Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufungsbegründung. Erfordernis eines förmlichen Antrags
Leitsatz (amtlich)
§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO erfordert nicht unbedingt einen förmlichen Antrag. Vielmehr reicht es aus, wenn die innerhalb der Berufungsbegründungsfrist eingereichten Schriftsätze des Berufungsklägers ihrem gesamten Inhalt nach eindeutig ergeben, in welchem Umfang und mit welchem Ziel das Urteil angefochten werden soll. Dafür genügt grundsätzlich auch ein lediglich auf Aufhebung und Zurückverweisung gerichteter Antrag.
Normenkette
ZPO § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 7, vom 24.6.2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand
[1]Die Beklagten waren gemäß Mietvertrag vom 1.4.1998 Mieter eines Einfamilienhauses des Klägers in H. Nach Beendigung des Mietverhältnisses am 30.4.2002 hat der Kläger die Beklagten als Gesamtschuldner auf Zahlung der Miete für den Monat April 2002 sowie auf Schadensersatz u.a. für die Vornahme von Schönheitsreparaturen, die Beseitigung von Schäden, die Reinigung der Mietsache und einen dadurch bedingten Mietausfall von eineinhalb Monaten in Anspruch genommen. Die Beklagten haben, zum Teil hilfsweise, mit Verwendungs- und Ersatzansprüchen aufgerechnet.
[2]Das AG hat der zuletzt auf Zahlung von insgesamt 25.388,73 EUR nebst Zinsen gerichteten Klage i.H.v. 24.407,55 EUR nebst Zinsen stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben die Beklagten Berufung eingelegt und den Antrag angekündigt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das AG zurückzuverweisen, soweit dieses der Klage stattgegeben hat. Das LG hat die Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen. Hiergegen wenden sich die Beklagten mit der vom Senat zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe
[3]Die Revision ist begründet. Über das Rechtsmittel ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, da der Kläger trotz ordnungsgemäßer Ladung in der mündlichen Revisionsverhandlung nicht anwaltlich vertreten war. Inhaltlich beruht das Urteil indessen nicht auf einer Säumnisfolge, sondern auf einer umfassenden Würdigung des Sach- und Streitstandes (vgl. BGH, Urt. v. 4.4.1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79 [81 f.]).
[4]I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
[5]Die Berufungsbegründung der Beklagten genüge nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Nr. 1 ZPO. Der bloße Antrag auf Aufhebung und Zurückverweisung ohne Sachantrag könne lediglich dann als ordnungsgemäßer Berufungsantrag gewertet werden, wenn der Berufungsbegründung ansonsten hinreichend klar entnommen werden könne, ob beziehungsweise in welchem Umfang der erstinstanzliche Klagabweisungsantrag weiterverfolgt werden solle. Hiervon könne im Streitfall jedoch nicht ausgegangen werden. Bei mehreren prozessualen Ansprüchen, wie sie auch vom Kläger geltend gemacht worden seien, sei eine entsprechende Berufungsbegründung für jeden Anspruch nötig; beziehe sich die Berufungsbegründung lediglich auf einzelne Streitpunkte, reiche dies nur aus, wenn hierdurch das gesamte Urteil in Frage gestellt werde. Diesen Anforderungen genüge die Berufungsbegründung der Beklagten nicht. Zur zugesprochenen Miete für April 2002 fänden sich darin keine Ausführungen. Bezüglich des zugesprochenen Schadensersatzes für Renovierungskosten werde nicht deutlich, welchen konkreten Betrag die Beklagten insoweit angreifen wollten. Hinsichtlich des vom AG zugesprochenen Schadensersatzes wegen Mietausfalls für eineinhalb Monate wollten die Beklagten nur einen Zeitraum von zehn Tagen gelten lassen. Insoweit sei das Bestreiten der Beklagten indes ohne Substanz. Die in der Berufungsbegründung geltend gemachte Aufrechnungsforderung sei höher als die, derer sich die Beklagten in erster Instanz berühmt hätten, jedoch geringer als der vom AG zugesprochene Zahlungsanspruch, so dass auch insofern nicht davon ausgegangen werden könne, die Beklagten hätten mit ihrer Berufung die erstinstanzlich begehrte Klagabweisung vollen Umfangs weiter verfolgen wollen. Insgesamt könne der Berufungsbegründung damit nicht entnommen werden, in welchem Umfang das erstinstanzliche Urteil angegriffen werden solle und welche Abänderungen erstrebt würden. Ergänzend werde darauf hingewiesen, dass die von den Beklagten zur Aufrechnung gestellten Aufwendungsersatzansprüche auch der Sache nach als unbegründet anzusehen seien.
