Leitsatz (amtlich)
›Zur Frage, ob die Verzögerung der Übergabe und das darin liegende zeitweilige Hindernis für den Gebrauch eines erst zu errichtenden Mietobjekts infolge eines gegen das Bauvorhaben eingelegten Nachbarwiderspruchs einen - anfänglichen - Sachmangel im Sinne von §§ 537, 538 BGB begründet.‹
Tatbestand
Die Klägerin betreibt Filialunternehmen der Lebensmittelbranche. Am 10. Januar 1987 schloß die Firma W. K. KG, deren Rechtsnachfolgerin die Klägerin ist, mit der Beklagten als Vermieterin einen Mietvertrag über gewerbliche Räume zum Betrieb eines Lebensmittel SB-Marktes in H., den die Beklagte entsprechend den Vorgaben der Klägerin errichten sollte. Zum vorgesehenen Beginn des Mietverhältnisses und seiner Dauer enthielt der Vertrag in § 2 Buchst. a u.a. folgende Regelung:
›Das Mietverhältnis beginnt mit dem ersten des Monats, der auf die Übergabe des bezugsfertigen Mietobjekts folgt, voraussichtlich am 30. Juni 1987 und zwar für die Dauer von 15 Jahren (in Worten: fünfzehn) Festmietzeit. Die Mieterin ist verpflichtet, einen Monat nach Übergabe des Mietobjektes die Geschäftseröffnung vorzunehmen. Die Verpflichtung zur Mietzahlung beginnt mit dem 1. Kalendertag des dem Eröffnungsdatum folgenden Monats. Bei Übergabe darf das Mietobjekt - Geh- und Fußwege zum Mietobjekt sowie Parkplätze - allenfalls noch mit geringen Mängeln behaftet sein, die eine Verwendung i.S. des Mietvertrages nicht beeinträchtigt.
Eine Übernahme zwischen dem 15. November und dem 1. März scheidet aus. Sollte die Übergabe des bezugsfertigen Mietobjektes nicht spätestens bis zum 31. März 1988 erfolgen, ist die Mieterin berechtigt, vom Vertrag zurückzutreten.
Der Vermieter wird bis spätestens acht Wochen vor dem Übergabetermin schriftlich erklären, zu welchem Termin das Mietobjekt übernommen werden kann. Sollte der acht Wochen vorher genannte Termin überschritten werden, verpflichtet sich der Vermieter, die durch diese Verschiebung anfallenden erhöhten Anlaufkosten (z.B. Personalkosten) zu ersetzen. Die eventuell in Frage kommenden Beträge sind dem Vermieter im einzelnen nachzuweisen...‹
Der ursprünglich vorgesehene Fertigstellungstermin am 30. Juni 1987 konnte nicht eingehalten werden. Während der Bauarbeiten erhob eine Nachbarin Widerspruch gegen die der Beklagten erteilte Baugenehmigung wegen befürchteter Lärm- und Abgasimmissionen. Das Verwaltungsgericht lehnte durch Beschluß vom 28. Juli 1987 den Antrag der Nachbarin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs ab. Mit Schreiben vom 19. August 1987 teilte die Beklagte der Klägerin sodann gemäß § 2 Buchst. a des Mietvertrages mit, das Mietobjekt könne am 14. Oktober 1987 übernommen werden. Zu der Übernahme kam es jedoch nicht. Denn das Oberverwaltungsgericht ordnete mit Beschluß vom 30. September 1987 im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Grundstücksnachbarin gegen die erteilte Baugenehmigung an. Daraufhin kündigte die Klägerin der Beklagten mögliche Schadensersatzansprüche an und forderte sie unter Kündigungsandrohung zur Übergabe der Gewerberäume bis zum 20. November 1987 auf. Es schloß sich eine längere Korrespondenz zwischen den Parteien an. Nachdem die Gewerberäume bis Mai 1988 nicht an die Klägerin übergeben worden waren, erklärte diese mit Schreiben vom 10. Mai 1988 die fristlose Kündigung des Mietvertrages. Der Nachbarwiderspruch gegen die Baugenehmigung wurde später - nach Zahlung einer Abstandssumme an die Nachbarin durch die Beklagte - zurückgenommen.
