Entscheidungsstichwort (Thema)
– Übertragung von Befugnissen der Gesellschafterversammlung auf ein „Schiedsgericht” –
Leitsatz (amtlich)
Der Gesellschaftsvertrag der GmbH kann Befugnisse der Gesellschafterversammlung einem „Schiedsgericht” übertragen. Ein solches Schiedsgericht wird nicht nach Maßgabe der §§ 1025 ff ZPO tätig. Seine Entscheidungen unterliegen wie Gesellschafterbeschlüsse der Nichtigkeits- und Anfechtungsklage. Die Einstimmigkeit des Schiedsspruchs schließt die Anfechtungsklage nicht aus.
Ein Gesellschafter, der einen Gesellschafterbeschluß mit der Nichtigkeits- und (oder) Anfechtungsklage angegriffen hat, kann den Rechtsstreit grundsätzlich auch nach Veräußerung seines Geschäftsanteils fortsetzen.
Normenkette
GmbHG §§ 45, 47
Verfahrensgang
OLG Karlsruhe |
LG Mannheim |
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das am 6. November 1963 verkündete Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, das auch über die Kosten der Revisionsinstanz zu entscheiden hat.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger, Vater und Tochter, sind zu 560.000,00 DM an der beklagten GmbH beteiligt (Gruppe S). Die andere Gesellschaftergruppe, Mitglieder der Familie Z… besitzen Geschäftsanteile über zusammen 565.000,00 DM.
Am 9. April 1953 nahmen die Gesellschafter eine Satzungsänderung vor. Sie stellten dabei die Satzung neu fest.
Danach wird die Gesellschaft entweder durch zwei Geschäftsführer oder durch einen Geschäftsführer und einen Prokuristen vertreten (§ 5). Jede der beiden Gruppen ernennt einen Geschäftsführer (§ 6 Abs. 1). § 6 Abs. 2 bestimmt:
„Der Geschäftsführer der Gruppe Z… ist zuständig und verantwortlich für alle den laufenden Betrieb betreffenden Maßnahmen. Er hat insbesondere zu bestimmen über:
- den Einkauf von Grieß und Mehl zur Herstellung von Teigwaren,
- Arten, Qualitäten und Mengen der Teigwaren, welche hergestellt werden sollen,
- Ort und Zeit der Herstellung von Teigwaren,
- Absatz der Teigwaren,
- alle hiermit (a – d) zusammenhängenden Fragen.
Der Geschäftsführer der Gruppe S… hat die Aufgabe, die Maßnahmen des Geschäftsführers der Gruppe Z… zu überwachen, ohne daß diese Beschränkung in der Geschäftsführung nach außen hin, insbesondere durch Eintragung im Handelsregister, zum Ausdruck kommen soll; der Geschäftsführer der Gruppe S… kann den Maßnahmen des anderen Geschäftsführers widersprechen, wenn diese nicht mit dem wohlverstandenen Interesse der Gesellschaft in Einklang stehen. Im Falle des Widerspruchs soll der Geschäftsführer der Gruppe Z… die beabsichtigte Maßnahme nicht durchführen, es sei denn, daß er diese für dringend geboten hält. Sowohl der Geschäftsführer der Gruppe Z… als auch der Geschäftsführer der Gruppe S… haben im Falle des Widerspruchs die Möglichkeit, eine Gesellschafterversammlung einzuberufen, sofern nicht der Geschäftsführer der Gruppe Z…bereits infolge des erhobenen Widerspruchs auf die Durchführung der beabsichtigten Maßnahmen verzichtet. Die Gesellschafterversammlung entscheidet im Streitfalle endgültig”.
§ 8 der Satzung weist der Gesellschafterversammlung bestimmte Aufgaben zu und bestimmt unter g), daß ihr die Beschlußfassung „über Streitigkeiten zwischen den Geschäftsführern (§ 6)” obliegt. Für Beschlüsse der Gesellschafterversammlung genügt nach § 11 einfache Mehrheit, sofern es nicht um die Auflösung der Gesellschaft geht.
Dem notariellen Protokoll vom 9. April 1953 ist eine Anlage beigefügt, in der die Gesellschafter eingangs bestimmten, daß, solange der Kläger zu 1 oder Mitglieder seiner Familie „Inhaber des Geschäftsanteils gemäß § 4 Ziff. 1” seien, die Satzung mit gewissen „Änderungen” gelten solle.
