Leitsatz (amtlich)
1. Das Verfahren vor dem Gericht eines Mitgliedstaats der Europäischen Union zur Errichtung eines schifffahrtsrechtlichen Haftungsbeschränkungsfonds mit dem Ziel, die Haftung des Schädigers zu beschränken, und die Leistungsklage des Geschädigten gegen den Schädiger in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union betreffen nicht denselben Streitgegenstand. Das später angerufene Gericht muss deshalb das Verfahren nicht gemäß Art. 29 Abs. 1 Brüssel-Ia-VO aussetzen (Anschluss an EuGH, Urteil vom 14. Oktober 2004 - C-39/02, IPRax 2006, 262 - Mærsk Olie & Gas).
2. Die in einem Mitgliedstaat getroffene gerichtliche Entscheidung zur Errichtung eines schifffahrtsrechtlichen Haftungsbeschränkungsfonds ist eine nach Art. 36 Abs. 1 Brüssel-Ia-VO in den anderen Mitgliedstaaten anzuerkennende Entscheidung (Anschluss an EuGH, IPRax 2006, 262 - Mærsk Olie & Gas).
3. Der in einem anderen Mitgliedstaat getroffenen Entscheidung müssen durch die Anerkennung nach Art. 36 Abs. 1 Brüssel-Ia-VO diejenigen Wirkungen beigelegt werden, die ihr in dem Staat zukommen, in dessen Hoheitsgebiet sie ergangen ist (Anschluss an EuGH, Urteil vom 4. Februar 1988 - C-145/86, NJW 1989, 663 - Hoffmann und Urteil vom 15. November 2012 - C-456/11, EuZW 2013, 60 - Gothaer Allgemeine Versicherung).
4. Maßgeblich für die Frage, welche prozessualen Wirkungen einer anzuerkennenden Entscheidung in dem Staat zukommen, in dessen Hoheitsgebiet sie ergangen ist, ist das Recht dieses Staats. Unerheblich ist, dass die Parteien für ihre vertraglichen Beziehungen eine abweichende Rechtswahl getroffen haben.
5. Die Frage, ob es zulässig ist, dass das durch eine Rechtswahl zur Anwendung berufene Recht eines Mitgliedstaats dem Geschädigten gegen den Schädiger einen auf das positive Interesse zielenden Schadensersatzanspruch gewährt, wenn der Schädiger vertragswidrig einen schifffahrtsrechtlichen Haftungsbeschränkungsfonds in einem anderen Mitgliedstaat errichtet, ist ebenfalls nach dem Recht des Mitgliedstaats zu beantworten, dessen Gerichte die anzuerkennende Entscheidung über die Errichtung des Haftungsfonds erlassen haben.
Normenkette
EUV 1215/2012 Art. 29 Abs. 1, Art. 36 Abs. 1; HGB § 425; BinSchG § 26
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe - 15. Zivilsenat - vom 31. März 2021 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin, die ihren Sitz in Deutschland hat, verkaufte am 25. Oktober 2018 1.000 t Düngemittel unter der Lieferbedingung "CIF Amay" an ein in Belgien ansässiges belgisches Unternehmen zu einem Preis von 208.000 €. Sie beauftragte die in Belgien ansässige Beklagte mit der Binnenschiffsbeförderung von Antwerpen nach Amay. Dem Auftrag lag ein zwischen den Parteien bestehender Rahmenvertrag über die Durchführung von Binnenschiffstransporten vom 18. Juni 2018 mit einer Laufzeit vom 1. Oktober 2018 bis zum 30. September 2019 zugrunde. Ziffer 5 dieses Rahmenvertrags lautet wie folgt:
Dieser Vertrag sowie die einzelnen Transportaufträge unterliegen ausschließlich deutschem Recht des HGB; soweit abdingbar wird die Geltung der Regelungen des CMNI ausgeschlossen, dies gilt nicht für grenzüberschreitende Transporte.
Die Geltung der §§ 4-5m BinSchG wird ausgeschlossen. Ebenso ist die Geltung der ADSp, IVTB, Havarie Grosse-Regeln IVR und anderer allgemeiner Regelwerke sowie der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Parteien ausgeschlossen; …
In Ziffer 6 des Rahmenvertrags ist Mannheim als Gerichtsstand vereinbart.
Rz. 2
Die Beklagte übernahm - nach ihrer Darstellung als Charterer - am 12. November 2018 in Antwerpen die Fracht in ordnungsgemäßem Zustand in ein Binnenmotorschiff. Aufgrund einer Kollision mit einem entgegenkommenden Schubverband auf dem belgischen Albert-Kanal am 13. November 2018 sank das Transportschiff mitsamt seiner Ladung. In der Folge drang Wasser in die Laderäume des Schiffs ein und verflüssigte den Dünger. Die Ladung wurde teilweise in den Albert-Kanal geschwemmt; andere Teile der Ladung, die sich im Laderaum des Schiffs festgesetzt hatten, mussten entsorgt werden.
Rz. 3
Die Klägerin einigte sich mit dem Käufer des Düngers darauf, den Kaufvertrag aufzuheben und sich gegenseitig so zu stellen, als sei der Kaufvertrag nicht zustande gekommen.
Rz. 4
Der Eigner des Transportschiffs stellte beim Unternehmensgericht Antwerpen zum Zweck der globalen Haftungsbegrenzung einen Antrag auf Errichtung eines Haftungsfonds nach belgischem Recht, wobei er unter anderem die Klägerin als mögliche Gläubigerin benannte. Das Unternehmensgericht Antwerpen gab dem Antrag mit Beschluss vom 14. November 2018 mit einer Haftungssumme von 132.161,25 € (Hauptsumme), 14.868,14 € (Rückstellung für Zinsen) und 15.000 € (Rückstellung für die Errichtung, Liquidation und Verteilung) statt und ließ mit Beschluss vom 11. Dezember 2018 die Beklagte als Charterer des Transportschiffs als durch diesen Fonds geschützte Partei zu. Die Klägerin machte gegen diesen Haftungsfonds keine Ansprüche wegen des Transportschadens geltend.
Rz. 5
Die Klägerin forderte die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 7. Dezember 2018 zur Bestätigung ihrer Haftung auf. Die Beklagte lehnte dies unter Verweis auf den belgischen Haftungsfonds ab.
Rz. 6
Die Klägerin hat die Beklagte beim Landgericht Mannheim auf Zahlung eines Betrags von 208.000 € nebst Zinsen in Anspruch genommen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten mit der von der Klägerin im Berufungsverfahren beantragten Maßgabe zurückgewiesen, dass es die Beklagte in Höhe eines Teilbetrags von 188.000 € nebst Zinsen zur Zahlung an den Transportversicherer der Klägerin verurteilt hat (OLG Karlsruhe, RdTW 2021, 309).