In einem vorausgegangenen Rechtsstreit nahm die Klägerin die Beklagte auf Leistung von Schadensersatz in Anspruch. Im Verfahren vor dem Oberlandesgericht kam es am 11. Juni 1990 zu einem Vergleich, in dem sich die Beklagte zur Zahlung von 100.000 DM an die Klägerin verpflichtete; dabei wurde vereinbart:
›Mit diesem Vergleich sind sämtliche gegenseitigen Ansprüche der Parteien aus dem durch Mietvertrag vom 10. Januar 1987 begründeten Rechtsverhältnis erledigt. Von dieser Erledigung ausgenommen bleiben mögliche Ansprüche der Klägerin oder der ursprünglichen W. K. KG auf Ersatz der für den Vertrag aufgewendeten Maklerkosten.‹
Diese Maklerkosten sind Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.
Die Klägerin hat für die Vermittlung des Mietvertrages vom 10. Januar 1987 eine Maklerprovision in Höhe von 33.833,34 DM gezahlt. Diesen Betrag verlangt sie von der Beklagten ersetzt. Sie stützt ihr Begehren auf § 538 BGB und vertritt dazu die Auffassung, die Beklagte schulde ihr nach dieser Vorschrift Schadensersatz ohne Rücksicht darauf, ob ihr ein Verschulden vorzuwerfen sei. Durch die Vereinbarung in § 2 Buchst. a des Mietvertrages seien eventuelle Schadensersatzansprüche nicht ausgeschlossen. Die Beklagte hält den erhobenen Anspruch schon aus Rechtsgründen für nicht gegeben.
Das Landgericht hat der Klage bis auf einen Teil des geltend gemachten Zinsanspruchs stattgegeben. Dieses Urteil greift die Beklagte mit der Sprungrevision an, zu der der erstinstanzliche Prozeßbevollmächtigte der Klägerin schriftlich seine Einwilligung erklärt hat.
Entscheidungsgründe
Gegen die Zulässigkeit der Sprungrevision bestehen keine Bedenken, § 566a ZPO.
Das Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg.
1. Das Landgericht hat dem Klagebegehren nach § 538 Abs. 1 BGB stattgegeben und dazu ausgeführt: Die Tatsache, daß die Mietsache infolge des Nachbarwiderspruchs über Monate hinaus nicht nutzbar gewesen sei, begründe einen Mangel i.S. des § 537 BGB. Öffentlich-rechtliche Beschränkungen könnten als rechtliche Verhältnisse einen Fehler der Mietsache darstellen, wenn sie sich auf deren Lage, Beschaffenheit oder Benutzbarkeit bezögen. Das sei hier der Fall. Denn das Grundstück, auf dem der Verbrauchermarkt errichtet worden sei, habe einer öffentlich-rechtlichen Beschränkung unterlegen, weil im Hinblick auf die aufgrund des Nachbarwiderspruchs ergangene Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts nicht habe weitergebaut und der Lebensmittelmarkt nicht habe übergeben werden können. Damit sei die Benutzbarkeit der Mietsache beeinträchtigt gewesen. Es habe sich um einen anfänglichen Mangel i.S. von § 538 BGB gehandelt, so daß es nicht darauf ankomme, ob die Beklagte ihn zu vertreten habe. Bei erst noch fertigzustellenden Mietsachen sei nämlich nicht der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses maßgeblich, sondern der der Übergabe der Mietsache. Die Übergabe sei hier auf den 14. Oktober 1987 konkretisiert gewesen. Zu diesem Zeitpunkt sei der Mangel schon vorhanden gewesen. Zwar sei die Mietsache der Klägerin damals noch nicht überlassen worden; das hindere aber nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 93, 142) die Anwendbarkeit des § 538 BGB nicht.
Der Anspruch der Klägerin sei auch nicht durch die Vereinbarung in § 2 Buchst. a des Mietvertrages ausgeschlossen. Die dort getroffene Regelung meine ersichtlich nur den Fall, daß sich die Übergabe der Mietsache verhältnismäßig unbedeutend verzögere. Damit sollten aber, wie eine an den Interessen beider Parteien orientierte Auslegung des Vertrages gemäß §§ 133, 157 BGB ergebe, nicht etwa Ansprüche ausgeschlossen sein, die daraus folgten, daß es überhaupt nicht zu einer Nutzung komme.
Schließlich sei der geltend gemachte Anspruch auf Ersatz der Maklerkosten, also auf nutzlose Aufwendungen der Klägerin, auch durch § 538 BGB abgedeckt, und zwar ohne Rücksicht darauf, daß der Klägerin durch den Vergleich vom 11. Juni 1990 u.U. Schadensersatz wegen Nichterfüllung zugekommen sei.