Nach Ziff. I ist § 6 Abs. 2 „in nachstehender Fassung” anzuwenden, die zunächst die beiden ersten Sätze der Satzungsfassung wörtlich wiederholt und dann fortfährt:
„Der Geschäftsführer der Gruppe S… hat im Innenverhältnis die gleichen Rechte wie der Geschäftsführer der Gruppe Z…mit Ausnahme der soeben aufgeführten Fälle. Der Geschäftsführer der Gruppe S… kann den Maßnahmen des Geschäftsführers der Gruppe Z… – soweit dieser allein bestimmen kann – widersprechen, wenn diese nichtmit dem wohlverstandenen Interesse der Gesellschaft in Einklang stehen. Im Falle des Widerspruchs soll der Geschäftsführer der Gruppe Z… die beabsichtigte Maßnahme nicht durchführen, es sei denn, daß er diese für dringend geboten hält. Sowohl der Geschäftsführer der Gruppe Z… als auch der Geschäftsführer der Gruppe S… haben im Falle des Widerspruchs das Recht, eine Gesellschafterversammlung einzuberufen, sofern nicht der Geschäftsführer der Gruppe Z… bereits infolge des erhobenen Widerspruchs auf die Durchführung der beabsichtigten Maßnahmen verzichtet”.
Ziff. II verlangt für Gesellschafterbeschlüsse u.a. in Fällen des § 8g Einstimmigkeit.
Ziff. III bestimmt:„Kann über die in I und II aufgeführten Fällen Einstimmigkeit nicht erzielt werden, so kann jeder Gesellschafter verlangen, daß der Streit von einem Schiedsgericht entschieden wird”.
Am 26. August 1954 haben die Gesellschafter der Beklagten einen „Schiedsvertrag” geschlossen, in dem sie vereinbart haben, daß jeder Gesellschafter das Recht hat, das Schiedsgericht anzurufen, wenn über die Fälle I und II der „Vereinbarung” vom 9. April 1953 keine Einigung zwischen den Gesellschaftern erzielt werden kann.
Im Jahre 1961 sah das Finanzamt nach einer Buch- und Betriebsprüfung Beträge von zusammen 264.042 DM als verdeckte Gewinnausschüttung an. Nach Erörterung schlug es der Beklagten vor, eine verdeckte Gewinnausschüttung von 57.338,00 DM anzuerkennen und es dabei sein Bewenden haben zu lassen. Während der Geschäftsführer der Gruppe Z…, Frau R…, den Gesellschaftern empfahl, diesen Vorschlag anzunehmen, widersprach der Geschäftsführer der Gruppe S…, T…, der Annahme des Vergleichsvorschlags. In der zur Entscheidung dieses Streits einberufenen Gesellschafterversammlung (vor 22. März 1962) wurde keine Einigung erzielt. Die Gesellschafter der Gruppe Z… riefen das Schiedsgericht an. Es wurde mit Rechtsanwalt Dr. B…, Dr. F… und Rechtsanwalt K… besetzt und erließ am 05. Mai 1962 durch Beschluß einen Schiedsspruch.
Darin wurde die „Zustimmung des Herrn H… S…” – das ist der Kläger zu 1 – zu dem Vergleichsvorschlag des Finanzamtes „ersetzt” und die Geschäftsführung der Beklagten „ermächtigt”, entweder in der Zusammensetzung von zwei Geschäftsführern oder von einem Geschäftsführer zusammen mit einem Prokuristen die Zustimmung gegenüber dem Finanzamt zu erklären.
Der Schiedsspruch ist zugestellt, aber nicht niedergelegt worden. Frau R… hat zusammen mit einem Prokuristen (W…) gegenüber dem Finanzamt die Annahme des Vergleichsvorschlages erklärt.
Die Kläger vertreten den Standpunkt, der Schiedsspruch verletze das Gesetz und die Satzung. Sie haben beantragt, festzustellen, daß der Schiedsspruch des Schiedsgerichts Dr. B… nichtig sei, hilfsweise ihn für nichtig zu erklären, und ganz hilfsweise, die in ihm erteilte Ermächtigung für nichtig zu erklären.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Die Berufung der Kläger hatte keinen Erfolg.
Mit der Revision verfolgen die Kläger ihre Anträgei weiter. Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.
Während der Revisionsinstanz haben die Kläger ihre Geschäftsanteile an der beklagten GmbH veräußert.
Entscheidungsgründe
I.
Das von den Gesellschaftern der Beklagten vorgesehene Schiedsgericht ist ein Gesellschaftsorgan. Das folgt daraus, daß es in die Organisation der Gesellschaft eingebaut ist und in gesellschaftlichen Angelegenheiten entscheiden soll, falls die in der „Vereinbarung” vom 9. April 1953 verlangte Einstimmigkeit in der Gesellschafterversammlung nicht erzielt werden kann.
