Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflichten eines Miterben-Testamentsvollstreckers
Leitsatz (amtlich)
a) Zur Auslegung einer Verjährungsvereinbarung.
b) Zum Stichtagsprinzip des § 1934 b Abs. 1 Satz 1 BGB (entsprechend § 2311 Abs. 1 Satz 1 BGB).
Normenkette
BGB §§ 225, 1934b Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 08.02.2000; Aktenzeichen 8 U 154/99) |
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 13.07.1999; Aktenzeichen 2/10 O 256/96) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 8. Februar 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger erheben Erbersatzansprüche aufgrund des bis zum 31. März 1998 geltenden § 1934 a BGB. Sie sind nichteheliche Kinder des am 13. November 1992 verstorbenen Erblassers. Die Beklagte ist dessen eheliche Tochter und Alleinerbin. Die Parteien nahmen schon am 16. November 1992 außergerichtliche Verhandlungen auf, die u.a. mit dem Ziel einer Realteilung durch notariellen Vertrag geführt wurden, aber letzten Endes scheiterten, weil sich die Parteien über die Bewertung insbesondere von Nachlaßgrundstücken und den Umfang abzusetzender Verbindlichkeiten nicht einigen konnten. Die Beklagte verzichtete auf Wunsch der Kläger mehrmals auf die Einrede der Verjährung, zuletzt bis zum 30. Juni 1996. Am 28. Juni 1996 reichten die Kläger Mahnbescheidsanträge über je 666.677 DM ein, die auf Rückfrage des Gerichts durch Schriftsätze vom 8. und 29. Juli 1996 ergänzt werden mußten und erst am 5. August 1996 zugestellt wurden. Außerdem reichten die Kläger am 28. Juni 1996 eine Klage auf Zahlung von je 206.270 DM ein, die am 4. Juli 1996 zugestellt worden ist. Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von je 814.204,04 DM verurteilt.
Mit ihrer Berufung hat die Beklagte u.a. Verjährung geltend gemacht. Das Oberlandesgericht hat eine Beweisaufnahme zur Klärung von Gegenforderungen der Beklagten in Höhe von 12.821,80 DM angeordnet, nach Abzug dieses Betrages von der im übrigen festgestellten Höhe des Anspruchs die Berufung aber durch Teilurteil zurückgewiesen, soweit die Beklagte zur Zahlung von je 810.596,77 DM verurteilt worden war. Dagegen wendet sich die Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Wie die Revision mit Recht rügt, war der Erlaß eines Teilurteils unzulässig, weil das Berufungsgericht nicht zugleich über den Grund des einheitlichen Anspruchs gemäß § 304 ZPO entschieden hat und daher die Gefahr einer insoweit widersprüchlichen Entscheidung über den noch beim Berufungsgericht anhängigen Teil des Anspruchs besteht (st.Rspr., jetzt auch § 301 Abs. 1 Satz 2 ZPO; vgl. BGHZ 107, 236, 242; Urteil vom 8. Dezember 1994 – IX ZR 254/93 – NJW 1995, 2106 unter I 1 und 2; Urteil vom 13. Oktober 2000 – V ZR 356/99 – NJW 2001, 78 unter II 2 und 3). Obwohl die Einrede der Verjährung nach dem Inhalt des angegriffenen Teilurteils nicht durchgreift, ist nicht auszuschließen, daß der Erbersatzanspruch, soweit das Berufungsgericht darüber in Höhe von 12.821,80 DM noch nicht entschieden hat, wegen Verjährung abgewiesen werden könnte. Denn das Berufungsgericht ist nach § 318 ZPO nur an seinen Urteilsausspruch, nicht aber an die dafür gegebene Begründung gebunden.
Dem Senat ist eine abschließende Entscheidung nicht möglich. Er kann den noch nicht beschiedenen Teil des Anspruchs nicht an sich ziehen. Ein Grundurteil nur über den noch in zweiter Instanz anhängigen Teil des Anspruchs wäre auch deshalb nicht möglich, weil nicht sicher ist, daß dieser Teil mit hoher Wahrscheinlichkeit in irgendeiner Höhe besteht.