2. Gegen diese Ausführungen erhebt die Revision zu Recht Bedenken.
Der Mietsache haftete entgegen der Auffassung des Landgerichts kein - anfänglicher - Mangel i.S. der §§ 537, 538 BGB an.
a) Das Landgericht ist zwar im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, daß außer reinen Beschaffenheitsfehlern der Mietsache u.a. auch behördliche Gebrauchshindernisse und -beschränkungen ihre Tauglichkeit zu dem vertragsgemäßen Gebrauch in einer Weise aufheben oder mindern können, daß sie einen Mangel i.S. von § 537 BGB begründen (vgl. Wolf/Eckert, Handbuch des gewerblichen Miet- Pacht- und Leasingrechts, 6. Aufl., Rdn. 76 ff; Emmerich/Sonnenschein, Miete, 6. Aufl., § 537 Rdn. 2, 3, 7). Voraussetzung ist dabei, daß die öffentlich-rechtlichen Beschränkungen ihre Ursache gerade in der konkreten Beschaffenheit oder Lage der Mietsache, in deren Beziehung zur Umwelt haben (vgl. Wolf/Eckert aaO. Rdn. 82; Emmerich/Sonnenschein aaO. Rdn. 7). Das ist etwa der Fall, wenn eine Gaststättenkonzession wegen des Zustandes der Räume oder wegen fehlender Kraftfahrzeug-Einstellplätze verweigert wird, wenn Räume, die zum Betrieb einer Apotheke vermietet werden, nicht den Vorschriften der Apothekenbetriebsordnung oder Räume zum Betrieb eines Kaufhauses nicht den Anforderungen der Warenhausverordnung genügen, wenn ein zur Bebauung vorgesehenes Grundstück einem Bebauungsverbot oder -hindernis (vgl. BGH, Urteil vom 7. Februar 1992 - V ZR 246/90, für BGHZ bestimmt, NJW 1992, 1384) unterliegt, oder wenn der in den Mieträumen vorgesehene Gewerbebetrieb wegen Verstoßes gegen kommunale Flächennutzungspläne nicht aufgenommen werden darf (Beispiele mit Rechtsprechungsnachweisen vgl. bei Wolf/Eckert aaO. Rdn. 82).
b) Eine vergleichbare Gebrauchsbeschränkung lag hier nicht vor. Die gemieteten Räume sind für den vertraglich vorgesehenen Gebrauch zum Betrieb eines Lebensmittelverbrauchermarktes geeignet. Es ist auch davon auszugehen, daß sie den baurechtlichen und sonstigen öffentlich-rechtlichen Anforderungen entsprechen. Eine verwaltungsbehördliche oder -gerichtliche Entscheidung oder Feststellung dahin, daß der Verbrauchermarkt in der geplanten Form gegen nachbarschützende Vorschriften, etwa gemäß § 3 BImschG i.V. mit § 34 Abs. 1 BauGB (vgl. Schlichter in Berl.Komm. z. BauGB § 34 Rdn. 73 ff), verstieß, liegt nicht vor. Das Oberverwaltungsgericht hat eine solche - verbindliche - Feststellung in dem Beschluß vom 30. September 1987 betreffend den vorläufigen Rechtsschutz nicht getroffen, sondern lediglich gewisse Zweifel an den Ergebnissen des von der Beklagten eingeholten schalltechnischen Gutachtens geäußert, denen im weiteren Verlauf des Verfahrens erst hätte nachgegangen werden sollen; dazu ist es jedoch später infolge der Rücknahme des Nachbarwiderspruchs (vgl, dazu BGHZ 88, 337, 342) nicht mehr gekommen.
Hieraus ergibt sich noch kein begründeter Anhaltspunkt für die Annahme, der Verbrauchermarkt habe unter öffentlich-rechtlichen Gesichtspunkten, vor allem im Hinblick auf die notwendige Wahrung der nachbarschaftsrechtlichen Belange, mit der maßgeblichen Rechtslage nicht in Einklang gestanden.