Rz. 7
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 8
A. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch gemäß § 425 Abs. 1, §§ 429, 430 HGB in Verbindung mit § 26 BinSchG in Höhe der Klageforderung zu. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Rz. 9
Die Klage sei zulässig. Das Berufungsgericht sei international zuständig. Die Klägerin sei durch die Entscheidungen des Unternehmensgerichts Antwerpen, das dem Antrag des Eigners des Transportschiffs auf Errichtung eines Haftungsfonds nach belgischem Recht stattgegeben und die Beklagte als durch diesen Fonds geschützte Person zugelassen habe, nicht an der Erhebung einer Leistungsklage gegen die Beklagte gehindert. Der Zulässigkeit der Klage stehe auch nicht entgegen, dass die Klägerin ihren Antrag umgestellt und in Höhe von 188.000 € nebst Zinsen Zahlung an ihren Transportversicherer verlangt habe, der sie in diesem Umfang entschädigt habe und auf den die Forderung insoweit übergegangen sei.
Rz. 10
Die Klage sei auch begründet. Die Parteien hätten wirksam die Geltung deutschen Transportrechts vereinbart. Zwar handele es sich bei der Regelung in Ziffer 5 des Rahmenvertrags um Allgemeine Geschäftsbedingungen, die Klausel sei jedoch nicht überraschend nach § 305c Abs. 1 BGB. Die transportierte Ware sei zwischen der Übernahme des Guts und seiner Ablieferung verloren beziehungsweise der Wert des verbleibenden Teils durch die Vermischung mit Wasser auf Null reduziert worden. Die Beklagte könne sich nicht auf Haftungsbeschränkungen nach §§ 5d ff. BinSchG berufen. Diese dispositiven Regelungen seien in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin wirksam ausgeschlossen. Dass die Beklagte die Haftungsbeschränkung nicht nach deutschem, sondern nach belgischem Recht geltend mache, sei unbeachtlich, weil die Parteien ausdrücklich die Geltung deutschen Rechts vereinbart hätten.
Rz. 11
B. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen kann bereits nicht davon ausgegangen werden, dass die von der Klägerin erhobene Leistungsklage zulässig ist.
Rz. 12
I. Das Berufungsgericht hat die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte, die auch unter der Geltung des § 545 Abs. 2 ZPO in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. BGH, Urteil vom 26. November 2020 - I ZR 245/19, NJW-RR 2021, 376 [juris Rn. 13] mwN, im Hinblick auf Ziffer 6 des zwischen den Parteien geschlossenen Rahmenvertrags und darüber hinaus wegen der rügelosen Einlassung der Beklagten gemäß Art. 25 Abs. 1 und Art. 26 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel-Ia-VO) zu Recht bejaht. Hiergegen wendet sich die Revision nicht.
Rz. 13
II. Die Prozessführungsbefugnis der Klägerin unterliegt keinen rechtlichen Bedenken und wird von der Revision auch nicht in Zweifel gezogen. Die Klägerin macht den Schadensersatzanspruch nunmehr teilweise im Wege der Prozessstandschaft geltend, weil sie zum Schadenszeitpunkt eine Warentransportversicherung unterhalten und unter Berücksichtigung des vereinbarten Selbstbehalts von 20.000 € von dem Versicherer einen Betrag in Höhe von 188.000 € erhalten hat. Damit sind ihre gegen die Beklagte gerichteten Schadensersatzansprüche in diesem Umfang auf die Versicherung übergegangen. Die Klägerin bleibt jedoch nach § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO trotz des gesetzlichen Forderungsübergangs prozessführungsbefugt (vgl. BGH, Urteil vom 18. März 2010 - I ZR 181/08, TranspR 2010, 376 [juris Rn. 25] mwN).
Rz. 14
III. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Zulässigkeit der Klage stünden die Beschlüsse des Unternehmensgerichts Antwerpen vom 14. November 2018 und vom 11. Dezember 2018 nicht entgegen, mit denen dem Schiffseigner gestattet wurde, einen Haftungsfonds zu errichten, und die Beklagte als durch den auf Antrag des Eigners des Transportschiffs errichteten Haftungsfonds geschützte Person zugelassen wurde, hält der rechtlichen Nachprüfung jedoch nicht stand.
Rz. 15
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Antrag auf Errichtung eines Haftungsfonds in Belgien stehe der Erhebung der vorliegenden Schadensersatzklage nicht entgegen, da dieser Antrag und die Schadensersatzklage unterschiedliche Streitgegenstände beträfen. Zwar handele es sich bei dem Beschluss zur Errichtung des Haftungsfonds um eine nach Art. 36 Brüssel-Ia-VO in allen Mitgliedstaaten anzuerkennende Entscheidung. Nach dem Vorbringen der Beklagten habe die Errichtung des Haftungsfonds nach belgischem Recht die Folge, dass keine Leistungsklage mehr erhoben, sondern lediglich die Feststellung zum Grund und zur Höhe des Anspruchs begehrt werden könne. Allerdings könne nur in einem streitigen Prozess außerhalb des Verteilungsverfahrens geklärt werden, ob sich die Beklagte auf Haftungsbeschränkungen gemäß §§ 4 bis 5m BinSchG oder nach dem Übereinkommen über die Beschränkung der Haftung für Seeforderungen vom 19. November 1976 (BGBl. 1986 II S. 786) in der Fassung des Protokolls vom 2. Mai 1996 (BGBl. 2000 II S. 790, im Folgenden: LondonHBÜ) berufen könne. Dafür bestehe im Verteilungsverfahren kein Raum, denn dieses setze die beschränkte Haftung voraus. Ein Ausschließlichkeitsverhältnis zwischen der Anmeldung der Ansprüche im Verteilungsverfahren und der Geltendmachung der unbeschränkten Haftung im streitigen Verfahren bestehe nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs könne ein Rechtsstreit zwischen einem Gläubiger und dem Reeder wegen eines Anspruchs aus der Verwendung des Schiffs trotz Eröffnung des seerechtlichen Verteilungsverfahrens fortgesetzt werden, soweit der Gläubiger die unbeschränkte Haftung des Reeders behaupte. Die Klägerin mache geltend, dass die Beklagte unbeschränkt hafte. Hierüber habe das Prozessgericht zu befinden. Die Parteien hätten wirksam deutsches Recht vereinbart und die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung nach den binnenschifffahrtsrechtlichen Vorschriften ausgeschlossen, so dass es der Beklagten verwehrt sei, sich auf eine mögliche Haftungsbeschränkung nach belgischem Recht zu berufen. Im Hinblick darauf bedürfe es weder der Klärung, ob es sich bei der Beklagten um einen Charterer handele und der Haftungsfonds auch zu ihren Gunsten wirke, noch, welche Rechtsfolgen dies nach belgischem Recht habe. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Rz. 16
2. Das Berufungsgericht ist allerdings mit Recht davon ausgegangen, dass der Zulässigkeit der Klage die Regelung in Art. 29 Abs. 1 Brüssel-Ia-VO nicht entgegensteht. Nach dieser Regelung setzt ein später angerufenes Gericht das Verfahren von Amts wegen aus, wenn bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten Klagen wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien anhängig gemacht werden. Das Verfahren vor dem Unternehmensgericht Antwerpen und der vorliegende Rechtsstreit erfüllen diese Voraussetzungen nicht. Das Verfahren zur Errichtung eines Haftungsfonds vor dem Unternehmensgericht Antwerpen und die hier vorliegende Schadensersatzklage betreffen nicht denselben Streitgegenstand. Während die Schadensersatzklage darauf abzielt, die Beklagte in Anspruch zu nehmen, soll mit dem Antrag auf Errichtung eines Haftungsfonds erreicht werden, dass die Haftung der Beklagten, wenn sie denn ausgelöst sein sollte, beschränkt wird (vgl. zu Art. 21 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen [EuGVÜ] EuGH, Urteil vom 14. Oktober 2004 - C-39/02, Slg. 2004, I-9686 = IPRax 2006, 262 [juris Rn. 35] - Mærsk Olie & Gas).