1. Diese „Vereinbarung” ist Bestandteil der Satzungsänderung vom 9. April 1953 und als solche durch Eintragung ins Handelsregister wirksam geworden. Sie ist in Wirklichkeit ein Gesellschafterbeschluß. Der ausdrücklichen Eintragung ins Handelsregister bedurfte sie nicht, da sie nicht die Vertretungsbefugnis betrifft und darum zur Registereintragung der Satzungsänderung die Bezugnahme auf die beim Registergericht eingereichten Urkunden genügte (§ 54 Abs. 2 GmbHG).
Vom Zeitpunkt der Registereintragung ab galten zwei verschiedene Satzungsfassungen, von denen die eine nur für eine bestimmte Zeit und die andere nach Ablauf dieser Zeit gelten sollte. Das zu bestimmen, steht den Gesellschaftern einer GmbH frei.
2. Es ist zulässig, daß die Gesellschafter Befugnisse der Gesellschafterversammlung einem anderen Organ zuweisen. Das folgt aus der gesellschaftlichen Selbstverwaltung, der § 45 Abs. 2 GmbHG weitesten Spielraum läßt. Hierin sind sich Rechtsprechung (RGZ 137, 305, 308/9; BGH DB 1961, 468) und Literatur einig (Schmidt in Hachenburg, GmbHG § 45 Anm. 50- 52; Scholz, GmbHG § 45 Anm. 1, § 46 Anm. 1).
Ausgenommen sind hiervon nur die Aufgaben, die der Gesellschafterversammlung zwingend zugewiesen sind (Beispiel: Satzungsänderung) oder Aufgaben, die das damit betraute Organ der Sache nach nicht wahrnehmen kann (Beispiel: Dem Geschäftsführer ist seine eigene Entlastung oder Abberufung übertragen).
Die Revision beruft sich auf Baumbach/Hueck (AktG Anm. 1 C vor § 70) dafür, daß der Gesellschafterversammlung nicht das geringste von ihren Rechten und Pflichtenten von einem besonders eingesetzten Organ abgenommen werden könne. Dieses Zitat besagt das zwar für den Vorstand, den Aufsichtsrat und die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft, paßt aber nicht für die der Gesellschafterversammlung einer GmbH dispositiv übertragenen Aufgaben.
3. Die Wirkung des Schiedsspruchs eines als Gesellschaftsorgan tätigen Schiedsgerichts hängt nicht wie die Vollstreckungswirkung eines auf Grund der §§ 1025 ff ZPO ergangenen Schiedsspruchs davon ab, daß er niedergelegt und für vollstreckbar erklärt ist (§ 1039, § 1042 Abs. 1, § 794 Abs. 1 Nr. 4a ZPO), sondern tritt mit seiner Verlautbarung ein, da ein solches Schiedsgericht anstelle des sonst berufenen Gesellschaftsorgans tätig wird.
4. Aus diesem Grunde ist auch nicht die Aufhebungsklage (§ 1041 ZPO), sondern entweder, nämlich wenn entsprechende Akte des sonst zuständigen Gesellschaftsorgans (z.B. Aufsichtsratsbeschlüsse) nicht anfechtbar sind, überhaupt nicht oder, wenn der Schiedsspruch einen Beschluß der Gesellschafterversammlung ersetzt oder vervollständigt, mit der Nichtigkeits- oder mit der Anfechtungsklage angreifbar (Schmidt aaO § 45 Anm. 52, § 46 Anm. 13; Scholz § 42 Anm. 21, § 45 Anm. 1).
So liegt es hier.
II.
Solange die Kläger Gesellschafter der GmbH waren, fehlte ihnen entgegen der Ansicht der Beklagten weder das Feststellungsinteresse für die Nichtigkeitsklage noch das Rechtsschutzinteresse für die Anfechtungsklage.
1. Die Nichtigkeitsklage eines Gesellschafters erfordert keinen besonderen Nachweis des Feststellungsinteresses. Denn das Interesse des Gesellschafters an der Nichtigkeit eines Gesellschafterbeschlusses ergibt aus seiner Zugehörigkeit zur Gesellschaft.
2. Die Anfechtungsklage steht dem Gesellschafter auch dann zu, wenn er kein persönliches Interesse an der Vernichtung des angefochtenen Beschlusses hat. Dies zeigt sich daran, daß das ihr stattgebende Urteil für und gegen alle Gesellschafter wirkt (§ 200 Abs. 1 AktG). Jeder Gesellschafter hat ein Recht darauf, daß die Gesellschafterversammlung nur solche Beschlüsse faßt, die mit Gesetz und Gesellschaftsvertrag in Einklang stehen. Dies durchzusetzen, ist Aufgabe des Anfechtungsrechts. Ein Gesellschafter, der einen Gesellschafterbeschluß anficht, braucht kein besonderes Rechtsschutzinteresse darzutun (RGZ 77, 255, 257; 145, 336, 338; 146, 385, 395; BGH WM 1964, 1188, 1191).