Die Beklagte hatte am 15. August 1985 einen positiven Bauvorbescheid und hat später am 28. April 1987 eine Baugenehmigung erhalten, nachdem sie nach der Beurteilung der Behörde die ›Auflagen‹ des Bauvorbescheides erfüllt und dabei u.a. ein schalltechnisches Gutachten einer anerkannten Prüfstelle darüber nachgewiesen hatte, daß die Bewohner der umliegenden Wohngrundstücke nicht über das Zumutbare hinaus am Tag und in der Nacht gestört und belästigt würden. Diese Baugenehmigung ist zu keinem Zeitpunkt aufgehoben worden. Die Verwaltungsbehörde hat keinen Anlaß gesehen, gegen den Bau und die beantragte Eröffnung des Lebensmittelmarktes einzuschreiten. Die Jahresfrist für eine Rücknahme der Baugenehmigung (als begünstigender Verwaltungsakt) nach § 48 Abs. 1 Satz 2 i.V. mit Abs. 4 VwVfG ist verstrichen, da der Landkreis C. als zuständige Baubehörde spätestens mit Zustellung der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts vom 30. September 1987 Kenntnis von etwaigen Tatsachen erlangt hat, die eine Rücknahme des Verwaltungsakts hätten rechtfertigen können. Eine Rücknahme ist jedoch, wie sich den Feststellungen des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil entnehmen läßt, nicht erfolgt.
Damit war der von den Parteien vertraglich vereinbarte Gebrauch der Mieträume nicht beeinträchtigt, die Mietsache war also nicht fehlerhaft (vgl. für den Fall, daß sogar ein Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Bestimmungen vorliegt: Wolf/Eckert aaO. Rdn. 83).
Daran ändert der Umstand nichts, daß die gemieteten Räume wegen des eingelegten Nachbarwiderspruchs nicht fristgerecht fertiggestellt und der Klägerin nicht zu dem vereinbarten Zeitpunkt übergeben werden konnten. Insoweit trifft die Auffassung des Landgerichts nicht zu, die Tatsache, daß der Verbrauchermarkt ›infolge des Nachbarwiderspruchs über Monate nicht nutzbar‹ war, habe einen Sachmangel im Sinne von § 537 BGB dargestellt. Zwar kann eine behördlich bewirkte Nutzungsbeschränkung einer Sache, wie dargelegt, einen solchen Mangel begründen. Die Ursache hierfür liegt dann aber in der Regel in dem bei Errichtung oder Benutzung der Sache aufgetretenen - vorläufig oder endgültig festgestellten - Verstoß gegen maßgebliche gesetzliche Vorschriften, der das behördliche Verfahren ausgelöst hat, und nicht in der Tatsache des Verfahrens als solchen. So vermag, wie der Bundesgerichtshof in dem Urteil vom 20. Januar 1971 (VIII ZR 167/69 = WM 1971, 531, 532) ausgeführt hat, im allgemeinen nur ein rechtswirksames behördliches Verbot - etwa ein als Baugrundstück vermietetes Grundstück zu bebauen - den Begriff des Fehlers nach § 537 BGB zu erfüllen, sofern die behördliche Gebrauchsbeschränkung auf der Lage oder Beschaffenheit des Grundstücks beruht.
Allerdings hat der Bundesgerichtshof in der genannten Entscheidung ausnahmsweise einen möglichen Sachmangel auch darin gesehen, daß eine ›auf Jahre hinaus bestehende‹ Unsicherheit über die Wirksamkeit einer behördlichen Abbruchsverfügung die begründete Besorgnis der mangelnden Nutzbarkeit des Grundstücks zu dem vertragsgemäßen Gebrauch bewirke (vgl. dazu auch Wolf/Eckert aaO. Rdn. 83). Ein solcher Ausnahmefall ist hier indessen nicht gegeben. Während nämlich in dem damals entschiedenen Fall mehrere behördliche Anordnungen über eine Gebrauchsbeschränkung (Abbruch errichteter Gebäude) wegen Verstoßes gegen Vorschriften des Bundesbaugesetzes (§§ 29, 35 Abs. 1, Vorhaben im Außenbereich) ergangen waren, gegen die mit Rechtsbehelfen vorgegangen wurde, sollte im vorliegenden Verfahren mit Hilfe des Nachbarwiderspruchs erst eine behördliche (gerichtliche) Gebrauchsbeschränkung erwirkt, ein Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften also erst festgestellt werden. In dem im Jahre 1971 entschiedenen Fall war der Sache nach zunächst von einem unzulässigen Bauvorhaben auszugehen; das darauf gestützte behördliche Verbot wurde im Rechtsmittelweg angegriffen und sollte beseitigt werden. Demgegenüber wurde der Verbrauchermarkt der Beklagten auf der Grundlage einer rechtswirksamen Baugenehmigung und insoweit in Einklang mit den maßgeblichen öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet.