Rz. 17
3. Das Berufungsgericht hat jedoch rechtsfehlerhaft entgegen Art. 36 Abs. 1 Brüssel-Ia-VO keine Feststellungen zum belgischen Recht getroffen, die es rechtfertigen, den gerichtlichen Entscheidungen des Unternehmensgerichts Antwerpen, mit denen im Hinblick auf das streitgegenständliche Schadensereignis ein Haftungsfonds errichtet und die Beklagte als durch diesen Haftungsfonds geschützte Partei zugelassen worden ist, keine Bedeutung für die Zulässigkeit der Klage im vorliegenden Rechtsstreit beizumessen.
Rz. 18
a) Die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen werden gemäß Art. 36 Abs. 1 Brüssel-Ia-VO in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf. Nach der Definition in Art. 2 Buchst. a Brüssel-Ia-VO ist eine "Entscheidung" im Sinne der Brüssel-Ia-VO jede von einem Gericht eines Mitgliedstaats erlassene Entscheidung ohne Rücksicht auf ihre Bezeichnung wie Urteil, Beschluss, Zahlungsbefehl oder Vollstreckungsbescheid, einschließlich des Kostenfestsetzungsbeschlusses eines Gerichtsbediensteten. Der Beschluss zur Errichtung eines Haftungsfonds stellt eine solche anzuerkennende Entscheidung dar (zu Art. 25 EuGVÜ vgl. EuGH, IPRax 2006, 262 [juris Rn. 47, 52] - Mærsk Olie & Gas). Dies steht im Revisionsverfahren nicht in Streit.
Rz. 19
b) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union müssen einer Entscheidung durch die Anerkennung nach Art. 36 Abs. 1 Brüssel-Ia-VO diejenigen Wirkungen beigelegt werden, die ihr in dem Staat zukommen, in dessen Hoheitsgebiet sie ergangen ist (EuGH, Urteil vom 4. Februar 1988 - 145/86, Slg. 1988, I-645 = NJW 1989, 663 [juris Rn. 10 f.] - Hoffmann; Urteil vom 15. November 2012 - C-456/11, EuZW 2013, 60 [juris Rn. 34] - Gothaer Allgemeine Versicherung; Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 4. Aufl., Art. 36 Brüssel-Ia-VO Rn. 73; Schinkels in Prütting/Gehrlein, ZPO, 13. Aufl., Art. 36 Brüssel-Ia-VO Rn. 3; Geimer/Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 8. Aufl., Rn. 2776; vgl. auch Oberhammer in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., Art. 33 der Verordnung Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen [Brüssel-I-VO] Rn. 10; jeweils mwN). Danach werden alle prozessualen Wirkungen, die die anzuerkennende Entscheidung im Ursprungsstaat entfaltet, auf den Zweitstaat erstreckt, namentlich die materielle Rechtskraft, die Präklusionswirkung, prozessuale Drittwirkungen und die Gestaltungswirkung (Stadler in Musielak/Voit, ZPO, 19. Aufl., Art. 36 Brüssel-Ia-VO Rn. 2; BeckOK.ZPO/Garber, 44. Edition [Stand 1. März 2022], Art. 36 Brüssel-Ia-VO Rn. 31; Schinkels in Prütting/Gehrlein aaO Art. 36 Brüssel-Ia-VO Rn. 4; Geimer/Geimer aaO Rn. 2799). Dies gilt auch für Entscheidungen zur Errichtung eines schifffahrtsrechtlichen Haftungsbeschränkungsfonds (zu Art. 25 EuGVÜ vgl. EuGH, IPRax 2006, 262 [juris Rn. 52] - Mærsk Olie & Gas; LG Hamburg, TranspR 2005, 259 [juris Rn. 21]; Dörfelt, VersR 2010, 1547, 1551; Rabe/Rittmeister in Rabe/Bahnsen, Seehandelsrecht, 5. Aufl., Anhang § 611 HGB, Art. 13 LondonHBÜ Rn. 3 mwN; Ramming, RdTW 2020, 4, 14). Die Frage, welche prozessualen Wirkungen einer anzuerkennenden Entscheidung in dem Staat zukommen, in dessen Hoheitsgebiet sie ergangen ist, kann nur nach dem Recht dieses Staates beantwortet werden.
Rz. 20
c) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe muss gegebenenfalls unter Inanspruchnahme sachverständiger Hilfe festgestellt werden, welche Wirkungen der anzuerkennenden Entscheidung in dem Staat zukommen, in dem sie ergangen ist. Da im Streitfall ein belgisches Gericht über die Errichtung des Haftungsfonds entschieden und durch eine weitere Entscheidung die Wirkung der Errichtung des Haftungsfonds auf die Beklagte erstreckt hat, ist nach belgischem Recht zu beurteilen, ob die Errichtung des Haftungsfonds die Leistungsklage eines Gläubigers gegen eine von dem Fonds geschützte Person sperrt. Diese Maßstäbe hat das Berufungsgericht nicht berücksichtigt. Es hat nicht ermittelt, welche Wirkungen die Errichtung des Haftungsfonds und die Zulassung der Beklagten als durch diesen Haftungsfonds geschützte Partei durch das Unternehmensgericht Antwerpen nach belgischem Recht hat.
