Entscheidungsstichwort (Thema)
Miterben-Testamentsvollstrecker
Leitsatz (amtlich)
Zu den Pflichten eines Miterben-Testamentsvollstreckers, der ein Nachlaßgrundstück im Wege der Teilungsversteigerung erwirbt.
Normenkette
BGB §§ 2216, 2219
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 27. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 23. Februar 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin verlangt als Miterbin vom Beklagten, ihrem Bruder, der als einziger weiterer Miterbe auch zum Testamentsvollstrecker eingesetzt worden ist, Schadensersatz. Zur Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft hat er ein Grundstück aus dem Nachlaß zur Teilungsversteigerung gebracht, dessen Verkehrswert im Versteigerungsverfahren durch das Gutachten eines Sachverständigen vom 12. Oktober 1995 auf 3,35 Mio. DM ermittelt wurde. Im Versteigerungstermin am 26. Juni 1996 war auch die Klägerin als Antragsgegnerin vertreten. Nur der Beklagte gab ein Gebot ab und erhielt den Zuschlag gegen Zahlung von 875.000 DM sowie Übernahme von Verpflichtungen in Höhe von 800.200 DM. Die Klägerin meint, dadurch habe der Beklagte eine Verschleuderung des Grundbesitzes für die Hälfte seines Wertes verschuldet. Im Wege einer Teilklage fordert sie die Zahlung von 100.000 DM zugunsten der Erbengemeinschaft.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Klägerin die Möglichkeit eines günstigeren Verkaufs nicht aufgezeigt habe. Mit der Berufung hat die Klägerin geltend gemacht, der Beklagte habe angesichts des vom Sachverständigen ermittelten Verkehrswerts den Antrag auf Teilungsversteigerung zurücknehmen und den Versuch einer freihändigen Veräußerung machen müssen. Dem ist der Beklagte entgegengetreten und hat mit einer Widerklage beantragt festzustellen, daß der Erbengemeinschaft keine über 100.000 DM hinausgehenden Schadensersatzansprüche zustehen. Das Berufungsgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und die Sache zur Entscheidung über die Höhe des Anspruchs und über die Widerklage an das Landgericht zurückverwiesen. Dagegen wendet sich der Beklagte mit der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Es hält den Beklagten als Testamentsvollstrecker für verpflichtet, auch wenn der Weg der Teilungsversteigerung beschritten wird, darauf hinzuwirken, daß das Grundstück nur zu einem Preis zugeschlagen wird, der dem vom Sachverständigen ermittelten Betrag möglichst nahekommt. Diese Verpflichtung habe der Beklagte verletzt, indem er, obwohl sich kein anderer Bieter im Versteigerungstermin fand, das Grundstück selbst zum halben Schätzwert erworben und damit jede andere für die Erbengemeinschaft vorteilhaftere Verwertung unmöglich gemacht habe. Auf die vom Beklagten behaupteten Informationen seiner Banken, angemessen sei ein Verkehrswert von nur 1,6 Mio. DM, habe sich der Beklagte nicht verlassen dürfen. Auch unter Berücksichtigung der Erfahrung, daß in einem Versteigerungsverfahren in der Regel geringere Erlöse erzielt werden als bei freihändigem Verkauf, rechtfertige das in jenem Verfahren eingeholte Gutachten die Annahme, daß der geltend gemachte Schadensersatzanspruch mit hoher Wahrscheinlichkeit in irgendeiner Höhe bestehe. Die Klägerin treffe kein Mitverschulden. Zur Prüfung der Höhe des Anspruchs und der gemäß § 530 Abs. 1 ZPO zuzulassenden Feststellungswiderklage werde die Sache an das Landgericht zurückverwiesen. Im Hinblick darauf, daß im Versteigerungsverfahren kein weiteres Gebot außer dem des Beklagten abgegeben worden sei, halte der Senat es für geboten, den Verkehrswert des Grundstücks für den Zeitpunkt der Teilungsversteigung durch ein weiteres Gutachten überprüfen zu lassen.
2. Dagegen wendet sich die Revision mit Recht.
Wenn der Verkehrswert des Grundstücks im Zeitpunkt der Versteigerung erst noch ermittelt werden soll, fehlt es an einer tatsächlichen Grundlage sowohl für die Feststellung einer objektiven Pflichtverletzung des Beklagten als auch seines Verschuldens und des Eintritts eines Schadens. Deshalb kommt auch ein Grundurteil nicht in Betracht. Zwar geht das Berufungsgericht mit Recht von einer Pflicht des Testamentsvollstreckers aus, sich um die bestmögliche Verwertung eines Nachlaßgrundstücks zu bemühen, das zum Zweck der Erbauseinandersetzung veräußert werden soll. Ein Testamentsvollstrecker darf sich nicht mit einem nur mäßigen Erfolg seiner Tätigkeit begnügen, sondern muß Möglichkeiten zu besserem Erfolg wahrnehmen (Senatsurteil vom 14. Dezember 1994 – IV ZR 184/93 – ZEV 1995, 110 unter 2 a). Diese Pflicht wird jedenfalls dann verletzt, wenn der Testamentsvollstrecker es zur Versteigerung eines Grundstücks für die Hälfte seines Verkehrswerts kommen läßt, ohne sich zuvor um eine bessere Verwertung etwa durch freihändigen Verkauf nachhaltig zu bemühen.