Abgesehen hiervon hat der Bundesgerichtshof in dem Urteil vom 20, Januar 1971 im übrigen entscheidend darauf abgehoben, daß eine ›auf Jahre hinaus‹ zu erwartende Ungewißheit über die vertragsgemäße Nutzbarkeit der Mietsache - im Einzelfall - einen Sachmangel nach § 537 BGB begründen könne. Hingegen dauerte die durch das Widerspruchsverfahren im vorliegenden Fall begründete ›Ungewißheit‹ bis zur fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses allenfalls von Oktober 1987 bis Mai 1988, also weniger als ein Jahr, Ein derartiges zeitweiliges Gebrauchshindernis kann jedenfalls nicht mit einer endgültigen Gebrauchsbeschränkung gleichgesetzt und deshalb auch unter diesem Gesichtspunkt nicht als ein die Garantiehaftung nach § 538 BGB auslösender Sachmangel im Sinne von § 537 BGB behandelt werden (vgl. hierzu für den Fall einer Teilunmöglichkeit RGZ 146, 60, 65, 66).
c) Der vorliegende Fall unterscheidet sich - entgegen der Auffassung des Landgerichts - grundlegend von der Fallgestaltung, die zu der Entscheidung BGHZ 93, 142 ff geführt hat. Dort war der Beklagten das ausschließliche Recht zur Aneignung und zum Abbau eines Bimsvorkommens an bestimmten Grundstücken ›verkauft‹ - und damit im Rechtssinn ein Pachtvertrag über das Grundstück mit ihr geschlossen - worden; als die Beklagte bei der zuständigen Behörde die Genehmigung zu dem Bimsabbau beantragte, wurde diese versagt, weil das Gelände in einem ausgewiesenen Wasserschutzgebiet lag, in dem Kies- Sand-, Torf- und Tongruben sowie Steinbrüche und andere Erdaufschlüsse untersagt waren. Das hierdurch bewirkte Gebrauchshindernis wurde, da es auf der Beschaffenheit der Pachtsache beruhte, als Sachmangel i.S. von § 537 (§ 581 Abs. 2) BGB beurteilt, und zwar mit Rücksicht darauf, daß seine Beseitigung schon bei Vertragsabschluß objektiv unmöglich war, als ursprünglicher Mangel i.S. von § 538 (§ 581 Abs, 2) BGB. Durch diesen wurde die Tauglichkeit des Pachtobjekts zu dem vertraglich vorgesehenen Gebrauch, nämlich dem Abbau des Bimsvorkommens, von vorneherein beseitigt.
Demgegenüber hat der Nachbarwiderspruch im vorliegenden Fall - nur - zu einer Verzögerung bei der Fertigstellung des Gewerbeobjekts geführt, ohne daß die Tauglichkeit der nach Rücknahme des Widerspruchs fertiggestellten Räume für den Betrieb eines Lebensmittel-Verbrauchermarkts dauerhaft beeinträchtigt wurde.
Die Beklagte war infolge des Widerspruchs und der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts über die Anordnung seiner aufschiebenden Wirkung nicht in der Lage, die Mieträume zu dem vertraglich vorgesehenen Zeitpunkt an die Klägerin zu übergeben. Damit trat eine Verzögerung bei der Erfüllung der ihr obliegenden Vertragspflicht ein. Derartige Verzögerungen können in Fällen, in denen die festgelegte Vertragszeit so wesentlich ist, daß mit dem Verstreichen der Zeit die geschuldete Gebrauchsgewährung für den Verspätungszeitraum nicht mehr nachgeholt werden kann, als (Teil-)Unvermögen oder Unmöglichkeit zu behandeln sein (Wolf/Eckert aaO. Rdn. 127; Bub/Treier/Kraemer, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, III Rdn. 1197, 1198). Im vorliegenden Fall, in dem das Mietverhältnis erst mit der Übergabe des bezugsfertigen Mietobjekts beginnen und von diesem Zeitpunkt an zunächst auf die Dauer von 15 Jahren bestehen sollte, begründete die Leistungsverzögerung hingegen nicht eine Teil-Unmöglichkeit, sondern allenfalls Verzug der Beklagten. Dieser setzte Verschulden voraus (§ 285 BGB).