Die Klage konnte daher nicht deshalb abgewiesen werden, weil der Geschäftsführer der Gruppe Z… zusammen mit einem Prokuristen gegenüber dem Finanzamt die Annahme des Vergleichsvorschlags erklärt hat und dies möglicherweise nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.
III.
Es fragt sich, ob die Kläger nach Aufgabe ihrer Mitgliedschaft noch ein rechtliches Interesse an der Fortsetzung des Rechtsstreits haben. Das hängt mit der Frage zusammen, ob die Kläger nach Veräußerung ihrer Geschäftsanteile noch das Prozeßführungsrecht haben. Rechtsschutzbedürfnis und Prozeßführungsbefugnis sind Prozeßvoraussetzungen. Sie sind auch in der Revisionsinstanz zu prüfen, mag auch die Fortdauer der Anfechtungsberechtigung zugleich die Aktivlegitimation und damit die materielle Berechtigung der Klage betreffen.
Auch im Aktienrecht stellt sich die Frage, ob der Nichtigkeits- und (oder) Anfechtungskläger das Prozeßführungsrecht dadurch verliert, daß er seine Gesellschafterstellung während der Dauer des Rechtsstreits aufgibt oder verliert. Sie wird vom aktienrechtlichen Schrifttum einhellig bejaht (Schilling in Großkomm., AktG § 198 Anm. 6; von Godin/Wilhelmi, AktG § 198 II 1; Schlegelberger/Quassowski, AktG § 198 Anm. 2; Baumbach//Hueck, AktG § 198 Anm. 2 A; Teichmann/Koehler, AktG § 198 Anm. 1b). Von dieser Auffassung geht auch das Reichsgericht in seinem Urteil vom 13. Mai 1907 – I 35/06 – (RGZ 66, 134) aus. Es meint, dieser Standpunkt könne wegen der grundlegenden Verschiedenheit von Aktiengesellschaft und Genossenschaft aber nicht ins Genossenschaftsrecht, übernommen werden. Grundsätzlich dauere die Anfechtungsbefugnis des ausgeschiedenen Genossen fort. Eine Ausnahme sei nur für den Fall zu machen, daß der Anfechtungskläger kein Interesse mehr an der Vernichtung des angefochtenen Generalversammlungsbeschlusses habe (RGZ 66, 134, 138; 119, 97, 99).
Dasselbe muß auch gelten, wenn ein GmbH – Gesellschafter, der einen Gesellschafterbeschluß mit der Nichtigkeits- und (oder) Anfechtungsklage angreift, seinen Geschäftsanteil veräußert.
Mit der Veräußerung des Geschäftsanteils geht das Anfechtungsrecht auf den Erwerber über. Es kann nicht dem Veräußerer verbleiben, da es wie alle Herrschafts- (Verwaltungs-) Rechte eines GmbH-Gesellschafters nicht von der Mitgliedschaft ablösbar ist. Der Bundesgerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, daß bei OHG und KG das Stimmrecht des Gesellschafters nicht losgelöst vom Gesellschaftsanteil übertragen werden kann (BGHZ 3, 354; 20, 563; BGH LM § 105 HGB Nr. 6). Er hat dies aus der Gesamthandsbeteiligung hergeleitet. Für die Verwaltungsrechte des Gesellschafters einer GmbH kann nichts anderes gelten. Das folgt bei einer juristischen Person jedoch aus der Einheitlichkeit der Mitgliedschaft.
Der Senat hat in seinem Urteil von 11. Februar 1960 – II ZR 198/59 – (LM § 265 ZPO Nr. 7) den Standpunkt vertreten, daß ein Kommanditist der einen gesellschaftsvertraglichen Anspruch gegen seinen Mitgesellschafter gerichtlich geltend macht, diesen Anspruch auch nach Abtretung seines Gesellschaftsanteils an einen Dritten weiterverfolgen kann (§ 265 ZP0). Ganz entsprechend ist zu entscheiden, wenn ein GmbH-Gesellschafter, der einen Gesellschafterbeschluß mit der Nichtigkeits- und (oder) Anfechtungsklage angegriffen hat, seine Gesellschafterstellung während der Dauer des Prozesses aufgibt oder verliert.