[6]II.
Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
[7]1. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht angenommen, die Berufung der Beklagten sei gem. § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil ihre Berufungsbegründung nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO entspreche.
[8]a) Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH zu der mit § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO wortgleichen Vorschrift des § 519 Abs. 3 Nr. 1 ZPO a.F. genügt auch ein lediglich auf Aufhebung und Zurückverweisung gerichteter Antrag grundsätzlich dem Erfordernis, dass die Berufungsbegründung die Erklärung enthalten muss, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge). Denn in der Regel lässt dieser Antrag die Weiterverfolgung des bisherigen Sachbegehrens als Ziel des Rechtsmittels erkennen (BGH, Urt. v. 6.5.1987 - IVb ZR 52/86, MDR 1987, 921 = NJW 1987, 3264, unter II 1; Urt. v. 11.7.1990 - VIII ZR 165/89, MDR 1991, 240 = WM 1990, 2128, unter II 1; Urt. v. 31.5.1995 - XII ZR 196/94, NJW-RR 1995, 1154, unter II 1; Urt. v. 27.3.1996 - XII ZR 83/95, NJW-RR 1996, 833, unter 2, jeweils m.w.N.). In einem solchen Fall schadet es nicht, wenn ein ausdrücklicher Sachantrag unterbleibt. Die Vorschrift des § 519 Abs. 3 Nr. 1 ZPO a.F. und nunmehr des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO soll den Berufungskläger im Interesse der Beschleunigung des Berufungsverfahrens dazu anhalten, sich eindeutig über Umfang und Ziel seines Rechtsmittels zu erklären und Berufungsgericht sowie Prozessgegner über Umfang und Inhalt seiner Angriffe möglichst schnell und zuverlässig ins Bild setzen. Sie erfordert dafür nicht unbedingt einen förmlichen Antrag. Vielmehr reicht es aus, wenn die innerhalb der Begründungsfrist eingereichten Schriftsätze des Berufungsklägers ihrem gesamten Inhalt nach eindeutig ergeben, in welchem Umfang und mit welchem Ziel das Urteil angefochten werden soll (BGH, Urt. v. 6.5.1987 - IVb ZR 52/86, MDR 1987, 921 = NJW 1987, 3264; Beschl. v. 13.11.1991 - VIII ZB 33/91, MDR 1992, 609 = NJW 1992, 698, unter 2.; Urt. v. 31.5.1995 - XII ZR 196/94, NJW-RR 1995, 1154; Urt. v. 27.3.1996 - XII ZR 83/95, NJW-RR 1996, 833; Beschl. v. 13.5.1998 - VIII ZB 9/98, NJW-RR 1999, 211, unter II 1a und b; Beschl. v. 24.2.1999 - IX ZB 2/98, BGHZ 140, 395 = MDR 1999, 757 = NJW 1999, 2372, unter B I; Beschl. v. 15.10.2003 - XII ZB 103/02, FamRZ 2004, 179, unter II 2, jeweils m.w.N.).
[9]b) Dies hat das Berufungsgericht allerdings entgegen der Rüge der Revision nicht verkannt. Vielmehr heißt es in dem Berufungsurteil unter Hinweis auf die Kommentierung von Zöller/Gummer/Heßler (Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 24. Aufl., § 520 Rz. 28 [32], m.w.N.), die ihrerseits wieder auf die zitierte Rechtsprechung des BGH Bezug nimmt, der bloße Antrag auf Aufhebung und Zurückverweisung ohne Sachantrag könne lediglich dann als ordnungsgemäßer Berufungsantrag gewertet werden, wenn der Berufungsbegründung ansonsten hinreichend klar entnommen werden könne, ob beziehungsweise in welchem Umfang der erstinstanzliche Klagabweisungsantrag weiterverfolgt werde. Danach geht das Berufungsgericht -in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH - davon aus, dass "der bloße Antrag auf Aufhebung und Zurückverweisung ohne Sachantrag" ausreichen kann, um die mit der Berufung nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO notwendigerweise angestrebte sachliche Abänderung des angefochtenen Urteils erkennen zu lassen, und dass der Umfang der gewünschten Abänderung grundsätzlich auch der Berufungsbegründung entnommen werden kann.