II. Im übrigen sind die Rügen der Revision nach dem gegenwärtigen Stand des Verfahrens nicht begründet.
1. Die Revision meint, nicht nur die Beklagte habe bis zum 30. Juni 1996 auf die Einrede der Verjährung verzichtet, sondern auch die Kläger hätten ihrerseits darauf verzichtet, geltend zu machen, Verjährung könne aus anderen Gründen (Hemmung, Unterbrechung) nicht mit Ablauf dieses Tages eingetreten sein. Das sei aus dem Schreiben des Vertreters der Kläger vom 4. Oktober 1995 an die Vertreterin der Beklagten zu schließen, in dem es heißt:
„…Zwar wird man die Auffassung vertreten können, daß die Verjährung durch die Verhandlungen gehemmt ist, wobei es allerdings keinem Betroffenen zugemutet werden kann, sich hierauf zu verlassen. Um die Verjährung nicht eintreten zu lassen, wäre ich Ihnen deshalb sehr verbunden, wenn Sie für Ihre Mandantin – gegebenenfalls zeitlich begrenzt – auf die Einrede der Verjährung verzichten könnten, damit Zeit bleibt, die Angelegenheit einvernehmlich mit allen Beteiligten zu klären…”
Daraufhin hat die Vertreterin der Beklagten mehrfach jeweils bis zu einem bestimmten Termin „auf die Einrede der Verjährung verzichtet”, zuletzt bis zum 30. Juni 1996. Für ihre Ansicht, auch die Kläger dürften nicht geltend machen, die Verjährungsfrist sei am 30. Juni 1996 etwa wegen einer Hemmung oder Unterbrechung noch nicht abgelaufen, hebt die Revision auf die Formulierung im Schreiben vom 4. Oktober 1995 ab, es könne „keinem Betroffenen” zugemutet werden, sich auf eine Hemmung der Verjährung zu verlassen. Die daraufhin getroffenen Abreden könnten also nicht lediglich zum Nachteil der Beklagten ausgelegt werden. Die Kläger hätten ihre Klage und ihre Mahnanträge mit Bedacht vor dem 30. Juni 1996 bei Gericht eingereicht.
Diese Anhaltspunkte tragen die von der Revision gewünschte Auslegung nicht. Die Bitte der Kläger im Schreiben vom 4. Oktober 1995 richtete sich nach ihrem klaren Wortlaut auf nichts anderes als einen Verzicht der Beklagten auf die Einrede der Verjährung. Dem hat die Beklagte entsprochen. Von einem Verzicht der Kläger war nie die Rede, selbst wenn das Schreiben vom 4. Oktober 1995 die Auffassung für vertretbar hält, die Verjährung sei schon durch die Verhandlungen gehemmt gewesen (dazu vgl. BGHZ 93, 64, 66).
Die Vertreterin der Beklagten hatte darüber hinaus schon in einem Schreiben an die Kläger vom 16. Mai 1994 im einzelnen Auskunft über den Bestand des Nachlasses und die Verbindlichkeiten erteilt sowie eine notarielle Protokollierung der sich daraus ergebenden Erbausgleichung vorgeschlagen. Darin hat das Berufungsgericht mit Recht ein Anerkenntnis der gesamten Klageforderung jedenfalls dem Grunde nach und damit eine Unterbrechung der Verjährung nach § 208 BGB gesehen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Mai 1975 – IV ZR 19/74 – NJW 1975, 1409; Urteil vom 19. Juni 1985 – IVa ZR 114/83 – NJW 1985, 2945 unter I 1, insoweit in BGHZ 95, 76 nicht abgedruckt; Urteil vom 27. Juni 1990 – IV ZR 115/89 – FamRZ 1990, 1107 unter 2). Die Vertreterin der Beklagten hat mit Schreiben vom 14. Mai 1996 die Auskünfte ergänzt und erklärt: „Insgesamt verbleibt es dann bei einem vorläufigen Nachlaßwert von 2.000.033,10 DM, mithin einem vorläufig als Forderung ihrer Mandanten anzuerkennenden Betrag von je 666.677,70 DM.” Damit war die dreijährige Verjährungsfrist des § 1934 b Abs. 2 Satz 2 BGB a.F. ein weiteres Mal unterbrochen. Gegen diese Feststellungen des Berufungsgerichts wendet sich die Revision auch nicht. Wenn die Beklagte bei dieser Sachlage einen Verzicht auf die Einrede der Verjährung nur unter der Voraussetzung hätte erklären wollen, daß auch die Kläger darauf verzichteten, sich auf eine Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung zu berufen, hätte die Beklagte dies ausdrücklich klarstellen müssen. Näher liegt, daß sie aus Gründen der Vereinfachung auf die Einrede der Verjährung verzichtet hat, weil sie ihr jedenfalls bis zu den von ihr gesetzten Endterminen ohnehin nicht zugestanden hätte.
Mithin ist das Berufungsgericht zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, daß die Einrede der Verjährung auch im Hinblick auf die erst am 5. August 1996 zugestellten Mahnbescheide keinen Erfolg hat.