Sowohl das Anfechtungsrecht sowie das Recht, ohne persönliches Interesse die Nichtigkeit eines Gesellschafterbeschlusses feststellen zu lassen, ist Ausfluß des Mitgliedschaftsrechts. Daher findet auf die Abtretung des Geschäftsanteils des Nichtigkeits- und Anfechtungsklägers die Vorschrift des § 265 ZPO Anwendung (Schmidt in Hachenburg, GmbHG § 45 Anm. 21 a). Dies bedeutet, daß die Abtretung des Geschäftsanteils auf den Prozeß keinen Einfluß hat (§ 265 Abs. 2 ZPO).
Die zu erlassende Entscheidung muß aber der Veränderung der materiellen Rechtslage Rechnung tragen (Relevanz – Theorie), da ihr grundsätzlich der Sachstand am Schluß der mündlichen Verhandlung zugrunde zu legen ist. Die Kläger sind nicht mehr Gesellschafter. Sie können daher das Feststellungs- und Rechtsschutzinteresse nicht mehr aus der Gesellschafterstellung herleiten. Gleichwohl sind sie berechtigt, den Rechtsstreit fortzusetzen.
Sie haben behauptet, ihnen seien bei der Veräußerung ihrer Geschäftsanteile alle Rechte vorbehalten worden. Das kann nicht, wie die Beklagte meint, dahin verstanden werden, den Klägern habe für die Nichtigkeitsklage noch ein Rest der Mitgliedsstellung und für die Anfechtungsklage das Anfechtungsrecht vorbehalten bleiben sollen. Denn die Herrschafts- (Verwaltungs-)Rechte eines GmbH – Gesellschafters können nicht von der Mitgliedschaft abgespalten werden und ein vom Mitgliedschaftsrecht unabhängiges Schicksal haben. Der Vorbehalt kann vielmehr nur, bedeuten, daß den Klägern die wirtschaftlichen Vorteile verbleiben sollen, die sie sich aus den anhängigen Prozessen verspreche. Im vorliegenden Fall ist dabei an einen Schadensersatzanspruch zu denken. Ist der Schiedsspruch vom 5. Mai 1962 nichtig oder anfechtbar, so deckte er die Annahme des finanzamtlichen Vergleichsvorschlags so wenig, wie das ein nichtiger oder anfechtbarer Gesellschafterbeschluß getan hätte (vgl. Baumbach/Hueck, AktG § 200 Anm. 2 C). Aus der Annahme dieses Vergleichsvorschlags kann den Klägern ein Schaden erwachsen sein. Die schuldhafte Verletzung der Geschäftsführerpflichten führt allerdings regelmäßig nur zu einem Schadensersatzanspruch der Gesellschaft (§ 43 GmbHG). Ein Schadensersatzanspruch der Gesellschafter ist aber nicht ausgeschlossen (Scholz, GmbHG § 435 Anm. 18, 19). Wenn die Annahme des finanzamtlichen Vergleichsvorschlags zu einen Schaden geführt hat, so hat er in erster Linie die Gesellschaft getroffen. Er könnte sich aber auch auf den Erlös ausgewirkt haben, den die Kläger bei der Veräußerung ihrer Geschäftsanteile erzielt haben. Die bloße Möglichkeit eines Schadensersatzanspruchs und die Behauptung, den Klägern seien bei der Aufgabe ihrer Gesellschafterstellung alle Rechte aus den anhängigen Prozessen vorbehalten worden, reichen aus, um darzutun, daß sie auch nach ihrem Ausscheiden aus der Gesellschaft noch ein rechtliches Interesse an der Fortsetzung des Rechtsstreits haben.
IV.
Soweit die Kläger Feststellung der Nichtigkeit des Schiedsspruchs verlangen, ist die Klage unbegründet. Ein Nichtigkeitsgrund liegt nicht vor. Dazu reicht nur einer der Gründe des § 195 AktG aus, der auch im GmbH – Recht anwendbar ist (BGHZ 11, 231, 235 m.w.Nachw.; 36, 207, 210/11). Fehlende Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung fällt nicht hierunter.
V.
Die Beklagte macht gegenüber der Anfechtungsklage geltend, die Entscheidung des Schiedsgerichts sei einstimmig zustande gekommen, und meint, die Kläger könnten den einem Gesellschafterbeschluß gleichzusetzenden Schiedsspruch so wenig wie einen Gesellschafterbeschluß anfechten, dem sie selbst zugestimmt hätten. Sie übersieht hierbei jedoch, daß der „Schiedsspruch” nicht, durch Stellvertreter der Gesellschafter, sondern durch mit eigenem Stimmrecht. ausgestattete Mitglieder eines Gesellschaftsorgans zustande gekommen ist. Es ist darum ausgeschlossen, die Stimmabgabe der Schiedsrichter als Stimmabgabe des Anfechtungsklägers zu behandeln.
VI.
