. Aus den auf Dauer angelegten Verträgen über die Wahrnehmung der bestattungswirtschaftlichen Aufgaben durch die Beklagten ergibt sich für die Gemeinden die Nebenverpflichtung, alles zu unterlassen, was geeignet ist, den Vertragszweck zu beeinträchtigen oder zu gefährden. Eine solche Gefahr geht im Streitfall von der irreführenden Auskunft der Gemeinden aus. Sie setzt die Beklagte aufgrund der mit den Gemeinden geschlossenen Verträge dem Verdacht eines wettbewerbswidrigen Verhaltens aus und begründet die Gefahr, daß die Beklagte von Wettbewerbern auf Unterlassung in Anspruch genommen wird. Ohne die rechtliche Möglichkeit, gegen die Auskunft der Gemeinden vorzugehen, könnte sich die Beklagte zur Beendigung der Verträge mit den Gemeinden veranlaßt sehen, um der Inanspruchnahme durch Wettbewerber die Grundlage zu entziehen.
b) Nicht beigetreten werden kann dagegen der Ansicht des Berufungsgerichts, der Beklagten sei es zuzumuten, die Gemeinden nicht nur aufzufordern, die Ansagetexte zu ändern und die wettbewerbswidrige Mitteilung ihrer Rufnummer zu unterlassen, sondern ihren Unterlassungsanspruch notfalls mit gerichtlicher Hilfe durchzusetzen. Das Berufungsgericht hat insoweit nicht hinreichend berücksichtigt, daß eine Unterlassungsklage der Beklagten gegen die Gemeinden die auf Dauer angelegten vertraglichen Beziehungen, deren Sicherung der Unterlassungsanspruch dienen soll, für längere Zeit erheblich belasten und die Zusammenarbeit mit den Gemeinden ernsthaft gefährden könnte. Hinzu kommt, daß die Klägerinnen zur Unterbindung der irreführenden Auskunft der Gemeinden auf eine Inanspruchnahme der Beklagten sowie Unterlassungsklagen der Beklagten gegen die Gemeinden nicht angewiesen sind. Die Klägerinnen können gegen die Gemeinden, deren Wettbewerbsabsicht unterstellt, wegen der irreführenden Auskunft, die damit den Charakter einer irreführenden Werbung zugunsten der Beklagten erhalten könnte, vielmehr unmittelbar mit Aussicht auf Erfolg gerichtlich vorgehen. In Anbetracht dessen ist es der Beklagten nicht zuzumuten, mit einem erheblichen Aufwand an Mühen und Kosten gegen die Gemeinden zu klagen und daraus etwa resultierende geschäftliche Nachteile in Kauf zu nehmen. Sie kann sich vielmehr, was nach ihrem in der Revisionsinstanz als richtig zu unterstellenden Vorbringen erfolglos geschehen ist, darauf beschränken, die Gemeinden aufzufordern, eine wettbewerbswidrige Mitteilung der Rufnummer zu unterlassen.
3. Auf die Revision der Beklagten war das angefochtene Urteil danach aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 2992997 |
BGHR UWG § 3 Störerhaftung 1 |
BGHR UWG § 3 Wettbewerbsförderungsabsicht 1 |
CR 1990, 334 (LS) |
GRUR 1990, 463 |
DÖV 1990, 627 |
MDR 1990, 511 |
WRP 1990, 254 |