Für eine solche Wertung muß der Verkehrswert aber feststehen. Das Berufungsgericht zieht zwar das im Teilungsversteigerungsverfahren eingeholte Wertgutachten für die Wahrscheinlichkeit eines Schadensersatzanspruchs heran, legt den dort ermittelten Verkehrswert, der 1,675 Mio. DM über dem Preis liegt, zu dem der Beklagte das Grundstück in der Versteigerung erworben hat, seiner Würdigung aber nicht zugrunde, sondern hält es (ohne weitere Begründung) nicht für völlig ausgeschlossen, daß sich der Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten auf einen geringeren Betrag als 100.000 DM beläuft. Darüber hinaus hält das Berufungsgericht angesichts des Umstands, daß im Versteigerungsverfahren außer dem Beklagten niemand geboten hat, ein weiteres Gutachten über den Verkehrswert für erforderlich. Dann ist aber nicht mehr ersichtlich, worauf das Berufungsgericht noch seine Annahme stützt, daß der Beklagte überhaupt Schadensersatz schulde.
3. Schon deshalb muß das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. Für das weitere Verfahren ist auf Folgendes hinzuweisen:
Die Klägerin trägt bei einem Anspruch aus § 2219 BGB die Beweislast sowohl für die Pflichtverletzung wie für das Verschulden des Beklagten und den Eintritt eines Schadens (Baumgärtel/Schmitz, Handbuch der Beweislast 2. Aufl. Bd. 2 § 2219 Rdn. 1 und 2). Anderes könnte gelten, wenn ein Insichgeschäft vorliegen würde, bei dem der Testamentsvollstrecker als Amtsträger auf der einen Seite und als Privatperson auf der anderen Seite eines Vertrags tätig wird und eine Gestattung des Erblassers zum Selbstkontrahieren nachweisen muß (BGHZ 30, 67, 69 ff.; BGH, Urteil vom 28. September 1960 – V ZR 196/58 – WM 1960, 1419, 1420 unter 1). Der Erwerb aufgrund einer Teilungsversteigerung nach §§ 180 ff. ZVG ist jedoch kein Insichgeschäft. Die Klägerin hat der mithin ihr obliegenden Darlegungs- und Beweislast zunächst durch die Bezugnahme auf das im Verfahren der Teilungsversteigerung eingeholte Gutachten genügt, das als Urkunde beigezogen war. Wenn dem Tatrichter dessen Ergebnisse angesichts der tatsächlichen Entwicklung zweifelhaft erscheinen, kann er zur Klärung der Frage, ob sich tatsächlich ein wesentlich höherer Preis etwa bei freihändigem Verkauf hätte erzielen lassen, auf eine Anhörung jenes Sachverständigen hinwirken (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 1997 – III ZR 69/96 – NJW 1997, 3096 f. unter I 2 a) oder von Amts wegen einen anderen Gutachter bestellen (§ 412 ZPO; vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 1991 – VI ZR 234/90 – NJW 1992, 1459 unter 2). Im vorliegenden Fall hatte sogar der Beklagte Sachverständigenbeweis angeboten.
Im übrigen hatte der Beklagte Sachbearbeiter zweier Banken als Zeugen dafür benannt, daß sie ihm auf Nachfrage vor dem Versteigerungstermin im Hinblick auf das im Versteigerungsverfahren eingeholte Wertgutachten erklärt hätten, dessen Ergebnis sei nach ihren Erfahrungen überzogen; angemessen sei allenfalls ein Verkehrswert von 1,6 Mio. DM. Wenn sich diese Auskunft nach Klärung des Verkehrswerts nicht als völlig haltlos erweisen sollte, könnte sie zumindest für das Verschulden des Beklagten von Bedeutung sein. Die Revision rügt mit Recht, daß die Auffassung des Berufungsgerichts, der Beklagte habe sich auf solche Auskünfte nicht verlassen dürfen, angesichts der Unklarheit über den Verkehrswert auf eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung hinausläuft.
Ferner wird sich das Berufungsgericht mit dem Vortrag des Beklagten auseinanderzusetzen haben, die im Versteigerungstermin anwaltlich vertretene Klägerin habe keinen Antrag auf einstweilige Einstellung des Verfahrens gestellt. Hierzu wäre sie als Miterbin und Antragsgegnerin gemäß § 180 Abs. 2 ZVG berechtigt gewesen (vgl. BGHZ 79, 249, 254 ff.). Bei der Abwägung eines eventuellen Mitverschuldens der Klägerin wird allerdings zu beachten sein, daß ein Testamentsvollstrecker eigenverantwortlich und unter Umständen auch gegen den Willen der Erben zu entscheiden hat (Senatsurteil vom 4. November 1998 – IV ZR 266/97 – ZEV 1999, 26 unter 2 b).
Unterschriften
Terno, Dr. Schlichting, Ambrosius, Wendt, Dr. Kessal-Wulf
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 23.05.2001 durch Heinekamp Justizsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 613414 |
BGHR 2001, 641 |
FamRZ 2001, 1299 |
NJW-RR 2001, 1369 |
JurBüro 2002, 107 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2001, 1386 |
JuS 2002, 192 |
MDR 2001, 1117 |
Rpfleger 2001, 494 |
VersR 2001, 1164 |