Den Gesetzesverstoß, der die Anfechtungsklage begründen soll, sehen die Kläger in einer Verletzung der Satzung. Sie meinen: Nach § 6 Abs. 2 beider Fassungen habe der Geschäftsführer der Gruppe Z… das alleinige Bestimmungsrecht für einen Teil der Aufgaben. Hierauf sei die übrige Regelung des § 6 Abs. 2 der sog. Zusatzvereinbarung beschränkt. In Angelegenheiten, die nicht dem Alleinbestimmungsrecht des Geschäftsführers der Gruppe Z… unterlägen, könnten Maßnahmen nur von beiden Geschäftsführern gemeinsam getroffen werden. Derartige Maßnahmen müßten unterbleiben, wenn sich die Geschäftsführer nicht einigen könnten. In diesem Fall könne auch nicht die Gesellschafterversammlung angerufen werden, da ihre Zuständigkeit in § 6 Abs. 2 der Zusatzvereinbarung auf den Fall fehlenden Einverständnisses der Geschäftsführer in Angelegenheiten beschränkt sei, für die diese Regelung dem Geschäftsführer der Gruppe Z… das alleinige Bestimmungsrecht und dem Geschäftsführer der Gruppe …S das Widerspruchsrecht zuweise. Auch die Ziff. II der Zusatzvereinbarung mit der Erwähnung des § 8 Buchst. g) sage nichts anderes, denn diese Satzungsbestimmung nehme auf § 6 ausdrücklich Bezug. Soweit die Gesellschafterversammlung keine Entscheidungsbefugnis habe, sei das Schiedsgericht auch nicht nach Ziff. III der Zusatzvereinbarung zuständig. Die Annahme eines finanzamtlichen Vergleichsvorschlags falle nicht unter § 6 Abs. 2. Das ergebe sich aus dem Schiedsspruch des Schiedsgerichts Dr. K… vom 14. Februar 1958.
Dieses Schiedsgericht ist nicht auf Grund der „Vereinbarung” vom 9. April 1953, sondern auf Grund eines besonderen Schiedsvertrages (vom 5. Januar 1957) nach den §§ 1025 ff ZPO tätig geworden. Es hat ausgesprochen, daß unter das Alleinbestimmungsrecht des Geschäftsführers der Gruppe Z… nicht Erklärungen gegenüber den Finanzamt gehören, die die Veranlagung des Jahresgewinns oder des Vermögens der Gesellschaft betreffen. Derartige Steuererklärungen seien keine den laufenden Betrieb betreffenden Maßnahmen im Sinne des § 6 Abs. 2.
Die Kläger sind der Ansicht, durch den Schiedsspruch Dr. K… sei die für die Dauer ihrer Mitgliedschaft maßgebliche Fassung des § 6 Abs. 2 verbindlich dahin ausgelegt, daß die Abgabe von Erklärungen gegenüber dem Finanzamt zur Körperschaft – und zur Vermögenssteuer nicht unter das Alleinbestimmungsrecht der Frau R… und unterbleiben müsse, falls Dr. T… widerspreche und es zu keiner Einigung der Gesellschafter komme. Dementsprechend hätten die Gesellschafterversammlung und das Schiedsgericht nicht über die Frage der Annahme des finanzamtlichen Vergleichsvorschlags entscheiden dürfen. Da das Schiedsgericht dies doch getan habe, habe es seine Zuständigkeit überschritten und dadurch gegen die Satzung verstoßen.
Das Berufungsgericht hält diese Ansicht für unrichtig. Es meint: Die Bezugnahme des § 8 Buchst. g) auf § 6 könne nicht gut bedeuten, daß die Gesellschafterversammlung und das Schiedsgericht über einen Streit der Geschäftsführer nur in Fällen des Alleinbestimmungsrechts des Geschäftsführers der Gruppe Z… entscheiden dürften, in allen übrigen Fällen dagegen nicht. Sonst, würde der Rechtszug Gesellschafterversammlung – Schiedsgericht zwar gegeben sein, wenn sich die Geschäftsführer nicht über Art und Qualität der Teigwaren (§ 6 Abs. 2 Buchst. b) und ähnliche Kleinigkeiten stritten, nicht aber, wenn sie sich über den Neubau eines Werksgebäudes, Erklärungen gegenüber dem Finanzamt und die Führung von Rechtsstreitigkeiten, auch von solchen gegen die Beklagte, nicht einigen könnten. Das könne nicht gemeint sein. Darum müsse die in § 8 Buchst. g) und § 6 Abs. 2 getroffene Regelung ausgelegt werden. Dem Schiedsgericht Dr. K… sei darin beizupflichten, daß die Auslegung der Satzung den Geist des die beiden rivalisierenden Gesellschaftergruppen umfassenden Gesellschaftsvertrages dem Beteiligungsverhältnis und den wirtschaftlichen Gegebenheiten entsprechen müsse und daß die Gesellschafterversammlung und gegebenenfalls das Schiedsgericht auch zu entscheiden hätten, wenn sich die Geschäftsführer über andere Maßnahmen als die des laufenden Betriebes nicht verständigten. Wenn § 8 Buchst. g) die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung bloß für Streitigkeiten der Geschäftsführer über Maßnahmen des laufenden Betriebes habe begründen sollen, so sei er überflüssig, da diese Zuständigkeit schon § 6. Abs. 2 herstelle. Er sei dagegen notwendig, wenn die Gesellschafterversammlung für alle sich aus § 6 ergebenden Streitigkeiten der Geschäftsführer zuständig sein solle. Demzufolge sei das Schiedsgericht Dr. B… zur Entscheidung berufen gewesen, gleichviel, ob die Annahme oder Ablehnung des Vergleichsvorschlags des Finanzamts zu den den laufenden Betrieb betreffenden Maßnahmen gehöre oder nicht.