2. Das Berufungsgericht hat den Nachlaß gemäß § 1934 b Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. auf den Stichtag des Erbfalls bewertet. Daß die Parteien etwa dreieinhalb Jahre lang über die Aufteilung des Nachlasses auch mit dem Ziel einer Realteilung verhandelt haben, sei entgegen der Ansicht der Beklagten kein ausreichender Grund, nach § 242 BGB für den nach ihrem Vortrag seit dem Erbfall gesunkenen Wert der Häuser auf den Zeitpunkt des Abbruchs der Verhandlungen am 23. Mai 1996 abzustellen. Die Beklagte sei durch die Verhandlungen nicht gehindert gewesen, den Wert der Hausgrundstücke durch regelmäßige Pflege zu erhalten und frei werdende Wohnungen zu vermieten.
Dem hält die Revision entgegen, nach dem unter Beweis gestellten Vorbringen der Beklagten in der Berufungsbegründung, von dem mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts in der Revisionsinstanz auszugehen sei, hätten die Kläger die Beklagte inständig gebeten, die Wohnungen nicht mehr zu vermieten bzw. mietfrei zu machen und keine Investitionen mehr vorzunehmen; darüber habe jeder nach einer Realteilung selbst entscheiden sollen. Insoweit habe wechselseitig Einverständnis bestanden. Das habe nach der Lebenserfahrung zwangsläufig zu einer Beeinträchtigung der Bausubstanz und zur Verwahrlosung der Häuser geführt (Wasserrohrbruch, Verwilderung der Gartenanlage). Über diesen Sachvortrag habe sich das Berufungsgericht hinweggesetzt.
Daß sich die Kläger auf den Erbfall als den gemäß § 1934 b Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. maßgebenden Stichtag berufen, verstößt jedoch auch im Hinblick auf die von der Revision hervorgehobenen Umstände nicht gegen Treu und Glauben. Es ist der Sinn der Stichtagsregelung, daß Wertsteigerungen oder Wertverluste nach dem Erbfall außer Betracht bleiben (so zu dem entsprechenden Stichtag für den Pflichtteilsanspruch BGHZ 7, 134, 138; 123, 76, 80). Außergewöhnliche Verhältnisse (vgl. etwa BGH, Urteil vom 21. März 1973 – IV ZR 157/71 – NJW 1973, 995 unter 3 b), die eine Ausnahme von diesem Grundsatz rechtfertigen könnten, sind hier nicht ersichtlich. Vielmehr hat die Beklagte auf eigenes Risiko gehandelt, wenn sie frei werdende Wohnungen nicht mehr vermietete, um den Klägern entgegenzukommen und dadurch zu einer einverständlichen Realteilung zu gelangen. Aus dem Interesse der Kläger an freiem Wohnraum, den sie nach eigenen Vorstellungen nutzen konnten, ergibt sich im übrigen nicht, daß sie auch die zur Erhaltung der Gebäude notwendigen Maßnahmen abgelehnt hätten. Die dafür erforderlichen verhältnismäßig geringen Kosten hätte die Beklagte zur Vermeidung größerer Schäden oder des von ihr behaupteten erheblichen Wertverlustes schon im eigenen Interesse aufwenden müssen.
Im übrigen rechtfertigt das Vorbringen der Beklagten einen Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen nicht, wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat. Bis zum Abschluß der von den Parteien angestrebten einverständlichen Erbauseinandersetzung hat jede Vertragspartei im Rahmen der Vertragsfreiheit das Recht, von dem in Aussicht genommenen Vertragsschluß Abstand zu nehmen; nur wenn der Abschluß als sicher anzunehmen war und in dem hierdurch begründeten Vertrauen Aufwendungen gemacht oder Nutzungen nicht gezogen werden, können diese vom Verhandlungspartner zu erstatten sein, wenn er den Vertragsschluß später ohne triftigen Grund ablehnt; bei Verträgen, die – wie hier – der Formvorschrift des § 313 Satz 1 BGB unterliegen, besteht keine Verpflichtung zum Schadensersatz (wegen eines damit etwa verbundenen indirekten Zwanges zum Vertragsschluß), selbst wenn es für den Abbruch der Verhandlungen keinen triftigen Grund gab (vgl. BGH, Urteil vom 29. März 1996 – V ZR 332/94 – NJW 1996, 1885 unter II 1 a).
Unterschriften
Terno, Dr. Schlichting, Ambrosius, Wendt, Dr. Kessal-Wulf
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 23.05.2001 durch Heinekamp Justizsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 600050 |
NJW 2001, 2713 |
BGHR 2001, 642 |
FamRZ 2001, 1296 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2001, 1384 |
ZEV 2001, 312 |
ZErb 2001, 2713 |