Rz. 21
Das Berufungsgericht hat demgegenüber rechtsfehlerhaft nicht auf belgisches Recht, sondern im Ergebnis auf deutsches Recht abgestellt. Die vom Berufungsgericht herangezogene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 13. März 1980 - II ZR 239/78, BGHZ 76, 206 [juris Rn. 10]; Urteil vom 25. April 1988 - II ZR 252/86, BGHZ 104, 215 [juris Rn. 6]; vgl. auch zum auf die Haftung des Reeders anwendbaren Recht bei einem Schiffszusammenstoß im Ausland BGH, Urteil vom 29. Januar 1959 - II ZR 223/57, BGHZ 29, 237) kann für die Entscheidung im Streitfall nicht fruchtbar gemacht werden, weil darin die Frage der Anerkennung einer gerichtlichen Entscheidung gemäß Art. 36 Abs. 1 Brüssel-Ia-VO beziehungsweise Art. 25 EuGVÜ keine Rolle gespielt hat.
Rz. 22
d) Die Beklagte hat unter Vorlage einer gutachterlichen Stellungnahme eines belgischen Rechtsanwalts und unter Berufung auf ein vom Gericht einzuholendes Rechtsgutachten geltend gemacht, die Errichtung eines Haftungsfonds nach belgischem Recht habe die Wirkung, dass Leistungsklagen gegen den Schuldner nicht mehr erhoben werden könnten, sondern der Gläubiger Ansprüche beim Haftungsfonds anzumelden habe, um sich aus der Verteilung zu befriedigen. Nach belgischem Recht sei allein noch eine Feststellungsklage möglich, aufgrund derer zwischen den Parteien ein Anspruch dem Grunde und der Höhe nach festgestellt werde. Ebenso wie im deutschen Recht nach § 8 Abs. 2 SVertO habe die bloße Errichtung des Fonds nach belgischem Recht die Wirkung, dass das sonstige Vermögen des Schuldners nicht mehr in Anspruch genommen werden könne, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob der Gläubiger seine Ansprüche beim Haftungsfonds angemeldet habe oder nicht. Diesem Vorbringen ist das Berufungsgericht zu Unrecht nicht nachgegangen.
Rz. 23
e) Die Wirkung, die die Errichtung des Haftungsfonds in Belgien nach dem Vortrag der Beklagten haben soll, wird von der Anerkennungswirkung des Art. 36 Abs. 1 Brüssel-Ia-VO erfasst.
Rz. 24
aa) Von der Anerkennung gemäß Art. 36 Brüssel-Ia-VO werden die mit einer Entscheidung verbundenen Auswirkungen erfasst, die als prozessrechtlich und nicht als materiellrechtlich zu qualifizieren sind (BeckOK.ZPO/Garber aaO Art. 36 Brüssel-Ia-VO Rn. 34; Saenger/Dörner, ZPO, 9. Aufl., Art. 36 Brüssel-Ia-VO Rn. 8; MünchKomm.ZPO/Gottwald, 6. Aufl., Art. 36 Brüssel-Ia-VO Rn. 14). Von einer materiellrechtlichen (Tatbestands-)Wirkung einer Entscheidung ist auszugehen, wenn die Existenz einer Entscheidung lediglich Tatbestandsmerkmal einer materiellen Rechtsnorm ist, durch die eine Rechtsfolge ausgelöst wird, die jedoch nicht Gegenstand des Klagebegehrens und nicht Gegenstand der Entscheidung ist. Die in Streit stehende Wirkung der materiellen Rechtsnorm wird insoweit vom Gericht im Tenor der Entscheidung nicht ausgesprochen, sondern vom materiellen Recht ohne Weiteres ausgelöst (BeckOK.ZPO/Garber aaO Art. 36 Brüssel-Ia-VO Rn. 52; Geimer in Geimer/Schütze aaO Art. 36 Rn. 136; vgl. auch MünchKomm.ZPO/Gottwald aaO § 322 Rn. 20 mwN).
Rz. 25
bb) Nach dem Vortrag der Beklagten ist die Wirkung der Errichtung eines Haftungsfonds nach belgischem Recht dahingehend, dass die Leistungsklage gegen den durch den Fonds Begünstigten ausgeschlossen sein soll, nicht Tatbestandsmerkmal einer gesetzlichen Regelung, sondern Folge der Entscheidung des Unternehmensgerichts Antwerpen, die Beklagte als durch den Haftungsfonds geschützte Partei zuzulassen. Das Unternehmensgericht Antwerpen hat im Tatbestand seiner Entscheidung ausgeführt, dass es Ziel der Beklagten als dortiger Antragstellerin sei, ihre Haftung zu beschränken, indem ihr gestattet werde, sich auf den bereits errichteten Haftungsfonds zu berufen. Sodann hat es unter Bezugnahme auf Art. 48 und Art. 273 des Buchs II des belgischen Handelsgesetzbuchs im Tenor seiner Entscheidung ausgesprochen, dass sich die Beklagte als Charterer auf den Haftungsfonds berufen kann, der vom Schiffsführer-Schiffseigentümer des Transportschiffs errichtet worden ist, so dass dieser Fonds auch zu ihrem Vorteil gereicht. Art. 48 des Buchs II des belgischen Handelsgesetzbuchs regelt das Verfahren zur Errichtung des Haftungsfonds für Seeschiffe; Art. 273 des Buchs II des belgischen Handelsgesetzbuchs ordnet an, dass diese Vorschrift auch auf Binnenschiffe anzuwenden ist. In diesen Vorschriften wird jedoch nicht geregelt, dass die gerichtliche Entscheidung, durch die der Haftungsfonds errichtet wird, Leistungsklagen gegen die durch den Fonds Begünstigten ausschließt.
Rz. 26
f) Die Ermittlung der prozessrechtlichen Wirkungen der gerichtlichen Entscheidung zur Errichtung des Haftungsfonds nach belgischem Recht ist nicht im Hinblick darauf entbehrlich, dass die Parteien in der Rahmenvereinbarung vom 18. Juni 2018 die Geltung deutschen Rechts vereinbart haben.
Rz. 27
aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Parteien in Ziffer 5 des Rahmenvertrags wirksam die Geltung deutschen Rechts vereinbart haben. Diese Beurteilung wird von der Revision nicht angegriffen. Sie lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen.
Rz. 28
(1) Die Parteien können in Bezug auf einen Vertrag über die Beförderung von Gütern eine Rechtswahl nach Art. 3 der Verordnung (EG) 593/2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom-I-VO) treffen (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Rom-I-VO). Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Rom-I-VO unterliegt der Vertrag dem von den Parteien gewählten Recht. Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Rom-I-VO muss die Rechtswahl ausdrücklich erfolgen oder sich eindeutig aus den Bestimmungen des Vertrags oder aus den Umständen des Falls ergeben. Auf das Zustandekommen und die Wirksamkeit der Einigung der Parteien über das anzuwendende Recht findet Art. 10 Abs. 1 Rom-I-VO Anwendung (Art. 3 Abs. 5 Rom-I-VO). Maßgeblich für die Wirksamkeit der Rechtswahl ist danach das von den Parteien gewählte Recht (Grüneberg/Thorn, BGB, 81. Aufl., Art. 3 Rom-I-VO Rn. 9). Dies gilt auch für die Wirksamkeit einer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen Rechtswahlklausel (BGH, Urteil vom 25. Januar 2005 - XI ZR 78/04, NJW-RR 2005, 1071 [juris Rn. 13]). Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall das deutsche Recht maßgeblich für die Frage, ob die Parteien wirksam die Anwendung des deutschen Rechts vereinbart haben.