Das Berufungsgericht hat nur geprüft, ob Maßnahmen der umstrittenen Art zur Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung gehören, und ungeprüft gelassen, ob die Entscheidung über die derartige Maßnahmen nicht jeder der beiden Gesellschaftergruppen vorbehalten war. Damit wird es dem Vortrag der Kläger nicht gerecht.
Er geht dahin, daß die Entscheidung über andere Maßnahmen als solche, die den laufenden Betrieb betreffen, nicht der Gesellschafterversammlung, sondern jeder der beiden Gesellschaftergruppen vorbehalten worden sei. Das kommt zwar nur unklar zum Ausdruck, ist aber der Sinn des Vortrages der Kläger, wie am deutlichsten noch auf S. 4 Schriftsatzes vom. 90. Oktober 1962 (Bl. 107 d.A.) dargelegt ist.
Dieser Vortrag ist erheblich.
1. Der Kläger zu 1 hatte schon vor dem Schiedsgericht Dr. K… behauptet, er habe im Jahre 1936 bei Erwerb seiner Mitgliedschaft die Majorität erworben, sie jedoch niemals ausgenutzt und mit J… Z… im Jahre 1943, als er diesem die Majorität überlassen habe, besprochen, daß auch er nicht majorisiert werden wolle. Tatsächlich stehen sich in der Beklagten zwei Gesellschaftergruppen gegenüber, von denen die eine, die Gruppe Z…, nur ein kleines Übergewicht über die andere, die Gruppe S…, hat. Es liegt daher nahe, daß am 9. April 1953 eine Regelung getroffen wurde, die beide Gruppen in allen wichtigen Fragen wie gleichberechtigte Gesellschafter stellte.
In einer GmbH mit zwei gleichberechtigten Gesellschaftern, die entweder zugleich Geschäftsführer sind oder je einen Geschäftsführer haben, müssen alle Maßnahmen unterbleiben, die der eine vornehmen will, während der andere widerspricht. Das folgt aus dem Rechtsgedanken, der in § 115 HGB seinen Niederschlag gefunden hat (Schilling in Hachenburg, GmbHG § 35 Anm. 34 a). § 6 Abs. 12 der eigentlichen Satzung der Beklagten modifiziert diesen Grundsatz dahin, daß der Kläger zu 1, der noch bis zum 1. Dezember 1955 der Geschäftsführer seiner Gruppe war, den Maßnahmen des anderen Geschäftsführers widersprechen durfte, wenn diese nicht mit dem wohlverstandenen Interesse der Gesellschaft in Einklang standen, und derartige Maßnahmen zu unterbleiben hatten, es sei denn, daß der Geschäftsführer der Gruppe Z… ihre Durchführung für dringend geboten hielt.
In dem Vortrag der Kläger zu entnehmen ist, sollte diese Rechtsstellung ihres Geschäftsführers durch die Zusatzvereinbarung nicht verschlechtert werden. Darauf läuft aber die Auslegung des Berufungsgerichts hinaus, da dabei eine der Gruppe der Kläger angeblich vorbehaltene Entscheidungdurch das Schiedsgericht ersetzt werden könnte.
Der an der Regelung vom 9. April 1953 Beteiligten konnte es sinnvoll erscheinen, nur die Durchführung der den laufenden Betrieb betreffenden Maßnahmen durch den Einbau des Schiedsgericht zu sichern, die Entscheidung über alle anderen, vielleicht wichtigeren Angelegenheiten aber der Gruppe S… mit vorzubehalten, um die Gesellschafter auf diese Weise zur Einigung zu zwingen und die Parität zu wahren.