Die Rechte der Klägerin bestimmten sich demgemäß nach § 326 BGB (Wolf/Eckert aaO. Rdn. 127). Danach kann sie unter den Voraussetzungen dieser Vorschrift grundsätzlich Schadensersatz wegen Nichterfüllung von der Beklagten verlangen (vgl. dazu Palandt/Heinrichs, BGB 5. Aufl. § 326 Rdn. 18). In Einzelfällen kommt zwar bei Leistungsverzögerungen der vorliegenden Art ein Schadensersatzanspruch ohne Nachweis eines Verschuldens in Betracht, wenn der Vermieter eines erst noch zu erstellenden Gebäudes eine Garantie für die Einhaltung eines bestimmten Fertigstellungs- und Übergabetermins übernommen hat, Das muß sich aber aus den Vereinbarungen des Mietvertrages ergeben (vgl. BGH Urteil vom 29. April 1970 - VIII ZR 120/68 = WM 1970, 791, 792). Ohne entsprechende ausdrückliche Regelung kann auch bei Fixierung eines Fertigstellungstermins nicht von einer generellen Garantiehaftung des Vermieters für die rechtzeitige Überlassung der Mietsache ausgegangen werden (Bub/Treier/Kraemer aaO. III Rdn. 1197; a.A.: Emmerich/Sonnenschein aaO. §§ 535, 536 Rdn. 8). Insoweit hat das Landgericht die vertraglichen Vereinbarungen bindend dahin ausgelegt, daß die Regelung in § 2 Buchst. a des Vertrages ersichtlich nur den Fall einer verhältnismäßig unbedeutenden Verzögerung bei der Übergabe der Mietsache meine, sich aber nicht darauf erstrecke, daß es überhaupt nicht zu einer Nutzung des Mietobjekts komme.
Hinzu kommt, daß das Hindernis, welches einer rechtzeitigen Überlassung der Mietsache entgegenstand, im vorliegenden Fall erst nach Vertragsschluß aufgetreten ist. Auch aus diesem Grund käme eine Haftung der Beklagten ohne Verschulden hier nicht in Betracht (vgl. Bub/Treier/Kraemer aaO.).
Dazu, ob die Beklagte die eingetretene Verzögerung zu vertreten hat, hat das Landgericht von seinem Standpunkt aus folgerichtig bisher keine Feststellung getroffen.
3. Die angefochtene Entscheidung kann daher mit der gegebenen Begründung nicht bestehen bleiben und auch nicht mit anderer Begründung gehalten werden, § 563 ZPO. Denn es bedarf zunächst weiterer tatrichterlicher Prüfung und Feststellungen.
a) Nachdem das Landgericht in dem angefochtenen Urteil die Regelung in § 2 Buchst. a des Mietvertrages nur auf dem Hintergrund einer angenommenen Sachmängelhaftung nach § 538 BGB geprüft hat, wird es seine Auslegung auch auf den Fall einer Schadensersatzhaftung nach § 326 BGB zu erstrecken haben. Dabei hat es Gelegenheit, die Ausführungen der Revision zu der Bedeutung der Vertragsklausel in seine Überlegungen einzubeziehen.
b) Falls das Gericht zu dem Ergebnis gelangt, daß auch ein Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen Verzuges der Beklagten durch die vertragliche Regelung nicht ausgeschlossen sein sollte, wird es näher zu prüfen haben, ob der Beklagten ein Verschulden an der eingetretenen Verzögerung anzulasten ist. Die Zurückverweisung bietet den Parteien Gelegenheit, hierzu noch im einzelnen vorzutragen.
c) Sollte das Landgericht bei der erneuten Prüfung die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches der Klägerin wegen Nichterfüllung nach § 326 BGB für gegeben halten, so kann dieser Ersatzanspruch - entgegen der Auffassung der Revision - als positives Interesse die hier geltend gemachten Maklerkosten erfassen (vgl. dazu BGHZ 99, 182, 195; Bub/Treier/Kraemer aaO. III Rdn. 1213).
Fundstellen
Haufe-Index 2993153 |
DB 1993, 1281 |
NJW 1992, 3226 |
BGHR BGB § 326 Abs. 1 Miete 2 |
BGHR BGB § 537 Abs. 1 Nachbarwiderspruch 1 |
BGHR BGB § 537 Abs. 1 Nachbarwiderspruch 2 |
DRsp I(133)497a |
WM 1992, 687 |
WM 1993, 172 |
ZMR 1993, 7 |
JuS 1993, 251 |
MDR 1992, 1147 |
WuM 1992, 687 |