Rz. 29
(2) Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei der Regelung in Ziffer 5 des Rahmenvertrags um eine Allgemeine Geschäftsbedingung der Klägerin im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt. Die Revisionserwiderung macht ohne Erfolg geltend, die Beklagte habe die reale Möglichkeit gehabt, auf den Inhalt sämtlicher Klauseln des Rahmenvertrags Einfluss zu nehmen. Damit ist nicht dargetan, dass die Klägerin gerade die Klausel in Ziffer 5 des Rahmenvertrags zur Disposition gestellt hätte. Dies ist jedoch erforderlich um anzunehmen, dass sie zwischen den Vertragsparteien gemäß § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB im Einzelnen ausgehandelt ist mit der Folge, dass die §§ 305 ff. BGB nicht zur Anwendung gelangen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. März 2019 - XI ZR 9/18, NJW 2019, 2080 [juris Rn. 15]).
Rz. 30
(3) Das Berufungsgericht hat die Regelung in Ziffer 5 des Rahmenvertrags im Ergebnis dahin ausgelegt, dass die Parteien die Anwendbarkeit deutschen Rechts vereinbart haben. Diese Beurteilung ist nicht zu beanstanden.
Rz. 31
Die Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht ist revisionsrechtlich in vollem Umfang überprüfbar. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie ein verständiger und redlicher Vertragspartner sie unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise versteht, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ausgangspunkt ist in erster Linie der Wortlaut der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es auf das Verständnis des Vertragstexts seitens der typischerweise beteiligten redlichen Verkehrskreise unter Berücksichtigung ihrer Interessen an. Verbleiben nach Ausschöpfung aller in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten Zweifel und sind zumindest zwei Auslegungsergebnisse rechtlich vertretbar, geht die Unklarheit nach § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2021 - I ZR 201/20, GRUR 2022, 229 [juris Rn. 53] = WRP 2022, 318 - ÖKO-TEST III, mwN).
Rz. 32
Nach diesen Maßstäben und unter Berücksichtigung der in Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Rom-I-VO festgelegten Anforderungen haben die Parteien wirksam die Geltung deutschen Rechts vereinbart. Zwar soll der Rahmenvertrag ausweislich der Formulierung in Ziffer 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 nicht allgemein deutschem Recht unterliegen, sondern "deutschem Recht des HGB". Aus dem zweiten Halbsatz dieser Regelung, mit der die Geltung des Budapester Übereinkommens über den Vertrag über die Güterbeförderung in der Binnenschifffahrt (CMNI) - soweit zulässig und nur für nicht grenzüberschreitende Transporte - ausgeschlossen wird, geht hervor, dass vorrangig deutsches Transportrecht und nicht die CMNI zur Anwendung kommen soll (zu einer vorrangigen Vereinbarung der CMNI vgl. BGH, Urteil vom 1. Juli 2017 - I ZR 29/16, TranspR 2017, 420 [juris Rn. 11]). Wie sich aus dem zweiten Absatz von Ziffer 5 des Rahmenvertrags ergibt, bezieht sich diese Rechtswahl nicht nur auf das Handelsgesetzbuch, sondern auf das gesamte deutsche Recht, weil anderenfalls der dort vorgesehene Ausschluss der Geltung von deutschen Vorschriften außerhalb des Handelsgesetzbuchs - §§ 4 bis 5m BinSchG - und der Ausschluss deutscher Regelwerke nicht verständlich wäre. Für eine Wahl deutschen Rechts sprechen außerdem die weiteren Umstände wie die Verwendung der deutschen Sprache beim Abschluss der Rahmenvereinbarung und die Wahl eines deutschen Gerichtsstands.
Rz. 33
(4) Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die Parteien eine Rechtswahl in Allgemeinen Geschäftsbedingungen treffen konnten (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 1993 - XI ZR 42/93, BGHZ 123, 380 [juris Rn. 14]; vgl. auch Urteil vom 19. Juli 2012 - I ZR 40/11, GRUR 2013, 421 [juris Rn. 30] = WRP 2013, 479 - Pharmazeutische Beratung über Call-Center; BeckOGK.Rom-I-VO/Wendland, Stand 1. September 2021, Art. 3 Rn. 285).
Rz. 34
(5) Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Wahl deutschen Rechts sei nicht als überraschend im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB anzusehen, wird von der Revision nicht angegriffen. Rechtsfehler sind insoweit nicht ersichtlich.
Rz. 35
bb) Die Vereinbarung deutschen Rechts durch die Parteien ändert jedoch nichts daran, dass der Errichtung des Haftungsfonds durch das Unternehmensgericht Antwerpen nach Art. 36 Abs. 1 Brüssel-Ia-VO die prozessualen Wirkungen beigemessen werden müssen, die diese Entscheidung nach belgischem Recht hat.
Rz. 36
(1) Der Beschluss des Unternehmensgerichts Antwerpen erfasst die hier streitgegenständliche Forderung der Klägerin. Das Unternehmensgericht Antwerpen hat in seiner Entscheidung den Inhalt des Antrags der Beklagten wiedergegeben. Die Beklagte hat dort erklärt, dass sie für die Durchführung des Transports für die Klägerin das Transportschiff gechartert habe und dass die Ladung durch den Schiffsunfall verloren gegangen sei. Sie hat weiter erklärt, dass sie als Charterer Gefahr laufe, von der Klägerin als ihrer Auftraggeberin für den vollständigen Verlust haftbar gemacht zu werden. Das Unternehmensgericht Antwerpen hat sodann entschieden, dass sich die Beklagte auf den Haftungsfonds berufen könne und dieser Fonds auch zu ihrem Vorteil gereiche.
Rz. 37
(2) Da die hier streitgegenständliche Forderung der Klägerin Anlass für den Antrag der Beklagten an das Unternehmensgericht Antwerpen war, ist die Frage, ob die Forderung aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen der Parteien wirksam von dem Regime des Haftungsfonds belgischen Rechts ausgeschlossen sein kann oder nicht, ebenfalls nach belgischem Recht zu beantworten.