Daß die beiden Gruppen in fortwährendem Streit miteinander leben, spricht nicht gegen die Darstellung der Kläger. Auch das immer wieder von beiden Seiten angerufene Schiedsgericht hat die Streitigkeiten nicht zu unterbinden oder zu mindern vermocht. Es kommt vielfach vor, daß GmbH handlungsunfähig wird, wenn sich die beiden gleichberechtigten Gesellschafter oder Gesellschaftergruppen über zu treffende Maßnahmen nicht verständigen können. Daß es bei der Beklagten genauso liegt, ist kein Grund, den Klägern ein Schiedsgericht aufzuzwingen, das nur beschränkt zuständig sein sollte.
Gegen die Darstellung der Kläger spräche es dagegen, wenn sie den Mangel der Zuständigkeit, wie es nach den Prozeßunterlagen den Anschein hat, weder vor der Gesellschafterversammlung noch vor dem Schiedsgericht gerügt hätten und mit diesem Gesichtspunkt erst im vorliegenden Rechtsstreit hervorgetreten wären. Denn dann spräche die Handhabung der Regelung gegen sie. Aus ihrem Verhalten auf der Gesellschafterversammlung und vor dem Schiedsgericht läßt sich dagegen nicht ableiten, daß hierdurch die Regelung vom 9. April 1953 geändert worden sei. Denn die Kläger kämpften stets um ihre Gleichberechtigung, und durch eine bestimmte Handhabung der Satzung laßt sich deren Inhalt nicht ändern.
2. Ist aber damit zu rechnen, daß den Klägern in Angelegenheiten, die den laufenden Betrieb betreffen, die Entscheidung unersetzbar vorbehalten war, so kommt es noch darauf an, ob die Annahme des finanzamtlichen Vergleichsvorschlags eine solche Angelegenheit ist oder nicht.
a) Der Schiedsspruch des Schiedsgerichts Dr. K…nimmt, soweit er von Erklärungen gegenüber dem Finanzamt handelt, eine Satzungsauslegung vor. Nur insoweit ist er für den vorliegenden Rechtsstreit von Bedeutung und vom Senat zu beurteilen.
Die Beklagte kann mit ihrem Standpunkt, dieser Schiedsspruch gehe über eine bloße Satzungsauslegung hinaus und sei in Wirklichkeit eine Satzungsänderung, nicht durchdringen. Nach dem Vertrag vom 5. Januar 1957 sollten die Entscheidungen des auf Grund dieses Vertrages tätig werdenden Schiedsgerichts endgültig sein. Hieran ist auch die Beklagte gebunden. Sie hat allerdings diesen Vertrag nicht abgeschlossen, das haben ihre Gesellschafter getan. Sie kann aber nicht nach einem als dem für ihre Gesellschafter maßgebenden Satzungsinhalt leben. Es kommt daher nicht darauf an, daß nach § 1040 ZPO ein Schiedsspruch nur unter den Parteien die Wirkungen eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils hat. Angesichts des endgültigen Charakters des Schiedsspruchs kann die Beklagte so wenig wie gegenüber einem gerichtlichen Urteil, das die Satzung auslegt, geltend machen, es handle sich nicht um eine Satzungsauslegung, sondern um eine Satzungsänderung.
b) Steht aber bindend fest, daß es Satzungsinhalt ist, daß „Erklärungen dem Finanzamt gegenüber, welche die Veranlagung des Jahresgewinns oder des Vermögens der Gesellschaft betreffen”, nicht zu den den laufenden Betrieb betreffenden Maßnahmen im Sinne des § 6 Abs. 2 gehören, dann kann die Frage, ob in derartigen Steuersachen ein Rechtsmittel eingelegt oder ein Vergleich mit dem Finanzamt geschlossen werden soll, nicht anders beurteilt werden.
Es kommt daher entscheidend darauf an, ob es jeder der beiden Gesellschaftergruppen vorbehalten war, endgültig über Maßnahmen zu entscheiden, die im Sinne des § 6 Abs. 2 nicht den laufenden Betrieb betreffen.
Das Berufungsurteil konnte daher nicht bestehen bleiben.
Die Kläger werden bei der Wiederverhandlung Gelegenheit haben, ihre S. 11 der Revisionsbegründung (Ziff. III 9) unter dem Vorwurf einer Verletzung des § 139 ZPO eingeführten Beweisantritte anzubringen.
Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsinstanz hängt vom endgültigen Ausgang der Sache ab und daher dem Berufungsgericht vorzubehalten.
Fundstellen
Haufe-Index 609486 |
BGHZ, 261 |
NJW 1965, 1378 |
DNotZ 1966, 296 |