[10]Das Berufungsgericht hat jedoch zu Unrecht angenommen, aus der Berufungsbegründung der Beklagten gehe nicht hervor, ob beziehungsweise in welchem Umfang der erstinstanzliche Klageabweisungsantrag weiterverfolgt werden solle. Insoweit hat es, wie die Revision zutreffend beanstandet, übersehen, dass es in der Berufungsbegründung heißt, das angefochtene Urteil werde "vollen Umfangs zur Überprüfung gestellt" und das AG habe "dem Klaganspruch zu Unrecht i.H.v. 24.407,55 EUR stattgegeben und die Gegenansprüche der Beklagten rechtsfehlerhaft als unsubstantiiert abgetan". Hieraus ergibt sich unzweifelhaft, dass die Beklagten die beantragte Aufhebung und Zurückverweisung nicht unzulässigerweise um ihrer selbst willen (vgl. BGH, Urt. v. 6.5.1987 - IVb ZR 52/86, MDR 1987, 921 = NJW 1987, 3264; Urt. v. 31.5.1995 - XII ZR 196/94, NJW-RR 1995, 1154; Urt. v. 27.3.1996 - XII ZR 83/95, NJW-RR 1996, 833) erstreben, sondern ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag im vollen Umfang und damit hinsichtlich aller Teile des Streitgegenstandes weiterverfolgen wollen. Hinzu kommt, dass die Beklagten in der Berufungsbegründung abschließend "auf das gesamte bisherige Vorbringen" Bezug genommen haben. Auch hieraus wird deutlich, dass die Beklagten an ihrem bisherigen Sachbegehren festhalten wollen. Es handelt sich zwar um eine Floskel, die einen Sachvortrag nicht ersetzen kann. Darauf kommt es jedoch im Rahmen der Auslegung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden, nicht an; insoweit dürfen die Anforderungen an den Berufungsantrag (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO) nicht in unzulässiger Weise mit den inhaltlichen Anforderungen an die Berufungsgründe nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 4 ZPO vermengt werden (vgl. BGH, Urt. v. 31.5.1995 - XII ZR 196/94, NJW-RR 1995, 1154). Ob die Berufung der Beklagten bezüglich aller der mit der Klage verfolgten Ansprüche diesen Erfordernissen entspricht, steht hier nicht zur Entscheidung.
[11]2. Soweit das Berufungsgericht "ergänzend" darauf hingewiesen hat, dass die von den Beklagten zur Aufrechnung gestellten Aufwendungsersatzansprüche auch der Sache nach als unbegründet anzusehen seien, gelten diese Ausführungen, die auch nur einen Teil des Streitgegenstandes betreffen, als nicht geschrieben (BGH, Urt. v. 23.10.1998 - LwZR 3/98, MDR 1999, 181 = NJW 1999, 794, unter 4; Beschl. v. 28.5.2003 - XII ZB 165/02, MDR 2003, 1192 = BGHReport 2003, 968 = NJW 2003, 2531, unter II 3, jeweils m.w.N.).
[12]III.
Nach alledem kann das Berufungsurteil mit der gegebenen Begründung keinen Bestand haben. Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif, da es noch einer weiteren Prüfung der Zulässigkeit und ggf. der Begründetheit der Berufung bedarf. Daher ist das Berufungsurteil aufzuheben, und die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 1511604 |
NJW 2006, 2705 |
BGHR 2006, 990 |
FamRZ 2006, 1029 |
AnwBl 2006, 176 |
MDR 2006, 1249 |
WuM 2006, 399 |
MietRB 2006, 235 |