Rz. 38
(3) Zwar ist auf die schuldrechtlichen Vereinbarungen der Parteien des Frachtvertrags das von ihnen gewählte Recht - hier deutsches Recht - anzuwenden (Dörfelt, VersR 2010, 1547, 1549; Ramming/Dörfelt, Das Recht der Haftungsbeschränkung, S. 61 Rn. 26; Rabe/Rittmeister in Rabe/Bahnsen aaO Anhang § 611 HGB, Art. 15 LondonHBÜ Rn. 4; Ramming/Ramming aaO S. 99 Rn. 70 f.; ders., HmbSchRZ 2009, 181 Rn. 133). Es ist jedoch zwischen der schuldrechtlichen und der beschränkungsrechtlichen Ebene zu unterscheiden (Ramming, HmbSchRZ 2009, 181 Rn. 4). Für Letztere ist das belgische Recht maßgeblich.
Rz. 39
g) Feststellungen zu den prozessrechtlichen Wirkungen der gerichtlichen Entscheidung zur Errichtung des Haftungsfonds nach belgischem Recht können auch nicht deshalb unterbleiben, weil der Klägerin möglicherweise gegen die Beklagte nach dem infolge Rechtswahl auf die Vertragsbeziehung zwischen den Parteien des Frachtvertrags anwendbaren deutschen Recht ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB in Höhe der Klageforderung wegen einer vorsätzlichen Verletzung einer nebenvertraglichen Pflicht zustünde, wenn die Beklagte mit Erfolg geltend machen könnte, sie habe ihre Haftung nach belgischem Recht wirksam beschränkt.
Rz. 40
aa) Selbst wenn die Beklagte als zur Beschränkung Berechtigte in dem Rahmenvertrag der Parteien vertraglich auf das Recht zur globalen Haftungsbeschränkung verzichtet hätte, führte dies nur dann zur Zulässigkeit der Klage, wenn nach dem belgischen Haftungsbeschränkungsrecht ein solcher Verzicht wirksam wäre (vgl. insoweit auch Ramming, HmbSchRZ 2009, 181 Rn. 117, 134, 136). Sollte dem Geschädigten im Fall einer schuldrechtlichen Vereinbarung, mit der das Recht auf Haftungsbeschränkung ausgeschlossen wird oder der Schädiger hierauf verzichtet, ein Anspruch gegen den Schädiger auf schuldrechtlichen Ausgleich zustehen (vgl. dazu Ramming, HmbSchRZ 2009, 181 Rn. 139 ff.), würde dies im Ergebnis der Anerkennung der Entscheidungen des Unternehmensgerichts Antwerpen gemäß Art. 36 Abs. 1 Brüssel-Ia-VO die Wirkung nehmen. Ob das durch eine Rechtswahl zur Anwendung berufene Recht für den Fall, dass eine Partei vertragswidrig eine Haftungsbeschränkung im Ausland herbeiführt, einen auf das positive Interesse zielenden Schadensersatzanspruch gewähren darf, der im Ergebnis dazu führt, dass der Schaden außerhalb des Haftungsfonds geltend gemacht werden kann, richtet sich deshalb ebenfalls nach dem Recht des Staates, dessen Gerichte die anzuerkennende Entscheidung über die Errichtung des Haftungsfonds erlassen haben.
Rz. 41
bb) Feststellungen dazu, ob das belgische Recht von den behaupteten Wirkungen der Errichtung eines Haftungsfonds abweichende vertragliche Vereinbarungen zulässt, bedarf es allerdings nicht. Solche abweichende Vereinbarungen haben die Parteien nicht getroffen.
Rz. 42
(1) Soweit das Berufungsgericht der Auffassung der Klägerin zur Auslegung von Ziffer 5 Abs. 2 des Rahmenvertrags der Parteien vom 18. Juni 2018 gefolgt ist und darin einen generellen Ausschluss des Rechts der Beklagten zur globalen Haftungsbeschränkung gesehen hat, kann dem nicht zugestimmt werden.
Rz. 43
(2) Nach den für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen geltenden Maßstäben (s. o. Rn. 31) ist in erster Linie der Wortlaut der Allgemeinen Geschäftsbedingungen maßgeblich und nicht der Wille der Parteien, der nach Darstellung der Klägerin auf einen umfassenden Ausschluss des Rechts zur Haftungsbeschränkung gerichtet gewesen sein soll. Zwar haben die Parteien nach der rechtsfehlerfreien Auslegung des Berufungsgerichts in Ziffer 5 Abs. 1 für die einzelnen Transportaufträge deutsches Recht vereinbart. Aus Ziffer 5 Abs. 1 ergibt sich jedoch bereits, dass nicht stets und ausnahmslos deutsches Recht gelten soll, weil für grenzüberschreitende Transporte die Regelungen der CMNI anwendbar sein sollen. In Ziffer 5 Abs. 2 des Rahmenvertrags ist ein Ausschluss der Geltung der Vorschriften der §§ 4 bis 5m BinSchG geregelt, die eine Haftungsbeschränkung in den dort geregelten Fällen ermöglichen. Von einem allgemeinen Ausschluss des Rechts des Frachtführers zur Haftungsbeschränkung ist dort jedoch nicht die Rede. Danach kann Ziffer 5 Abs. 2 des Rahmenvertrags nach seinem objektiven Inhalt und typischen Sinn aus der Sicht eines verständigen und redlichen Vertragspartners nur dahin ausgelegt werden, dass zwar generell deutsches Recht gelten soll, die Rechtswahl jedoch Einschränkungen unterliegt, einerseits bei grenzüberschreitenden Transporten im Hinblick auf zwingende Regelungen der CMNI, andererseits im Hinblick auf nach deutschem Recht mögliche Haftungsbeschränkungen des Binnenschifffahrtsgesetzes. Aus diesen Regelungen ergibt sich jedoch nicht, dass es dem Frachtführer generell nicht gestattet sein soll, seine Haftung zu beschränken.
Rz. 44
h) Da die Parteien lediglich das Recht der Beklagten zur Haftungsbeschränkung gemäß §§ 4 bis 5m BinSchG und nicht generell ausgeschlossen haben, muss auch nicht ermittelt werden, ob das belgische Recht es zulässt, dass das infolge einer Rechtswahl der Vertragsparteien anwendbare ausländische Recht es dem Schädiger versagt, sich wegen Rechtsmissbrauchs auf eine infolge einer Haftungsfondserrichtung eingetretene Haftungsbeschränkung nach belgischem Recht zu berufen.
Rz. 45
C. Danach ist das angefochtene Urteil aufzuheben. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Sie ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Rz. 46
Für das wiedereröffnete Berufungsverfahren wird auf Folgendes hingewiesen:
Rz. 47
I. Die Sache bedarf weiterer tatsächlicher Feststellungen hinsichtlich der gemäß Art. 36 Abs. 1 Brüssel-Ia-VO auf das vorliegende Verfahren zu erstreckenden Wirkungen der Beschlüsse des Unternehmensgerichts Antwerpen gemäß dem insoweit anwendbaren belgischen Recht (§ 293 ZPO), namentlich Art. 273 § 1 Nr. 1 des Buchs II des belgischen Handelsgesetzbuchs in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 LondonHBÜ. Es ist der Behauptung der Beklagten nachzugehen, dass nach belgischem Recht die Errichtung des Haftungsfonds die Erhebung einer Leistungsklage gegen die vom Fonds begünstigten Personen ausschließt. Das Berufungsgericht hat bislang hierzu keine Feststellungen getroffen. Dies wird es nachzuholen haben (zu den Anforderungen an die Ermittlung fremden Rechts vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 2022 - II ZR 215/20, WM 2022, 670 [juris Rn. 15] mwN).
Rz. 48
II. Für den Fall, dass nach belgischem Recht die Entscheidungen des Unternehmensgerichts Antwerpen der Erhebung der vorliegenden Leistungsklage nicht entgegenstehen, wird das Berufungsgericht erneut zu prüfen haben, ob die Klage begründet ist.
Rz. 49
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte hafte gegenüber der Klägerin als Binnenschifffahrts-Frachtführerin für den Verlust des Guts. Der Wert des Guts habe sich auf Null reduziert, weil das geladene Düngemittel durch das Sinken des Frachtschiffs verloren gegangen sei. Der Ladungsschaden sei zwischen der Übernahme des Guts zur Beförderung und seiner Ablieferung erfolgt. Die Klägerin sei nach § 421 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 HGB zur Geltendmachung der Ansprüche gegen den Frachtführer berechtigt. Die Beklagte hafte nach Maßgabe der §§ 429 bis 432 HGB. Sie habe den Wert am Ort und zur Zeit der Übernahme zur Beförderung in Höhe von 208.000 € zu ersetzen. Da die Parteien einen CIF-Kauf vereinbart hätten, seien in diesem Betrag auch Beförderungskosten enthalten. Da der Frachtführer auch die Kosten aus Anlass der Beförderung zu erstatten habe, stünden der Klägerin 208.000 € als Schadensersatz zu. Zwar hafte der Frachtführer nach § 431 Abs. 1 HGB nur beschränkt. Der geltend gemachte Schaden erreiche die Höchsthaftung jedoch nicht. Die Beklagte hafte in Höhe von 208.000 €, weil sie ihre Haftung wegen Sachschäden, die an Bord oder in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Betrieb des Schiffs stünden, nicht nach Maßgabe der §§ 5d ff. BinSchG beschränken könne. Die Parteien hätten in Ziffer 5 der Rahmenvereinbarung die Geltung von §§ 4 bis 5m BinSchG wirksam ausgeschlossen. Diese Bestimmungen seien dispositiv. Der Ausschluss sei auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen möglich. Zwar mache die Beklagte nicht nach deutschem, sondern nach belgischem Recht eine Haftungsbeschränkung geltend. Dies sei jedoch nicht beachtlich, weil die Parteien ausdrücklich die Geltung deutschen Rechts vereinbart hätten, nach dem die Beklagte ihre Haftung nicht habe beschränken können. Diese Beurteilung ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Rz. 50
2. Das Berufungsgericht ist ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass die Parteien wirksam die Geltung deutschen Rechts vereinbart haben (s. o. Rn. 32).
Rz. 51
3. Das Berufungsgericht hat ferner angenommen, dass durch den streitgegenständlichen Schiffsunfall eine Haftung der Beklagten als Frachtführerin gemäß den § 425 Abs. 1, §§ 429, 430 HGB in Verbindung mit § 26 BinSchG im von der Klägerin geltend gemachten Umfang begründet wurde. Dies wird von der Revision nicht angegriffen und lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen.
Rz. 52
4. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass die Beklagte nach deutschem Recht ihre Haftung nicht beschränken kann.
Rz. 53
a) Es kommt nicht darauf an, ob die Parteien im Rahmenvertrag vom 18. Juni 2018 die Geltung der §§ 4 bis 5m BinSchG wirksam ausschließen konnten, da die Beklagte sich nach den Vorschriften des Binnenschifffahrtsgesetzes nicht auf eine Beschränkung ihrer Haftung berufen kann.
Rz. 54
aa) Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BinSchG kann der Schiffseigner und gemäß § 5c Abs. 1 Nr. 1 BinSchG auch der Charterer seine Haftung für Ansprüche wegen Personen- und Sachschäden, die an Bord oder in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Betrieb des Schiffes oder mit einer Bergung einschließlich einer Wrackbeseitigung im Sinne von § 4 Abs. 4 BinSchG eingetreten sind, sowie für Ansprüche aus Wrackbeseitigung beschränken, es sei denn, das Schiff wird zum Sport oder zur Erholung und nicht des Erwerbes wegen verwendet. Die Ansprüche unterliegen gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BinSchG der Haftungsbeschränkung unabhängig davon, auf welcher Grundlage sie beruhen, ob sie privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Natur sind und ob sie auf Grund eines Vertrages oder sonstwie als Rückgriffs- oder Entschädigungsansprüche geltend gemacht werden. Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BinSchG sind Ansprüche wegen Sachschäden solche wegen des Verlusts oder der Beschädigung von Sachen. Nach § 5d Abs. 2 BinSchG in der für den Streitfall maßgeblichen, bis zum 30. Juni 2019 geltenden Fassung (BinSchG aF) kann die Haftungsbeschränkung bewirkt werden durch die Errichtung eines Fonds nach der Schiffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung oder durch die Errichtung eines Fonds in einem anderen Vertragsstaat des Straßburger Übereinkommens über die Beschränkung der Haftung in der Binnenschiffahrt - CLNI (BGBl. 1998 II S. 1643; im Folgenden: CLNI 1988).
Rz. 55
bb) Diese Vorschriften führen nicht zu einer Beschränkung der Haftung der Beklagten. Im Streitfall wurde weder ein Haftungsfonds nach der Schiffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung noch ein solcher in einem anderen Vertragsstaat der CLNI 1988 errichtet. Vertragsstaaten der am 30. Juni 2019 außer Kraft getretenen CLNI 1988 waren nur Deutschland, Luxemburg, die Niederlande und die Schweiz (Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Straßburger Übereinkommens über die Beschränkung der Haftung in der Binnenschifffahrt vom 12. April 1999, BGBl. II 1999, S. 388). Der auf der Grundlage des Beschlusses des Unternehmensgerichts Antwerpen vom 14. November 2018 errichtete belgische Haftungsfonds ist kein Haftungsfonds im Sinne von § 5d Abs. 2 BinSchG, weil Belgien nicht Vertragsstaat der CLNI 1988 war oder geworden ist (vgl. BGBl. II 2022, Fundstellennachweis B, S. 915).
Rz. 56
cc) Soweit das Berufungsgericht die Auffassung vertreten hat, dass nach § 5d Abs. 2 BinSchG aF nicht nur Haftungsfonds nach der Schiffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung oder in einem anderen Vertragsstaat der CLNI 1988 errichtete Fonds zu beachten seien, sondern auch nach anderen Vorschriften errichtete Haftungsfonds, gilt dies jedenfalls nicht für den im Streitfall in Belgien errichteten Fonds. § 5d Abs. 2 BinSchG aF erfasst nach seinem klaren und eindeutigen Wortlaut lediglich die in dieser Regelung genannten Haftungsfonds und damit in anderen Staaten als Deutschland errichtete Haftungsfonds allein dann, wenn es sich dabei um einen Vertragsstaat der CLNI 1988 handelt. Nach der Gesetzesbegründung zu § 5d BinSchG aF soll es zwar der Rechtsprechung überlassen bleiben, ob im Einzelfall der Errichtung eines Fonds in einem Nichtvertragsstaat dieselbe Sperrwirkung beigemessen werden soll wie der Errichtung eines Fonds in einem Vertragsstaat der CLNI 1988. Dies erscheint nach der Gesetzesbegründung aber nur gerechtfertigt, wenn sichergestellt ist, dass bei Errichtung des Fonds die Bestimmungen der CLNI 1988 eingehalten werden (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Haftungsbeschränkung in der Binnenschiffahrt, BT-Drucks. 13/8446, S. 26). Das ist hier nicht der Fall. Der in Belgien errichtete Fonds entspricht nicht den Bestimmungen des CLNI 1988, sondern denen des LondonHBÜ.
Rz. 57
b) Eine Haftungsbeschränkung nach § 611 HGB in Verbindung mit dem LondonHBÜ kommt für die Beklagte ebenfalls nicht in Betracht, weil das LondonHBÜ nur auf Seeschiffe Anwendung findet (vgl. Art. 1 Abs. 2 LondonHBÜ). Das Transportschiff, auf dem sich die verloren gegangene Ladung befunden hat, war nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen kein Seeschiff, sondern ein Binnenschiff. Art. 15 Abs. 2 Buchst. a LondonHBÜ sieht zwar vor, dass ein Vertragsstaat durch besondere Vorschriften des innerstaatlichen Rechts die Haftungsbeschränkung für Schiffe regeln kann, die nach dem Recht dieses Staates zur Schifffahrt auf Binnenwasserstraßen bestimmt sind. In Deutschland hat - anders als in Belgien - eine Übertragung dieser Regelungen auf die Binnenschifffahrt jedoch nicht stattgefunden. Die Regelungen zur Haftungsbeschränkung für Binnenschiffe finden sich in den §§ 4 ff. BinSchG, die jedoch - wie dargelegt - im Streitfall nicht zu einer Haftungsbeschränkung der Beklagten führen.
Rz. 58
c) Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, dass sich ein Recht der Beklagten zur Beschränkung ihrer Haftung infolge der Errichtung des Haftungsfonds in Belgien auch nicht aus § 50 SVertO ergibt. Zwar sind nach dieser Vorschrift die in einem anderen Vertragsstaat nach dem LondonHBÜ errichteten Fonds zu beachten. Dies gilt jedoch nur dann, wenn der Gläubiger einen Anspruch gegen einen solchen Fonds geltend gemacht hat. Dies ist vorliegend nicht geschehen.
Rz. 59
5. Die Beklagte kann sich jedoch - unabhängig von den Voraussetzungen des § 50 SVertO - auf eine Beschränkung ihrer Haftung durch den durch Beschluss des Unternehmensgerichts Antwerpen errichteten Haftungsfonds nach belgischem Recht für den Fall berufen, dass er für sie eine haftungsbeschränkende Wirkung entfalten sollte und diese Wirkung gemäß Art. 36 Brüssel-Ia-VO in Deutschland anerkannt werden muss. Insoweit geht Art. 36 Abs. 1 Brüssel-Ia-VO der Vorschrift des § 50 SVertO vor (MünchKomm.HGB/Eckardt, 4. Aufl., § 50 SVertO Rn. 4) und kann zu einer darüber hinausgehenden internationalen Wirkung der Haftungsbeschränkung führen (Ramming/Rittmeister aaO S. 83 Rn. 39).
Rz. 60
III. Für den Fall, dass nach belgischem Recht die Entscheidungen des Unternehmensgerichts Antwerpen die Wirkung haben sollten, dass zwar keine Leistungsklage gegen die Beklagte erhoben werden kann, Ansprüche gegen den Haftungsfonds jedoch voraussetzen, dass ihre Haftung dem Grunde und der Höhe nach durch eine gerichtliche Entscheidung nachgewiesen werden muss, wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob die Klage - wie die Revisionserwiderung vorsorglich geltend macht - als Feststellungsklage begründet ist. Wenn die erhobene Klage als Feststellungsklage aufrechterhalten wird, verstößt dies nicht gegen § 308 ZPO. Eine Feststellung ist im Vergleich zu einem Leistungsgebot ein Weniger. In dem weitergehenden Zahlungsantrag des Klägers ist deshalb sinngemäß ein Feststellungsantrag inbegriffen. Erweist sich die erhobene Leistungsklage als unbegründet, entspricht aber der Erlass eines Feststellungsurteils dem Interesse des Klägers, so kann das Gericht dem in dem Leistungsbegehren enthaltenen Antrag auf Feststellung des Rechtsverhältnisses auch dann stattgeben, wenn dieser Antrag nicht ausdrücklich hilfsweise gestellt ist (BGH, Urteil vom 31. Januar 1984 - VI ZR 150/82, NJW 1984, 2295 [juris Rn. 15 f.]; Urteil vom 6. Februar 1984 - II ZR 88/83, NJW 1984, 1455 [juris Rn. 4]; Urteil vom 1. Juli 1987 - VIII ZR 194/86, WM 1987, 1313 [juris Rn. 33]; Urteil vom 9. April 1992 - IX ZR 304/90, BGHZ 118, 70 [juris Rn. 37]).
Rz. 61
D. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst. Im Streitfall stellt sich keine entscheidungserhebliche Frage (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 18. Oktober 1990 - C-297/88 und C-197/89, EuZW 1991, 319 Rn. 34 - Dzodzi) zur Auslegung des Unionsrechts, die nicht bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt oder nicht zweifelsfrei zu beantworten ist (zu diesem Maßstab vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - 283/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 21 = NJW 1983, 1257 - Cilfit u.a.; Urteil vom 6. Oktober 2021 - C-561/19, NJW 2021, 3303 [juris Rn. 33, 36 und 39 bis 49] - Consorzio Italian Management und Catania Multiservizi).
Koch |
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Löffler |
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Schwonke |
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Odörfer |
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Wille |
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Fundstellen
Haufe-Index 15290151 |
BGHZ 2022, 153 |